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Zahlung von Urlaubsabgeltung und Abgeltung von Zusatzurlaub – Sondervergütung § 4a EntgFG

Urlaubsabgeltung von Zusatzurlaub: Streit um Sondervergütung

Das Landesarbeitsgericht Hamburg wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg ab. Es bestätigte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den vertraglich vereinbarten Zusatzurlaub hat. Die Vertragsklauseln wurden als transparent und gültig angesehen, und § 4 a EFZG wurde als nicht anwendbar auf den Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung erachtet.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Berufung: Das Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und weist die Berufung des Klägers zurück.
  2. Kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung: Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den vertraglich vereinbarten Zusatzurlaub.
  3. Transparenz der Vertragsklauseln: Die Klauseln im Arbeitsvertrag werden als transparent und verständlich eingestuft.
  4. Anwendung von § 4a EFZG: Das Gericht sieht § 4a EFZG nicht als anwendbar auf den Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung.
  5. Definition von Sondervergütung: Es wird diskutiert, ob übergesetzlicher Urlaub als Sondervergütung im Sinne des § 4a EFZG angesehen werden kann.
  6. Gesundheitsschutz und Urlaubsanspruch: Die Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs als Freistellung von der Arbeitspflicht bleibt unberührt.
  7. Keine Kürzungsvereinbarung: Es fehlt eine Vereinbarung über die Kürzung des Mehrurlaubs für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.
  8. Zulassung der Revision: Das Gericht lässt die Revision zu, da die Frage der Sondervergütung von übergesetzlichem Urlaub hochstrichterlich ungeklärt ist.

Rechtliche Betrachtung der Urlaubsabgeltung und Sondervergütungen im Arbeitsrecht

Im Zentrum aktueller arbeitsrechtlicher Diskussionen steht die Zahlung von Urlaubsabgeltung sowie die Abgeltung von Zusatzurlaub, insbesondere im Kontext von Sondervergütungen. Diese Thematik berührt grundlegende Aspekte des Arbeitsrechts, wie die Interpretation und Anwendung von § 4a EntgFG und die Handhabung vertraglicher Regelungen bezüglich des Urlaubsanspruchs. Die rechtliche Einordnung und Bewertung von Sondervergütungen bildet hierbei einen wesentlichen Streitpunkt, der sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer unmittelbar betrifft.

Gerichtsurteile, wie das des Landesarbeitsgerichts Hamburg, bieten wichtige Orientierungspunkte und prägen die Rechtsprechung in diesem Bereich. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwiefern vertragliche Vereinbarungen über den Zusatzurlaubund dessen Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtlich haltbar sind. Der nachfolgende Text beleuchtet ein konkretes Urteil zu dieser Thematik und bietet Einblicke in die juristischen Feinheiten, die bei der Klage um Urlaubsabgeltung eine Rolle spielen. Tauchen Sie ein in die Welt des Arbeitsrechts und erfahren Sie mehr über die aktuellen Entwicklungen und Urteilsbegründungen in diesem spannenden Rechtsgebiet.

Streit um Urlaubsabgeltung am Landesarbeitsgericht Hamburg

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem es um die Zahlung von Urlaubsabgeltung und die Abgeltung von Zusatzurlaub ging. Im Kern drehte sich der Streit um die Frage, ob übergesetzliche Urlaubsansprüche als Sondervergütungen im Sinne des § 4a EntgFG zu betrachten sind und wie sie bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu handhaben sind.

Der Sachverhalt: Ansprüche auf Urlaubsabgeltung

Der Kläger, ein ehemaliger Mitarbeiter der Beklagten, forderte die Abgeltung von nicht genommenem Urlaub bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag sah neben dem gesetzlichen Mindesturlaub zusätzlichen vertraglichen Urlaub vor, welcher jedoch laut Vertragsklausel bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten werden sollte. Der Kläger argumentierte, dass diese Regelung gegen § 4a EntgFG verstieße und die übergesetzlichen Urlaubsansprüche als Sondervergütungen zu behandeln seien.

Die rechtliche Auseinandersetzung und das erstinstanzliche Urteil

Die Beklagte lehnte die Zahlung der Urlaubsabgeltung ab, woraufhin der Kläger Klage erhob. Er vertrat die Auffassung, die Klausel im Arbeitsvertrag sei überraschend und intransparent und verletze das Gebot aus § 4a EntgFG. Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage ab und begründete dies damit, dass der gesetzliche Urlaub vollständig gewährt und genommen wurde und die vertragliche Regelung hinsichtlich des Zusatzurlaubs nicht intransparent sei. Es wurde auch festgestellt, dass § 4a EntgFG auf den streitgegenständlichen Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung keine Anwendung finde.

