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Wirksamkeit einer Vertragsänderung wegen sexueller Belästigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 339/18 – Urteil vom 11.04.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11. September 2018, Az. 2 Ca 371/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durch vertragliche Vereinbarung oder Änderungskündigung.

Der 1962 geborene, verheiratete Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50. Er ist seit Juli 1983 im Krankenhaus der Beklagten in Trier als Krankenpfleger beschäftigt, zuletzt als Leiter des Herzkatheter-Messlabors zu einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 13 iHv. € 4.485,71 brutto monatlich. Die Beklagte beschäftigt in diesem Krankenhaus rund 2.500 Arbeitnehmer. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Nach § 14 Abs. 5 AVR Caritas ist der Kläger ordentlich unkündbar.

Anfang März 2018 beschwerten sich zwei dem Kläger unterstellte Arbeitnehmerinnen beim Pflegedirektor schriftlich darüber, dass sie der Kläger sexuell belästigt habe. In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 06.03.2018 führt die Arbeitnehmerin A. Sch. folgendes aus:

„Im Jahr 2016 hat mir [der Kläger] vor Zeugen einen Klaps auf den Po gegeben mit der Aussage „Oh, ist der aber stramm“.

Im Herbst 2017 fragte [der Kläger] den Kollegen […] in meiner Gegenwart „Meinst du, dat Sch. bläst gut?“

In den vergangenen Jahren kam es bei verschiedensten Gelegenheiten (Mitarbeitergespräch im Büro, Zusammentreffen auf den Fluren, gemeinsame Tätigkeit im HKM) zu bewussten Berührungen an meinen Oberschenkeln, Knie oder Taille. Meine Hinweise, dass mir diese Berührungen unangenehm sind, wurden ignoriert bzw. die Handlung wurde bagatellisiert.

Vor gemeinsamen Besprechungen im Büro machte [der Kläger] für mich peinliche und anzügliche Gesten, welche den umstehenden Kollegen suggerierten, dass er sexuelle Handlungen mit mir anstrebte. Dieses unterstrich er durch hierzu passende Aussagen („Wir gehen jetzt mal ins Büro und schieben mal ne Nummer“). Meine augenblickliche Aussage („Mit Sicherheit nicht“) wurde mit Äußerungen wie „Man wird sich ja noch mal was wünschen dürfen“ abgetan.

Durch sein Verhalten fühle ich mich sexuell belästigt und bedrängt.

Diese Vorfälle führten inzwischen dazu, das ich bei bevorstehendem engerem Kontakt zum [Kläger] besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht an den Tag lege, um weiteren Vorfällen dieser Art aus dem Weg zu gehen.“

Die Arbeitnehmerin K. S. führte in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 07.03.2018 folgendes aus:

„Im Januar 2018 wurde ich auf der Brücke des … Gebäudes [vom Kläger] sexuell belästigt.

Er stellte sich hinter mich mit seinem Bauch an meinen Rücken und faste mir mit beiden Händen in meine Taille. Dabei anwesend waren […] und […].

In der Vergangenheit kam es zu weiteren Vorfällen. Er fasste mir mit seinen Händen in die Taille oder an die Oberschenkel.

Ich habe ihm mehrere Male gesagt „Hör auf“, „Lass mich in Ruhe“.

Der letzte Vorfall war Mitte Februar 2018, wieder griff er mir in die Taille ich sagte ihm „Hör auf“ und boxte ihm auf die Schulter.

Desweiteren äußert er sich auch verbal unangebracht. Erzählt mir wie potent er ist, fragt ob ich heute wieder schwarze Unterwäsche trage.

Ich habe mich aufgrund dieser Vorfälle an Frau Sch. gewandt und sie hat in meiner Anwesenheit [den Kläger] darauf hingewiesen die Finger bei sich zu lassen und mich in Ruhe zu lassen. Dieses Gespräch war 2016.

Wegen dem Vorfall auf der Brücke im Januar 2018 habe ich mich an Herrn […] und A. Sch. gewandt.

Ich fühle mich durch diese Ereignisse [vom Kläger] sexuell Belästigt. Außerdem wird mein Alltag auf der Arbeit dadurch eingeschränkt, ich gehe ihm aus dem Weg.

Wenn er morgens vor mir fährt warte ich noch 5 Minuten im Auto damit ich nicht zusammen mit ihm ins Haus gehen muss“.

