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Zielvereinbarung – jahrelange vorbehaltlose monatliche Zahlung – Vertragsänderung

ArbG Freiburg, Az.: 8 Ca 82/17

Urteil vom 26.10.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.039,40 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus

200,00 EUR seit dem 01.03.2017

100,00 EUR seit dem 01.04.2017

100,00 EUR seit dem 01.05.2017

100,00 EUR seit dem 01.06.2017

239,40 EUR seit dem 01.07.2017

100,00 EUR seit dem 01.08.2017

100,00 EUR seit dem 01.09.2017

sowie 360,00 EUR Verzugspauschale zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.439,40 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird für beide Parteien betreffend der Verzugspauschale gesondert zugelassen.

Tatbestand

Zielvereinbarung - jahrelange vorbehaltlose monatliche Zahlung - Vertragsänderung
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Bezahlung einer variablen Vergütung für den Zeitraum Januar 2017 bis September 2017 in Höhe von monatlich 100,00 EUR brutto, die Bezahlung eines weiteren Urlaubsentgelts in Höhe von 139,40 EUR brutto sowie eine Verzugskostenpauschale für den gesamten Zeitraum in Höhe von insgesamt 400,00 EUR netto.

Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 01.04.2010 als Hausmeister außertariflich beschäftigt. Sein Arbeitsort ist die G. R.- K. B. T., die den Kläger seit dem Betriebsübergang am 01.01.2012 von der Beklagten entliehen hat und die ursprünglich mit ihm das Arbeitsverhältnis abschloss. Im Betrieb der Beklagten existiert kein Betriebsrat. Der Arbeitsvertrag vom 17.03.2017 enthält unter § 3 Ziffer 3 auszugsweise folgende Regelung:

„Der Angestellte erhält zusätzlich ein variables Jahresgehalt in Höhe von brutto kalenderjährlich EUR 1.440,00 (in Worten: eintausendvierhundertvierzig), wenn die Bedingungen einer vor Beginn des jeweiligen Kalenderjahres außerhalb dieses Arbeitsvertrages abgeschlossenen Zielvereinbarung erfüllt sind.

Das variable Jahresgehalt wird in zwölf monatlichen, gleich bleibenden Raten zum Fünfzehnten eines Kalendermonats als Abschlag ausgezahlt. Bei Nichterfüllung der Zielvereinbarung erfolgt die Rückzahlung des zu viel ausgezahlten variablen Jahresgehaltes durch den Angestellten an die Gesellschaft bis zum 31.12. des Folgejahres.

Bei unterjährigem Beginn und/oder Ende dieses Arbeitsvertrages verringert sich das variable Jahresgehalt anteilig auf die Zeit der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.“

Die Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 10.08.2010 enthält auszugsweise folgende Regelungen:

㤠2

Der Angestellte erhält für seine Tätigkeit ein Jahres-Festgehalt von 21.120,00 Euro (in Worten: EURO einundzwanzigtausendzweihundert).

§ 3

Der AT-Vertrag vom 17.03.2010 bleibt im Übrigen unverändert.“

Die Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 17.09.2011 enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 2

Der Angestellte erhält für seine Tätigkeit ab 01.08.2011 ein Jahres-Festgehalt von 27.600,00 Euro (in Worten: EURO siebenundzwanzigtausendsechshundert).

§ 3

Das variable Jahresgehalt wird ab 01.08.2011 auf 1.200,00 Euro (in Worten: eintausendzweihundert) festgesetzt.

