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Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 11 Sa 159/17, Urteil vom 13.02.2018

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2016 – 58 Ca 4610/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am ….. 1979 geborene, ledige Kläger ist seit dem 5. Juli 2002 bei der beklagten Kirchengemeinde, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, zunächst als Saisonkraft von Juli bis einschließlich November 2002, von Februar bis einschließlich Dezember 2003 und ab Januar 2004 ganzjährig als Garten- und Friedhofsarbeiter mit der Pflege der Garten- und Friedhofsflächen und Aufgaben im Bestattungswesen gegen ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen in Höhe von 2.700,- Euro tätig.

Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

Die Beklagte beschäftigt von ihren mehr als zehn Arbeitnehmern allein auf dem von ihr betriebenen Friedhof neun Arbeitnehmer als Garten- und Friedhofsarbeiter, davon sechs Arbeitnehmer, u. a. auch den Kläger, ganzjährig und weitere drei Arbeitnehmer als Saisonarbeitskräfte in der Zeit vom 1. März bis 31. Dezember eines jeden Jahres. Von diesen neun Arbeitnehmer ist einer (Herr S.) als Vorarbeiter der übrigen Arbeitnehmer beschäftigt. Drei Arbeitnehmer (Herr A., Herr H. und Frau T.) sind als langjährig Beschäftigte ordentlich unkündbar. Daneben waren auf dem Friedhof Herr G., (43 Jahre alt, zwei Kinder, fünf Jahre Betriebszugehörigkeit), der 35-jährige Herr K. (verheiratet, zwei Kinder, 9 Jahre Betriebszugehörigkeit ) und Herr M. (46 Jahre alt, verheiratet, vier Jahre Betriebszugehörigkeit) sowie Herr R. (51 Jahre alt, elf Jahre Betriebszugehörigkeit) tätig.

Im Jahr 2015 wurden die Arbeitszeiten der auf ihrem Friedhof beschäftigten Arbeitnehmer durch den dort tätigen Vorarbeiter erfasst und ein Betriebskonzept erstellt. Zur Zeit der Erfassung der geleisteten Stunde auf dem Friedhof war ein Arbeitnehmer (Herr A.) seit 2014 langzeiterkrankt und eine Saisonarbeitskraft (Herr M.) im Zeitraum von Februar bis August 2015 arbeitsunfähig erkrankt.

Nach Erstellung dieses Betriebskonzepts fasste der Gemeindekirchenrat den Beschluss, mit Wirkung vom 1. Juli 2016 zwei Vollzeitstellen entfallen zu lassen.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 hörte die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Kündigung u. a. des Klägers an und begründete dies mit dem Ergebnis einer durchgeführten Analyse, wonach im Verhältnis von vorhandener Arbeitskapazität und anfallender Arbeitsmenge ein Arbeitskräfteüberhang bestehe, der sich durch beabsichtigte Optimierung der Abläufe und teilweisen Fremdvergaben weiter erhöhe und insgesamt zwei Vollzeitkräfte entbehrlich mache. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben (Bl. 75 ff. d. A.) verwiesen. Die Mitarbeitervertretung beantragte daraufhin eine mündliche Erörterung, die am 11. Januar 2016 stattfand. Nachdem die Mitarbeitervertretung sich in der Folge nicht weiter geäußert hatte, erklärte die Beklagte gegenüber der Mitarbeitervertretung mit E-Mail vom 1. Februar 2016 den Abschluss der Erörterung.

Mit Schreiben vom 23. März 2016, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das zum Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. September 2016. Sie sprach daneben auch dem Arbeitnehmer M. eine Kündigung zum 30. Juni 2016 aus.

Gegen seine Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 6. April 2016 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 14. April 2016 zugestellten Klage gewandt und deren Unwirksamkeit geltend gemacht. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass jeder Mitarbeiter voll ausgelastet gewesen sei und ein Arbeitskräfteüberhang nicht bestanden habe. In der Analyse der Beklagten seien nicht alle Arbeiten berücksichtigt worden und auch die erforderlichen Arbeitszeiten für die unterschiedlichen Arbeitsvorgänge deutlich höher als von der Beklagten angenommen. Die Ermittlung des Zeitbedarfs sei im Übrigen nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat weiter die Fremdvergabe sowie die behauptete Einsparung durch Optimierung der Arbeitsabläufe, die Richtigkeit der Sozialauswahl und eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung bestritten.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 23. März 2016, zugegangen am gleichen Tag, zum 30. September 2016 enden wird, sondern über diesen Tag hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat sie vorgetragen, der von ihr betriebene Friedhof arbeite defizitär. Sie habe wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage ein neues Betriebskonzept in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis gekommen sei, dass auf dem Friedhof ein Personalüberhang bestehe und durch weitere Maßnahmen insgesamt zwei Vollzeitstellen eingespart werden könnten.

Die zur Verfügung stehende jährliche Arbeitszeit der Garten- und Friedhofsmitarbeiter habe insgesamt 13.572 Stunden betragen. Im Jahresdurchschnitt fielen zur Erledigung aller anfallenden Arbeiten auf dem Friedhof bezogen auf alle Arbeiter insgesamt aber nur 11.310 Stunden an. Zu dieser Unterauslastung komme eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit durch Fremdvergabe im Umfang von 1.123,20 Stunden und durch Optimierung der Arbeitsabläufe im Umfang von weiteren 2.354,80 Stunden hinzu. Der Arbeitsanfall könne deshalb auch nach Wegfall von zwei Arbeitskräften mit 3.276 Stunden jährlich ohne Überstunden erledigt werden. Die Beklagte habe deshalb am 5. Dezember 2015 (Anlage B 1, Bl. 74 d. A.) beschlossen, auf zwei Vollzeitstellen zu verzichten.

Die Beklagte trägt dazu u.a. vor, dass kein einziger Mitarbeiter mit der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit voll ausgelastet gewesen sei, obwohl der Mitarbeiter A. länger dauerhaft krank gewesen sei. Überstunden seien nicht angefallen und auch zukünftig nicht zu erwarten. Der Mitarbeiter A. nehme zudem ab dem 1. Januar 2017 über das Hamburger Modell wieder die Arbeit auf.

