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Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung

ArbG Düsseldorf – Az.: 7 Ca 220/11 – Urteil vom 12.04.2011

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010 nicht aufgehoben worden ist.

2. Der Streitwert beträgt 7.464 EUR.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Die Berufung wird über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010.

Die Beklagte, die ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt ein Speditionsunternehmen. Ein Betriebsrat existiert nicht.

Der Kläger war seit dem 2.5.1994 als Berufskraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt, ohne dass seine Tätigkeit auf einen bestimmten Geschäftsbereich beschränkt war. Er ist in der Niederlassung N. der Beklagten tätig. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 2.488 EUR.

Am 6.12.2010 hielten die Gesellschafter der Beklagten eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ab und entschieden, den Betrieb zum 31.12.2010 an sämtlichen Standorten stillzulegen und die Kundenverträge sowie die Arbeitsverhältnisse mit allen Mitarbeitern zu beenden. In dem Protokoll dieser Versammlung (Bl. 29 d.A.) heißt es auszugsweise:

„Die Gesellschafterversammlung beschließt die Stilllegung und Beendigung des Geschäftsbetriebs der C. GmbH zum 31.12.2010 an sämtlichen Standorten.

Soweit bis zur Beendigung noch bestehender Kundenverträge eine Abwicklung über den 31.12.2010 hinaus notwendig sein sollte, ist dem im Rahmen der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen Rechnung zu tragen.

Die Geschäftsführung wird mit der Durchführung aller hierzu erforderlichen Maßnahmen beauftragt. Dies umfasst insbesondere die vorzeitige Beendigung von Kundenverträgen zu vertretbaren wirtschaftlichen Konditionen sowie die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern.

IV. Weitere Beschlüsse wurden nicht gefasst.“

Am 20.12.2010 zeigte die Beklagte bei der Agentur für Arbeit die Entlassung von 280 Arbeitnehmern an (Bl. 30 ff. d.A.). Die Bundesagentur für Arbeit bestätigte den Eingang des Schreibens mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 45 d.A.).

Mit Schreiben vom 23.12.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.6.2011 mit dem Hinweis auf die Einstellung des Geschäftsbetriebs (Bl. 10 d.A.).

In einer Pressemitteilung vom 27.12.2010 heißt es auszugsweise (Bl. 60 d.A.):

„Die Speditionsaktivitäten im Bereich Gebietsspedition, Nahverkehrs- und Werksversorgung der C. GmbH wurden in die M. integriert. […]

Aufgrund der defizitären nationalen Ladungsverkehre wird der Geschäftsbereich der C. GmbH bis zum 31.12.2010 eingestellt; bestehende Kundenverträge werden noch erfüllt.

Die für die Gebietsspedition, Nahverkehrs- und Werksversorgung sowie Spezialverkehre notwendigen Transporte werden von der N. GmbH fortgeführt, einer hundertprozentigen Tochter der X. mit Sitz in S..

[…]

Von der Einstellung des Geschäftsbetriebes der C. GmbH sind alle 281 Arbeitnehmer betroffen. Doch konnten durch bereits vollzogene Betriebsübergänge auf andere Unternehmen ca. 160 Arbeitsplätze erhalten werden. […] .“

Die Beklagte und die N. GmbH („N.“) unterzeichneten mit Datum 13./28.12.2010 einen als „Übernahmevereinbarung“ (Bl. 81 ff. d.A.) bezeichneten Vertrag, nach dessen Ziffer 2 (1) die Beklagte der N. ab dem 1.1.2011 die in einer dazugehörigen Anlage 3 aufgeführten Zugmaschinen vermietet. Diese Anlage 3 ist ihrerseits als „Rahmenmietvertrag“ (Bl. 88 ff. d.A.) bezeichnet. Aus dessen § 2 (1) geht hervor, dass die Mietverträge für die einzelnen Zugmaschinen und LKW auf unbefristete Zeit abgeschlossen werden.

Kundenaufträge, die nach dem 31.12.2010 noch zu bedienen waren, ließ die Beklagte durch diejenigen Mitarbeiter abwickeln, deren Kündigungsfristen noch nicht ausgelaufen waren.