§ 4

Der AT-Vertrag vom 17.03.2010 bleibt im Übrigen unverändert.“

In den Kalenderjahren 2010 bis 2012 wurden keine Zielvereinbarungen abgeschlossen. Im Kalenderjahr 2013 unterschrieb der Kläger das als Anlage 1 vorgelegte Schreiben (Aktenblatt 27). In den Kalenderjahren 2014 bis 2016 wurden keine Zielvereinbarungen abgeschlossen. Für das Kalenderjahr 2017 legte die Beklagte dem Kläger den Entwurf einer Zielvereinbarung vor, die der Kläger mit Schreiben vom 21.08.2016 ablehnte. Aufgrund eines vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens sowie einer Erkrankung wurde der Kläger im Zeitraum von Mitte Juli 2015 bis April 2016 nicht beschäftigt. 2016 nahm er zudem noch 61 Tage Urlaub. Für Januar 2017 bezahlte die Beklagte zunächst eine variable Vergütung an den Kläger aus, zog diese jedoch mit dem Gehalt für Februar 2017 wieder ab. In den Folgemonaten bezahlte sie diese nicht.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein monatlicher Anspruch auf Bezahlung der variablen Vergütung unabhängig vom Abschluss einer Zielvereinbarung zu. Dies ergebe sich aus der vorbehaltlosen Zusage der Beklagten im Änderungsvertrag vom 19.07.2011 sowie der darin gewählten Formulierung „festgesetzt“, jedenfalls aber aus der über Jahre praktizierten Handhabung, einer betrieblichen Übung beziehungsweise aufgrund konkludenter Willenserklärungen und einem schlüssigem Verhalten, da die Beklagte über 72 Monate (sechs Jahre) die variable Vergütung vorbehaltlos und ohne Zielvereinbarung bezahlt habe. Das vorgelegte Schreiben für das Kalenderjahr 2013 besitze nicht die Qualität einer Zielvereinbarung. Es fehle am Mindestinhalt einer Zielvereinbarung, insbesondere hinreichend bestimmten konkreten Zielen, dem Grad der Zielerreichung und einen Bezug zum variablen Gehalt. Zudem enthalte dieses nur die Unterschrift des Klägers, weshalb sich die Vertragsparteien auch nicht hinreichend klar im Wege der Auslegung ermitteln ließen. Selbst wenn man darin eine Unterbrechung sehe, habe die Beklagte in den Jahren 2014 bis 2016 eine neue betriebliche Übung begründet. Hätte sich die Beklagte an die Regelung in § 3 Abs. 3 des ursprünglichen Arbeitsvertrages gebunden gefühlt, so hätte sie jeweils vor Beginn des jeweiligen Kalenderjahres mit dem Kläger eine Zielvereinbarung abschließen müssen. Hintergrund des Schreibens aus dem Jahr 2013 sei, dass Herr D. dem Kläger vermittelt habe, dass er ein zusätzliches Budget unabhängig von dem variablen Jahresgehalt zur Verfügung habe, das er am Ende des Jahres als Belohnung für die Umsetzung der dort angegebenen Ziele ausschütten könne, wozu es jedoch nicht gekommen sei. Ihm stehe für den Zeitraum 26.06.2017 bis 30.06.2017 insgesamt ein Urlaubsentgelt in Höhe von 522,72 EUR brutto zu, woraus sich unter Berücksichtigung der bezahlten 383,33 EUR brutto ein Differenzlohnanspruch in Höhe von 139,40 EUR brutto ergebe. Hierbei sei das Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.300,00 EUR durch 22 Arbeitstage zu teilen.