Auch die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß nach einem Punktemodell durchgeführt worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei den Mitarbeitern T., A. und H. die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen sei. Der Mitarbeiter S. sei Vorarbeiter und deshalb nicht auf derselben hierarchischen Ebene wie der Kläger tätig. Der Kläger habe im Ergebnis der Sozialauswahl 55,5 Punkte und der weitere Mitarbeiter M. 56 Punkte erreicht. Demgegenüber hätten die weiter in die Sozialauswahl einbezogenen Mitarbeiter Kraus und R. jeweils 67,5 Punkte und der Mitarbeiter G. 64,5 Punkte erreicht. Dem Kläger und dem Mitarbeiter M. sei daher gekündigt worden.

Schließlich sei auch das Verfahren der Mitarbeiterbeteiligung ordnungsgemäß durchgeführt worden. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 habe die Mitarbeitervertretung den Erhalt des Anhörungsschreibens am 11. Dezember 2015 bestätigt und eine Erörterung beantragt. Am 11. Januar 2016 habe das Erörterungsgespräch stattgefunden und am 01. Februar 2016 habe sie die Erörterung für abgeschlossen erklärt.

Mit seinem Urteil vom 15. Dezember 2016, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. März 2016 nicht beendet worden ist. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte für die Kündigung das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe nicht ausreichend dargelegt habe. Die Beklagte berufe sich auf innerbetriebliche Gründe, deren Vorliegen vom Arbeitsgericht voll nachzuprüfen sei. Dabei seien in Fällen wie dem vorliegenden, in denen einzelne Arbeitsplätze gestrichen würden, gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag der Beklagten nicht. Er sei unschlüssig, weil Angaben zu Zeitanteilen der Arbeitsauslastung der einzelnen Arbeitnehmer nicht substantiiert seien. Die von der Beklagten dargelegten Durchschnittswerte seien nicht schlüssig begründet. Denn die Auslastung hänge auch von der individuellen Leistungsfähigkeit ab, die bei jedem Arbeitnehmer unterschiedlich ausgeprägt sein könne. Daher seien pauschale Angaben nicht ausreichend. Die mitgeteilten Durchschnittswerte seien nicht mit Tatsachen unterlegt, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, in welchem Umfang ggfls. ein Arbeitskräfteüberhang bestehe. Daher könne ein betriebliches Erfordernis für die Kündigung des Klägers nicht angenommen werden. Auf die weiteren Fragen, insbesondere zur Zeitersparnis durch Fremdvergabe und Optimierung der Arbeitsabläufe sowie der ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung komme es daher nicht mehr an.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Gegen das der Beklagten am 6. Januar 2017 zugestellte Urteil hat sie mit dem am 6. Februar 2017 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. April 2017 mit dem am 6. April 2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hält die Kündigungen vom 23. März 2016 für wirksam und trägt unter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und Wiederholung sowie Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor, der Bedarf an der Arbeitskraft des Klägers sei dauerhaft und ersatzlos entfallen. Das von ihr in Auftrag gegebene Betriebskonzept sei zu dem Ergebnis gekommen, dass für insgesamt 5.740 Arbeitsstunden pro Jahr kein Bedarf bestehe. Sie habe daher die Entscheidung getroffen, zwei Arbeitnehmern zu kündigen. Ihren Vortrag habe das Arbeitsgericht zu Unrecht als unschlüssig und unsubstantiiert angesehen. Sie habe alle anfallenden Arbeiten und den dafür benötigten Zeitaufwand dargelegt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes habe sie auch keine bloßen Durchschnittswerte vorgetragen, sondern den Zeitaufwand anhand von Stundenzetteln individuell ermittelt und dafür auch zulässigen Beweis angeboten. Auch hinsichtlich des Vortrags zur Optimierung der Arbeitsabläufe seien von ihr keine Schätzwerte vorgetragen, sondern in Selbstversuchen ermittelte und auf Erfahrungswissen von vergleichbaren Friedhöfen beruhende Werte zugrunde gelegt worden. Die Entscheidung sei daher fehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe die Beweisangebote zu Unrecht übergangen und als Ausforschung bewertet. Ferner habe das Arbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast überzogen und ihren Vortrag zu Unrecht als unsubstantiiert bewertet. Ihr Vortrag genüge den Anforderungen der Rechtsprechung. Im Einzelnen ergäbe sich folgendes:

Der Kläger leiste im Jahr statt der zur Verfügung stehenden 1.638 Stunden Arbeit im Umfang von nur 1.436,4 Stunden und sei damit im Umfang von 201,6 Stunden nicht ausgelastet gewesen. Nach der Auswertung der Stundenzettel, die für die Erstellung des Betriebskonzepts geführt worden seien, habe sich ein Überhang von 2.262 Arbeitsstunden im Jahr ergeben. Durch die Optimierung von Arbeitsabläufen ergebe sich ein weiteres Einsparpotential im Umfang von 2.354,8 Stunden jährlich. Weitere Arbeiten im Umfang von 1.132,2 Stunden pro Jahr würden fremd vergeben. Daraus errechne sich ein Personalüberhang von drei Arbeitnehmern. Sie habe daher die unternehmerische Entscheidung zum Ausspruch zweier Kündigungen getroffen. Dies führe nicht dazu, dass die verbleibenden Arbeitnehmer über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten müssten oder überobligatorisch in Anspruch genommen würden. Ihre Entscheidung die innerbetrieblichen Betriebsabläufe umzuorganisieren, verbleibende Tätigkeit umzuverteilen bzw. an Dritte fremd zu vergeben sei nicht missbräuchlich. Zudem führe der sich abzeichnende Trend zu kostengünstigeren und pflegleichteren Bestattungen zu abnehmender Arbeitsmenge. Es sei auch in der Vergangenheit nie zu Überstunden gekommen, obwohl der Arbeitnehmer A. seit ca. 1 ½ Jahren arbeitsunfähig erkrankt sei. Auch nach dem Ausspruch der Kündigungen seien keine Überstunden angefallen. Ihre unternehmerische Entscheidung sei daher auch durchführbar. Bei der durchzuführenden Sozialauswahl sei der Kläger am wenigstens schutzbedürftig gewesen. Auch wenn man einen Personalüberhang von weniger als zwei Vollzeitstellen annähme, wäre dem Kläger zu kündigen gewesen. Denn der ebenfalls gekündigte Arbeitnehmer M. sei schutzwürdiger gewesen. Dieser sei von Februar bis Dezember 2011 sowie in den Jahren danach jeweils im Zeitraum von Februar bis Dezember eines Jahres als Saisonkraft aufgrund eines zuletzt unbefristeten Arbeitsvertrages beschäftigt gewesen. Die zurückgelegten Beschäftigungszeiten seien daher ohne Unterbrechung zu berücksichtigen und zusammenzurechnen. Er weise mit seinem Lebensalter von 46 Jahren ein im Vergleich zum Kläger mit seinen 36 Jahren ein höheres Lebensalter auf und sei gegenüber seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet. Im Ergebnis der nach einem von Bundesarbeitsgericht anerkannten Punkteschema durchgeführten Sozialauswahl sei er gegenüber dem Kläger sozial schutzwürdiger.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2016 – 58 Ca 4610/16 – abzuändern die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags als zutreffend und meint, der Vortrag der Beklagten sei noch immer unkonkret und unzutreffend. Die von der Beklagten aufgeführten Arbeiten seien nach wie vor unvollständig und mit zu niedrigen Zeitanteilen dargestellt. Er bestreite die Existenz des behaupteten Betriebskonzepts sowie einen Arbeitskräfteüberhang. Es seien vielmehr seit seiner Kündigung viele Arbeiten liegen geblieben bzw. nicht erledigt worden. Der entstandene Pflegrückstand sei nur durch Mehrarbeit aufzuholen. Optimierungsmöglichkeiten bestünden nicht und auch die Fremdvergaben würden bestritten, Insbesondere seien die Mäharbeiten von Rasenstellen seit 2016 nicht mehr erfolgt. Die behauptete Entscheidung der Beklagten sei insgesamt weder nachvollziehbar, noch umsetzbar. Jedenfalls sei aber auch die Soziaalauswahl fehlerhaft erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien, die – soweit entscheidungserheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Sie ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist aber unbegründet und war daher zurückzuweisen. Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 23. März 2016 nicht beendet worden ist. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht hat zu Recht auf die Unwirksamkeit der Kündigung erkannt. Denn die Kündigung vom 23. März 2016 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zu beenden vermocht. Aus dem Vortrag der Beklagten, zu Ihren Gunsten als wahr unterstellt – auch soweit er vom Kläger bestritten ist – ergibt sich nicht der von ihr der Kündigungsentscheidung zugrunde gelegte Personalüberhang von drei Vollzeitkräften, sondern im streitentscheidenden Zeitpunkt der Kündigungserklärung ein Überhang in einem Umfang von weniger als einer Vollzeitkraft. Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es demnach auf die Sozialauswahl an, die vorliegend nicht zu Lasten des Klägers ausgehen darf.

1.

Die zulässige und rechtzeitig innerhalb der materiellen Ausschlussfrist der §§ 4, 7 KSchG gegen diese Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers ist begründet. Diese Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Keine von der Beklagten vorgetragenen Begründungen rechtfertigen die Kündigung. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 3 KSchG nicht sozial gerechtfertigt und damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Die Kündigung ist vorliegend am Maßstab des § 1 KSchG zu messen. Das KSchG findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig Anwendung. Die Beklagte besitzt im Zeitpunkt des Kündigungszugangs die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Betriebsgröße, denn sie beschäftigte unstreitig mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat im Betrieb der Beklagten auch länger als sechs Monate, nämlich mehr als 13 Jahre bestanden. Die Unwirksamkeit der Kündigung ist auch innerhalb der materiellen Ausschlussfrist von drei Wochen nach § 4 KSchG i. v. m. § 167 ZPO durch Erhebung der Kündigungsschutzklage rechtzeitig geltend gemacht.

2.

Dringende betriebliche Erfordernisse für die Kündigung von zwei Vollzeitkräften hat die Beklagte nicht dargelegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Kündigung sowohl auf außerbetriebliche als auch auf innerbetriebliche Gründe berufen. Sie hat sich darauf berufen, es habe schon ein Personalüberhang bestanden und sie habe sich zur Anpassung an den bestehenden Arbeitskräftebedarf entschlossen. Weiter hat sie die unternehmerische Entscheidung behauptet, Arbeitsabläufe zu optimieren und Tätigkeiten an Dritte zu vergeben. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Von den Gerichten nachzuprüfen ist jedoch, ob eine kündigungsbegründende unternehmerische Entscheidung vorliegt und ob es sich um eine gestaltende oder um eine selbstbindende Entscheidung handelt. Dabei gelten unterschiedliche Kontrollmaßstäbe. Soweit die Beklagte ihren Kündigungsentschluss darauf stützt, die Entscheidung getroffen zu haben, die Anzahl der Arbeitnehmer an den vorhandenen Arbeitskräftebedarf anzupassen, liegt eine sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung vor. Diesbezüglich ist gerichtlich voll überprüfbar, ob die angegeben Ursachen vorliegen, also ein Überhang besteht und das Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfällt (BAG, Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 600/88 – AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 = NZA 1990, 65). Hinsichtlich der Fremdvergaben und den behaupteten Optimierungen handelt es sich um eine gestaltende Unternehmerentscheidung. Hierbei muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken (BAG Urteil vom 24. Oktober 1979 – 2 AZR 940/77 – BAGE 32, 150). Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Hier ist zu prüfen, ob diese umgesetzt ist und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2004 – 2 AZR 66/04 – AP Nr. 133 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA 2005, 761). Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung von zwei Vollzeitkräften nicht anzunehmen. Die Beklagte geht nach Auffassung der Kammer von einem überhöhten Personalüberhang aus.

a)

Soweit die Beklagte sich auf die Auswertung der im Jahr 2015 vom dazu als Zeugen vernommenen Vorarbeiter S. beruft, ergibt sich daraus kein Überhang an Arbeitszeit im Umfang von jährlich 2.262 Stunden. Dabei kann als erwiesen angesehen werden, dass diese Stundenzettel tatsächlich geführt wurden. Der Zeuge S. hat dies in seiner Zeugenaussage bestätigt. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage hat die Kammer nicht. Zu Gunsten der Beklagten kann auch unterstellt werden, dass sich daraus ein Arbeitszeitbedarf von 11.310 Stunden jährlich ergaben.

