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Zielvereinbarungsprozess gegenüber Arbeitgeber – Schadensersatz

Hessisches Landesarbeitsgericht – Az.: 14 Sa 606/19 – Urteil vom 30.04.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2019 – 19 Ca 6561/18 – teilweise abgeändert und die Klage auch abgewiesen, soweit dem Kläger ein über 23.378,85 € brutto nebst Zinsen hinausgehender Betrag nebst Zinsen zugesprochen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 47 % und die Beklagte 53 % zu tragen.

Die Revision wird nur für die Beklagte beschränkt auf den Anspruchsgrund zugelassen. Betreffend die Anspruchshöhe wird die Revision für keine der Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um Ansprüche des Klägers auf variable Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen nicht festgelegter Ziele für das Geschäftsjahr 2018.

Der Kläger ist seit dem 15. Januar 2014 bei der Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 2. Dezember 2013 (Bl. 5 ff. der Akte) als Business Development Director beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag lautet unter Ziff. 2.4 auszugsweise:

„Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer jährlich einen erfolgsabhängigen Bonus i.H.v. 43.970 € brutto (in Worten dreiundvierzigtausendneunhundertsiebzig Euro) entsprechend 100 % Erreichung der festgelegten Ziele. Die Zahlung des Bonus ist davon abhängig, welcher Zielerreichungsgrad erlangt wird. Die Modalitäten zur Zieldefinition und -erreichung werden gesondert im Rahmen des individuellen ‚Total Rewards Sales Compensation Plan‘ vereinbart (…)“

Im Rahmen des jährlichen Zielvereinbarungsprozesses bei der Beklagten werden zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres die für die Mitarbeiter für dieses Wirtschaftsjahr vorgesehenen Ziele und Zielgewichtungen in einem „FY Total Rewards Sales Compensation Plan“ (künftig: Bonusplan) festgehalten und von der Beklagten an die betroffenen Mitarbeiter verschickt. Anschließend wird der Bonusplan von der Beklagten mit dem jeweiligen Arbeitnehmer erörtert sowie bei Bedarf gegebenenfalls angepasst. Durch die Unterzeichnung des Bonusplans erklärt sich der Mitarbeiter mit den dort getroffenen Regelungen einverstanden und wird Bonusplanteilnehmer.

Im Wirtschaftsjahr 2015 betrug der Zielerreichungsgrad des Klägers 84 %, im Wirtschaftsjahr 2016 80 % und im Wirtschaftsjahr 2017 25 %. Die insofern in den Bonusplänen enthaltenen Ziele waren nach Auffassung beider Parteien angemessen. Die Auszahlungsquote entsprach in den genannten Jahren nicht der Zielerreichungsquote, sondern der dem jeweiligen Zielerreichungsgrad entsprechenden Auszahlungsanteil wurde jedes Jahr neu festgelegt.

Im Juni 2017 wies die Beklagte dem Kläger einen geänderten Aufgabenbereich zu, der insbesondere verstärkt Neukundengeschäft zum Gegenstand hatte. Wegen der Einzelheiten der ihm zugewiesenen Aufgaben wird auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 3 der Akte) Bezug genommen.

Das Geschäftsjahr 2018 der Beklagten begann am 1. September 2017 und endete am 31. August 2018.

Mit Schreiben vom 14. November 2017 (Bl. 13 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, mit ihm in Verhandlungen über einen Bonusplan für das Jahr 2018 einzutreten. Spätestens am 29. Januar 2018 übersandte die Beklagte ihm einen Bonusplan für das Jahr 2018. Der von der Beklagten übersendete Plan (Anlage CMS 5 des Anlagenbandes) sieht insoweit eine Annahmefrist von 30 Tagen nach Eingang beim Arbeitnehmer vor.