Wirksamkeit einer Vertragsänderung wegen sexueller Belästigung
(Symbolfoto: Von Song_about_summer/Shutterstock.com)

Am 09.03.2018 wurde der Kläger vom Pflegedirektor und der Justitiarin des Krankenhauses zu den Vorwürfen sexueller Belästigung angehört. In einem weiteren Gespräch am 13.03.2018 mit denselben Teilnehmern bot die Beklagte dem Kläger eine Vereinbarung dahingehend an, dass er eine Abmahnung akzeptiere und die Leitungsfunktion im Herzkatheter-Messlabor mit entsprechender Herabgruppierung in Zukunft nicht mehr ausübe, sondern als Krankenpfleger weiterarbeite. Für den Fall, dass er dieses Angebot nicht annehmen sollte, stellte ihm die Beklagte eine entsprechende Änderungskündigung in Aussicht. Der Kläger, der spontan zustimmen wollte, erhielt Gelegenheit, das Angebot bis zum nächsten Tag zu überdenken. Mit E-Mail vom 14.03.2018 nahm er das Angebot an.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.03.2018 focht der Kläger seine Erklärung mit der Begründung an, die Beklagte habe ihn durch Androhung einer fristlosen Kündigung massiv unter Druck gesetzt und ihm Angst gemacht. Ihm sei erklärt worden, dass er keine neue Beschäftigung mehr finden werde, wenn ihm wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung fristlos gekündigt werde, denn im Falle einer anderweitigen Bewerbung erfolge grundsätzlich eine Nachfrage beim vorherigen Arbeitgeber.

Nach Zugang der Anfechtungserklärung beantragte die Beklagte am 16.03.2018 die Zustimmung des Integrationsamtes zu einer außerordentlichen Änderungskündigung. Diese Zustimmung wurde ihr mit Bescheid vom 29.03.2018 erteilt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Trier hat die Anfechtungsklage mit – rechtskräftigem – Urteil vom 24.01.2019 (2 K 5491/18.TR) abgewiesen.

Mit Schreiben vom 29.03.2018 kündigte die Beklagte nach Beteiligung der Mitarbeiter- und der Schwerbehindertenvertretung das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.04.2018 im Herzkatheter-Messlabor mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 9 als Krankenpfleger fortzusetzen. Die Differenz zwischen Entgeltgruppe P 13 und P 9 beträgt rund € 900,00 brutto monatlich. Der Kläger, der seit März 2018 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt ist, nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und erhob am 11.04.2018 Klage.

Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Änderungsvertrag, der einer AGB-Kontrolle unterliege, halte einer Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle nicht stand, weil sich seine Vergütung durch die Herabgruppierung um ca. 25 % verringere. Es sei auch ein Widerrufsrecht zu prüfen. Die erklärte Anfechtung greife durch, weil ihm ein verständiger Arbeitgeber weder mit einer Beendigungs- noch mit einer Änderungskündigung gedroht hätte. Er habe bei seiner Anhörung wahrheitsgemäß eingeräumt, dass er sich an lockeren Sprüchen mit sexuellem Inhalt beteiligt habe, wie dies in der Abteilung üblich gewesen sei. Er habe aber nie Kolleginnen bewusst und gezielt in sexueller Absicht berührt oder belästigt. Die Arbeitnehmerinnen hätten sich – unstreitig – zuvor nie an irgendeiner Stelle beschwert. Im Übrigen sei die Änderungskündigung kein geeignetes Mittel, um die Problematik zu lösen, und daher unverhältnismäßig. Er habe seine Führungsposition nicht für sexuelle Kontakte oder Anzüglichkeiten ausgenutzt. Die Herabgruppierung, die nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas allenfalls um eine Entgeltgruppe möglich sei, stehe in keinem Zusammenhang mit den Vorwürfen. Als kirchliche Arbeitgeberin habe die Beklagte auch ihm gegenüber besondere Fürsorgepflichten. Eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen, um ihn zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche fristlose Änderungskündigung der Beklagten vom 29.03.2018 mit Wirkung ab 01.04.2018 sozial ungerechtfertigt ist,