aa)

Die Kammer folgt allerdings nicht der daraus von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerung, dass eine jährliche Arbeitszeit im Umfang von 2.262 Stunden im Überhang ist. Dabei kann offen bleiben, wie es sich auswirkt, dass die Beklagte in der Anhörung der Mitarbeitervertretung mit anderen als den im Prozess vorgetragenen Zahlen operiert hat. Auch wenn man grundsätzlich der von der Beklagten zugrunde gelegten Berechnung der Jahresarbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer folgt und unter pauschalierter Berücksichtigung von Fehlzeiten aufgrund Urlaub und Arbeitsunfähigkeit für die ganzjährig beschäftigten Arbeitnehmer eine Jahresarbeitszeit von 1.638 Stunden und für die Saisonkräfte eine Jahresarbeitszeit von 1.248 Stunden in Ansatz bringt, errechnet sich nicht der von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrundeliegende Überhang. Die Beklagte hat bei ihrer Berechnung sechs ganzjährig beschäftigte Arbeitnehmer und drei Saisonkräfte berücksichtigt und insgesamt eine zur Verfügung stehende Jahresarbeitszeit von 15.572 Stunden pro Jahr ermittelt. Dabei hat sie aber jedenfalls nicht berücksichtigt, dass in dieser Summe auch die Jahresarbeitszeit des langzeiterkrankten Arbeitnehmers A. enthalten ist, der seit 2014 dauerkrank war und dessen Rückkehr im Kündigungszeitpunkt nicht absehbar war. Weiter ist darin auch die komplette Jahresarbeitszeit des im Zeitraum der Arbeitszeiterfassung immerhin für die Dauer von sechs Monaten erkrankten Arbeitnehmers enthalten. Zieht man die für die beiden erkrankten Arbeitnehmer auf deren Fehlzeiten entfallende Arbeitszeit (A.: 1.638 h; M. : 624 h) von der rechnerisch zur Verfügung stehenden Arbeitszeit für alle neun auf dem Friedhof eingesetzten Arbeitnehmern von 13.572 Stunde pro Jahr ab, ergibt sich exakt der Wert, der sich nach dem Vortrag der Beklagten nach der Auswertung der Stundezettel als benötigte Jahresstundenzahl von 11.310 Stunden ergibt. Damit korrespondiert auch die Aussage des Zeugen S., der in seiner Vernehmung angegeben hat, sämtliche vorhandenen Arbeitnehmer seien vollbeschäftigt gewesen.

bb)

Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls die auf den Arbeitnehmer A. wegen seiner im Kündigungszeitpunkt nicht prognostizierbaren Rückkehr entfallende Jahresarbeitszeit herauszurechnen. Denn diese stand der Beklagten tatsächlich und auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung. Der Personalüberhang besteht in der Differenz zwischen Personalbestand und Personalbedarf. Der Personalbedarf bildet sich aus den Faktoren Arbeitsmenge und Arbeitsverteilung. Geht man also mit der Beklagten von einem Bedarf von jährlich 11.310 Stunden aus, bestand – ohne auf die noch einzugehenden Auswirkungen der Optimierungen und der Fremdvergaben auf den Beschäftigungsbedarf – kein Personalüberhang, solange der Arbeitnehmer A. nicht – voll leistungsfähig – seine Arbeitskraft bzw. das mit ihm vereinbarte Arbeitszeitdeputat zur Verfügung stellte. Denn kündigungsrechtlich ist der zu betrachtende Personalbestand die Zahl der tatsächlich zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer. Ein Grund zur Kündigung wegen Personalüberhangs ist nur anzunehmen, wenn hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeiten mehr Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, als die zur Verfügung stehende Arbeitsmenge ausmacht (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10 – AP Nr. 189 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA 2012, 852; Oetker in Erfurter Kommentar, 18. Auflage 2018, § 1 KSchG Rn. 220 m. w. N.). Kündigungsrechtlich ist dafür entscheidend, dass bei Ausspruch der Kündigung die Prognose gerechtfertigt ist, bei Auslaufen der Kündigungsfrist werde aus dringenden betrieblichen Erfordernissen kein Weiterbeschäftigungsbedarf für den Kläger mehr bestehen. Dies war hier nicht der Fall. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer M. seine Arbeitsunfähigkeit überstanden hatte und seine Arbeitszeit der Beklagte wieder tatsächlich in vollem Umfang zur Verfügung stand, gilt dies für die Arbeitszeit des Arbeitnehmers A. nicht. Dieser war langzeiterkrankt und seine Rückkehr ungewiss. Die Beklagte hat den Arbeitnehmer A. noch in der Berufungsbegründung vom 6. April 2017 (S. 10, Bl. 252 d. A.) als bis auf weiteres arbeitsunfähig bezeichnet. Auch wenn man mit der Beklagten annehmen wollte, dass grundsätzlich mit der Rückkehr des Arbeitnehmers A. zu rechnen war, war jedoch der Zeitpunkt ungewiss. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im Kündigungszeitpunkt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers A. nur bis zum 3. April 2016 vorlag. Das bedeutet nicht, dass mit seiner Rückkehr zum 4. April 2016 zu rechnen war. Entsprechendes behauptet die Beklagte auch nicht. Der Kläger hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten immer nur für einen bestimmten Zeitraum vorgenommen werden. Der Arbeitnehmer A. war seit 2014 erkrankt und hat daher auch in der Vergangenheit zeitlich befristete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten abgegeben. Die Beklagte selbst behauptet nicht, dass sie bereits im Kündigungszeitpunkt, auf den entscheidend abzustellen ist (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 8 AZR 693/10 – AP Nr. 188 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA-RR 2012, 465), sicher davon ausgehen konnte, der Arbeitnehmer A. werden spätestens ab dem 1. Oktober 2016 wieder arbeitsfähig an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Im Übrigen hat er dies auch der Mitarbeitervertretung bei deren Anhörung nicht mitgeteilt. Die Beklagte kann daher diese der Mitarbeitervertretung nicht mitgeteilte Tatsache im Prozess ohnehin nicht vortragen (BAG, Urteil vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = DB 1986, 2187). Dabei war auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Anwendung kirchlichen recht im säkularen Bereich nicht weiter einzugehen. Denn die Beklagte ist Teil der Kirche und daher an die Regelungen des MVG.EKD gebunden; es geht also nicht um die Anwendung kirchlichen Rechts auf Außenstehende, wie in den von ihr herangezogenen Entscheidungen.

cc)

Soweit die Beklagte behauptet, in den aufgezeichneten Arbeitsstunden in den Stundenzetteln seien auch Arbeitszeiten erfasst, in denen tatsächlich nicht gearbeitet wurde, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Aus ihm ergibt sich hinsichtlich der Menge dieser Zeiten nichts. Es kam daher nicht darauf an, ob die Wasch- und Umkleidezeiten, die die Beklagte ihren Arbeitnehmern in der Vergangenheit zugestanden hat, eine betriebliche Übung darstellen oder Beleg eines Personalüberhanges sein können.

