Skip to content

Wirksamkeit fristlose Kündigung – unentschuldigtes Fehlen – Urlaub nach Kurzarbeit

Streit um fristlose Kündigung: Schlosserhelfer klagt gegen Arbeitgeberin.

In einem Rechtsstreit um eine fristlose Kündigung klagt ein 34-jähriger Schlosserhelfer gegen seine Arbeitgeberin, ein Unternehmen im Messebau. Während der Pandemie hatte die Firma aufgrund fehlender Aufträge Kurzarbeit angeordnet. Als sich ein möglicher Auftrag abzeichnete, forderte die Arbeitgeberin ihre Beschäftigten per E-Mail und WhatsApp auf, am 02.08.2021 in der Firma zu erscheinen. Der Kläger erschien jedoch nicht, da er in dieser Zeit im Urlaub war.

Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung und argumentierte, dass ihm Urlaub mündlich genehmigt worden sei und er keine Abmahnung erhalten habe. Das Arbeitsgericht Köln stellte fest, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei, das Arbeitsverhältnis jedoch nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ende.

Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein und behauptet, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Der Kläger verteidigt das Urteil und weist darauf hin, dass mildere Mittel als die Beendigungskündigung in Betracht gekommen seien, wie beispielsweise Änderungskündigung, Abmahnung oder Versetzung. Der Fall ist noch nicht abschließend entschieden. […]

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 6 Sa 115/22 – Urteil vom 07.07.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.01.2022 – 19 Ca 4774/21 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens.

Der Kläger ist 34 Jahre alt, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Beklagten ist er seit dem 11.09.2017 als Schlosserhelfer im Messebau beschäftigt und verdiente zuletzt 1.738,00 EUR brutto pro Monat. Die Beklagte, die ein Unternehmen betreibt, das sich mit Messebau befasst, hatte aus Gründen der Pandemie bis Ende Juli 2021 keine Aufträge. Deshalb hatte sie für den Zeitraum von März 2020 bis zum 02.08.2021 Kurzarbeit „Null“ angeordnet. Für die Zeit ab dem 02.08.2021 deutete sich für die Beklagte ein möglicher Auftrag an. Deshalb wandte sie sich per E-Mail und per WhatsApp mit der Mitteilung an alle Beschäftigten, man möge am 02.08.2021 in der Firma erscheinen. Der Kläger erschien nicht. Eine Nachfrage der Beklagten beim Kläger vom 02.08.2021 blieb ohne Antwort. Am 17.08.2021 kehrte der Kläger aus P zurück, wo er sich bis zu diesem Zeitpunkt aufgehalten hatte, und schrieb per WhatsApp an einen Mitarbeiter der Beklagten: „Guten Tag, heute Abend bin ich wieder in D und wollte fragen, ob ich morgen früh wieder in die Firma gehen soll, oder erst sobald mein Urlaub offiziell vorbei ist. Liebe Grüße, O „. Auf diese Anfrage erhielt der Kläger keine Antwort.

Unter dem Datum des gleichen Tages, nämlich des 17.08.2021, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben ist dem Kläger am 18.08.2021 zugegangen. Die Beklagte hat diese Kündigung nicht hilfsweise als ordentliche Kündigung ausgesprochen, die Kündigung wurde aber später im Rechtsstreit durch das Arbeitsgericht als eine solche hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ausgelegt.