Im Rahmen der folgenden Verhandlungen gelang eine Einigung der Parteien nicht. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Bis zu seiner Freistellung war der Kläger im Rahmen einer Matrixstruktur Teil des bei der A GmbH angesiedelten Vertriebsteam des Herrn B, der auch für die Vereinbarung bzw. Festlegung der für den Kläger in Bezug auf die variable Vergütung maßgeblichen Ziele zuständig war.

Unter dem 13. März 2018 versendete Herr B eine E-Mail an den Kläger, wonach der Bonusplan „nun als abgeschlossen und vereinbart“ angesehen werde. Wegen des Inhalts der E-Mail wird auf Bl. 36 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14. März 2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 2018 und stellte den Kläger gleichzeitig frei. Der Kläger wurde bis zum Abschluss des Geschäftsjahres 2018 nicht mehr für die Beklagte tätig.

Gegen die Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Mit Urteil vom 25. Oktober 2018 (19 Ca 3356/18) hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. März 2018 nicht aufgelöst worden ist. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 26. März 2018 teilte die die Prokuristin der Beklagten Frau C dem Kläger auszugsweise mit:

„(…) Wir möchten festhalten, dass für Sie auf Grundlage des Schreiben vom 1. Februar 2018 für das Geschäftsjahr 2018 die folgenden im FY Total Rewards Compensations Plan aufgeführten Ziele gelten:

Total Sales: USD 4.000.000

Direct Sales Minimum: USD 3.600.000

Total Revenue: USD 3.333.000

(…)“

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe im Wege des Schadensersatzes gegen die Beklagte für das Wirtschaftsjahr 2018 ein Bonus i.H.v. 43.970 € brutto zu. Er hat behauptet, er habe erst am 29. Januar 2018 von der Beklagten einen Vorschlag für seinen Bonusplan 2018 erhalten und die Ansicht vertreten, die dort angesetzten Ziele seien bezogen auf das ihm nun zugewiesenen Neukundengeschäft unrealistisch gewesen. In erster Linie gelte der Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens. Die Beklagte behaupte, es sei ihm möglich gewesen, den Bonusplan 2018 zu erfüllen, der mangels Vereinbarung einseitigen Kraft getreten sei. Wegen seiner Freistellung ab 14. März 2018 sei es aber nicht möglich gewesen, den Plan zu erfüllen. Sein Vorbringen zur Unangemessenheit der Bonusvereinbarung und Unmöglichkeit der Zielvereinbarung erfolge daher hilfsweise.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn 43.970,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. September 2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Dies ergebe sich bereits daraus, dass dieser seine vertragliche Pflicht zur Mitwirkung an dem Abschluss einer Zielvereinbarung schuldhaft verletzt habe. Sie habe es daher nicht zu vertreten, dass eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen sei. Der Kläger habe lediglich den von ihr unterbreiteten Vorschlag abgelehnt, ohne in entsprechende Verhandlungen hierüber einzutreten bzw. seine Ablehnung zu plausibilisieren. Sie hat behauptet, Herr B habe dem Kläger den Bonusplan für das Jahr 2018 erstmals im November 2017 und dann ein weiteres Mal am 11. Dezember 2017 mit der Bitte zugesendet, ihn im Falle seines Einverständnisses zu unterzeichnen und an sie zurückzuschicken. Sie hat die Auffassung vertreten, die dort definierten Regelungen hätten konkrete und realistische Zielvorgaben beinhaltet, die für den Kläger ohne weiteres erreichbar gewesen seien. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den in den Wirtschaftsjahren 2016 und 2017 vorgesehenen Zielen, aber auch mit denen, die den Vertriebsmitarbeitern der Tochtergesellschaft in Österreich gesetzt worden seien. Aus der Änderung des Aufgabenbereichs des Klägers folge nichts anderes. Tatsächlich erreicht habe der Kläger lediglich 1 % bezogen auf das Verkaufsvolumen sowie 2 % bezogen auf das Umsatzvolumen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger hätte die Ziele auch dann nicht anteilig erreicht, wenn er nicht freigestellt worden wäre, sondern gearbeitet hätte. Zudem habe sie dem Kläger die Ziele ausreichend deutlich vorgegeben. Insoweit behauptet sie, nach dem bei ihr angewandten Zielvereinbarungsprozess lege sie die Ziele einseitig fest, wenn mit dem Arbeitnehmer nach Verhandlungen über den Bonusplan kein Einvernehmen erzielt werden könne. Da der Kläger die von ihr so festgelegten Ziele nicht erreicht habe, stehe ihm ein Anspruch nicht zu.