Der Kläger beantragt nach mehreren Klageerweiterungen zuletzt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.039,40 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 200,00 EUR seit dem 01.03.2017, aus 100,00 EUR seit dem 01.04.2017, aus 100,00 EUR seit dem 01.05.2017, aus 100,00 EUR seit dem 01.06.2017, aus 239,40 EUR seit dem 01.07.2017, aus 100,00 EUR seit dem 01.08.2017, aus 100,00 EUR seit dem 01.09.2017 sowie 400,00 EUR netto Verzugspauschale zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe kein Anspruch auf die variable Vergütung für das Kalenderjahr 2017 zu, da er sich als einziger Mitarbeiter den die Beklagte in T. einsetze geweigert habe, den Entwurf für eine Zielvereinbarung zu unterschreiben. Jedenfalls könne er die Zahlung nicht verlangen, da er das Geld dann jedenfalls bis 31.12. des Folgejahres zurückzahlen müsste. Auch nach den Änderungsverträgen sei der Abschluss einer Zielvereinbarung nach wie vor Grundvoraussetzung für die Zahlung eines variablen Jahresgehalts. Dies ergebe sich daraus, dass nach § 4 der Änderungsvereinbarung vom 01.08.2011 die übrigen Regelungen des AT-Vertrages unberührt bleiben. Der Begriff „festgesetzt“ bringe nur die Änderung des Verhältnisses zwischen dem Festgehalt, das erhöht wurde, während das Fixgehalt verringert wurde, zum Ausdruck. Die Änderungsvereinbarung könne nur im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Arbeitsvertrag gesehen werden. Bei einer anderen Auslegung hätte es keinen Sinn mehr gemacht, ein variables Gehalt separat auszuweisen. Jedenfalls sei die Rückzahlungsvereinbarung vom Änderungsvertrag nicht betroffen. Nach § 17 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags sei für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags zudem die Schriftform erforderlich. Für 2015 habe Herr D. unter dem 14.04.2015 dem Kläger eine Zielvereinbarung vorgelegt. Dies sei aufgrund erst dann erfolgter Genehmigungen für in Angriff zu nehmende Projekte nicht früher möglich gewesen. Im Kalenderjahr 2014 sei aufgrund der 96 Fehltage keine Zielvereinbarung geschlossen worden. In den Jahren 2015 und 2016 hätten zudem Besonderheiten in Form des Rechtsstreits zwischen den Parteien und der erheblichen Fehlzeiten bestanden. Es habe niemals einen extra Topf beziehungsweise ein zusätzliches Budget des Herrn D. gegeben. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2013 stelle eine Zielvereinbarung dar. Eine betriebliche Übung scheitere vorliegend bereits am Fehlen eines kollektiven Elements. Die Voraussetzungen für eine Konkretisierung seien nicht gegeben, da neben dem Zeitablauf zusätzlich erhebliche Umstände sowie ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers hinzukommen müssten und es insofern sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment fehle. Ein schutzwürdiges Vertrauen bestehe nicht, da die variable Vergütung nur 4,3 % des Jahreseinkommens ausmache. Für die Berechnung des Urlaubsentgelts sei das Gehalt entsprechend der Berechnung des Krankengeldes durch 30 geteilt und mit fünf Urlaubstagen multipliziert worden, weitergehende Ansprüche bestünden nicht. Eine Verzugskostenpauschale nach § 288 Abs. 5 BGB komme vorliegend nicht in Betracht, da die Vorschrift aufgrund der arbeitsrechtlichen Besonderheiten keine Anwendung finde. Darüber hinaus könne der Kläger eine Verzugspauschale allenfalls einmalig verlangen, da es sich bei den streitigen Beträgen um solche handele, denen ein einheitlicher Sachverhalt zu Grunde liege.

Wegen den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 27.04.2017 und vom 26.10.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hatte mit Ausnahme der doppelten Verzugspauschale für den Monat Juni 2017 Erfolg. In Höhe von 40,00 Euro war sie abzuweisen.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf das variable Jahresgehalt in Höhe von monatlich 100,00 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar 2017 bis September 2017 zu. Aufgrund der wiederholten vorbehaltlosen Zahlung der Beklagten ist es zu einer Abänderung des ursprünglichen Arbeitsvertrags vom 17.03.2010 gekommen, weshalb die variable Vergütung nicht mehr vom Abschluss einer Zielvereinbarung abhängig ist. Es ist der Beklagten darin beizupflichten, dass die Änderung des Arbeitsvertrags vom 19.07.2011 für sich genommen nicht dazu geführt hat, dass die variable Vergütung nicht mehr an den Abschluss einer Zielvereinbarung geknüpft werden kann, da andernfalls die vorgenommene Unterscheidung zwischen Festgehalt und variablem Jahresgehalt sinnentleert wäre. Im Anschluss daran ist es jedoch zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen. Die Beklagte hat unstreitig in den Kalenderjahren 2014 bis 2016 die variable Vergütung vorbehaltlos monatlich, über 36 Monate lang, trotz fehlendem Abschluss einer Zielvereinbarung an den Kläger ausgezahlt. Hinzukommt, dass die Beklagte bei unterstellter Richtigkeit ihres Vortrags dem Kläger im Jahr 2015 jeden Monat die variable Vergütung gezahlt hat, obwohl die angebotene Zielvereinbarung nicht zustande kam.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Frage, ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann, danach zu beurteilen, wie der Erklärungsempfänger dieses nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte. Dies ist aus den gesamten erkennbaren Umständen zu ermitteln (BAG vom 14.06.2016 – 9 AZR 181/15 – Rn. 14 f.). Ein Vertrag kann danach durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) zustande kommen, zum Beispiel kann in dem jahrelangen einvernehmlichen Austausch von Dienstleistung und Vergütung ein übereinstimmender Wille der Parteien zum Ausdruck kommen, einander zu den tatsächlich erbrachten Leistungen arbeitsvertraglich verbunden zu sein (BAG vom 09.04.2014 – 10 AZR 590/13 – Rn. 26). Diese Maßstäbe sind nach Auffassung der Kammer für den Streitfall maßgeblich. Ob daneben die strengeren Voraussetzungen für eine Konkretisierung, das heißt, neben einem Zeitablauf ein zusätzliches Hinzutreten eines Umstandsmomentes sowie eines schutzwürdigen Vertrauens gegeben sind (vgl. BAG vom 15.09.2009 – 9 AZR 757/08 – Rn. 54; BAG vom 13.03.2007 – 9 AZR 433/06 – Rn. 50; BAG vom 23.09.2004 – 6 AZR 567/03 – Rn. 15), kann vorliegend dahinstehen. Die Konkretisierung betrifft die Vertragsänderung in Form einer Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Die gesteigerten Anforderungen beruhen auf der Tatsache, dass alleine in einer bestimmten Ausübung des Direktionsrechts mit anschließender Nichtausübung während eines längeren Zeitraums nicht der Verzicht gesehen werden kann, dieses zukünftig in anderer Art und Weise auszuüben. Damit ist die vorliegende Konstellation der wiederholten Zahlung eines bestimmten Vergütungsbestandteils aus Sicht der Kammer nicht vergleichbar, da diesem aktiven Handeln ein höherer Erklärungswert zukommt als der Untätigkeit.