2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen auch nicht durch andere Tatbestände eingetreten ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn in seiner bisherigen Position als Leiter des Herzkatheter-Messlabors mit der Vergütungsgruppe P 13 tatsächlich weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich ausgeführt, der Änderungsvertrag sei wirksam. Ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Ihre Änderungskündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe in seiner Anhörung am 09.03.2018 die Vorwürfe im Wesentlichen eingeräumt. Lediglich wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit und der gezeigten Reue sei sie bereit gewesen, auf eine außerordentliche Beendigungskündigung zu verzichten. Wegen der sexuellen Belästigungen könne der Kläger jedoch nicht mehr als Leiter des Herzkatheter-Messlabors eingesetzt werden.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 11.09.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung – zusammen- gefasst – ausgeführt, die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung sei überflüssig, denn die Arbeitsbedingungen, die sie herbeiführen sollte, seien zwischen den Parteien bereits einvernehmlich arbeitsvertraglich vereinbart worden. Der Kläger habe am 14.03.2018 das von der Beklagten am 13.03.2018 unterbreitete Angebot, seine Leitungsfunktion im Herzkatheter-Messlabor bei entsprechender Herabgruppierung aufzugeben, angenommen. Damit sei eine Vertragsänderung zustande gekommen. Die vom Kläger erklärte Anfechtung dieser Vereinbarung greife nicht durch. Der Kläger sei zur Abgabe seiner Willenserklärung nicht durch widerrechtliche Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB bestimmt worden. Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz seien, abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls, grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Kläger habe unstreitig gegenüber den Arbeitnehmerinnen Sch. und S. Bemerkungen mit sexuellem Inhalt gemacht, es sei auch zu Berührungen gekommen. Da die Beklagte eine außerordentliche Beendigungskündigung – ohne vorherige Abmahnung – ernsthaft in Betracht hätte ziehen dürfen, sei die Drohung mit einer außerordentlichen Änderungskündigung erst recht nicht widerrechtlich. Hinzu komme, dass die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt habe, die Annahme ihres Angebots bis zum nächsten Tag zu überdenken. Er habe sich am Folgetag für die Annahme des Änderungsangebots entschieden; an seiner Erklärung müsse er sich festhalten lassen. Ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht sehe das Gesetz nicht vor; es sei auch vertraglich nicht vereinbart worden. Der Änderungsvertrag sei keiner AGB-Kontrolle zu unterziehen, weil es sich um eine individuell ausgehandelte Vereinbarung handele. Es sei daher unerheblich, dass eine Reduzierung der Vergütung um ca. 20 % eingetreten sei. Da die Vertragsänderung einvernehmlich erfolgt sei, finde auch die Einschränkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas, wonach eine Herabgruppierung nur um eine Entgeltgruppe möglich sei, keine Anwendung. Die Änderungsschutzklage des Klägers sei unbegründet, denn er sei aufgrund wirksamer vertraglicher Vereinbarung verpflichtet, zukünftig zu den geänderten Arbeitsbedingungen als Krankenpfleger mit entsprechend reduzierter Vergütung tätig zu werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 11.09.2018 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 24.09.2018 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 19.10.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 27.12.2018 verlängerten Begründungsfrist mit einem am 20.12.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe ihm im Gespräch vom 13.03.2018 mit einer außerordentlichen Änderungskündigung gedroht. Diese Drohung sei aus mehreren Gründen iSv. § 123 Abs. 1 BGB widerrechtlich gewesen. Die angedrohte Änderungskündigung sei zur Erreichung des verfolgten Zwecks offenkundig ungeeignet, denn er solle weiterhin mit den zwei Arbeitnehmerinnen im Herzkatheter-Messlabor zusammenarbeiten, die ihm eine sexuelle Belästigung vorwerfen. Die Veränderung der Hierarchie durch seine Beschäftigung als einfacher Krankenpfleger und insbesondere die Reduzierung seiner Vergütung um vier Entgeltgruppen seien offenkundig keine geeigneten Maßnahmen, um die Arbeitnehmerinnen vor den behaupteten sexuellen Übergriffen zu schützen. Das Arbeitsgericht habe angenommen, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz auch Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung sein könnten. Der vorliegende Sachverhalt gebe dazu nichts her. Er habe erstinstanzlich dargelegt, dass auch er anzüglichen Sprüchen mit sexuellem Inhalt ausgesetzt gewesen sei. Der Umgang zwischen den Kollegen/innen habe nichts mit seiner Vorgesetztenposition zu tun gehabt. Ihm tue es außerordentlich leid, dass sich seine Kolleginnen von ihm sexuell belästigt fühlten. Er habe sich von Anfang an einsichtig gezeigt und ohne Einschränkungen erklärt, dass er sich an Gesprächen mit sexuellem Inhalt nie wieder beteiligen werde. Die Drohung mit einer Änderungskündigung sei auch deshalb widerrechtlich, weil § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas einer Herabgruppierung um vier Entgeltgruppen nicht zulasse. Bei unerwarteten Schwierigkeiten in einem unkündbaren Arbeitsverhältnis sei nach den AVR Caritas ausnahmsweise eine Änderungskündigung um (nur) eine Entgeltgruppe zulässig. Außerdem habe die Beklagte durch die Drohung mit der Änderungskündigung ihre besonderen Loyalitäts- und Treuepflichten im kirchlichen Arbeitsverhältnis verletzt. Die Beklagte habe sich in der Verhandlung vor dem Integrationsamt darauf berufen, dass sie als kirchlicher Arbeitgeber zu besonderen Schutzmaßnahmen verpflichtet sei. Diese Schutzpflichten müsse sie auch ihm gegenüber wahren, zumal er 37 Jahre engagiert und zuverlässig in verantwortungsreicher Position gearbeitet habe. Es könne auch nicht unbeachtet bleiben, dass sich seine Kolleginnen trotz vielfältiger Möglichkeiten nie über ihn beschwert hätten. So habe es regelmäßige wöchentliche Teamsitzungen und sogar anonyme Befragungen gegeben. Das Arbeitsgericht hätte eine AGB-Kontrolle durchführen müssen, denn der Änderungsvertrag sei nicht individuell ausgehandelt worden. Die Beklagte habe die gewünschten Änderungen vorgegeben und bestimmt. Eine Verhandlungsbereitschaft über den Vertragsinhalt habe nicht bestanden. Er habe nur die Möglichkeit gehabt, dem vorformulierten Vertragsangebot – Tätigkeit als Krankenpfleger, Reduzierung der Vergütung um vier Entgeltgruppen – zuzustimmen oder die angedrohte Änderungskündigung abzuwarten. Weil zwischen den Parteien keine wirksame Änderungsvereinbarung zustande gekommen sei, müsse folglich die Änderungskündigung auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Wenn bereits die Drohung mit einer Änderungskündigung im dargelegten Umfang offenkundig rechtsunwirksam gewesen sei, gelte dies erst recht für die ausgesprochene Änderungskündigung.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.09.2018, Az. 2 Ca 371/18, abzuändern und