Daher war dem von der Beklagten und zu ihren Gunsten unterstellten Personalbedarf für 11.310 Arbeitsstunden jährlich ein Personalbestand von 11.934 Stunden gegenüber zustellen. Somit bestand zunächst ein Personalüberhang im Umfang von nur 624 Jahresstunden.

b)

Die von der Beklagten behaupteten Optimierungen bei den Arbeitsabläufen führen zu keiner Erhöhung des Personalüberhangs. Insoweit sind die von der Beklagten behaupteten Einsparungen nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig dargelegt. Aus den Darlegungen der Beklagten lässt sich schon nicht entnehmen, wieviel Zeiten tatsächlich eingespart werden. Die Beklagte nennt und behauptet schlicht Werte, die so nicht überprüfbar oder nachvollziehbar sind. Soweit die Beklagte sich diesbezüglich auf Erfahrungswissen beruft, ermöglich dies der Kammer keine Überprüfung. Auch der Vortrag zur Ermittlung der Zeiten im Selbstversuch ist dafür nicht ausreichend. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob diejenigen, die diese Selbstversuche unternommen haben, für bestimmte Aufgaben nur eine bestimmte Zeit benötigen. Denn der Arbeitnehmer ist nicht zur Erzielung bestimmter, auch nicht durchschnittlicher Arbeitserfolge verpflichtet (BAG, Urteil vom 27. November 2008 – 2 AZR 675/07 – AP Nr. 33 zu § 611 BGB Abmahnung = NZA 2009, 842). Er hat im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nur sein persönliches Leistungsvermögen auszuschöpfen. Er muss tun was er soll, so gut wie er kann (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 – BAGE 109, 87 = AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2004, 784). Dies kann von Arbeitnehmer von Arbeitnehmer aufgrund verschiedener Umstände wie Gesundheitszustand oder Alter höchst unterschiedlich sein und ist daher einer Pauschalierung oder Durchschnittsbetrachtung nicht zugänglich. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, ob die behaupteten Selbstversuche unter realistischen Bedingungen durchgeführt wurden und beispielsweise über einen gesamten Arbeitstag angedauert haben, um beispielsweise einen etwaigen Leistungsabfall bei längerer, körperlich anstrengender Arbeit durch Ermüdung zu berücksichtigen.

aa)

Soweit die Beklagte behauptet, für Gruftherstellung/Schließung würden bei zügigerer Arbeitsweise statt 499,8 Stunden lediglich 165 Stunden pro Jahr benötigt und durch Ergreifen von Vorbereitungsmaßnahmen am Vortrag könnten weitere Zeiten eingespart werden, ist dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum Vorbereitungsmaßnahmen Zeit einsparen sollen, nur weil sie am Vortag durchgeführt werden. Die Zeiten für die Vorbereitung fallen auch dann ja noch an.

bb)

Auch die behauptete Zeitersparnis bei der Bewässerung ist nicht nachvollziehbar. Schon die zugrunde gelegte Prämisse, wonach in einem witterungsmäßig normalen Jahr nur 1.800 statt der 2015 aufgewandten 2.238,6 Stunden ausreichend sein sollen, ist durch nichts unterlegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Menge an einzusparender Arbeitszeit für die weitere Behauptung, dass bei nur noch einmal wöchentlicher Bewässerung weitere Zeit eingespart werden kann.

cc)

Hinsichtlich der Grabpflegearbeiten hat die Beklagte behauptet, es würden zukünftig weniger Arbeitsstunden benötigt und durch eine systematischere Abfolge sowie der Reduzierung der Pflegebereiche von vier auf drei würden weitere Arbeitszeiten eingespart. Dabei sind die genannten Werte nicht weiter unterlegt und stellen reine, nicht nachvollziehbare Behauptungen dar. Die Reduzierung der Pflegebereiche von vier auf drei ändert zunächst nicht an der Größe der zu pflegenden Fläche. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten eine Zeitersparnis bei systematischerem Arbeiten annähme, weil bei planmäßiger Vorgehensweise deutlich effektiver gearbeitet und dadurch Einsparungen an Lauf- und Wegezeiten erzielt werden können, ergibt sich aus dem Vortrag kein Anhaltspunkt für die Größenordnung einer entsprechenden Ersparnis.

dd)

Auch die Einsparmöglichkeiten bei der Müllbeseitigung durch selteneres Leeren der Müllbehälter und besseren Maschineneinsatz lässt sich aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht überprüfbar quantifizieren.

ee)

Hinsichtlich des Mähens der Beiflächen und der Erstherrichtung von Erd-/Urnenstellen soll eine zügigere Arbeitsweise der Arbeitsnehmer zu weiteren Einsparungen führen. Auch dies ist nicht nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der Menge. Abgesehen davon, dass die Arbeitnehmer gerade kein bestimmtes Arbeitstempo schulden, ist die von der Beklagten behauptete Ersparnis von jährlich 452,2 Stunden nicht näher begründet.

ff)

Auch die Ersparnis durch strukturiertes Abräumen der Grabstellen sowie bei den Urnenbestattungen ist hinsichtlich des behaupteten Wertes von 278,8 bzw. 106,6 einzusparenden Stunden nicht überprüfbar. Warum statt der in 2015 benötigten 478,8 Stunden die Beräumung von Grabstellen in 200 Stunden erfolgen können soll, ergibt sich aus dem Vortrag nicht. Die Beklagte geht auch ohne nähere Ausführungen und Begründung einer Prognose von einer geringeren Nachfrage nach Urnenbestattungen aus. Sie teilt auch nicht den von ihr prognostizierten Anteil zukünftiger Urnenbestattungen mit.