b) Die Auslegung der Verhaltensweisen der Vertragsparteien anhand der soeben dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt, dass es vorliegend zu einer konkludenten Vertragsänderung dahingehend gekommen ist, dass die variable Vergütung dem Kläger unabhängig vom Abschluss einer Zielvereinbarung zusteht. Der Kläger hat sowohl in den Kalenderjahren 2010 bis 2012 als auch in den Kalenderjahren 2014 bis 2016 jeweils monatlich ohne Vorbehalt eine variable Vergütung erhalten hat. Selbst wenn man in dem im Jahr 2013 vom Kläger unterschriebenen Schreiben (Blatt 27 der Akte) eine wesentliche Zäsur sehen wollte, obwohl dieses aufgrund fehlender Bestimmtheit und der fehlenden Relation zwischen den Zielen und der Vergütung nicht die Anforderungen an eine Zielvereinbarung erfüllen dürfte, hat die Beklagte im Anschluss über 36 Monate lang erneut vorbehaltlos ohne eine Zielvereinbarung Zahlungen an den Kläger geleistet. Hinzu kam, dass bei unterstellter Richtigkeit des Beklagtenvortrags im Jahr 2015 selbst nach nicht Zustandekommen einer zuvor von der Beklagten vorgeschlagenen Zielvereinbarung dennoch vorbehaltlos monatliche Zahlungen erfolgten. Aus objektiv-normativer Empfängersicht durfte der Kläger das Verhalten der Beklagten, in Form der vorbehaltlosen Bezahlung sowie der Bezahlung sogar im Anschluss an ein nicht angenommenes Zielvereinbarungsangebot, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände dahingehend verstehen, dass ihm dieser Vergütungsbestandteil losgelöst vom Abschluss einer Zielvereinbarung zukommen soll. Hieran ändert nach Auffassung der Kammer auch das zwischen den Parteien zeitweise anhängige Kündigungsschutzverfahren mit höheren Abwesenheitszeiten des Klägers nichts. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch nach der ursprünglichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag die Ziele hätten jeweils vor dem Kalenderjahr abgeschlossen werden müssen und zudem niemals ein entsprechender Vorbehalt erklärt wurde. Der rechtzeitige Abschluss der Zielvereinbarung ist insbesondere auch für die Möglichkeit zur Realisierung der Ziele von erheblicher Bedeutung. Ob sich der Anspruch daneben auch auf das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der betrieblichen Übung stützten lässt oder eine solche nach wie vor einen kollektiven Tatbestand voraussetzt (so BAG vom 11.04.2006 – 9 AZR 500/05 – Rn. 15) kann demgegenüber dahinstehen. Auch wenn man ein solches Erfordernis im Rahmen der betrieblichen Übung trotz deren vertraglichen Charakters fordert, ändert dies nichts daran, dass eine dem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber beachtete ständige Übung ihm gegenüber einen Rechtsanspruch auf zusätzliche Leistungen begründen kann (vgl. BAG vom 17.04.2013 – 10 AZR 251/12 – Rn. 16 f.; MüKoBGB/Müller-Glöge, 7. Auflage 2016, BGB § 611 Rn. 433). Die Klage ist daher bezüglich der variablen Vergütung in Höhe von monatlich 100,00 EUR brutto für den Zeitraum Januar bis September 2017 begründet.