Berufung und Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg

In der Berufung legte der Kläger dar, dass die Regelung im Arbeitsvertrag § 4a EntgFG faktisch verletze und der übergesetzliche Urlaub als reiner Geldanspruch zu betrachten sei. Die Beklagte verteidigte das erstinstanzliche Urteil und argumentierte, dass der vertraglich gewährte Mehrurlaub keine Sondervergütung darstelle und es an einer Kürzungsvereinbarung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit fehle. Das Landesarbeitsgericht Hamburg wies die Berufung zurück und bestätigte die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag nicht intransparent sind und § 4a EntgFG auf den Fall nicht anwendbar ist.

Ausblick und offene Fragen im Arbeitsrecht

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung klarer vertraglicher Vereinbarungen im Arbeitsrecht und wirft gleichzeitig Fragen zur Behandlung von Sondervergütungen auf. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg bildet einen wichtigen Präzedenzfall, doch bleiben Fragen zur Einordnung von übergesetzlichen Urlaubsansprüchen als Sondervergütungen offen. Eine höchstrichterliche Klärung durch das Bundesarbeitsgericht könnte hier für weitere Rechtssicherheit sorgen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wann kommt die Abgeltung von Zusatzurlaub zur Anwendung?

Die Abgeltung von Zusatzurlaub kommt in Deutschland zur Anwendung, wenn der Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Zusatzurlaub ebenso wie den regulären Erholungsurlaub abgelten. Die Vergütung des Zusatzurlaubs erfolgt nach den Regeln über den regulären Erholungsurlaub, und dem Arbeitnehmer steht für den Zusatzurlaub dieselbe Vergütung zu wie für jeden Tag des Grundurlaubs.

Der Anspruch auf Zusatzurlaub besteht, solange die Schwerbehinderteneigenschaft fortdauert. Bei einer Herabstufung auf einen Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50 besteht Anspruch auf Zusatzurlaub auf jeden Fall bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Eintritt der Herabstufung.

Es gibt jedoch einige Besonderheiten zu beachten. So gelten für den Schwerbehindertenzusatzurlaub dieselben Regeln wie für den gesetzlichen Mindesturlaub, was bedeutet, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als rein finanzieller Geldanspruch sowohl den vertraglich oder tariflich vorgesehenen Ausschlussfristen als auch den Verjährungsregeln der §§ 195 ff. BGB unterliegt.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Aufforderungs- und Hinweispflicht auch für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gilt. Wenn der Arbeitgeber jedoch nicht von der Schwerbehinderung weiß und sie auch nicht offensichtlich ist, verfällt der Zusatzurlaub nach den allgemeinen Regeln, auch wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

Es sollte auch beachtet werden, dass die Parteien des Arbeitsvertrags in ihrer Regelungsmacht frei sind, was den Zusatzurlaub betrifft, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht. Daher kann es auch keine Rolle spielen, ob die vertragliche Regelung von den Grundgedanken des BUrlG abweicht. Diese finden nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung.

Was wird unter Sondervergütung im Arbeitsrecht verstanden?

Im Arbeitsrecht bezeichnet der Begriff „Sondervergütung“ bestimmte Zahlungen, die ein Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer leistet. Diese Zahlungen sind zusätzlich zum regulären Gehalt und stehen nicht in direktem Gegenseitigkeitsverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

Es gibt verschiedene Arten von Sondervergütungen, die sich hauptsächlich durch ihren Zweck unterscheiden.

1. Sondervergütungen mit Entgeltcharakter: Hier möchte der Arbeitgeber in der Regel lediglich die Arbeit der Angestellten zusätzlich vergüten. Mitarbeiter, die vorzeitig ausscheiden, haben somit auch einen anteiligen Anspruch auf diese Vergütung.

2. Sondervergütungen mit Gratifikationscharakter: Diese Art von Sondervergütungen soll die (zukünftige) Betriebstreue belohnen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Arbeitnehmer keinen grundlegenden Anspruch auf eine solche Leistung haben.

3. Sondervergütungen mit Mischcharakter: Diese Art von Sondervergütungen soll sowohl die Arbeitsleistung als auch die Betriebstreue belohnen.

Die Höhe der Sondervergütungen ergibt sich aus verschiedenen Faktoren, wie dem geltenden Tarifvertrag, dem Arbeitsvertrag, der Betriebsvereinbarung, der Gesamtzusage oder aus einer betrieblichen Übung. Dabei darf der Arbeitgeber Mitarbeiter nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln, da der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist.

Zu den gängigen Formen von Sondervergütungen gehören unter anderem Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Bonuszahlungen, Provisionen, Tantiemen, übertarifliche Zulagen, Prämien und Jahressonderzahlungen.