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche fristlose Änderungskündigung der Beklagten vom 29.03.2018 mit Wirkung ab 01.04.2018 sozial ungerechtfertigt ist,

2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen auch nicht durch andere Tatbestände eingetreten ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn in seiner bisherigen Position als Leiter des Herzkatheter-Messlabors mit der Vergütungsgruppe P 13 tatsächlich weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Arbeitsbedingungen des Klägers durch den wirksamen Änderungsvertrag, der durch das Angebot der Beklagten vom 13.03.2018 und die Annahme des Klägers vom 14.03.2018 zustande gekommen ist, abgeändert worden sind. Der Änderungsvertrag vom 13./14.03.2018 ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig, weil der Kläger durch widerrechtliche Drohung iSv. § 123 Abs. 1 BGB zum Abschluss dieses Vertrags bestimmt worden wäre. Der Kläger kann keine Weiterbeschäftigung zu den ursprünglichen Bedingungen verlangen. Er ist aufgrund der Änderungsvereinbarung nicht mehr Leiter des Herzkatheter-Messlabors mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 13, sondern Krankenpfleger ohne Leitungs- und Vorgesetztenfunktion mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 9 AVR Caritas. Auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung vom 29.03.2018 kommt es nicht mehr an. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung. Die Berufungsangriffe des Klägers bleiben erfolglos.

1. Der Klageantrag zu 2) ist zulässig, aber unbegründet.

a) Der Kläger verlangt mit diesem Antrag die Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen „auch nicht durch andere Tatbestände“ eingetreten ist. Für diesen Antrag liegen die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO vor. Die Beklagte berühmt sich einer Änderung der Arbeitsbedingungen, und zwar mit sofortiger Wirkung, durch eine einvernehmliche Vertragsänderung vom 13./14.03.2018. Die mit dem Klageantrag zu 1) angegriffene Änderungskündigung, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hat, wäre dann „überflüssig“, denn bestehende, arbeitsvertraglich bereits vereinbarte Bedingungen, die in Wirklichkeit unverändert bleiben, können nicht iSv. §§ 1 Abs. 2, 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sein.

b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die vom Kläger mit Anwaltsschreiben vom 15.03.2018 erklärte Anfechtung der Änderungsvereinbarung vom 13./14.03.2018 wegen widerrechtlicher Drohung iSv. § 123 Abs. 1 BGB nicht berechtigt ist. Zwar hat die Beklagte unstreitig im Gespräch vom 13.03.2018 den Ausspruch einer fristlosen Änderungskündigung mit dem Ziel in Aussicht gestellt, dem Kläger seine Leitungs- und Vorgesetztenfunktion im Herzkatheter-Messlabor zu entziehen und ihn als Krankenpfleger mit einer um vier Entgeltgruppen geringeren Vergütung weiterzubeschäftigen. Doch war diese Ankündigung nicht widerrechtlich.

aa) Gem. § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Willenserklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dabei kann sich die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich. Nicht erforderlich ist allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen (vgl. etwa BAG 21.04.2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 54 mwN).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze war nach den Gesamtumständen im Streitfall die Drohung mit einer außerordentlichen Änderungskündigung nicht widerrechtlich.