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf ein weiteres Urlaubsentgelt in Höhe von 139,40 EUR brutto zu. Die Beklagte hat den Anspruch auf Urlaubsentgelt fehlerhaft auf der Basis von Kalendertagen berechnet. Der Urlaubsanspruch ist nicht kalender- sondern arbeitstagsbezogen. § 11 Bundesurlaubsgesetz stellt hierbei durchschnittlich auf den Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen ab. Bei einer gleichbleibenden Monatsvergütung können die letzten drei Vergütungszahlungen vor dem Urlaubsantritt herangezogen werden (Arnold/Tillmanns/Tillmanns, BurlG, § 11 Rn. 21 und 19). Da der Kläger bei seiner Berechnung die konkrete Anzahl der Arbeitstage des streitigen Monats Juni (22) zu Grunde gelegt hat, steht ihm der Anspruch ausgehend von einem monatlichen Festgehalt in Höhe von 2.300,00 EUR jedenfalls in der geltend gemachten Höhe zu.

3. Dem Kläger steht für neun Monate eine Verzugspauschale in Höhe von jeweils 40,00 EUR und damit insgesamt ein Betrag in Höhe von 360,00 EUR zu.

a) § 288 Abs. 5 BGB ist nach Auffassung der Kammer auch im Arbeitsrecht anwendbar. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung der 3. und 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg an. Zweck der Verzugskostenpauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB sowie des der Norm zu Grunde liegenden Artikel 6 Abs. 1 der Zahlungsverzugsrichtlinie ist die pauschale Entschädigung des Gläubigers für seine internen Beitreibungs- und Mahnkosten. Der pauschale Anspruch auf 40,00 EUR entsteht unabhängig von einem tatsächlichen Verzugsschaden. Auch wenn der Arbeitnehmer im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine Erstattung seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann, soll er gemäß § 288 Abs. 5 BGB im Verzugsfall wenigstens eine geringere (pauschale) Entschädigung erhalten. Die Regelung des § 12 a ArbGG schränkt daher nicht den Geltungsbereich von § 288 Abs. 5 BGB ein sondern allenfalls umgekehrt. Eine planwidrige, unbeabsichtigte Gesetzeslücke ist nicht ersichtlich (LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 – Rn. 95; dem folgend LAG Baden-Württemberg vom 09.10.2017 – 4 Sa 8/17 – Rn. 64). Die Tatsache, dass die Vorschrift auf einer Richtlinie basiert, die eine entsprechende Bereichsausnahme nicht enthält und der Gesetzgeber Besonderheiten für den Bereich Arbeitsrecht auch nicht ausdrücklich vorgesehen hat, wie dies beispielsweise im AGB-Recht geschehen ist, spricht nach Auffassung der Kammer ebenso für die Anwendbarkeit der Vorschrift im Arbeitsrecht, wie die unterschiedliche Zielrichtung der beiden Vorschriften. Während § 12 a ArbGG nach seiner ursprünglichen Intention darauf abzielt, dass erstinstanzliche Urteilsverfahren zu verbilligen und die Kostenrisiken zu verringern, die sich aus Kostenerstattungsansprüchen für die Parteien ergeben können (BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 10/93 – Rn. 23), dient § 288 Abs. 5 BGB der pauschalen Entschädigung des Gläubigers für seine internen Beitreibungs- und Mahnkosten (LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 – Rn. 95).

b) Der Anspruch besteht auch für jeden Monat, in dem die Beklagte an den Kläger nicht das gesamte geschuldete Arbeitsentgelt ausbezahlt hat. Die Beklagte hat für den Zeitraum Januar 2017 bis September 2017 die variable Vergütung nicht an den Kläger ausbezahlt beziehungsweise für Januar im Februar wieder abgezogen und befand sich daher mit der Leistung in Verzug. Die Pauschale ist für jeden Monat neu zu zahlen (LAG Baden-Württemberg vom 09.10.2017 – 4 Sa 8717 – Rn. 65). Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an.