Die genauen Bedingungen und Regelungen für Sondervergütungen können stark variieren und hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Daher ist es ratsam, vor der erstmaligen Einführung einer solchen Sondervergütung rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 4 Sa 3/23 – Urteil vom 20.06.2023

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. November 2022 – 15 Ca 169/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Anspruch.

Der am .. .. 19.. geborene Kläger war bei der Beklagten im Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von zuletzt € 5.813,18 beschäftigt. Grundlage der vertraglichen Beziehungen war der Arbeitsvertrag vom 07. bzw. 11. Dezember 2018 (Anlage B 1 = Bl. 24 bis 26 d.A.), in dem es u.a. wie folgt heißt:

„5. Urlaub

5.1 Der Mitarbeiter hat Anspruch auf den gesetzlichen Urlaub nach Maßgabe des BurlG.

5.2 Dem Mitarbeiter steht der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen bei einer Beschäftigung an 5 Arbeitstagen pro Woche zu. Darüber hinaus gewährt die X. einen zusätzlichen vertraglichen Urlaub von 10 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Erhöht sich der allgemeine gesetzliche Mindesturlaub, so verringert sich der zusätzliche vertragliche Urlaubsanspruch in gleichem Umfang; Sonderurlaub besonders geschützter Personengruppen wird nicht angerechnet. Der gesetzliche Urlaubsanspruch wird, wenn nicht schriftlich etwas Abweichendes vereinbart wird, jeweils zuerst in Anspruch genommen und gewährt.

5.3 Für den zusätzlich zu dem gesetzlichen Mindesturlaub gewährten Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben über den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch im Jahr des Beginns und des Endes des Arbeitsverhältnisses für jeden vollen Monat der Beschäftigung zu 1/12 entsteht, und dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BurlG auch dann verfällt, wenn der Urlaub bis dahin wegen Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters nicht genommen werden kann. Soweit der Urlaub verfällt, verfällt auch ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nur der gesetzliche Mindesturlaub (Punkt 5.1), soweit er nicht in natura gewährt wurde, abgegolten.“

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers. Krankheitsbedingt hat dieser seinen für die Zeit am Ende der Kündigungsfrist geplanten Urlaub im Umfang von neun Urlaubstagen (Resturlaub für 2021) nicht nehmen können.