Mit der seit dem 06.09.2021 beim Arbeitsgericht Köln anhängigen Klage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, das KSchG sei also anwendbar. Er sei in der Zeit vom 19.07.2021 bis 20.08.2021 im Urlaub in P gewesen. Dieser Urlaub sei schriftlich beantragt worden und zwar am 15.06.2021 bei der Sekretärin der Beklagten, der Zeugin K (Beweisantritt: Vernehmung der Zeugin K ). Am 18.07.2021 sei dieser Urlaub auf seine Nachfrage hin vom Geschäftsführer N mündlich genehmigt worden (Beweis: Vernehmung des Zeuge H ). Diesem Geschäftsführer habe er auch mitgeteilt, dass er vorhabe, nach P zu verreisen. Die WhatsApp-Nachricht mit der Arbeitsaufforderung zum 02.08.2021 habe er zwar gelesen, aber nicht auf sich bezogen, da er davon ausgegangen sei, diese Nachricht sei nur an diejenigen Mitglieder der Gruppe gerichtet gewesen, die nicht im Urlaub oder aus anderen Gründen verhindert seien. Die Kündigung sei jedenfalls schon deshalb als fristlose oder verhaltensbedingte ordentliche Kündigung unwirksam, weil er nie eine Abmahnung erhalten habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.08.2021, dem Kläger zugegangen am 18.08.2021 beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 17.08.2021 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Schlosser weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie beschäftige nicht mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dem Kläger sei für den hier streitigen Zeitraum kein Urlaub genehmigt worden. Es liege auch kein schriftlicher Urlaubsantrag vor. Ein Urlaubsanspruch habe nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts während der

Kurzarbeit nicht entstehen können. Ein entsprechendes Informationsschreiben habe der Kläger zuvor unterschrieben. Am 02.08.2021 sei der Kläger unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Sie habe ihn wegen des unentschuldigten Fehlens mit Schreiben vom 06.08.2021 abgemahnt. Der Kläger habe die Abmahnung auch erhalten (Beweis: Parteivernehmung). Danach habe der Kläger angekündigt, am 17.08.2021 zur Arbeit zu erscheinen. Er sei aber nicht erschienen. Deshalb sei schließlich die Kündigung ausgesprochen worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.01.2022 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung zwar nicht fristlos, wohl aber nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sein Ende gefunden habe. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Ein wichtiger Grund, der die fristlose Kündigung habe rechtfertigen können, sei nicht feststellbar. Aus den Darlegungen der Beklagten ergebe sich nicht, warum am 02.08.2021 eine Arbeitspflicht bestanden haben solle, wo doch bis zum 02.08.2021 Kurzarbeit angeordnet gewesen sei; es ergebe sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten, dass tatsächlich kein Urlaubsantrag des Klägers eingegangen sei, ein bloßes Bestreiten reiche in diesem Kontext jedenfalls nicht; es ergebe sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten, dass dem Kläger eine Abmahnung zugegangen sei, da auch hierzu jede Konkretisierung der Darlegung fehle. Die somit unwirksame fristlose Kündigung könne in eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Als eine solche ordentliche Kündigung sei sie nämlich mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Aus den Darlegungen des Klägers könne nicht geschlossen werden, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer:innen beschäftigt seien. Er trage die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung dieser Tatsache. Deshalb sei es notwendig gewesen, wenigstens andeutungsweise Namen zu benennen und so weit seine Darlegung zu konkretisieren, dass die Beklagte sich auf diese Darlegung habe einlassen können. Das sei nicht geschehen. Deshalb sei die Kündigungsschutzklage, soweit sie sich gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wende, unbegründet. Der allgemeine Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da es an anderen im Raume stehenden Beendigungstatbeständen fehle. Auch der Weiterbeschäftigungsantrag sei unzulässig, weil sein Wortlaut nicht bestimmt genug gewesen sei.

Gegen dieses ihr am 10.02.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.02.2022 Berufung eingelegt und sie hat diese am 16.03.2022 begründet. Nur die Beklagte hat ein Rechtsmittel eingelegt, so dass sich der Gegenstand des Berufungsverfahrens auf die Frage beschränkt, ob die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hat beenden können.

Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend ausführlich aufgeklärt. Wenn es das getan hätte, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen habe. Ihr, der Beklagten, sei gar „nichts anderes übrig geblieben“, als das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Es sei unstreitig, dass aus Gründen der Pandemie bis zum Ende des Monats Juli 2021 keine Aufträge vorgelegen hätten; es sei unstreitig, dass Kurzarbeit Null bis zum 02.08.2021 angeordnet worden sei; es sei unstreitig, dass der Kläger schriftlich – und von ihm durch seine Unterschrift bestätigt – über die Tatsache informiert worden sei, dass während der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche entstehen könnten. Die „zwingende rechtliche Folge“ sei hiernach gewesen, dass der Kläger am 03.08.2021 wieder zur Arbeit habe erscheinen müssen und zwar selbständig, ohne dass er hätte aufgefordert werden müssen. Die Behauptung des Klägers, er habe einen genehmigten Urlaub in Anspruch genommen, sei „unlogisch“ und „wirres Zeug“, denn der Kläger habe doch selbst die Information unterschrieben, dass während der Kurzarbeit ein Urlaubsanspruch nicht entstehe. Dass es sich hier um „wirres Zeug“ handele, sei das Arbeitsgericht nicht willens gewesen zu erkennen. Der Kläger habe in der wichtigen Phase der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit gefehlt. Trotz Aufforderung habe er seine Arbeitsleistung beharrlich verweigert. Sie sei daher „gezwungen“ gewesen, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.01.2022 – 19 Ca 4774/21 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere weist er auf die milderen Mittel hin, die statt der Beendigungskündigung in Betracht gekommen seien: Die Änderungskündigung, die Abmahnung, die Versetzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 30.09.2021 beendet hat. Die Beklagte war nicht, wie sie meint, „gezwungen“ das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Vielmehr war es als milderes Mittel geboten, zunächst eine Abmahnung auszusprechen.

Insgesamt kann auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung Bezug genommen werden. Weitere Ausführungen werden hier nur gemacht, soweit sie durch den Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung veranlasst sind. Bereits die nach § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Ungunsten der Beklagten aus. Jedenfalls fehlte es aber an einer einschlägigen Abmahnung.

1. Wie vom Arbeitsgericht ausführlich unter Mitteilung der einschlägigen Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur dargestellt, bedarf es für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines wichtigen Grundes „an sich“; sodann ist eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden und dem Bestandsinteresse des Klägers; abschließend hat eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden, also eine Prüfung, ob das Mittel der fristlosen Kündigung zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Der zu erreichende Zweck ist die Beseitigung der durch das behauptete Verhalten des Klägers eingetretenen betrieblichen Störung oder ggfls. des eingetretenen Vertrauensverlustes.

Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum wichtigen Grund „an sich“ und zur Interessenabwägung wird Bezug genommen. Schon aufgrund dieser Erwägungen stellt sich die fristlose Kündigung nach wie vor als unwirksam dar.

2. Zur Abmahnung als ein, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Betracht kommendes, milderes Mittel führt das Arbeitsgericht auf Seite 9 des Urteils zutreffend aus: „Ebenfalls unsubstantiiert ist die Behauptung, der Kläger sei mit dem Schreiben vom 06.08.2021 ordnungsgemäß abgemahnt worden. Es bleibt schon unklar wie und wann dem Kläger das Schreiben zugegangen sein soll. Dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen.“ In der Berufungsbegründung findet sich zu diesem Thema nichts. Demgegenüber legt der Kläger in seiner Berufungserwiderung noch einmal besonderen Wert auf die Prüfung des milderen Mittels und dabei insbesondere auf die Tatsache, dass eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht komme. Dieser Vortrag des Klägers blieb seinerseits von der Beklagten unbeantwortet. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung keine Abmahnung erhalten hat.

Ohne Abmahnung kam bei dem hier zu prüfenden Sachverhalt eine fristlose Kündigung nicht in Betracht. Das ergibt sich aus § 314 Abs. 2 BGB und aus dem besagten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Gemäß § 314 Abs. 2 BGB ist eine fristlose Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses und damit auch eines Arbeitsverhältnisses, erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht. Für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 (ernsthafte und endgültige Verweigerung) und Nummer 2 BGB (besonders wesentliche Vertragspflichtverletzung) entsprechende Anwendung.

