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Wirksamkeit eines Klageverzichts – Abwicklungsvertrag

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 5 Sa 24/15, Urteil vom 23.07.2015

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26. November 2014, Az. 5 Ca 139/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit eines Abwicklungs- und Klageverzichtsvertrags.

Der 1966 geborene Kläger war seit 01.09.2012 im Baumarkt der Beklagten als Verkäufer zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 2.700,- in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig 25 Arbeitnehmer. Am 18.01.2014 bat der Geschäftsführer den Kläger in sein Büro und händigte ihm eine schriftliche Kündigungserklärung vom 18.01. zum 28.02.2014 aus. Er begründete die Kündigung damit, dass er dringend Kosten einsparen müsse. Der Geschäftsführer übergab dem Kläger anschließend folgenden vorbereiteten Vertrag, den beide Parteien unterzeichneten:

„Abwicklungsvertrag

zur Vermeidung eines Arbeitsgerichtsprozesses

1. Beendigung

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristgerechten betriebsbedingten Kündigung vom 18.01.2014 zum 28.02.2014 enden wird.

2. Gehaltszahlung

Der Mitarbeiter erhält bis zu seinem Ausscheiden seine monatlichen Bezüge.

3. Freistellung

Der Mitarbeiter wird ab sofort bis zu seinem Ausscheiden freigestellt. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung von anteiligem Resturlaub und eventuell angefallener Überstunden.

4. Betriebsgeheimnisse

(…)

5. Zeugnis

Der Mitarbeiter wird bis zu seinem Ausscheiden ein qualifiziertes Zeugnis über seine Tätigkeit erhalten. Das Zeugnis wird sich auf Führung und Leistung erstrecken und im Sinne der Rechtsprechung vom Wohlwollen des Arbeitgebers getragen sein.

6. Schlussbestimmungen

Mit der Erfüllung der sich aus den Ziffern 2 bis 5 ergebenden Verpflichtungen sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner am 28.02.2014 eintretenden Beendigung abgegolten, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt. Der Mitarbeiter verzichtet auf eine rechtliche Überprüfung der Kündigung und dieser Vereinbarung.

Der Mitarbeiter erklärt, dass er den Abwicklungsvertrag sorgfältig gelesen und nach reiflicher Überlegung freiwillig unterzeichnet hat.

Datum: 18.01.2014″

Die Beklagte räumt ein, dass dem Kläger bei Vertragsschluss noch eine Woche Urlaub aus 2013 und 2/12 Teilurlaub aus 2014 sowie Zeitausgleich für 42,75 Überstunden zustanden. Weitere Urlaubstage und Überstunden sind streitig.

Mit Anwaltsschreiben vom 21.01.2014 focht der Kläger den Abwicklungsvertrag an. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe ihn überrumpelt. Er sei davon ausgegangen, dass ihn der Geschäftsführer in sein Büro gerufen habe, um die Spesenabrechnung zu besprechen. Stattdessen sei ihm die Kündigung überreicht worden. Er sei geschockt gewesen, die Kündigung habe ihn völlig unvorbereitet getroffen. Bereits wenige Minuten nach Übergabe der Kündigung habe ihm der Geschäftsführer den Abwicklungsvertrag vorgelegt, den er noch im Schockzustand unterzeichnet habe.

Mit seiner am 03.02.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 26.11.2014 (dort Seite 2 bis 4) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung -zusammen- gefasst- ausgeführt, der Kläger habe wirksam auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Anfechtung greife nicht durch, weil keine arglistige Täuschung iSd. § 123 BGB vorliege. Der Geschäftsführer habe dem Kläger bei Übergabe der Kündigung und des Abwicklungsvertrags nur in allgemeiner Form erklärt, dass die Beklagte Kosten einsparen müsse. Eine bestimmte Erklärung, dass aufgrund konkreter – nur vorgetäuschter – Umstände gerade die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses geboten sei, sei nach dem Vorbringen des Klägers nicht erfolgt. Auf andere Anfechtungsgründe berufe sich der Kläger nicht. Die den Klageverzicht enthaltende Klausel halte einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Zwar stelle ein Klageverzicht ohne kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Im Streitfall sei die im Abwicklungsvertrag vereinbarte bezahlte Freistellung Gegenleistung für den Verzicht auf die gerichtliche Überprüfung der Kündigung. Auf die Höhe der Gegenleistung, vorliegend also darauf, wie viele Stunden Freistellung der Kläger unter Anrechnung der noch offenen Urlaubs- und Überstundenansprüche tatsächlich erhalten habe, komme es nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 7 des erstinstanzlichen Urteils vom 26.11.2014 Bezug genommen.