(1) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass die Drohung mit einer Änderungskündigung nicht dem – oben dargestellten – Prüfungsmaßstab unterliege, den die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Drohung mit einer Beendigungskündigung entwickelt hat. Diese Ansicht hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der von der Berufung angeführten Entscheidung vom 06.12.2017 (3 Sa 158/17) nicht vertreten. Es hat die Frage nach einem anderen Prüfungsmaßstab vielmehr ausdrücklich offen gelassen und die Grundsätze zur Drohung mit einer Beendigungskündigung auf den dort entschiedenen Fall angewendet (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern 06.12.2017 – 3 Sa 158/17 – Rn. 25 ff, 35).

(2) Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass unter dem Gesichtspunkt der von einem verständigen Arbeitgeber anzustellenden Erwägungen, die Drohung der Beklagten mit einer außerordentlichen Änderungskündigung mit dem Ziel, dem Kläger die Leitungs- und Vorgesetztenfunktion für die Pflegekräfte im Herzkatheter-Messlabor zu entziehen, nicht widerrechtlich gewesen ist.

Aufgrund der zwei schriftlichen Stellungnahmen der dem Kläger unterstellten Arbeitnehmerinnen A. Sch. und K. S. vom 06. und 07.03.2018 bestand gegen den Kläger der Verdacht, einer sexuellen Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG. Danach liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert nicht, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (vgl. BAG 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 18, 19 mwN).

Die beiden Arbeitnehmerinnen haben in ihren schriftlichen Stellungnahmen sexuell anzügliche Äußerungen des Klägers („Oh, ist der [Po] aber stramm“, „Meinst du, dat Sch. bläst gut?“, „Wir gehen jetzt mal ins Büro und schieben mal ne Nummer“) und sexuell zweideutige Fragen nach der Farbe der Unterwäsche dargestellt. Sie haben außerdem Eingriffe des Klägers in die körperliche Intimsphäre, die objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen sind, angeführt (Klaps auf den Po, bewusste Berührungen an den Oberschenkeln, am Knie, Griff in die Taille, aufgedrängte körperliche Berührung mit dem Bauch am Rücken mit beidhändigem Griff in die Taille). Das sind Grenzüberschreitungen, die von der Beklagten nicht hingenommen werden dürfen. Sie hat vielmehr die Pflicht, die zwei dem Kläger unterstellten Arbeitnehmerinnen effektiv vor sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dabei ist entgegen der Ansicht der Berufung unerheblich, dass sich die zwei Arbeitnehmerinnen im März 2018 erstmals beim Pflegedirektor über den Kläger beschwert haben.

Der Kläger bestreitet körperliche Berührungen der zwei Arbeitnehmerinnen nicht allgemein, sondern „in sexueller Absicht“. Er räumt ein, dass er sich an „lockeren Sprüchen mit sexuellem Inhalt“ beteiligt habe. Schon dadurch hat der Kläger die sexuelle Belästigung der Arbeitnehmerinnen iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

Nach § 12 Abs. 3 AGG war die Beklagte aufgrund der Stellungnahmen der zwei Arbeitnehmerinnen verpflichtet, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Der Arbeitgeber hat sexuelle Belästigungen zu „unterbinden“. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (vgl. BAG 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 29 mwN; 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 28 mwN).

Die Annahme der Beklagten, es reiche aus, dem Kläger die Leitungs- und Vorgesetztenfunktion im Herzkatheter-Messlabor zu entziehen und ihn zukünftig als (einfachen) Krankenpfleger ohne Führungsaufgaben zu beschäftigen, um die ihm unterstellten Arbeitnehmerinnen vor weiteren sexuellen Belästigungen zu schützen, ist nicht zu beanstanden. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz häufig Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung und weniger von sexuell bestimmter Lust (so ausdrücklich BAG 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 19 mit Hinweis auf Köhler/Koops BB 2015, 2807, 2809). Die Beklagte durfte annehmen, dass sie das unerwünschte Verhalten des Klägers wirkungsvoll verhindern kann, wenn sie ihm seine Vorgesetztenfunktion entzieht. Dies hat zudem den Effekt, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen gegenüber dem Kläger nicht mehr aus einer hierarchisch unterlegenen Position heraus agieren müssen. Sie können sich besser wehren, weil ihre Situation nicht mehr von Abhängigkeit geprägt ist.