Mit seiner am 13.1.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 23.12.2010.

Der Kläger meint, die Kündigung sei unwirksam. Es gebe keine Kündigungsgründe. Er bestreitet mit Nichtwissen, dem Geschäftsbereich „Ladungsverkehre“ zugeordnet zu sein. Außerdem bestreitet er mit Nichtwissen, dass von dem Standort N. keine Kunden aus den Bereichen „Gebietsspedition/ Werksversorgung“ oder „Spezialverkehr“ bedient worden seien.

Der Kläger beantragt zuletzt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen wegen der Einstellung des Geschäftsbetriebes gerechtfertigt.

Sie behauptet, in der Gesellschafterversammlung am 6.12.2010 sei die Geschäftsführung zur vorzeitigen Beendigung sämtlicher Kundenverträge innerhalb der noch laufenden Kündigungsfristen der Mitarbeiter ermächtigt worden. Der Gesellschafterbeschluss vom 6.12.2010 habe außerdem die Entscheidung umfasst, dass der Betrieb am 31.12.2010, spätestens aber mit Ablauf der letzten noch laufenden Kündigungsfrist des letzten Mitarbeiters stillgelegt werden sollte (mündliche Verhandlung am 12.4.2011). Soweit bis dahin nicht alle Kundenverträge hätten beendet werden können, habe die Beklagte in Kauf genommen, sich gegenüber ihren Kunden schadensersatzpflichtig zu machen (mündliche Verhandlung am 12.4.2011). Alle Arbeitsverhältnisse seien mit den jeweiligen individuellen Kündigungsfristen gekündigt bzw. anderweitig, z.B. durch Aufhebungsverträge oder Auslaufen von Befristungen, beendet worden. Gleichzeitig habe sie, die Beklagte, Verhandlungen mit Kunden über die vorzeitige Beendigung der jeweiligen Kundenverträge aufgenommen. Zum 31.3.2011 habe sie sämtliche Kundenverträge, die vom Standort N. aus bedient wurden, beenden können (mündliche Verhandlung am 12.4.2011).

Weiterhin behauptet die Beklagte, ursprünglich habe sich ihr Geschäftsbetrieb in sechs Bereiche unterteilt, im Einzelnen die Bereiche (1) Ladungsverkehre, (2) Gebietsspedition, Nahverkehrsspedition und Werksversorgung, (3) Spezialverkehre, (4) Nationale Stückgut-Verkehre, (5) Systemverkehre und (6) Hafenverkehre. Zum 30.9.2010 sei zunächst der Geschäftsbereich „Nationale Stückgut-Verkehre“ eingestellt und die davon betroffenen Arbeitsverhältnisse beendet worden. Zum 1.12.2010 seien sodann die Speditionsaktivitäten des Geschäftsbereiches „Gebietsspedition, Nahverkehrs- und Werkversorgung“ durch die M. („M.“) mit Kaufvertrag vom 4.11.2010 übernommen worden. Gleichzeitig habe sie auf Grundlage eines Rahmenvertrages Frachtführerleistungen für die M. übernommen. Insofern habe sie die erforderlichen Transporte weiter durchgeführt und sei seither eine reine Fuhrparkorganisation. Zuletzt seien nur noch die Bereiche (1) Ladungsverkehre, (2) Werksverkehre/Gebietsspedition, (3) Spezialverkehre, (4) Systemverkehre und (5) Hafenverkehre vorhanden gewesen.

Der Geschäftsbereich „Werksverkehre/Gebietsspedition“ sei zum 31.12.2010 an die Firma N. übertragen worden. Auch der Geschäftsbereich Spezialverkehre sei zum 31.12.2010 veräußert worden, ebenso der Bereich Hafenverkehre zum 24.12.2010. Der Bereich Systemverkehre sei zum 31.12.2010 eingestellt worden.