Die Beklagte meint zudem, selbst wenn man dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch des Klägers bejahe, stehe ihm der Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe zu, weil eine anteilige Bonuszahlung nur auf Grundlage einer prognostizierbaren Zielerreichung zu berücksichtigen sei und die Zielerreichung des Klägers in den vergangenen Jahren kontinuierlich nachgelassen habe. Es könne daher vorliegend allenfalls eine deutlich unter 10 % liegende Zielerreichung unterstellt werden.

Vorsorglich erklärt die Beklagte zudem die Aufrechnung mit einem aus ihrer Sicht für das Wirtschaftsjahr 2016 rechtsgrundlos gezahlten Bonusbetrag von – nach dem bereits eine teilweise Anrechnung auf den Bonus für das Jahr 2017 erfolgt ist – noch 1.073 € brutto.

Mit Kündigungserklärung vom 9. Januar 2020 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut zum 30. April 2020 ordentlich gekündigt. Mit der gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage ist der Kläger erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unterlegen, die diesbezügliche Berufung ist vor der erkennenden Kammer (14/19 Sa 1016/19) anhängig.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Zahlungsklage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Es hat ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Unterbleibens einer Zielvereinbarung für das Wirtschaftsjahr 2018 gegen die Beklagte bestehe, da diese nicht hinreichend dazu vorgetragen habe, dem Kläger ein Angebot unterbreitet zu haben, dass dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose auch hätte erreichen können. Der Anspruch bestehe auch in der geltend gemachten Höhe, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger vereinbarte realistische Ziele auch erreicht hätte. Die Beklagte habe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung i.H.v. 1.073 € brutto nicht substantiiert dargelegt, nach ihrem Vortrag ergebe sich für das Jahr 2016 lediglich eine Überzahlung i.H.v. 822 €, die durch die Verrechnung mit dem Bonus für 2017 bereits verbraucht sei.

Wegen der Begründung im Übrigen und Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. Mai 2019 zugestellte Urteil am Montag, dem 3. Juni 2019, beim Hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. August 2019 am 31. Juli 2019 begründet.

Sie rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, an dem Abschluss der Zielvereinbarung für das Wirtschaftsjahr 2018 mitzuwirken. Er sei, soweit er ihren Vorschlag als unerfüllbar ansehe, gehalten gewesen, ein nachvollziehbares Gegenangebot zu unterbreiten. Indem er den Zielvereinbarungsvorschlag monatelang inhaltlich unkommentiert gelassen bzw. lediglich pauschal abgelehnt habe, habe er seine vertragliche Nebenpflicht verletzt und damit das Zustandekommen einer Zielvereinbarung für das Wirtschaftsjahr 2018 allein zu vertreten. Dies habe zur Folge, dass er keinen Schadensersatz beanspruchen könne. Die im Bonusplan 2018 vorgesehenen Ziele seien zudem entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts angemessen gewesen. Bei ihrer Festsetzung sei der veränderte Aufgabenbereich des Klägers bereits berücksichtigt gewesen. Insbesondere habe dieses nicht davon ausgehen dürfen, dass für das Jahr 2018 nur solche Zielvorgaben angemessen gewesen wären, die bei 25 % dessen gelegen hätten, was für das Wirtschaftsjahr 2017 vereinbart wurde, weil der Kläger 2017 nur diesen Zielerreichungsgrad aufwies. Nach diesem Verständnis müsse nämlich eine kontinuierliche Reduzierung von Zielerreichungsvorgaben stattfinden, wenn Arbeitnehmer ihre Ziele regelmäßig verfehlen.