c)

Auch die behaupteten Fremdvergaben ergeben – mit Ausnahme der im Berufungsverfahren unstreitigen Fremdvergabe beim Sargtragen sowie der Mäharbeiten – keinen Personalüberhang, der die Kündigung von mehr als einer Vollzeitstelle rechtfertigt.

aa)

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, für die Reinigung von Wegeflächen straffällig gewordene und zum Zwecke der Resozialisierung zugewiesene Personen im Programm „Arbeit statt Strafe“ einsetzen zu wollen, kann sie damit nicht gehört werden. Denn dies verstößt gegen die Regelungen des Art. 293 Abs. 1 EGStGB und der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit des Landes Berlin (Tilgungsverordnung Berlin). Insoweit ist die von der Beklagten behauptete unternehmerische Entscheidung wegen eines Gesetzesverstoßes gemäß § 134 BGB unwirksam. Eine unternehmerische Entscheidung unterliegt einer Rechtskontrolle, als sie nicht u. a. gegen Gesetze verstoßen darf. Das ist bezgl. des Einsatzes der straffällig gewordenen Personen, die zur Vermeidung einer Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit leisten sollen, die nach den Vorstellungen der Beklagten mit ihrem Einsatz reguläre Beschäftigte ersetzen und verdrängen sollen, aber der Fall. Nach Art. 293 Abs. 1 Satz 1 EGStGB werden die Landesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen, mit dem die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abgewendet werden kann. Nach Art. 293 Abs. 1 Satz 3 EGStGB darf diese freie Arbeit nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen. Diese Ermächtigung hat das Land Berlin durch Erlass seiner Tilgungsverordnung vom 14. April 2000 (GVBl. 2000, S. 306) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 30. April 2004 (GVBl. 2004, S. 206) umgesetzt. Nach § 1 Abs. 2 der Tilgungsverordnung ist unter freier Arbeit jede gemeinnützige oder im öffentlichen Interesse liegende, allgemein zusätzliche, unentgeltliche Beschäftigung zu verstehen. Die Arbeit ist zusätzlich, wenn sie sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet würde. Diese Voraussetzungen sind hier bzgl. der Reinigung der Wegeflächen nicht erfüllt. Die Beklagte will die Straffälligen anstelle eigener Arbeitnehmer mit der Reinigung von Wegeflächen einsetzen. Die Tätigkeiten würden ansonsten von ihren eigenen Arbeitnehmern erledigt. Die Ersetzung von Arbeitnehmern durch freie Arbeit ist nicht erlaubt. Die Tätigkeiten sind weder zusätzlich, noch erwerbswirtschaftlich neutral.

bb)

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, bei Erdbeisetzungen würden überwiegend Drittunternehmen eingesetzt und statt sechs eigener Arbeitnehmer künftig vier der Träger von externen Anbietern herangezogen, ist diese Fremdvergabe im Berufungsverfahren unstreitig geworden. Der Kläger hat dies selbst in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2017 bestätigt und zu Protokoll (Bl. 441 [443]) gegeben. Dass dadurch der Arbeitskräftebedarf von ehemals 840 benötigten Stunden pro Jahr auf 280 Stunden jährlich sinkt, ist für die Kammer rechnerisch nachvollziehbar.

cc)

Auch die Fremdvergabe bzgl. des Mähens der Rasenstellen an die Fa. Im Norden GmbH führt zu einer Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs um 285,6 Stunden jährlich.

dd)

Eine weitere Reduzierung ist aufgrund von Fremdvergaben aber nicht dargelegt. Soweit die Beklagte behauptet, von den im Jahr 2015 aufgewandten 239,4 Stunden für den Baum- und Strauchrückschnitt Arbeiten im Umfang von 189,4 Stunden an die Fa. „G. g.“- Forst- und Baumpflegebetrieb P. M. vergeben zu haben, ist diese Behauptung bzgl. des zeitlichen Umfangs nicht überprüfbar. Der von der Beklagten behauptete Anteil von 189,4 Stunden und der „Puffer“ von 50 verbleibenden Arbeitsstunden jährlich sind nicht näher begründet.

ee)

Auch der Vortrag der Beklagten zur Umverteilung der Aufgaben der Kundenberatung (Grabgestaltung) sowie der Stellenvergabe an andere Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung beinhaltet keine ausreichenden Darlegungen für eine dementsprechende Reduzierung der Arbeitsmenge um die behaupteten 71,4 Stunden pro Jahr. Diesbezüglich wäre von der Beklagten hinsichtlich der behaupteten Umverteilung konkret zu erläutern gewesen, wie sich diese Entscheidung auswirkt und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 650/14 – NZA 2016, 630; BAG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 2 AZR 346/12 – BAGE 147, 237 = NZA 2014, 1069; BAG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – NZA 2013, 1003). Die Beklagte hat aber nicht schlüssig dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher von den Friedhofsarbeitern wahrgenommenen Aufgaben könnten vom Personal der Friedhofsverwaltung im Rahmen ihrer regulären Verpflichtungen erledigt werden, weil diese über entsprechende, freie Kapazitäten verfügten.

Damit fehlt es hinsichtlich der Optimierungen und der Fremdvergaben – von den genannten Ausnahmen abgesehen – an nachprüfbaren Darlegungen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen die Beklagte im Einzelnen getroffen hat, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für zwei Vollzeitkräfte als dringend erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG einsichtig machen und damit als nachprüfbar erscheinen lassen. Insgesamt ergibt sich – den Vortrag der Beklagten zu den auf die einzelnen Tätigkeiten entfallenden Zeitanteilen zu ihren Gunsten als wahr unterstellt – ein Personalüberhang im Umfang von 1.469,6 Stunden. Dies entspricht unter Berücksichtigung der von der Beklagten ihrer Berechnung zugrunde gelegten Jahresarbeitszeiten weniger als einer Vollzeitstelle.

3.