Der Kläger sei dem Bereich „Ladungsverkehre“ zugeordnet gewesen. In N. sei auch nur dieser Bereich bedient worden. Dieser sei von den übrigen Geschäftsbereichen der Beklagten wie folgt abgrenzbar: Der Bereich „Ladungsverkehre“ bilde ebenso wie die andere Geschäftsbereiche ein eigenes Profitcenter, das über das den jeweiligen Fahrern zugeordnete Fahrzeug, welches jeweils wiederum eine eigene Kostenstelle bilde, einem eigenen Verantwortlichen und Disponenten zugeordnet sei. Verantwortliche für das Profitcenter „Ladungsverkehre“ am Standort N. sei Frau B. gewesen, die jedoch nicht für die Profitcenter „Werksverkehre/Gebietsspedition“ und „Spezialverkehr“ verantwortlich gewesen sei. Der Bereich „Ladungsverkehre“ sei kommissarisch von dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn C., geleitet worden. Dieser habe als Personalverantwortlicher für den Bereich Ladungsverkehre auch eigenverantwortlich für diesen Bereich Einstellungs- und Entlassungsentscheidung treffen dürfen. Im Bereich „Werksverkehre/Gebietsspedition“ seien andere Fahrzeugkonfigurationen als im Bereich „Ladungsverkehre“ eingesetzt, nämlich nahezu ausschließlich so genannte „Jumbo-Gliederzüge“ und „Mega-Trailer“, welche eine höhere Innenhöhe als die üblichen LKW aufwiesen. Außerdem seien diese LKW durch spezielles Equipment, z.B. einem Schiebevorhang statt einer herkömmlichen Planenabdeckung, gekennzeichnet. Im Bereich „Spezialverkehre“ seien demgegenüber spezielle Silofahrzeuge eingesetzt worden. Den Bereich „Ladungsverkehre“ kennzeichne außerdem, dass innerhalb dieses Geschäftsbereichs Frachten innerhalb Deutschlands von A nach B transportiert würden. Im Geschäftsbereich „Werksverkehre/Gebietsspedition“ holten die Mitarbeiter hingegen von verschiedenen Lieferanten einzelner Großkunden, namentlich ausschließlich die Kunden E. und S. GmbH, Waren ab, konsolidierten diese an einem Standort und verbrächten diese dann für diese Großkunden in deren Werke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010 nicht beendet worden.

Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam gem. § 1 Abs. 2 KSchG.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in dem selben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das KSchG gem. § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG Anwendung, da im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand und die Beklagte ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Der Kläger hat gem. § 4 KSchG rechtzeitig Klage erhoben, da die dreiwöchige Frist zwischen Zugang der Kündigung und Klageerhebung gewahrt ist.

2. Die Kündigung des Klägers ist nicht durch das Bestehen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses gerechtfertigt. Denn es fehlt schon an einer entsprechenden konkreten auf die Stilllegung des Geschäftsbetriebs gerichteten unternehmerischen Entscheidung.

Hierzu führt die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf mit Urteil vom 31.3.2011 (Az.: 6 Ca 150/11) zutreffend aus:

a) „Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellungen oder Einschränkungen der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98, AP Nr. 103 zu § 1 KSchG 1996 Betriebsbedingte Kündigung). Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 522/01, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126; BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69). Dabei muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der Vortrag muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entfällt, (BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98, a.a.O.; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98, AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1996 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 17.6.1999, 2 AZR 141/99, AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1996 Betriebsbedingte Kündigung). Dabei unterliegt es der vollen Nachprüfung der Gerichte, ob eine derartige Unternehmerentscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Bedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 522/98, a.a.O).

Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 48/03 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64).

[…] Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 48/03 – aaO; BAG v. 18.1.2001 – 2 AZR 514/99, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115). Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 647/04, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139; BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, AP BGB § 613a Nr. 237). Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431). Der Arbeitgeber darf die Kündigung wegen der Betriebsstilllegung also nicht erst nach Durchführung der Stilllegung, sondern auch schon wegen einer beabsichtigten Stilllegung aussprechen. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssen in diesem Fall aber greifbare Formen angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431; BAG 27.11.2003 – 2 AZR 48/03 – aaO; BAG v. 28. 10.2004 – 8 AZR 391/03 – aaO).