Mit Schreiben vom 03. Februar 2022 (Anlagenkonvolut K 1 = Bl. 4 f. d.A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen entsprechenden Abgeltungsanspruch geltend. Die Beklagte lehnt das Begehren des Klägers per E-Mail vom 17. Februar 2022 (Anlagenkonvolut K 1 = Bl. 6 d.A.) unter Verweis auf die diesbezüglich getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ab.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 10. Mai 2022 eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, die vertragliche Regelung in Ziffer 5.3 stelle eine mit Blick auf den Grundsatz aus § 9 BUrlG überraschende und nicht besonders hervorgehobene Klausel dar, die gemäß § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Im Übrigen halte diese Klausel wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht Stand und stelle eine mittelbare Diskriminierung älterer und behinderter Menschen dar. Schließlich wirke die Klausel faktisch gegen das Gebot aus § 4 a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Die von der Beklagten gewährten übergesetzlichen Urlaubsansprüche seien als Leistungen (= Sondervergütungen) im Sinne von § 4 a EFZG zu werten. Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Urlaub überstiegen, seien aufgrund der insoweit geänderten Rechtsprechung als geldwerter Vorteil, mithin als reiner Zahlungsanspruch zu werten, und stellten somit eine Sondervergütung im Sinne des Gesetzes dar. Sie stünden nicht im Synallagma, also nicht im Verhältnis von Leistung zu Gegenleistung. Bei Anwendung der Vorgaben des § 4 a EFZG wäre hier maximal eine Kürzung der Urlaubsabgeltung um € 603,00 brutto möglich gewesen (klägerisches Jahreseinkommen: € 69.756,00 ./. 260 Arbeitstage = € 268,00 brutto im Jahresdurchschnitt pro Arbeitstag; hiervon ¼ = € 67,00). Die Beklagte habe ihm jedoch € 2.416,50 vorenthalten, seinen Urlaubs-/Urlaubsabgeltungsanspruch faktisch wegen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gekürzt, sodass § 4 a EFZG verletzt sei.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 2.416,50 brutto als Urlaubsabgeltung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, die in Rede stehenden Vertragsklauseln seien unter angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB und mit Blick auf die Entwicklungen der Urlaubsrechtsprechung keineswegs überraschend, sondern vielmehr üblich. Einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB seien die Klauseln mangels Abweichung von Rechtsvorschriften oder diese ergänzenden Regelungen nach der Rechtsprechung des BAG gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht unterworfen. Prüfungsmaßstab sei daher allein das Transparenzgebot, dem hier genüge getan sei. Dementsprechend komme es auf die vom Kläger behaupteten Benachteiligungen nicht an. Er könne sich auch nicht darauf berufen, durch die Regelungen (mittelbar) diskriminiert zu sein. Eine solche (mittelbare) Diskriminierung liege auch abstrakt nicht vor. Auch ein Verstoß gegen § 4 a EFZG sei nicht gegeben. So stelle der vertraglich vereinbarte Zusatzurlaub bereits keine Sondervergütung/keinen Zahlungsanspruch dar. Außerdem fehle es an einer konkreten Kürzungsregelung, weil der Zusatzurlaub unabhängig von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit entstehe.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 17. November 2022 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe nicht. Da der Kläger den ihm für das Jahr 2021 zustehenden gesetzlichen Urlaub unstreitig im vollen Umfangs gewährt erhalten und genommen habe, betreffe sein Begehren auf Abgeltung nicht genommener Urlaubstage ausschließlich den vertraglich vereinbarten Zusatzurlaub. Diesbezüglich erfolge nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien (Ziffer 5, 5.3) jedoch keine Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Vereinbarung sei auch nicht unwirksam. Insbesondere seien die hier für den vertraglichen Zusatzurlaub getroffenen Regelungen nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BGB seien Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehöre, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen müsse nicht nur einzelne Klauseln klar formulieren, diese müssten darüber hinaus im Kontext mit den übrigen Regelungen des Vertrages verständlich sein und mit zusammengehörigen Regelungen grundsätzlich im Zusammenhang aufgeführt werden. Diesen Anforderungen genügten die hier zum Urlaub und zum Verhältnis von gesetzlichem Mindesturlaub zu vertraglichem Zusatzurlaub getroffenen vertraglichen Regelungen. Insbesondere lasse die Bestimmung „Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nur der gesetzliche Mindesturlaub (5.1), soweit er nicht in natura gewährt wurde, abgegolten“ nach den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Arbeitnehmers der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Gesamtregelung keinen Zweifel daran, dass keinerlei Abgeltung des vertraglichen Zusatzurlaubs erfolgen solle. Soweit der Kläger eine fehlende Differenzierung der Regelung in Bezug auf mögliche Beendigungstatbestände rüge, sei dies keine Frage der Transparenz im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine weitergehende, umfassende Inhaltskontrolle habe mangels vorliegender Abweichung von gesetzlichen Regelungen oder deren Ergänzung nicht zu erfolgen. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 4 a EFZG geltend mache, sei dem nicht zu folgen. § 4 a EFZG sei für den hier streitgegenständlichen Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung nicht einschlägig. So sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Zusage eines übergesetzlichen Mehrurlaubs generell überhaupt um eine Sondervergütung i. S. d. § 4 a EFZG handele. Wenn für eine solche Betrachtung auch das unionsrechtliche Verständnis des Urlaubsanspruchs als aus zwei Teilen (Freistellung und Urlaubsentgelt) bestehenden Anspruches sprechen möge, so könne nicht übersehen werden, dass dem die im Gesundheitsschutz verwurzelte Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs als Freistellung von der Arbeitspflicht entgegenstehe. Ein solcher Freistellungsanspruch möge in Geldwert auszudrücken und als geldwerter Vorteil zu begreifen sein. Dass dieser Vorteil aber im Sinne einer Sondervergütung über den Wert der entsprechenden laufenden Arbeitsvergütung hinausgehe, sei nicht ersichtlich. Hinzu komme, dass es dem einen übergesetzlichen Urlaub zusagenden Arbeitgeber freistehe, dessen Leistungszweck gegebenenfalls abweichend von den rechtlichen Vorgaben zum Mindesturlaub festzulegen und insofern – wie hier durch den Ausschluss einer Abgeltung – die reine Naturalgewährung zu Erholungszwecken vorzusehen. Daher sei hier bereits nicht vom Vorliegen einer Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG auszugehen. Abgesehen davon fehle es vorliegend an einer Kürzungsvereinbarung. Der Umfang des zugesagten übergesetzlichen Urlaubsanspruchs stehe in keinem Verhältnis zu etwaigen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Er sei allein abhängig von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ungeachtet einer in dieser Zeit erbrachten oder nicht erbrachten Arbeitsleistung. Ob und in welchem Umfang der zugesagte Mehrurlaub genommen wird oder gegebenenfalls wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen/gewährt werden könne, folge allein aus den im Einzelfall gegebenen tatsächlichen Umständen und sei nicht Gegenstand der Regelung bzw. einer festgelegten allgemeinen Kürzungssystematik. Auch bezogen auf die Abgeltung des zugesagten Mehrurlaubs fehle es an einer Kürzungsvereinbarung, weil ein entsprechender Abgeltungsanspruch bereits nicht zugesagt sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 12. Dezember 2022 zugestellte Urteil am 11. Januar 2023 Berufung eingelegt und diese am 13. Februar 2023 begründet. Der 12. Februar 2023 war ein Sonntag.