Sind nach dem vorstehenden auf Seiten des Beklagten dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gegeben, die es maximal rechtfertigen, einen der insgesamt neun Arbeitsplätze im Bereich der Friedhofsarbeiter wegen eines rückläufigen Personalbedarfs abzubauen, ist die Frage, wem die Kündigung auszusprechen ist, eine Frage der Sozialauswahl.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – AP Nr. 179 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA 2008, 1120) bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also nach der ausgeübten Tätigkeit. Ausschlaggebend ist, ob hinsichtlich der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit eine Austauschbarkeit besteht. Davon ist hier grundsätzlich im Verhältnis des Klägers zu sämtlichen Arbeitnehmern, die die Beklagte auf ihrem Friedhof als Garten- und Friedhofsarbeiter/-in beschäftigt, auszugehen.

Von der Sozialauswahl auszunehmen sind lediglich wegen fehlender Vergleichbarkeit der Vorarbeiter S., der einer anderen Hierarchieeben angehört (BAG, Urteil vom 6. Juli 2007 – 2 AZR 442/05 – NZA 2007, 139), sowie die Sonderkündigungsschutz genießenden Arbeitnehmer T., A. und Horn-Kley. Diese Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, sind nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen (BAG, Urteil vom 23. November 2004 – 2 AZR 38/04 – BAGE 112, 361 =AP Nr. 70 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = NZA 2005, 986). Dies gilt grundsätzlich auch für den vertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung, solange der Ausschluss nicht zu einer grob fehlerhaften Sozialauswahl führen würde (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 295/12 – BAGE 145, 296 = AP Nr. 3 zu § 626 BGB Unkündbarkeit = NZA 2014, 208). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch angesichts der Sozialdaten der geschützten Arbeitnehmer T., A. und Horn-Kley nicht vor.

a)

Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG schon deshalb sozialwidrig, weil die Beklagte gegenüber dem Kläger ihrer materiellen Auskunftspflicht aus § 1 Abs. 3 Satz 1, 2. HS KSchG nicht ausreichend nachgekommen ist. Es ist zwar zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die erforderlichen Informationen verfügt. Soweit er hierzu nicht in der Lage ist und er – wie hier der Kläger – deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat der Arbeitgeber als Folge seiner Auskunftspflicht dazu im Prozess substantiiert vorzutragen. Diese sich aus der Mitteilungspflicht ergebende Vortragslast ist allerdings auf die subjektiven, vom Arbeitgeber tatsächlich angestellten Überlegungen beschränkt. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 7 AZR 421/82 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl), aber zumindest im Hinblick auf die auch vom Arbeitgeber nach seiner subjektiven Überlegung einzubeziehender Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 24. März 1983 – 2 AZR 21/82 – AP Nr. 12 zu § 1 KschG Betriebsbedingte Kündigung). Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft, so kann der Arbeitnehmer bei fehlender eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG i. V. m. § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist der der fehlenden Kenntnis des Arbeitnehmers entsprechende Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend (BAG, Urteil vom 18. Januar 2007 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 SchG 1969 Soziale Auswahl; BAG, Urteil vom 21. Juli 1988 – 2 AZR 75/88 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Hier waren alle auf dem Friedhof beschäftigten Arbeiter – mit Ausnahme der tariflich ordentlichen Unkündbaren und dem Vorarbeiter in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Die Sozialdaten der Arbeitnehmer G., K. und R. hat die Beklagte jedoch nicht mitgeteilt, sondern sich darauf beschränkt, lediglich das Ergebnis ihres Punkteschemas mitzuteilen. Dies ist aber das Ergebnis eines Rechenvorganges, der ohne Angaben nicht auf seine Richtigkeit überprüfbar ist. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte jedenfalls bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit – wie im Fall des Arbeitnehmer M. – auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist abstellt und daneben auch die Zeiten der Unterbrechungen bei den Saisonkräften mitrechnet.

aa)

Dabei ist unter der Dauer der Betriebszugehörigkeit grundsätzlich der rechtlich ununterbrochene Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Arbeitgeber zu verstehen. Dafür geltend die gleichen Grundsätze wie für die Berechnung der Wartezeit (Oetker in ErfK, 17. Auflage 2018, § 1 KSchG Rn. 331 m. w. N.). Im Hinblick auf die bei der Beklagten beschäftigten Saisonkräfte sind die rechtlichen Unterbrechungen jeweils im Januar und Februar eines Jahres sind diese zwar wegen des hier anzunehmenden engen sachlichen Zusammenhangs unbeachtlich und auch die davor liegenden Zeiträume mitzuzählen (BAG, Urteil vom 22. September 2005 – 6 AZR 607/04 – NZA 2006, 49; Oetker, a. a. O. Rn. 40 m. w. N.). Das bedeutet aber nicht, dass auch die jeweils zwei Monate Unterbrechung als Betriebszugehörigkeit zu werten ist. Diese ist vielmehr herauszurechnen. Denn in diesem Zeitraum bestand kein Arbeitsverhältnis. Die Regelung in den Arbeitsverträgen der Saisonkräfte, wonach ein Saisonarbeitsverhältnis für die Dauer einer Saison vom 1. März bis 31. Dezember eines Jahres als vereinbart gilt, ist dahingehend auszulegen, dass sie ein aktives Arbeitsverhältnis nur für die jeweilige Saison begründet. Allein aus den mitgeteilten und von der Beklagten errechneten Punkten kann daher allein nicht auf die Dauer Betriebszugehörigkeit der in die Sozialauswahl einbezogenen Arbeitnehmer geschlossen und vom Kläger ein Vergleich angestellt werden. Bei dem Arbeitnehmer G. käme daher ggfls. – die genauen Beschäftigungsdaten sind nicht mitgeteilt – eine deutlich kürzere zu berücksichtigende Betriebszugehörigkeit zustande.

bb)

Gleiches trifft mangels genauen Vortrags der Beklagten auch hinsichtlich der Betriebszugehörigkeit auf die weiteren vergleichbaren Arbeitnehmer zu. Dieser Erwägungen gelten auch im Hinblick auf die für das Lebensalter vergebenen Punkte zu. Die genauen Geburtsdaten der Arbeitnehmer G., K. und R. teilt die Beklagte ebenfalls nicht mit. Denn nach dem von der Beklagten zugrunde gelegten Punkteschema kommt es auf vollendete Lebensjahre (nach dem 18.Lebensjahr) und auf volle Beschäftigungsjahre an, die auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu berechnen sind. Ob die Beklagte dies getan und dabei richtig gerechnet hat, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen.