[…] Entscheidend ist also, dass die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer nach dem Auslaufen der Kündigungsfrist entbehrt werden kann, (BAG v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1097; BAG vom 19.6.1991, EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Es reicht z.B. aus, dass der Arbeitgeber entscheidet, ab sofort keine neuen Aufträge anzunehmen und allen Arbeitnehmern unter Einhaltung der individuellen Kündigungsfrist kündigt und die Arbeitnehmer nur noch innerhalb der jeweiligen Kündigungsfrist einsetzt. Es müssen also nicht alle Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt entlassen werden (BAG 7.7.2005 – 2 AZR 447/04).“

Dem schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.

b) Schon eine derartige auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung vermochte die Kammer hier nicht zu erkennen.

aa) Zwar wäre nach dem Vortrag der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung eine Stilllegungsentscheidung anzunehmen. Denn dort trug die Beklagte vor, in der Gesellschafterversammlung am 6.12.2010 sei die Entscheidung gefallen, dass der Betrieb zum 31.12.2010, spätestens jedoch mit Ablauf der längsten Kündigungsfrist des letzten Mitarbeiters geschlossen werden sollte. Soweit bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Kundenverträge beendet werden könnten, habe die Beklagte in Kauf genommen, sich ihren Kunden gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen.

(1)Diesen Vortrag hielt die Kammer jedoch für unschlüssig, da er im Widerspruch zu dem vorherigen Vortrag der Beklagten steht.

Zunächst trug die Beklagte nämlich vor, es sei die Entscheidung gefallen, den Betrieb zum 31.12.2010 zu schließen, Mitarbeitern zu kündigen und Kundenverträge vorzeitig zu beenden. Hierzu legte sie das Protokoll der Gesellschafterversammlung vor. Hierzu führte die 6. Kammer zutreffend aus, dass dieser Vortrag keine Betriebsstilllegung umfasst (Urt. v. 31.3.2011 – 6 Ca 150/11):

„Zwar enthält der Beschluss der Gesellschafterversammlung formal eine Stilllegung zum 31.12.2010. Diese wird jedoch schon im Beschluss selbst widerlegt. Denn dort findet sich der Hinweis, dass alle bestehenden Kundenverpflichtungen bis zu deren jeweiliger Beendigung weiterhin erfüllt werden sollen. Die Beklagte verfügt mit ihren jeweiligen Kunden über Verträge, die nicht sofort gekündigt werden können. […] Alle Verträge mit lang dauernden Kündigungsfristen sollten aber von der Beklagten weiterhin erfüllt werden. In dieser Situation ist völlig offen, in wie weit die Beklagte eine Entscheidung über die endgültige Auflösung der Betriebsgemeinschaft zum 31.12.2010 getroffen haben will. Diese Entscheidung ist im Gegenteil offensichtlich perplex. Denn zum 31.12.2010 ist allenfalls der Teil eingestellt worden, bei dem die Kunden sich mit einer vorzeitigen Aufhebung der Verträge einverstanden erklärt haben.“

Dem schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.

(2) Später trug die Beklagte vor, dass eine endgültige Stilllegung des Betriebs erst mit Ablauf der Kündigungsfristen der verschiedenen Mitarbeiter geplant gewesen sei. Hierzu führte die 6. Kammer in einem Parallelverfahren zutreffend aus, dass selbst dieser Vortrag keine Betriebsstilllegung umfasst (Urt. v. 31.3.2011 – 6 Ca 150/11):

„Soweit die Beklagte nun behaupten könnte, sie habe die noch laufenden Verträge mit den individuellen Kündigungsfristen der Arbeitnehmer abarbeiten können, vor allem der Arbeitnehmer mit länger laufenden Kündigungsfristen, so ist eine derartige unternehmerische Entscheidung weder behauptet noch dargelegt worden. Denn es ist völlig unklar, welche Arbeitnehmer welches konkrete Arbeitsvolumen in welcher zeitlichen Dimension bewältigen sollten. Insoweit hätte konkret dargelegt werden müssen, welchen Inhalt diese neue unternehmerische Entscheidung gehabt haben soll, welche Kundenverträge konkret zu welchem Zeitpunkt beendet worden sein sollten und welche Prognose über das Volumen angestellt worden ist. Denn dann ist entscheidend, welche Arbeitnehmer das vorhandene Volumen abarbeiten sollten.“

Auch insoweit schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an. Zwar hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren – anders als in dem zitierten Parallelverfahren – eine derartige unternehmerische Entscheidung behauptet, jedoch nicht substantiiert: Denn sie hat gerade nicht dargelegt, welche Kundenverträge konkret zu welchem Zeitpunkt beendet worden sein sollten und welche Prognose über das Volumen angestellt worden ist, also wie welche Arbeitnehmer das vorhandene Volumen abarbeiten sollten.