Der Kläger trägt vor, die von der Beklagten in den Arbeitsvertrag aufgenommene Regelung, die eine kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung sei, verletze § 4 a EFZG faktisch. Mit der überwiegenden Kommentarliteratur sei unter Berücksichtigung der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Urlaubsrecht mittlerweile davon auszugehen, dass es sich bei dem übergesetzlichen Urlaub um einen reinen Geldanspruch handele. Deshalb könne dem Arbeitsgericht nicht gefolgt werden, wenn es zur Begründung darauf abstelle, dass im Zweifel doch dem Gesundheitsschutz Vorrang zu gewähren sei und dies jedem Urlaub innewohne. Dies sei zutreffend hinsichtlich gesetzlicher Mindesturlaubsansprüche, gleich ob sie aus dem BUrIG folgten oder dem SGB IX, nicht aber für darüber hinaus gehende Ansprüche. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, festzulegen, welche Sondervergütungen für eine Kürzungsvereinbarung in Betracht kommen. Entscheidend sei allerdings, dass es sich um eine zusätzliche Leistung zum laufenden Arbeitsentgelt handele, da es sich nur dann um eine Sondervergütung handele, die der Kürzung zugänglich sei. Die Beklagte habe mit ihrer komplexen Regelung zur Gewährung von über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Ansprüchen deutlich gemacht, dass es sich um eine Sondervergütung handele, die eben nicht im Synallagma von Leistung und Gegenleistung stehe, sondern eine darüberhinausgehende Leistung sei. Von höchstrichterlicher Seite sei noch nicht geklärt, ob übergesetzliche Urlaubsansprüche Sondervergütungen im Sinne des Gesetztes darstellten oder nicht. Die Beklagte habe mit ihrer Klausel eine Regelung eingeführt, die faktisch zu dem Resultat eines „alles oder nichts“ führe. Das Urlaub und Urlaubsabgeltung lediglich unterschiedliche Erscheinungsformen haben, einerseits in Form freier Tage und andererseits in konkreter Bezifferung des geldwerten Vorteils, mache deutlich, dass eine Kürzungsregelung faktisch greife und diese zusätzliche besondere Honorierung des Arbeitnehmers in Form von zehn weiteren Urlaubtagen bzw. Urlaubsabgeltungstagen nur deshalb nicht bezogen werde, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dies sei bei konsequenter Anwendung des § 4 a EFZG eine zulässige Kürzungsregelung, weil es sich um eine Sondervergütung handele, die aber die Kürzungsvorgaben des Gesetzes missachte. Erstinstanzlich habe er bereits berechnet, dass in seinem Fall eine Kürzung unter Berücksichtigung der Kriterien des § 4 a EFZG eine Minderung um € 603,00 brutto bedeutet hätte, sodass die Vorenthaltung von dem mit der Klage geltend gemachten Betrag unzulässig sei. Dem Arbeitsgericht sei deshalb im Ergebnis zu widersprechen, dass es im vorliegenden Fall an einer Kürzungsvereinbarung mangele. Das Arbeitsgericht habe eben nicht ausschließlich auf den zugesagten Urlaub abstellen dürfen, sondern es sei (bei übergesetzlichen Ansprüchen) gedanklich der Urlaub mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch gleichsetzen. Dem Arbeitsgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass der von der Beklagten zugesagte Mehrurlaub im Einzelfall einer Entscheidung zugänglich sei, sondern der Arbeitsvertrag faktisch zu einer festen und allgemeinen Kürzungssystematik führe. Mit Blick auf die Sondervergütung in § 4 a EFZG habe das Arbeitsgericht im Ergebnis übersehen, dass die Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Sondervergütungen und deren Kürzungsregeln regelmäßig auszulegen seien, weil in der Praxis die Inhalte und die Kürzungsmöglichkeiten zumeist nicht konkret und deutlich bezeichnet werden. Es sei anerkannt, dass Kürzungsvereinbarungen nicht dem Wortlaut des § 4 a EFZG entsprechen oder ähneln müssen. Eine Kürzungsvereinbarung liege bereits dann vor, wenn bei krankheitsbedingten Fehlzeiten überhaupt kein Anspruch gegeben sei, so wie es im vorliegenden Fall zutreffe.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. November 2022, Geschäftszeichen 15 Ca 169/22, wird geändert;