cc)

Deshalb ist der dem Kenntnisstand des Klägers entsprechende und ihm konkreter nicht mögliche Vortrag, soziale Gesichtspunkte seien nicht ausreichend berücksichtigt, als unstreitig anzusehen (BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 516/11 – BAGE 143, 177 = NZA 2013, 559; BAG, Urteil vom 18. Januar 2008 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 KschG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 2097; BAG, Urteil vom 5. Mai 1994 – 2 AZR 917/93 – AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG, Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116) .

b)

Aber auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer M., deren Sozialdaten die Beklagte mitgeteilt hat, ist die Sozialauswahl aus Sicht der Kammer fehlerhaft. Bei der Sozialauswahl sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung „ausreichend“ zu berücksichtigen, woraus folgt, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Bewertungsspielraum zusteht; seine Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein. Deshalb kann der betroffene Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nur mit Erfolg rügen, wenn er deutlich schutzwürdiger ist (BAG, Urteil vom 29. Januar 2015 – 2 AZR 164/14 – BAGE 150, 330 = AP Nr. 162 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 2015, 426; 02.06.2005 – 2 AZR 480/04 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 75). Davon ist hier in der Person des Klägers im Verhältnis zum Arbeitnehmer M., dem die Beklagte ebenfalls gekündigt hat und dessen Arbeitsverhältnis inzwischen zum 30. Juni 2016 beendet ist, auszugehen.

aa)

Denn beim Kernkriterium, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, wodurch namentlich den Gesichtspunkten fachlich bewährter Qualifikation und langjähriger Berufserfahrung Rechnung getragen wird (BAG, Urteil vom 18. Januar 1990 – 2 AZR 357/89 – BAGE 64, 34 = AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = NZA 1990, 729), wies der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs fast vierzehn, nämlich vollendete 13 Beschäftigungsjahre auf – im Verhältnis zu „nur“ drei vollen Beschäftigungsjahren bei dem Arbeitnehmer M.. Dieser war vom 1. März 2011 bis zum 31. Dezember 2012 sowie danach in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016 jeweils in der Zeit vom 1. März bis 31. Dezember beschäftigt. Im Kündigungszeitpunkt hatte er somit volle drei Jahre Betriebszugehörigkeit erreicht. Bei zehn Jahren Differenz war er insofern signifikant schutzwürdiger. Auch bei Betrachtung der im aktiven Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten ergeben sich zu Gunsten des Klägers bis zum Ausspruch der Kündigung 164,6 Monate (13,7 Jahre) und zu Gunsten des Arbeitnehmers M. 42,6 Monate (3,55 Jahre).

Daran ändert sich nichts, wenn man das als „ambivalent“ (BAG, a.a.O.) einzustufende weitere Kriterium des Lebensalters berücksichtigt. Mit ihm sollen typisierend die Arbeitsmarktchancen betroffener Arbeitnehmer in den Wertungsvorgang bei der Sozialauswahl einbezogen werden, ausgehend von dem Erfahrungssatz, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen generell zu sinken pflegen (BAG, Urteil vom 06. November 2008 – 2 AZR 523/07 – BAGE 128, 238 = AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = NZA 2009, 361). Danach kann, abgestellt wiederum auf den Kündigungszeitpunkt, in Anbetracht des Lebensalters der Arbeitnehmers M. mit 46 Jahren nicht davon ausgegangen werden, dass dessen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt unter Zugrundelegung einschlägiger Erfahrungswerte deutlich geringer ist. Beide trennt im Kündigungszeitpunkt eine Differenz von neun Lebensjahren, wobei beide sich in einer Altersgruppe befinden, in der im Hinblick auf das Lebensalter keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf Vermittlungschancen bestehen.

Selbst wenn man nun zugunsten Arbeitnehmers M. berücksichtigt, dass bei ihm eine Unterhaltspflicht und keine Unterhaltspflicht beim Kläger besteht, kann dieser Gesichtspunkt nichts daran ändern, dass die vorgenommene Sozialauswahl nach Ansicht der Kammer insgesamt namentlich wegen des bei der Betriebszugehörigkeitsdauer deutlich schutzwürdigeren Klägers fehlerhaft ist und damit zur Rechtsunwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung führt. In diesem Sinn kann sich die Beklagte ihrerseits auch nicht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (2 AZR 980/07) und das dort gebilligte Punkteschema stützen. Dort ging es aufgrund von Vereinbarungen der Betriebsparteien um die Überprüfung der Sozialauswahl am – hier nicht einschlägigen – Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 1 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 KSchG. Für ein – wie hier – einseitig aufgestelltes Punkteschema des Arbeitgebers wird hingegen vertreten, dass die Sozialkriterien dann nicht mehr in ein billigenswertes Verhältnis gesetzt seien, wenn die Unterhaltspflicht wie zwei Jahre Betriebszugehörigkeit und zwei Lebensjahre gewichtet werden (offengelassen von BAG, Urteil vom 29. Januar 2015 – 2 AZR 164/14 – BAGE 150, 330 = NZA 2015, 426 unter Hinweis auf ArbG Ludwigshafen, Urteil vom 8. Februar 2005 – 8 Ca 2824/04 – NZA-RR 2005, 423; ErfK/Oetker 15. Aufl. § 1 KSchG Rn. 337). Auch nach dem von der Beklagten angewandten Punkteschema ergäben sich aber für den im Kündigungszeitpunkt 37-jährigen Kläger mit 13 vollen Jahren Betriebszugehörigkeit insgesamt 56,5 Punkte. Der Arbeitnehmer M. käme mit einem Lebensalter von 46 Jahren, einer Betriebszugehörigkeit von vollen drei Jahren und einer Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau auf 55,5 Punkte. Bei zutreffender Anwendung des von der Beklagten genannten Punkteschemas wäre auch danach der Kläger schutzwürdiger. Jedenfalls ist nach Auffassung der Kammer die mit zehn Jahren erheblich längere Betriebszugehörigkeit des Klägers stärker zu gewichten als die – unterstellt bestehenden – Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers M. gegenüber seiner Ehefrau (BAG, Urteil vom 18.Januar 2007 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 2097).

III.

Die folgt aus § 64 Abs. 6 i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Danach waren der Beklagten die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen.

IV.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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