(3) Der zuletzt gemachte Vortrag der Beklagten, der Betrieb habe in jedem Fall mit Ablauf der letzten Kündigungsfrist stillgelegt werden sollen, unabhängig davon, ob bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche Kundenverträge beendet werden könnten, widerspricht der im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 6.12.2010 niedergelegten Entscheidung. Zwar hat die Gesellschafterversammlung danach entschieden, die Kundenverträge vorzeitig zu beenden. Soweit eine Abwicklung von Kundenverträgen über den 31.12.2010 hinaus notwendig sein sollte, war dem ausweislich des Protokolls jedoch „im Rahmen der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen“ Rechnung zu tragen. Daraus wird aus Sicht der Kammer deutlich, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zwar darauf ausgerichtet war, langfristig den Betrieb zu schließen. Für die Behauptung, dies solle spätestens mit Auslaufen der letzten Kündigungsfrist geschehen, selbst wenn man sich dann Kunden gegenüber schadensersatzpflichtig mache, findet sich in dem Beschluss jedoch nicht nur kein Anzeichen, sondern sie widerspricht der ausdrücklichen Beschlussfassung, dass Kundenverträge im Rahmen der vertraglichen Verpflichtung zu erfüllen waren und dass eine vorzeitige Beendigung nur unter vertretbaren wirtschaftlichen Konditionen angestrebt werden sollte. Denn die Prämisse, Kundenaufträge zu erfüllen oder eben zu vertretbaren Konditionen zu beenden, widerspricht gerade der Inkaufnahme von Schadensersatzpflichten in den Fällen, in denen eine Erfüllung nicht möglich ist. Vielmehr gibt der Gesellschafterbeschluss gleichsam vor, dass zunächst festgestellt werden musste, zu welchem Datum und zu welchen wirtschaftlichen Konditionen die Kundenverträge beendet werden konnten, um den Betrieb zu diesem Datum zu schließen. Es wurde jedoch nicht vorgetragen, dass die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung des Klägers am 23.12.2010 eine Prognose über die Beendigung verschiedener Kundenverträge angestellt hatte. Es fehlt somit an den greifbaren Formen, aus denen sich schließen ließe, dass zum Zeitpunkt des Kündigungstermins mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sei.

bb) Die Kündigung ist auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte die offensichtlich erfolgten Betriebsübergänge nicht hinreichend von der behaupteten Stilllegung abgegrenzt hat.

Hierzu führte die 6. Kammer (Urt. v. 31.3.2011 – 6 Ca 150/11) zutreffend wie folgt aus:

„Denn nach der ständigen und zutreffenden Rechtsprechung des BAG schließen sich Stilllegung und Betriebsübergang tatbestandlich aus. Da sich die Beklagte aber auf einen Stilllegungsbeschluss beruft ist unklar, wie sich darauf die Betriebsübergänge auswirken. Unklar ist zudem, welche konkret abgrenzbaren Bereiche überhaupt übergegangen sein sollen. Denn die Beklagte behauptet selbst, sie sei zuletzt nur noch eine reine Fuhrparkorganisation gewesen. Dann aber erschließt es sich nicht, welche Bereiche überhaupt abgrenzbar vorhanden sein sollen. […]

Betriebsstilllegung und Betriebsübergang schließen sich tatbestandlich aus. Es fehlt beispielsweise an einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes steht und gleichwohl wegen Betriebsstilllegung kündigt, (29.9.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720; BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93). Gleiches gilt, wenn er nur vorsorglich mit der Begründung kündigt, der Betrieb solle auch zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt werden, falls eine Veräußerung scheitere. Ist andererseits zum Zeitpunkt der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet und gelingt ihm dann noch die spätere Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung (BAG v. 27.9.1984 EZA § 613a BGB Nr. 4; BAG vom 10.10.1996 – 2 AZR 477/95, DB 1997, 335). Anders liegt der Fall, wenn sich der Arbeitgeber nach einem endgültigen Stilllegungsbeschluss die Möglichkeit der Veräußerung offen hält, falls wider erwarten ein Interessent auftaucht (BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93).