Jedenfalls bestehe der Schadensersatz des Klägers nicht in der ausgeurteilten Höhe. Das Arbeitsgericht habe insofern die kontinuierlich abfallende Tendenz der Leistung des Klägers berücksichtigen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2019 – 19 Ca 6561/18 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft insoweit seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er vertritt die Auffassung, die für das Geschäftsjahr 2018 von der Beklagten vorgeschlagenen Ziele seien unrealistisch gewesen, zumal es im Neukundengeschäft 18-24 Monate dauere, bis die ersten Umsätze erzielt würden. Ihm seien keine Key-Account Kunden belassen worden, was angesichts seiner Position rechtswidrig sei.

Wegen des weiteren beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 2 b ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

II.

Sie ist jedoch nur teilweise erfolgreich.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe für das Geschäftsjahr 2018 gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 283, 252 BGB iVm. Ziff. 2.4. des Arbeitsvertrags. Die Höhe des Schadens ist gem. § 287 ZPO auf zu 23.378,85 brutto schätzen. Der Anspruch des Klägers ist nicht i.H.v. 1.072 € brutto durch Aufrechnung erloschen.

– Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, kann der Gläubiger nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Nach § 280 Abs. 3 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung allerdings nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 BGB, des § 282 BGB oder des § 283 BGB verlangen. Insoweit bestimmt § 283 Satz 1 BGB, dass der Gläubiger, sofern der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu leisten braucht, unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann.

– Die Beklagte war vorliegend verpflichtet, eine einseitige Zielvorgabe vorzunehmen, nachdem eine Einigung der Parteien über eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2018 nicht erzielt werden konnte.

a) Die Beklagte hat vorgetragen, es entspreche dem bei ihr geübten Procedere im Rahmen des Zielvereinbarungsprozesses, zunächst eine Einigung mit dem Arbeitnehmer über die für die variable Vergütung maßgeblichen Ziele zu versuchen, wenn eine Einigung jedoch im Rahmen der unterbreiteten Vorschläge nicht gelinge, lege sie die jeweiligen Ziele einseitig fest. Dies sei dem Kläger auch bereits bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen. Dieser Vortrag der Beklagten deckt sich damit, dass dem Kläger in dem ihm übersandten Bonusplan für das Jahr 2018 eine Annahmefrist von 30 Tagen gesetzt wird. Der Kläger hat den entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht nur nicht bestritten, sondern ihn sich ausdrücklich im Sinne eines äquipollenten Parteivorbringens zu eigen gemacht. Er hat sogar erklärt, sein Vorbringen zur Unangemessenheit der Bonusvereinbarung und Unmöglichkeit des Abschlusses einer Zielvereinbarung erfolge nur hilfsweise, in erster Linie gelte der Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens.

b) Aus Sicht der Kammer kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Beklagte tatsächlich, wie von ihr unstreitig jedenfalls bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger im Jahr 2013 praktiziert, arbeitsvertraglich berechtigt war, eine einseitige Zielvorgabe vorzunehmen, wenn ein Einvernehmen über die Ziele innerhalb der Annahmefrist nicht zu erreichen war. Insoweit ist zumindest eine Selbstbindung erfolgt, aufgrund derer sich der Arbeitnehmer auf ein entsprechendes Procedere verlassen können muss, soweit die Beklagte nicht erklärt, von dieser Praxis abrücken zu wollen und der Arbeitnehmer dieser Vorgehensweise nicht widerspricht. Der Arbeitnehmer kann bei dieser Praxis nämlich davon ausgehen, dass auch dann, wenn keine Einigung erreicht wird, auf jeden Fall rechtzeitig während der Zielperiode die für seine variable Vergütung maßgeblichen Ziele feststehen. Anders als in den Fällen der vereinbarten Nachwirkung der zuletzt geschlossenen Zielvereinbarung (vgl. BAG 12. Mai 2010 – 10 AZR 390/09 – BAGE 134, 242) erlischt nämlich mit der einseitigen Vorgabe der Ziele durch den Arbeitgeber die Verhandlungspflicht der Parteien.

3. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, weil sie die für den Kläger geltenden Ziele im Geschäftsjahr 2018 zunächst nicht einseitig festgesetzt hat, nachdem ein Einvernehmen mit dem Kläger nicht hergestellt werden konnte. Unstreitig forderte der Kläger sie mit Schreiben vom 14. November 2017 zu Verhandlungen über die zu vereinbarenden Ziele auf und setzte hierfür eine Frist bis zum 29. November 2017. Unabhängig davon, ob das folgende Scheitern der Verhandlungen auf unrealistische Vorstellungen der Beklagten oder auf unrealistische Vorstellungen des Klägers zurückzuführen ist, war es nach dieser Aufforderung durch den Kläger an der Beklagten, entweder zeitnah eine Vereinbarung herbeizuführen oder deren Scheitern festzustellen und die Ziele einseitig vorzugeben.

4. Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu vertreten. Was einer entsprechenden einseitigen Festsetzung der Ziele entgegengestanden haben sollte, ist nicht ersichtlich. Ein Mitverschulden, § 254 BGB, des Klägers kommt, nachdem die Beklagte auf das Scheitern der Verhandlungen hin eine einseitige Zielvorgabe hätte vornehmen können und müssen, nicht in Betracht.

5. Nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 BGB kann der Kläger von der Beklagten Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch eingetreten ist, dass sie, nachdem die vom Kläger im November 2017 eingeleiteten Verhandlungen nicht zeitnah zum Abschluss einer Zielvereinbarung führten, die Ziele schuldhaft nicht einseitig festgesetzt hat.

a) Der Kläger kann gemäß § 280 Abs. 3 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe mit seiner Freistellung ab dem 14. März 2018 unmöglich geworden ist. Auf die- frühestens mit E-Mail vom 13. März 2018 und damit gleichzeitig oder unmittelbar vor der Freistellungserklärung zugegangene- Mitteilung durch Herrn B, der Plan werden nun als vereinbart angesehen, kommt es mithin nicht an.

aa) Das Bundesarbeitsgericht geht in gefestigter Rechtsprechung (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 14. November 2012 – 10 AZR 793/11 – Juris; BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 889/07 – NZA 2009, 256; BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147), der sich die Kammer anschließt, davon aus, dass eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist. Eine Zielvereinbarung könne entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne und wisse, auf das Erreichen welcher persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert lege und deshalb bereit sei, bei Erreichung dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine der Leistungssteigerung und dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum sei deshalb nicht möglich. Jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode könne der betroffene Arbeitnehmer deshalb Schadensersatz statt Erfüllung verlangen (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 889/07 – NZA 2009, 256; BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147).

bb) Offengelassen hat das Bundesarbeitsgericht bisher, was gilt, wenn der Arbeitgeber zu einer (einseitigen) Zielvorgabe verpflichtet ist, diese aber nicht innerhalb der Zielperiode erfolgt (vgl. BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rz. 23, BAGE 125, 147) und ob die einen Schadensersatzanspruch statt des Erfüllungsanspruchs begründende Unmöglichkeit bereits vor Ablauf der Zielperiode eintreten kann, also bei Abschluss einer Zielvereinbarung etwa erst gegen Ende der Zielperiode oder zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zweck der Leistungssteigerung und Motivation aus anderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rz. 46, BAGE 125, 147).