Von diesem grundsätzlich bestehenden Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist hier eine Ausnahme nicht angezeigt. Beharrliches unentschuldigtes Fehlen kommt zwar im Allgemeinen als ein wichtiger Grund in Betracht, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Die notwendig Beharrlichkeit kann sich entweder aus dem Ablauf eines erheblichen Zeitraums ergeben oder aus der Tatsache, dass entgegen einer einschlägigen Abmahnung weiterhin die Arbeitsleistung nicht angeboten wird. Der hier zu entscheidende konkrete Fall gehört aber zu keiner der beiden Fallgruppen.

a. Die zwei Wochen Abwesenheit des Klägers nach insgesamt 1,5 Jahren Kurzarbeit sind keine erhebliche Zeit in diesem Sinne. Hinzu kommt die damals offensichtlich bestehende Auffassung des Klägers, es sei ihm über das Ende der Kurzarbeit hinaus Urlaub bewilligt worden. Diese Auffassung allein, die sich in seiner WhatsApp vom 17.08.2021 wiederspiegelt und damit glaubhaft werden lässt, lässt seine Abwesenheit in weit milderem Licht erscheinen, selbst wenn sich die Annahme des Klägers, ihm sei ausdrücklich Urlaub bewilligt worden, als Irrtum darstelle würde. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die möglicherweise auf einem Kommunikationsirrtum beruhende Annahme, Urlaub sei bewilligt worden, mit Blick auf die Kurzarbeit weder „unlogisch“ noch „wirres Zeug“. Die Anordnung von Kurzarbeit mag Auswirkungen auf die Anzahl der geschuldeten Urlaubstage haben. Die Anordnung der Kurzarbeit führt aber nicht dazu, dass ein einmal bestehender Urlaubsanspruch untergeht, oder dass im laufenden Jahr überhaupt kein Urlaubsanspruch entstünde. Das ergibt sich aus der aktuellen Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 – Rn 11, hier in eckigen Klammern konkretisiert auf den vorliegenden Fall):

Die Umrechnung erfolgt, indem die in § 3 Abs. 1 BUrlG genannten 24 Werktage [hier arbeitsvertragliche 26 Arbeitstage in der Fünftagewoche] durch die Zahl der Arbeitstage im Jahr bei einer Sechstagewoche [hier bei einer Fünftagewoche] geteilt und mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen [also nicht von Kurzarbeit Null betroffenen] Arbeitstagen im Jahr multipliziert werden [26 Arbeitstage Urlaub im Jahr : 252 Arbeitstage pro Jahr in der Fünftagewoche x 107 Arbeitstage ohne Kurzarbeit mit Arbeitspflicht, nämlich vom 03.08.2021 bis 31.12.2021 = 11,03 Arbeitstage Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2021].

In der Zeit vom 03.08.2021 bis zum 17.08.2021 lagen 11 Arbeitstage. Urlaubsbedingte Abwesenheit während dieser Zeit war also grundsätzlich möglich. Diese Möglichkeit scheiterte jedenfalls nicht an einem fehlenden Urlaubsanspruch, dessen Annahme mithin – entgegen der Auffassung der Beklagten – weder „unlogisch“ noch „wirres Zeug“ ist. Dies alles trifft selbst dann zu, wenn die Frage außer Betracht bleibt, welche Urlaubsansprüche vor Anordnung der Kurzarbeit schon bestanden.

b. Die Beharrlichkeit der dem Kläger vorgeworfenen Arbeitsverweigerung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger trotz einschlägiger Abmahnung die Arbeit nicht aufgenommen hat. Denn der Kläger hat wie gezeigt keine Abmahnung erhalten.

3. Das Fehlen einer einschlägigen, dem Kläger tatsächlich zugegangenen Abmahnung führt nach dem Vorgesagten bereits dazu, dass die – hier zugunsten der Beklagten angenommene – Arbeitsverweigerung nicht beharrlich war. Erst recht wäre die Abmahnung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als milderes Mittel zu erkennen und zu ergreifen gewesen. Damit stellt sich die Kündigung als unverhältnismäßig und auch aus diesem Grunde als unwirksam dar.

III. Nach allem bleibt es somit auch mit Blick auf den nicht bereits rechtskräftigen Teil der erstinstanzlichen Entscheidung bei dem vom Arbeitsgericht erkannten Ergebnis. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!