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.416,50 brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantwortet die Berufungsbegründung wie folgt:

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass es sich bei dem vertraglich gewährten Mehrurlaub bereits nicht um eine Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG handele und es darüber hinaus auch an einer Kürzungsvereinbarung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit fehle. Sie habe dem Kläger mit der Regelung in Ziffer 5. des Arbeitsvertrages keinen über das laufende Arbeitsentgelt hinausgehenden Zahlungsanspruch eingeräumt. Vielmehr habe sie dem Kläger zugesagt, ihn für weitere zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr von der Arbeitspflicht freizustellen. Während dieser Zeit habe der Kläger zwar sein laufendes Arbeitsentgelt erhalten sollen, jedoch keine darüber hinaus gehende Vergütung. Die Regelung in Ziffer 5. des Arbeitsvertrages gewähre dem Kläger daher keine Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG, sondern lediglich einen Anspruch auf zusätzliche bezahlte Freistellung. Im Hinblick auf den Mindestjahresurlaub von vier Wochen gehe der EuGH davon aus, dass der Anspruch auf Urlaub und der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts zwei Teile eines einzigen Anspruchs sind. Für den vereinbarten Mehrurlaub, der den Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteige, gelte dagegen, dass die Arbeitsvertragsparteien diesen frei regeln könnten, ohne an die Vorgaben des BUrIG oder der RL 2003/88/EG gebunden zu sein. Daher sei es auch zutreffend, wenn das Arbeitsgericht ausführe, dass es dem einen übergesetzlichen Urlaub zusagenden Arbeitgeber freistehe, dessen Leistungszweck gegebenenfalls abweichend von den rechtlichen Vorgaben zum Mindesturlaub festzulegen und insofern – wie hier durch den Ausschluss einer Abgeltung – reine Naturalgewährung zu Erholungszecken vorzusehen. Selbst wenn man aber der unzutreffenden Argumentation des Klägers folge und annehmen würde, dass es sich bei dem übergesetzlichen Urlaub um einen reinen Geldanspruch handele, betreffe dieser Geldanspruch dennoch nur die Zahlung des laufenden Arbeitsentgelts und damit keine Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG. Es könne etwas anders allenfalls dann gelten, wenn mit der Gewährung des vertraglichen Mehrurlaubs die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes verbunden wäre, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Darüber hinaus enthalte die streitgegenständliche Regelung auch keine Vereinbarung über die Kürzung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Sie habe dem Kläger zusätzlich zum Mindesturlaub von vier Wochen zehn weitere Urlaubstage pro Kalenderjahr zugesagt. Eine Kürzung dieser zehn Tage für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit hätten die Parteien nicht vereinbart. Die hier streitgegenständliche Regelung gestalte den frei regelbaren Mehrurlaubsanspruch inhaltlich dergestalt aus, dass ein Freistellungsanspruch, aber kein Abgeltungsanspruch bestehe. Das Arbeitsgericht formuliere es zutreffend so, dass es an einer Kürzungsvereinbarung fehle, weil ein entsprechender Abgeltungsanspruch bereits nicht zugesagt sei. Selbst wenn man in dem Ausschluss der Abgeltung eine Kürzungsregelung sehen würde, was nicht der Fall sei, so würde die Kürzung nicht für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit erfolgen, wie von § 4 a EFZG vorgesehen, denn eine Abgeltung des Mehrurlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei aufgrund der vertraglichen Regelung generell ausgeschlossen, unabhängig davon, weshalb der Urlaub im konkreten Einzelfall nicht genommen worden sei. Mit den auf Seite 3 der Berufungsbegründung gebildeten Fällen stelle der Kläger nur aufgrund des von ihm gewählten Sachverhalts einen Bezug zur Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit her, der jedoch in der Regelung selbst nicht angelegt sei. So wäre auch ohne Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, beispielsweise im Fall einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und noch offener Urlaubsansprüche, stets nur der nicht genommene Mindesturlaub, nicht jedoch der vertragliche Mehrurlaub abzugelten. Das Arbeitsgericht habe daher auch zutreffend festgestellt, dass es allein aus den im Einzelfall gegebenen tatsächlichen Umständen folge, ob, aus welchen Gründen und in welchem Umfang der zugesagte Mehrurlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommen oder gegebenenfalls nicht genommen worden sei und die Gründe hierfür, einschließlich einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit, nicht Gegenstand der Regelung bzw. einer festgelegten allgemeinen Kürzungssystematik seien.