[…] Auch für die Abgrenzung der Stilllegung vom Betriebsübergang maßgeblich ist zunächst die Prognose im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. War zu diesem Zeitpunkt die Prognose gerechtfertigt, dass auf Grund der ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers mit Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, ist die Kündigung aus dem Gesichtspunkt der Stilllegung gerechtfertigt. Dabei ist zu beachten, dass nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des BAG für die durchgeführte unternehmerische Entscheidung die Vermutung spricht, dass diese aus sachlichen Gründen erfolgte (BAG v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096). Ist die unternehmerische Entscheidung demgegenüber noch nicht durchgeführt und beruft sich der Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darauf, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil der Betrieb oder Betriebsteil nicht stillgelegt, sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden sei, so trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass tatsächlich eine Stilllegung vorliegt, den Arbeitgeber. Unerheblich ist dabei, wenn er selbst den Vorgang rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet. Dies gilt auch für die Darlegung der zeitlichen Zusammenhänge im Hinblick auf die Gespräche über die Betriebsfortführung (BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93; BAG v. 9.2.1994 – 2 AZR 666/93, DB 1994, 1731).“

(1) […] Nach diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, weil die Beklagte die Stilllegung nicht vom Betriebsübergang abgegrenzt hat.

Zwar hat die Beklagte einen schriftlichen Beschluss über die Stilllegung gefasst und möglicherweise alle Arbeitnehmer gekündigt. Diese wenigen Tatsachen reichen aber nicht, um diese Stilllegung von den tatsächlich erfolgten Betriebsübergängen abzugrenzen. Denn die Beklagte hat selbst diverse Betriebsübergänge infolge ihrer unternehmerischen Entscheidung behauptet, etwa hinsichtlich der Bereiche „Werksverkehre und Gebietsspedition“, „Spezialverkehre“ und „Hafenverkehre“. Hier bleibt aber völlig offen, was konkret übergegangen sein soll. Dies führt dazu, dass die Beklagte die ihr obliegende Darlegungslast zur Abgrenzung zwischen Stilllegung und Betriebsübergang nicht erfüllt hat.

Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des BAG im Anschluss an EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95 – [Ayse Süzen] Rn. 13 – 18, EuGHE I 1997, 1259, zuletzt BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431).

Vom Betriebsübergang abzugrenzen ist der Teilbetriebsübergang. Dieser liegt vor, wenn eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit übertragen wird, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Dazu reicht ein Hilfszweck aus, insbesondere ist unerheblich, dass die übertragene Tätigkeit für den Gesamtbetrieb von untergeordneter Bedeutung ist. Ebenso wenig ist entscheidend, ob der verbleibende Restbetrieb noch fortgesetzt werden kann oder überlebensfähig ist. Der Teil muss aber als wirtschaftliche Einheit seine Identität wahren. Dabei ist im Rahmen eines Betriebsteilübergangs regelmäßig schwierig zu bestimmen, welche Arbeitsverhältnisse vom Betriebsübergang erfasst werden. Denn es gehen nur die Arbeitnehmer über, die objektiv dem entsprechenden Teilbereich zuzuordnen sind. So ist entscheidend, in welchen Betriebsteil der Arbeitnehmer eingegliedert war, insbesondere, wo das Direktionsrecht ausgeübt wurde. Nicht ausreichend ist, dass zB ein Mitarbeiter einer Verwaltungsabteilung auch Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichtet hat (BAG v. 8.8.2002, NZA 2003, 315).“

Dem schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.