Soweit der Kläger die sexuellen Belästigungen damit zu relativieren versucht, dass auch er mit anzüglichen sexuellen Bemerkungen (bspw. zu seiner Potenz im Verhältnis zu seinem Lebensalter) belästigt worden sei, wird deutlich, dass er seinen Leitungsaufgaben nicht gerecht geworden ist. Es hätte ihm als Leiter des Herzkatheter-Messlabors oblegen, Strategien gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz umzusetzen und vorzuleben, anstatt sich als Vorgesetzter an „lockeren Sprüchen mit sexuellem Inhalt“ zu beteiligen. Auch deshalb ist der Entzug von Führungs- und Leitungsaufgaben wirkungsvoller als eine bloße Abmahnung, die der Kläger nach seinen erstinstanzlichen Ausführungen nicht akzeptiert hätte.

(3) Soweit die Berufung meint, die Drohung mit einer Änderungskündigung sei deshalb widerrechtlich gewesen, weil die Beklagte den Kläger nicht um vier Entgeltgruppen hätte herabgruppieren dürfen, verkennt sie, dass der Kläger zukünftig mit Tätigkeiten als Krankenpfleger beschäftigt werden soll, die der Entgeltgruppe P 9 für Mitarbeiter im Pflegedienst in Krankenhäusern nach den AVR Caritas entsprechen. Die niedrigere Vergütung ist nicht Folge einer Herabgruppierung bei gleichbleibender Tätigkeit, sondern des Entzugs der Leitungsfunktion.

Ob ein Arbeitnehmer in eine ihm angesonnene Änderung billigerweise einwilligen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die angebotenen Änderungen dürfen sich vom Inhalt der bisherigen vertraglichen Regelungen nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Wenn – wie hier – neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist aber entbehrlich, wenn dieses sich aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt. In einem solchen Fall ist eine Aufspaltung des Änderungsangebots in die Veränderung der Tätigkeit einerseits und deren Vergütung andererseits aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die neue Tätigkeit ist einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, so dass sich ihre Vergütung „automatisch“ ergibt. Ist die Veränderung der Tätigkeit als solche unabweisbar und daher geeignet, eine darauf gerichtete außerordentliche Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies auch hinsichtlich der Änderung der Eingruppierung. Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen regelmäßig nicht zumutbar, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers den neuen Gegebenheiten anzupassen und es bei der bisherigen – nunmehr übertariflichen – Bezahlung zu belassen (vgl. BAG 28.10.2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 36 mwN).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die – wenn auch beträchtliche – Änderung der Vergütung um ca. € 900,00 brutto monatlich hinzunehmen. Sie stellt sich nicht etwa als Vergütungskürzung bei unveränderten Arbeitsaufgaben dar. Sie knüpft vielmehr an die neue Tätigkeit als Krankenpfleger an und entspricht dem maßgeblichen Vergütungssystem. Nach Anhang D zur Anlage 31 (Entgeltgruppen für Mitarbeiter im Pflegedienst in Krankenhäusern) zu den AVR Caritas sind Pfleger mit abgeschlossener Fachweiterbildung höchstens nach Entgeltgruppe P 9 zu vergüten, während Stationsleiter mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit oder von großen Stationen eine Vergütung nach P 13 beanspruchen können.

Ein verständiger Arbeitgeber hätte – trotz der beträchtlichen Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Vergütung – dem Kläger keine weniger einschneidende Änderung anbieten müssen. Die Existenz eines kollektiven Vergütungssystems lässt für den Arbeitgeber – auch wenn sich die Vergütung nach den auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen der Kirchen richtet – eine andere als die sich aus diesem ergebende Vergütung grundsätzlich nicht zu. Im Streitfall ist der Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit zudem nicht aufgrund bestimmter unternehmerischer Entscheidungen eingetreten, sondern beruht allein auf Gründen im Verhalten des Klägers.

Entgegen der Ansicht der Berufung stehen die Sonderregelungen für unkündbare Mitarbeiter in § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas diesem Verständnis nicht entgegen. Dem (gem. § 14 Abs. 5 AVR Caritas nach Vollendung des 40. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von mind. 15 Jahren) ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer kann aus einem in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund iSd. § 626 BGB fristlos gekündigt werden (§ 16 Abs. 2 AVR Caritas). Ihm kann außerdem gekündigt werden, wenn er nicht weiterbeschäftigt werden kann, weil die Einrichtung, in der er tätig ist, wesentlich eingeschränkt oder aufgelöst wird (§ 15 Abs. 1 AVR Caritas). Liegen keine Kündigungsgründe nach § 15 Abs. 1 oder § 16 Abs. 2 AVR Caritas vor, ist dem Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen nicht gestattet. Er kann jedoch beim Vorliegen „sonstiger wichtiger Gründe“ das Arbeitsverhältnis zum „Zwecke der Herabgruppierung“ des Mitarbeiters um eine Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe kündigen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas). Sonstige wichtige Gründe sind dann gegeben, wenn eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist oder der Mitarbeiter dauernd außerstande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erbringen, die er nach seinem Dienstvertrag zu erbringen hat und die nachweislich für die Einstufung in seine Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe maßgebend sind (§ 15 Abs. 2 Satz 3 AVR Caritas).