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 13. Februar 2023 sowie auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 21. Februar 2023 verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2, 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers war gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat, denn die im Arbeitsvertrag vom 07. bzw. 11. Dezember 2018 für den vertraglichen Zusatzurlaub getroffenen Regelungen sind nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 BGB und § 4 a EFZG kommt für den hier streitgegenständlichen Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung nicht zur Anwendung.

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angerufene Kammer folgt im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung den Ausführungen des Arbeitsgerichts und macht sie sich zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG), so dass auf die Entscheidungsgründe im einzelnen Bezug genommen werden kann. Auch unter Berücksichtigung des Sach- und Rechtsvorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz erweist sich die Berufung als unbegründet. Insgesamt und im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz sind folgende Ausführungen veranlasst:

a) Die im Arbeitsvertrag vom 07. bzw. 11. Dezember 2018 für den vertraglichen Zusatzurlaub getroffenen Regelungen sind nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 BGB. Die entsprechenden rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil (vgl. Ziffer II. 1. a) der Entscheidungsgründe) hat die Berufung nicht angegriffen, sodass diese rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht zur Überprüfung der Berufungskammer angefallen sind. Im Übrigen sind die rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts auch sachlich zutreffend.

b) § 4 a EFZG kommt für den hier streitgegenständlichen Anspruch auf Zusatzurlaub bzw. dessen Abgeltung nicht zur Anwendung.

aa) Nach § 4 a EFZG ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütung) auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. § 4 a EFZG grenzt die beiden Begriffe laufendes Arbeitsentgelt und Sondervergütung voneinander ab. Laufendes Arbeitsentgelt ist der Bruttoverdienst des Arbeitnehmers, den dieser aus dem Arbeitsverhältnis als Gegenleistung für geleistete Arbeit für bestimmte Zeitabschnitte erhält. Sondervergütungen werden demgegenüber nicht als Gegenleistung für Arbeitsleistungen in bestimmten Zeitabschnitten erbracht, sondern als weitergehende zusätzliche Leistungen, wie beispielsweise Weihnachtsgratifikationen und Ähnliches (BAG Urteil vom 26. September 2001 – 5 AZR 539/00 – Rn. 29, Juris).

bb) Es ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, ob der Anspruch auf übergesetzliche Urlaubsgewährung eine Sondervergütung im Sinne des § 4a EFZG darstellen kann. Das BAG hat im Urteil vom 15. Oktober 2013 (– 9 AZR 374/13 – Rz. 19, Juris) die Frage, ob und inwieweit eine Kürzung von arbeitsvertraglichen Urlaubsansprüchen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit am Maßstab des § 4 a EFZG zu messen ist, ausdrücklich offengelassen (vgl. dazu auch Erfurter-Kom/Reinhard, 23. Auf., § 4 a EFZG Rz. 8).

(1) Hierfür spricht, dass die zusätzlich gewährten Urlaubstage die gleiche Funktion haben sollen, wie eine vom Arbeitgeber zugesagte Anwesenheitsprämie. Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG ist jede geldwerte Leistung des Arbeitgebers, die keinen Aufwendungsersatz beinhaltet und nicht laufendes Arbeitsentgelt darstellt. Für die Abgrenzung des Begriffs der Sondervergütung von demjenigen des laufenden Arbeitsentgelts ist zu fragen, ob der Arbeitgeber mit der Leistung unmittelbar die Arbeitstätigkeit des Arbeitnehmers abgelten will oder darüber hinaus weitergehende Zwecke mit seiner Leistung verfolgt. Derartige weitergehende Zwecke verfolgt der Arbeitgeber regelmäßig, wenn er Anwesenheitsprämien gewährt, um dem Arbeitnehmer einen Anreiz zu bieten, die Zahl der berechtigten oder unberechtigten Fehltage möglichst gering zu halten. Ähnlich wie bei einer Anwesenheitsprämie soll durch die Gewährung zusätzlicher freier Arbeitstage ein Anreiz für den Arbeitnehmer gesetzt werden, im Kalenderjahr keine hohen Fehltage aufzuweisen. Der Wert solcher freien Tage entspricht der dafür zu zahlenden Vergütung. Die Urlaubsgewährung beinhaltet daher eine geldwerte Leistung (LArbG Rheinland-Pfalz Urteil vom 01. März 2012 – 11 Sa 647/11 – Rn. 59, Juris). Dieses Verständnis der Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs entspricht dem unionsrechtlichen Urlaubsbegriff. Nach dem EuGH werden der Anspruch auf Jahresurlaub und der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Teile eines einzigen Anspruchs behandelt (EuGH 20. Januar 2009 – Z – AP Nr. 1 zu Richtlinie 2003/88/EG).