Hier behauptet die Beklagte selbst, dass es zu Betriebsübergängen gekommen ist, die sie für „Teilbetriebsübergänge“ zu halten scheint. Nach Auffassung der Kammer gelang es der Beklagten jedoch nicht, hinreichend Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergäbe, dass die unstreitig auf Dritte übergegangenen Geschäftsbereiche bzw. der Standort N. der Beklagten eigene Teilbetriebe darstellen.

(2) Selbst wenn man den von der Beklagten behaupteten Vortrag als zutreffend unterstellt, sah die Kammer in dem Geschäftsbereich „Ladungsverkehre“, dem der Kläger zugehören soll, keine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird.

Zwar mag in dem Geschäftsbereich „Ladungsverkehre“, den Vortrag der Beklagten, dass ihre fünf verschiedenen Geschäftsbereiche eine eigene kaufmännische und personelle Leitung gehabt hätten, die auch das Direktionsrecht in der jeweiligen Abteilung ausgeführt habe, als zutreffend unterstellt, eine in Hinblick auf die personelle Leitung selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit liegen. Jedoch ergibt sich aus dem weiteren Vortrag der Beklagten nicht, dass im Bereich „Ladungsverkehre“ ein eigener Teilzweck innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks verfolgt wird.

Die Beklagte betrieb nach ihrem Vortrag zum Zeitpunkt der angeblichen unternehmerischen Entscheidung eine reine Fuhrparkorganisation. Aus Sicht der Kammer vermochte die Beklagte nicht darzustellen, inwiefern der Transport von Gütern innerhalb Deutschlands von A nach B – wie sie die Aufgaben des Bereichs „Ladungsverkehre“ beschreibt – von den Aufgaben des Bereichs „Werksverkehre/Gebietsspedition“ abgegrenzt werden kann. Im Bereich „Werksverkehre/Gebietsspedition“ sollen die Arbeitnehmer der Beklagten Waren von den verschiedenen Lieferanten von Großkunden abholen, an einem Standort konsolidieren und dann für die entsprechenden Kunden in deren Werke verbringen. Überträgt man diesen Vortrag in die vereinfachte Darstellung, die die Beklagte zur Beschreibung des Aufgabenbereichs des Geschäftsbereichs „Ladungsverkehre“ verwendete, bedeutet dies, dass Waren an den Standorten A, B und C abgeholt, am Standort D konsolidiert, dann zum Standort E verbracht werden. Hauptsächlicher Unterschied zwischen den beiden Geschäftsbereichen wäre dann also gewesen, dass nicht nur zwei, sondern mehrere Standorte angefahren wurden. Hieraus vermochte die Kammer aber keinen abgrenzbaren Teilbereich zu erkennen. Soweit darüber hinaus vorgetragen wurde, die Waren würden zwischenzeitlich konsolidiert, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die verschiedenen Ladeeinheiten zusammengefasst wurden. Eine Bündelung von Waren ist vor jeder Ausfuhr notwendig, um den Ladebereich eines LKW optimal auszunutzen. Insofern dürfte die Konsolidierung von Waren in allen Geschäftsbereichen der Beklagten zum Tagesgeschäft gehört haben, jedoch nur im Bereich „Werksverkehre/Gebietsspedition“ auf einem „Zwischenstopp“. Dass dies notwendig war, liegt in der Natur der Sache, wenn die Fahrer an verschiedenen Standorten Ware sammelten und diese dann bei einem „Zwischenstopp“ bündelten. Nichtsdestotrotz handelte es sich bei all diesen Tätigkeiten um reine Fuhrparktätigkeiten. Alle diese Tätigkeiten sind nach dem Vortrag der Beklagten Frachtgeschäfte im Sinne der §§ 407 ff HGB und gerade keine Speditionsgeschäfte im Sinne von § 453 ff HGB. Arbeitstechnischer Zweck der Beklagten ist die Ausfuhr von Gütern. Ob diese Ausfuhr über einen Zwischenhalt erfolgt, wo verschiedene Waren gebündelt werden, oder direkt von einem Start- zum Zielort erfolgt, begründet aus Sicht der Kammer keinen abgrenzbaren arbeitstechnischen Zweck. Letztlich bleibt es immer dabei, dass Waren am Zielort in unbeschadetem Zustand einzutreffen haben. Die Beklagte hätte daher der Kammer weitere Erklärungen zu der Unterscheidbarkeit von Transporten „A nach B“ zu Transporten „A, B, C nach D nach E“ geben müssen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang um Schriftsatznachlass gebeten hat, konnte die Kammer hierfür keine Notwendigkeit erkennen. Die Kammer hatte in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass ihr diese Unterscheidung nicht gelingt, ohne dass hierauf eine substantiierte Erklärung erfolgte.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auch auf unterschiedliche Fahrzeuge, die in beiden Bereichen eingesetzt worden sein sollen, abgestellt hat, so war dieser Vortrag nicht geeignet, deswegen einen unterscheidbaren Teilbereich anzunehmen. Selbst wenn diese Fahrzeuge größer als die Standard-LKW der Beklagten gewesen sein sollten und statt der üblichen Planabdeckungen elektronische Abdeckungen verwendet wurden, so erschließt sich der Kammer nicht, wie hierdurch ein Teilbereich des arbeitstechnischen Zwecks Fuhrparkorganisation begründet werden könnte.