Vorliegend drohte die Beklagte dem Kläger mit einer verhaltensbedingten Änderungskündigung aus einem wichtigen Grund. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR, der aus „sonstigen wichtigen Gründen“ eine Kündigung „zum Zwecke der Herabgruppierung“ um lediglich eine Entgeltgruppe zulässt, liegen nicht vor. Die angedrohte Änderungskündigung sollte nicht zur Entgeltreduzierung erfolgen, sondern mit dem Ziel, dem Kläger aus Gründen in seinem Verhalten, eine andere Tätigkeit als Krankenpfleger zuzuweisen, die nach den AVR Caritas nicht mit P 13, sondern mit P 9 bewertet wird. Das Änderungsangebot richtete sich in erster Linie auf eine Änderung der Tätigkeit und erst in deren Gefolge auf eine Änderung des Entgelts. Bei einem verhaltensbedingten fristlosen Kündigungsgrund zwingt § 15 Abs. 2 Satz 2 AVR Caritas den Arbeitgeber – entgegen der Ansicht der Berufung – nicht, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu ändern und es ansonsten bei einer Bezahlung zu belassen, die höchstens um eine Entgeltgruppe sinkt.

(4) Anders als die Berufung meint, war die Drohung mit einer außerordentlichen Änderungskündigung auch nicht deshalb widerrechtlich, weil die Beklagte ihre besonderen Loyalitäts- und Treupflichten als kirchliche Arbeitgeberin gegenüber dem Kläger verletzt hätte.

Ein kirchliches Krankenhaus ist – wie andere Arbeitgeber auch – gesetzlich verpflichtet, sexuelle Belästigungen zu unterbinden, die – wie hier – von einem Vorgesetzten gegenüber ihm unterstellten Mitarbeiterinnen erfolgen. Die Beklagte ist ihren Loyalitätsobliegenheiten gegenüber dem Kläger gerecht geworden. Sie hat zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er bereits seit 37 Jahren in ihrem Krankenhaus beschäftigt ist, und hat im Hinblick darauf, von einer fristlosen Beendigungskündigung abgesehen. Sie will den Kläger als Krankenpfleger weiterbeschäftigen und hat sich darauf beschränkt, ihm die Leitungsposition im Herzkatheter-Messlabor zu entziehen. Unter dem Gesichtspunkt der von einem verständigen Arbeitgeber anzustellenden Erwägungen, ist das nicht zu beanstanden.

bb) Der Änderungsvertrag vom 13./14.03.2018 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil er gegen das Gebot „fairen Verhandelns“ verstieße.

(1) Das Gebot „fairen Verhandelns“ ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwert. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche des Arbeitnehmers bewusst ausgenutzt wird (vgl. BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – Pressemitteilung Nr. 6/2019; BAG 27.11.2003 – 2 AZR 177/03 – Rn. 41 mwN).

(2) Für ein mögliches unfaires Verhandeln der Beklagten sind vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar. Der Kläger ist von der Beklagten nicht gedrängt worden, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Vielmehr wurde ihm im Hinblick auf seine ordentliche Unkündbarkeit, seine lange Betriebszugehörigkeit von 37 Jahren und seine gezeigte Reue lediglich eine Änderung seiner Arbeitsbedingungen angesonnen. Er sollte seine Leitungsposition im Herzkatheter-Messlabor aufgeben und zukünftig als Krankenpfleger mit einer dieser Tätigkeit entsprechenden reduzierten Vergütung weiterarbeiten. Dem Kläger wurde ausdrücklich eine Bedenkzeit eingeräumt, um über das Angebot nachzudenken. Seit der ersten Konfrontation mit dem Vorwurf, dass er zwei ihm unterstellte Arbeitnehmerinnen sexuell belästigt haben soll, hatte der Kläger vom 09.03. (Freitag) bis zum 14.03.2018 (Mittwoch) ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich eine anwaltliche Beratung und Unterstützung zu organisieren sowie seine Entscheidung in Ruhe zu überdenken.

cc) Entgegen der Auffassung der Berufung benachteiligt die Änderungsvereinbarung vom 13./14.03.2018 den Kläger nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB.

Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall überhaupt Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB oder sog. Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB verwandt worden sind. Die fehlende schriftliche Fixierung des Änderungsvertrags steht der Einstufung als „vorformulierte“ Vertragsbedingung jedenfalls nicht entgegen (vgl. BGH 12.06.2001 – XI ZR 274/00 – Rn. 5). Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist § 307 BGB bei Verbraucherverträgen auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass der Änderungsvertrag zwischen den Parteien iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB „ausgehandelt“ worden sein könnte, liegen nicht vor.

Die Inhaltskontrolle der Änderungsvereinbarung ist nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur dann, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung unterliegen aber aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig keiner Inhaltskontrolle (vgl. BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10 – Rn. 40 ff mwN). Die zwischen den Parteien vereinbarte Änderung der Arbeitsbedingungen betrifft den unmittelbaren Gegenstand selbständiger Hauptleistungspflichten. Der Kläger soll zukünftig als Krankenpfleger zu einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 9 beschäftigt werden. Die vom Kläger in den Raum gestellte nachteilige Folge der Vereinbarung – eine um ca. € 900,00 brutto monatlich geringere Vergütung – hängt nicht mit einer einseitig benachteiligenden Gestaltung der Vertragsbedingungen zusammen, sondern mit der vereinbarten neuen Tätigkeit als Krankenpfleger, die nach den Eingruppierungsregeln der AVR Caritas für Mitarbeiter im Pflegedienst von Krankenhäusern nicht nach Entgeltgruppe P 13, sondern höchstens nach P 9 zu vergüten ist.

dd) Dem Kläger steht auf gesetzlicher Grundlage auch nicht das Recht zu, den Änderungsvertrag vom 13./14.03.2018 zu widerrufen. Am Arbeitsplatz geschlossene Verträge sind schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 312 g Abs. 1 BGB nicht widerruflich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen (vgl. BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – Pressemitteilung Nr. 6/2019).

Im Übrigen ist festzustellen, dass der Kläger keinen Widerruf erklärt hat. Er hat den Änderungsvertrag mit Anwaltsschreiben vom 15.03.2018 angefochten. Das Schreiben setzt sich inhaltlich ausschließlich damit auseinander, dass die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung rechtswidrig gewesen sei. Daraus lässt sich nicht der erforderliche Wille entnehmen, Gebrauch von einem – wie auch immer gearteten – Widerrufsrecht zu machen. Das gilt umso mehr, weil der Kläger bei Abgabe der Anfechtungserklärung anwaltlich vertreten war. Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Anfechtung und Widerruf genügt zur Ausübung des Widerrufs eine Erklärung, die lediglich erkennen lässt, dass der Erklärende an den Vertrag nicht mehr gebunden sein will, nicht (vgl. BAG 12.03.2015 – 6 AZR 82/14 – Rn. 15 ff mwN).

Soweit der Kläger erstinstanzlich unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (28.03.2018 – 13 Sa 304/17) ausgeführt hat, dass ein Widerrufsrecht zu prüfen sei, sind die Sachverhalte nicht vergleichbar. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in der herangezogenen Entscheidung die Wirksamkeit einer Widerrufsklausel in einem Dienstwagenüberlassungsvertrag überprüft. Damit hat der vorliegende Sachverhalt nichts zu tun.

2. Die Änderungsschutzklage des Klägers (Klageantrag zu 1) gegen die Kündigung der Beklagten vom 29.03.2018 ist unbegründet. Der Kläger ist – wie oben ausgeführt – aufgrund des wirksamen Änderungsvertrags vom 13./14.03.2018 verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu den im Änderungsangebot genannten Bedingungen zu erbringen.

Hat der Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Die Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (vgl. BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 48 mwN).

3. Der Klageantrag zu 3) auf Weiterbeschäftigung zu den ursprünglichen Bedingungen als Leiter des Herzkatheter-Messlabors mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 13 AVR Caritas ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist – wie oben ausgeführt – durch Änderungsvertrag vom 13./14.03.2018 dahingehend geändert worden ist, dass der Kläger als Krankenpfleger ohne Leitungs- und Vorgesetztenfunktion mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 9 AVR Caritas weiterbeschäftigt wird. Außerdem scheidet ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen grundsätzlich aus, wenn er – wie der Kläger – das Angebot auf Vertragsänderung unter Vorbehalt angenommen hat (vgl. BAG 28.05. 2009 – 2 AZR 844/07 – Rn. 26 mwN).

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

 

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