(2) Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht allerdings dagegen, den Urlaubsgewährungsanspruch unter den Begriff der Sondervergütung zu subsumieren. § 4 a EFZG erfasst danach nur Sonderzahlungen. Die Vorschrift des § 4 a EFZG wurde geschaffen, um die Rechtsprechung des BAG zur Kürzung von Sondervergütungen aufzunehmen und hinsichtlich ihrer Zulässigkeit eindeutig zu regeln (BAG Urteil vom 25. Juli 2001 – 10 AZR 502/00 – Rn. 18, Juris). In der Begründung zu Art. 3 des Gesetzesentwurfes für das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz wird anstelle des Begriffs der „Sondervergütung“ derjenige der „Sonderzahlung“ verwendet. Dort heißt es: „Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kürzung von Sonderzahlungen wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten hat sich im Laufe der Jahre mehrfach geändert; die Zulässigkeit einer solchen Kürzung ist zuletzt stets bejaht worden. Durch die neue Vorschrift des § 4 a wird nunmehr eine rechtliche Grundlage … geschaffen …“ (BT-Drucks. 13/4612). Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Urlaubsgewährungsanspruch kein Zahlungsanspruch. Zwar hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Urlaubsabgeltungsanspruchs in seiner reformierten Rechtsprechung zur Umsetzung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Z geändert (vgl. nur BAG Urteil vom 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 44 ff., Juris; BAG Urteil vom 04. Mai 2010 – 9 AZR 183/09 – Rn. 17, Juris). Danach ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nur noch ein reiner Geldanspruch. Davon bleibt jedoch die Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs unberührt; denn Urlaub kann nur dem Arbeitnehmer durch Freistellung von dessen (höchstpersönlicher) Arbeitspflicht gewährt werden. Inhalt des Urlaubsanspruchs ist deshalb nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit (BAG Urteil vom 20. September 2011 – 9 AZR 416/10 – Rn. 17, Juris). Der Arbeitnehmer hat einen durch das BUrlG begründeten Anspruch gegen den Arbeitgeber, von den durch den Arbeitsvertrag entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts aus § 611 BGB hiervon berührt wird. Er erhält durch die Gewährung des Urlaubs keine zusätzliche Sonderzahlung, sondern weiterhin die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung. Anders als bei Kürzung einer Anwesenheitsprämie erfolgt kein finanzieller Einschnitt durch die Kürzung der zusätzlich gewährten Urlaubstage, so dass nur Zahlungsansprüche unter den Begriff der „Sondervergütung“ des § 4a EFZG zu subsumieren sind (so auch LArbG Rheinland-Pfalz Urteil vom 01. März 2012 – 11 Sa 647/11 – Rn. 65, Juris). Der zuletzt dargestellten Rechtsauffassung schließt sich die Berufungskammer aus den vorgenannten Erwägungen an.

cc) Zutreffend hat die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung vom 23. Februar 2023 (Seite 4 f = Bl. 93 d.A.) im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Regelung in Ziffer 5. des Arbeitsvertrags vom 7. bzw. 11. Dezember 2018 eine Vereinbarung über die Kürzung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit enthält, denn die Beklagte hat den Kläger zusätzlich zum Mindesturlaub von vier Wochen zehn weitere Urlaubstage pro Kalenderjahr zugesagt. Eine Kürzung dieser zehn Tage der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit haben die Parteien nicht vereinbart. Die Regelung in Ziffer 5. des vorgenannten Arbeitsvertrags, wonach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vertragliche Mehrurlaub nicht abgegolten werden, stellt keine Kürzungsregelung dar, sondern gestaltet den frei regelbaren Mehrurlaubsanspruch in der Weise aus, dass ein Freistellungsanspruch, aber kein Abgeltungsanspruch besteht. Selbst wenn man in dem Ausschluss der Abgeltung eine Kürzungsregelung sehen würde, würde die Kürzung nicht für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit erfolgen, denn Geltung des mehr Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist aufgrund der vertraglichen Regelung generell ausgeschlossen und zwar unabhängig davon, weshalb der Urlaub im konkreten Einzelfall nicht genommen wurde. So wäre auch ohne Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, z.B. im Fall einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und noch offener Urlaubsansprüche, stets nur der Nicht genommene Mindesturlaub, nicht jedoch der vertragliche Mehrurlaub abzugelten.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG; bislang ist durch das BAG noch nicht geklärt, ob übergesetzliche Urlaubsansprüche Sondervergütung im Sinne des § 4 a EFZG darstellen.

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