Gegen das am 29.12.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 28.01.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 10.02.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er macht zur Begründung der Berufung geltend, er habe den Abwicklungsvertrag und den darin enthaltenen Klageverzicht wirksam angefochten. Der Vertrag sei bereits wegen der geschilderten Überrumpelung anfechtbar. Er habe angenommen, dass der Geschäftsführer ihn am 18.01.2014 in sein Büro rufe, um mit ihm die Spesenabrechnung zu erörtern, weil er ihn eindringlich gebeten habe, die Fahrtkosten noch vor seinem Urlaub ab 20.01.2014 abzurechnen. Stattdessen sei ihm die Kündigung und der Abwicklungsvertrag vorgelegt worden. Auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife durch. Der Geschäftsführer habe ihm bei Übergabe der Kündigung erklärt, dass er aufgrund eines „erheblichen“ Umsatzrückgangs dringend Kosten einsparen müsse. Tatsächlich habe lediglich ein geringfügiger Umsatzrückgang vorgelegen. Nach Mitteilung des Sohnes des Geschäftsführers, den er wenige Tage nach dem 18.01.2014 getroffen habe, sei der Umsatz 2013 nur € 5.000,- hinter dem Vorjahresumsatz zurückgeblieben; dies bei einem Jahresumsatz von rund € 5 Mio. Den von der Beklagten behaupteten Umsatzrückgang von € 54.000,- habe er mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen wäre ein Umsatzrückgang in dieser Größenordnung keinesfalls erheblich. Die Täuschung des Geschäftsführers über einen „erheblichen“ Umsatzrückgang habe ihn letztlich dazu veranlasst, die Kündigung zu akzeptieren und den Abwicklungsvertrag nebst Klageverzicht zu unterzeichnen. Es sei für ihn nachvollziehbar und logisch gewesen, dass der Arbeitgeber bei einem „erheblichen“ Umsatzrückgang die Möglichkeit haben müsse, Personal einzusparen. Die Täuschungshandlung des Geschäftsführers sei konkret kausal für die Unterzeichnung des Vertrags gewesen.

Der Abwicklungsvertrag sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stelle keine kompensatorische Gegenleistung für den Klageverzicht dar. Er habe keinerlei Interesse an einer Freistellung gehabt. Letztlich habe er auch vorgetragen und bestritten, dass überhaupt eine Freistellung unter Abzug seines Resturlaubs und der Überstunden vorgelegen habe. Ihm habe aus dem Jahr 2013 noch ein Resturlaub von einer Woche zugestanden, für das Jahr 2014 habe er noch vier Werktage beanspruchen können, so dass noch 10 Werktage mit der Freistellung abzugelten waren. Weiterhin habe er dezidiert dargelegt, dass er eine Vielzahl von Überstunden erbracht habe. Aus der Kopie der Stempelkarte für den Monat Oktober 2013 ergebe sich exemplarisch, dass er täglich zwischen 9 und 12,5 Stunden gearbeitet und somit erhebliche Überstunden geleistet habe. Er habe die Beklagte vergeblich aufgefordert, ihm die Gesamtzahl der Überstunden zu nennen und die Stempelkarten auszuhändigen, damit er die geleisteten Stunden errechnen können. Hierzu sei die Beklagte nach § 810 BGB verpflichtet. Den Nachweis über die Vielzahl der geleisteten Überstunden habe die Beklagte durch Verweigerung der Einsicht bzw. Vorlage der Stempelkarten boykottiert und vereitelt. Das Arbeitsgericht hätte die Anzahl der Überstunden aufklären müssen. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10.02.2015 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26.11.2014, Az. 5 Ca 139/14, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.01. zum 28.02.2014 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 06.03.2015, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.01. mit Ablauf des 28.02.2014 aufgelöst worden. Der Kläger hat im Abwicklungsvertrag vom 18.01.2014 wirksam auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet.

Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt:

1. Der Kläger kann den Abwicklungsvertrag vom 18.01.2014 nicht erfolgreich mit der Begründung beseitigen, er sei vom Geschäftsführer der Beklagten „überrumpelt“ worden. Ihm steht kein Widerrufsrecht nach §§ 312Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 355 BGB (in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung) zu.

Ein Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- bzw. Widerrufsrecht eingeräumt und ihm auch das Thema des beabsichtigten Gesprächs vorher nicht mitgeteilt hat (BAG 27.11.2003 – 2 AZR 177/03 – AP BGB § 312 Nr. 2; BAG 30.09.1993 – 2 AZR 268/93 – AP BGB § 123 Nr. 37).

2. Der Kläger hat keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich entnehmen lassen könnte, er habe den Abwicklungsvertrag im Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) unterzeichnet. Er war nach seinem Vorbringen von der Kündigung „vollkommen geschockt“ und unterzeichnete den Vertrag im „Schockzustand“. Aus diesen allgemein gehaltenen Symptomen kann keine Geschäftsunfähigkeit geschlussfolgert werden.

3. Die Würdigung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe den Abwicklungsvertrag vom 18.01.2014 nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten, begegnet keinen Bedenken.

Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 22 mwN, NZA 2012, 1316).

Bei der vom Kläger behaupteten Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, er müsse wegen „erheblichen“ Umsatzrückgangs dringend Kosten einsparen, handelt es sich um eine substanzlose allgemeine Aussage, die ihrem Inhalt nach unbestimmt ist, nicht aber um eine Täuschung durch die unrichtige Angabe konkreter Umsatzzahlen, die objektiv nachprüfbar und einem Beweis zugänglich sind.

Der vom Kläger behaupteten arglistigen Täuschung über einen „erheblichen“ Umsatzrückgang steht auch der Inhalt der Anfechtungserklärung vom 21.01.2014 entgegen. Danach war er im Gespräch vom 18.01.2014 „vollkommen geschockt“, weil ihn die Kündigung „völlig unvorbereitet“ getroffen habe, den Abwicklungsvertrag habe er noch im „Schockzustand“ unterzeichnet. Im Verlauf des Rechtsstreits trägt der Kläger vor, es sei ihm nachvollziehbar und logisch erschienen, dass der Arbeitgeber beim Vorliegen eines „erheblichen“ Umsatzrückgangs die Möglichkeit haben müsse, Personal einzusparen und ihm eine Kündigung auszusprechen. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag für vernünftige Überlegungen des Klägers und nicht für einen „Schockzustand“ spricht, ist die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht berechtigt. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der behaupteten Aussage des Geschäftsführers der Beklagten lediglich um subjektive Werturteile, nicht um eine Täuschung durch die Angabe unrichtiger Tatsachen. Welcher Umsatzrückgang mit dem Attribut „erheblich“ beschrieben wird, ist eine Wertungsfrage. Das wird dadurch verdeutlicht, dass der Kläger den von der Beklagten behaupteten Umsatzrückgang von € 54.000,00 „keinesfalls“ für erheblich hält.