Mit der Kostenpauschale soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit kompensiert werden, obwohl solche Nachteile bisher nicht als schadensersatzfähig galten. Bei monatlicher Zahlung des Arbeitsentgelts muss der Kläger monatlich kontrollieren und gegebenenfalls berechnen, welche Ansprüche ihm seiner Ansicht nach noch zustehen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 22.03.2017 – 15 Sa 1992/16 – Rn. 20; dem folgend LAG Baden-Württemberg vom 09.10.2017 – 4 Sa 8/17 – Rn. 65). Hierfür spricht nach Auffassung der Kammer insbesondere auch der Gesetzeswortlaut, da § 288 Abs. 5 Satz 2 explizit klarstellt, dass die Verzugspauschale monatlich sogar dann zu bezahlen ist, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Dies muss für ein Dauerschuldverhältnis mit wiederkehrenden Leistungsverpflichtungen erst recht gelten. Auch hier muss der Arbeitnehmer monatlich prüfen, ob die geschuldete Leistung erbracht wurde und bei Nichterbringung die Leistung einfordern. Mit Blick darauf stand dem Kläger für neun Monate jeweils eine Verzugspauschale in Höhe von 40,00 EUR zu.

c) Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Der Kläger kann für den Monat Juni 2017 keine doppelte Verzugspauschale verlangen. Gerade der soeben dargestellte Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit sowie die monatlichen Kontrollen kompensiert werden sollen, spricht dagegen, den Anspruch des Arbeitnehmers auf jede einzelne Forderung und nicht den Zahlungszeitraum insgesamt zu beziehen. Der Arbeitnehmer erhält für den konkreten Monat nur einmal das Gesamtgehalt und eine Abrechnung und muss insofern auch nur einmal eine entsprechende Kontrolle vornehmen. Darüber hinaus knüpft § 288 Abs. 5 Satz 1 an die „Entgeltforderung“ an. Im Falle des Arbeitsverhältnisses scheint es gerechtfertigt, unter Entgeltforderung die gesamte monatliche Vergütung zu verstehen. Andernfalls würden auch nur kleine marginale Rechenfehler für jeden Einzelposten einer Monatsabrechnung für sich genommen einen Anspruch auf die Pauschale auslösen, obwohl diese regelmäßig in einer einzelnen Abrechnung enthalten sind und daher einheitlich überprüft und geltend gemacht werden können. Der Anspruch des Klägers war daher insofern abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Beklagten wurden die Kosten des Rechtsstreits insgesamt auferlegt, da die Zuvielforderung vorliegend im Verhältnis zum Gesamtstreitwert verhältnismäßig geringfügig ist und mangels Vorliegens eines Gebührensprungs keine höheren Kosten verursacht hat.

Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG setzt das Gericht den Streitwert im Urteil fest. Hierbei wurde die Summe der bezifferten Anträge zu Grunde gelegt. Für den Urteilsstreitwert kommet es, anders als beim Gebührenstreitwert nicht darauf an, ob es sich bei der Verzugspauschale um eine Nebenforderung handelt, da die Festlegung an die materiell-rechtliche Beschwer anknüpft und die Verzugspauschale jedenfalls insoweit zu bewerten war.

Gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG muss das Urteil zudem eine Entscheidung über die gesonderte Zulassung der Berufung enthalten. Die Kammer hat diese nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien betreffend des Streits über die Verzugspauschale gesondert zugelassen. Eine Rechtssache hat dann grundlegende Bedeutung, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Die Rechtsfrage muss klärungsfähig, klärungsbedürftig und entscheidungserheblich sein (BAG vom 05.10.2010 – 5 AZN 666/10 – Rn. 5). Die Frage einer Verzugspauschale stellt sich grundsätzlich bei sämtlichen Entgeltforderungen und betrifft daher eine unbestimmte Vielzahl weiterer Fälle. Ob § 288 Abs. 5 BGB im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, ob der Anspruch für jeden Monat neu entsteht und ob er auch in einem Monat mehrfach anfallen kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt und innerhalb der Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten. Die Berufung war daher für beide Parteien insoweit gesondert zuzulassen.

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