(3) Auch sah die Kammer im Standort N., an dem der Kläger beschäftigt war und der nach Vortrag der Beklagten gänzlich stillgelegt worden sein soll, keine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird.

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, inwiefern der Standort N. einen abgrenzbaren Teilzweck verfolgt. Vielmehr wurde nur vorgetragen, dass in diesem Bereich ausschließlich der Geschäftsbereich „Ladungsverkehre“ bedient worden sei. Dass der Bereich „Ladungsverkehre“ nicht auch von anderen Standorten aus bedient wurde, ist nicht vorgetragen worden. Da also nach dem Vortrag der Beklagten in N. dieselben Arbeiten wie an anderen Standorten verrichtet wurden und im Übrigen nichts darüber hinausgehendes vorgetragen wurde, das auf einen abgrenzbaren Teilzweck schließen lässt, vermochte die Kammer auch hierin keine abgrenzbare Teilbetriebsstilllegung zu erkennen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Standort N. räumlich weit vom Hauptbetrieb in S. entfernt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist. Denn im Rahmen von § 1 KSchG ist die Betriebsstilllegung vom (Teil-)Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB abzugrenzen. Obwohl § 613 a BGB wie das BetrVG auf die Begrifflichkeiten des Betriebs und Betriebsteils abstellt, ist hierfür nicht der betriebsverfassungsrechtliche Begriff maßgeblich, sondern der europarechtlich geprägte Begriff der wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer selbständigen, abtrennbaren organisatorischen Einheit, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird (MüKo BGB/Müller-Glöge, 5. Auflage 2009, § 613 a BetrVG, Rn. 14 f.).

cc)Schließlich gelang es der Beklagten aus Sicht der Kammer nicht, eine konkrete auf die Stilllegung des Geschäftsbetriebs gerichteten unternehmerischen Entscheidung darzulegen, weil die Beklagte selbst einen als „Übernahmevereinbarung“ bezeichneten Vertrag vorlegt, aus dem hervorgeht, dass sie ihren Fuhrpark ab dem 1.1.2011, also dem Zeitpunkt der angeblichen Betriebsstilllegung, in dem – soweit möglich – sämtliche Kundenverträge abgewickelt werden sollten, zeitlich unbefristet an die N. vermietete. Es ist denklogisch ausgeschlossen, dass die Beklagte überhaupt keine Mitarbeiter mehr beschäftigen will, gleichzeitig jedoch die Vermietung eines gesamten Fuhrparks betreiben möchte. Vielmehr spricht diese Eingehung einer unbefristeten Vermieterverpflichtung dafür, dass die Beklagte weiterhin Personal benötigt, also nicht das gesamte Unternehmen schließt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Da die Beklagte vollumfänglich unterlag, waren ihr die Kosten aufzuerlegen.

III.

Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er beträgt gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG für den Kündigungsschutzantrag zu Ziff. 1.) ein Bruttovierteljahresgehalt des Klägers.

 

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