4. Die Unwirksamkeit der Klageverzichtvereinbarung ergibt sich nicht aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

a) Diese Vorschrift findet auf die einzelnen Klauseln des Abwicklungsvertrags vom 18.01.2014 Anwendung. Die Klauseln sind von der Beklagten vorformuliert worden, so dass es sich jedenfalls um Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

b) Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Klageverzicht – wie hier – die Hauptabrede eines eigenständigen Abwicklungs- und Klageverzichtsvertrags darstellt. Auch Hauptabreden sind nicht generell von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Sie sind ihr gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur dann entzogen, wenn sie – wie regelmäßig – keine von Rechtsvorschriften abweichenden oder diese ergänzenden Regelungen enthalten. Eine solche Abweichung ist mit einem Klageverzicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung jedoch verbunden. Durch ihn wird von der gesetzlichen Regelung in § 4Satz 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG abgewichen, wonach dem Arbeitnehmer drei Wochen für die Überlegung zur Verfügung stehen, ob er Kündigungsschutzklage erheben will (ausführlich BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 – Rn. 19 ff mwN, NZA 2015, 350).

Der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation – etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche – stellt nach der Rechtsprechung des BAG, der sich auch die Berufungskammer anschließt, idR eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 – Rn. 22 aaO; BAG 06.09.2007 – 2 AZR 722/06 – Rn. 37, NZA 2008, 219).

c) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger im Streitfall für den Klageverzicht eine kompensatorische Gegenleistung erhalten hat, denn die Beklagte hat ihn bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Arbeitsverpflichtung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Verzicht nicht unausgewogen, weil die bezahlte Freistellung unter Anrechnung des Resturlaubs und des Zeitguthabens aus Überstunden erfolgt ist. Der Kläger hatte bei Abschluss des Vertrags am 18.01.2014 noch 5 Arbeitstage Resturlaub aus 2013 und Anspruch auf 2/12 Urlaubstage aus 2014 sowie ein Zeitguthaben von 42,75 Überstunden. Da der Freistellungszeitraum sechs Wochen (30 Arbeitstage) umfasste, hat der Kläger eine substantielle Gegenleistung erhalten, die zur Wirksamkeit des Klageverzichts führt.

Die Behauptung des Klägers, er habe keinerlei Interesse an einer Freistellung gehabt, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Ein im Stadium der Willensbildung unterlaufender Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) ist unerheblich. Mit dem Argument, er habe noch 10 Werktage Urlaub beanspruchen können und eine „Vielzahl von Überstunden“ geleistet, kann der Kläger die Werthaltigkeit der bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht als Gegenleistung der Beklagten nicht in Frage stellen. Die Beklagte ist insb. nicht verpflichtet, dem Kläger die Stempelkarten auszuhändigen, damit er die Gesamtzahl der geleisteten Überstunden errechnen kann. Die Zivilprozessordnung kennt keine – über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende – allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei (BAG 01.12.2004 – 5 AZR 664/03 – NZA 2005, 289; BGH 11.06.1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151).

Entgegen der Ansicht des Klägers folgt auch aus § 810 BGB nichts anderes. Ein „rechtliches Interesse“, das in § 810 BGB gefordert wird, besteht nämlich nicht, wenn die Einsichtnahme lediglich dazu dienen soll, Unterlagen für die Rechtsverfolgung des Anspruchstellers zu beschaffen. Das Vorlegungsverlangen darf nicht zu einer unzulässigen Ausforschung führen; daher greift § 810 BGB nicht ein, wenn jemand, der für einen Anspruch gegen den Urkundenbesitzer an sich darlegungs- und beweispflichtig ist, sich durch die Urkundeneinsicht (zusätzliche) Kenntnisse verschaffen und erst auf diese Weise Anhaltspunkte für seine Rechtsverfolgung ermitteln will (BGH 30.11.1989 – III ZR 112/88 – NJW 1990, 510). So liegt der Fall hier.

Auch die Voraussetzungen einer Urkundenvorlagepflicht des Prozessgegners nach § 422 ZPO liegen nicht vor. Eine Anordnung der Vorlage ist auch nach § 142 Abs. 1 ZPO nicht veranlasst. Die Vorschrift befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend darf das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen (BGH 26.06.2007 – XI ZR 277/05 – Rn. 20, NJW 2007, 2989). Hieran fehlt es.

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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