cc) Nach Auffassung der Kammer ist eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zulasten des Arbeitgebers schadensersatzauslösend, wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung (ebenso LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Juris; LAG München 20. Juni 2012 – 10 Sa 951/11 – Juris; LAG Rheinland-Pfalz 15. Dezember 2015 – 8 Sa 201/15 –Juris; LAG Hamm 2. Oktober 2008 – 15 Sa 1000/08 – Juris, a.A.: LAG Düsseldorf 29. Oktober 2003 – 12 Sa 900/03 – Juris; LAG Köln 15.12.2014 – 5 Sa 580/14 – Juris), allerdings ohne dass ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in Betracht kommt. Zwar unterliegt die einseitige Zielvorgabe als Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, mit der Folge, dass bei einem Unterbleiben der Zielvorgabe die Leistungsbestimmung grundsätzlich durch Urteil vorzunehmen ist (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rz. 46, BAGE 125, 147: LAG Köln 15.12.2014 – 5 Sa 580/14 – Juris). Nach teilweise vertretener Auffassung gilt dies auch dann, wenn die Zielperiode abgelaufen und wegen der Bonuszahlung ein Rechtsstreit anhängig ist (LAG Düsseldorf 29. Oktober 2003 – 12 Sa 900/03 – Juris; LAG Köln 15.12.2014 – 5 Sa 580/14 – Juris). Hiergegen spricht jedoch, dass die Gründe, aus denen das Bundesarbeitsgericht im Falle einer unterbliebenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode eine Festlegung der Ziele durch Urteil für ausgeschlossen hält und grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch annimmt, für den Fall der unterbliebenen einseitigen Zielvorgabe unterschiedslos ebenso zutreffen (ebenso LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Juris; LAG Rheinland-Pfalz

15. Dezember 2015 – 8 Sa 201/15 –Juris). Auch im Hinblick auf die einseitige Zielvorgabe ist deren Zweck, nämlich die Motivation der Mitarbeiter durch das Setzen eines Leistungsanreizes, nicht mehr erreichbar, wenn die Zielperiode abgelaufen ist (LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Juris; LAG Rheinland-Pfalz 15. Dezember 2015 – 8 Sa 201/15 –Juris). Gleiches gilt für die betreffend die unterbliebene Zielvereinbarung erfolgte Erwägung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – Rz. 26, BAGE 125, 147), die nachträgliche Ermittlung angemessener, fallbezogener Ziele durch die Gerichte sei angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Gewichtung möglicher Ziele und auf Grund sich ständig ändernder Rahmenbedingungen in der Regel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden oder sogar gar nicht möglich (ebenso LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Juris). Mit dieser Begründung lehnte das Bundesarbeitsgericht die Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB auf Fälle der unterbliebenen Zielvereinbarung ab. Zudem ist es nicht möglich, den Umstand, dass die Leistungsbestimmung verzögert wurde, im Urteil zu berücksichtigen (LAG Köln 26. Januar 2018 – 4 Sa 433/17 – Juris).

dd) Zwar ist die einseitige Festsetzung der Ziele durch die Beklagte hier noch innerhalb der Zielperiode erfolgt, nämlich in der E-Mail vom 13. März 2018 und nochmals im Schreiben vom 26. März 2018. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits Unmöglichkeit iSd. § 275 BGB eingetreten, so dass die Vornahme der Zielvorgabe nicht mehr erfüllungstauglich war. Dabei kann offenbleiben, ob allgemein von Unmöglichkeit auszugehen ist, wenn wie hier mehr als die Hälfte des Geschäftsjahres bereits vergangen ist, bevor der Arbeitgeber die für die variable Vergütung maßgeblichen Ziele festgesetzt hat, eben weil die rückwirkende Festlegung von Zielen im Hinblick auf den Zweck von Zielvorgaben und Zielvereinbarungen ausscheidet (für Zielvereinbarungen BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 10. Dezember 2008 – 10 AZR 889/07 – NZA 2009, 256; BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147)). Jedenfalls ist eine einseitige Zielvorgabe dann nicht mehr möglich, wenn der Arbeitnehmer die festgesetzten Ziele bei der Ausübung seiner Tätigkeit nicht mehr berücksichtigen kann, weil das Arbeitsverhältnis endet (LAG Rheinland-Pfalz 15. Dezember 2015 – 8 Sa 201/15 –Juris) oder der Arbeitgeber ihn von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freistellt. Der vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Gedanke, dass die Vereinbarung von Zielen sinnentleert ist, wenn diese nicht mehr der Motivation des Mitarbeiters dienen können, trifft auch in diesem Fall zu. So liegt der Fall hier; je nachdem, wann dem Kläger die E-Mail vom 13. März 2018 zugegangen ist, ist er bereits gleichzeitig oder unmittelbar danach von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt worden.

b) Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach §§ 249 ff. BGB.

aa) Nach § 252 S. 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden den entgangenen Gewinn. Dazu gehört auch entgangener Verdienst aus abhängiger Arbeit und damit eine Bonuszahlung. Als entgangen gilt gemäß § 252 S. 2 BGB der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 252 S. 2 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei mindert, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147).

bb) Dem Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO unterliegen sowohl die Feststellung des Schadens als auch dessen Höhe. Die Vorschrift dehnt für die Feststellung der Schadenshöhe das richterliche Ermessen über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt. Allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147).

cc) Grundlage bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB ist in den Fällen, in denen die Festlegung von Zielen schuldhaft unterblieben ist, der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus. Zielvereinbarungen werden ihrem Motivations- und Leistungssteigerungszweck und ihrer Anreizfunktion dann nicht gerecht, wenn die Ziele von vornherein von keinem Arbeitnehmer erreicht werden können (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147). Dem ist bei der Ermittlung des Schadens Rechnung zu tragen. Insoweit ist vorliegend von dem vom Kläger als Zielbonus angegebenen Betrag i.H.v. 43.970 € brutto auszugehen- der von der Beklagten angegebene Betrag i.H.v. 44.700 € brutto für das Jahr 2018 hat im Hinblick auf § 308 ZPO außer Betracht zu bleiben.

dd) Im Rahmen des nach § 287 Abs. 1 ZPO bestehenden Ermessens sind jedoch auch Umstände zu berücksichtigen, die gegen eine Zielerreichung des Arbeitnehmers sprechen (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147). Zu solchen Umständen, die der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen hat (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris), gehört es insbesondere, wenn der Arbeitnehmer auch in den Vorjahren die für ihn geltenden Ziele nicht erreicht hat (BAG 12. Mai 2010 – 10 AZR 390/09 – BAGE 134, 242). Zwar kann dies nur dann im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO berücksichtigt werden, wenn die Ziele in den Vorjahren ihrerseits erreichbar waren. Dafür, dass dies nicht der Fall war, ist jedoch nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast der Arbeitnehmer darlegungspflichtig, weil es sich insofern um für ihn günstige Umstände handelt. Dies muss insbesondere gelten, wenn der Arbeitnehmer in den fraglichen Vorjahren mit der Zielsetzung einverstanden war (vgl. BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris).

ee) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der dem Kläger entstandene Schaden vorliegend auf 23.378,85 € brutto zu schätzen.

(1) Dabei wirkt sich die Tatsache, dass der Kläger durch die Beklagte ab dem 14. März 2018 von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wurde und tatsächlich im Geschäftsjahr 2018 auch keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, bei der Schadensschätzung nicht aus. Da sich der Annahmeverzugslohnanspruch des Klägers gemäß § 615 BGB nach dem Entgeltausfallprinzip bemisst, muss bei der Schätzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers gemäß § 287 ZPO für den Annahmeverzugslohnzeitraum die gleiche Zielerreichungsquote zu Grunde gelegt werden, wie dies für Zeiträume der tatsächlichen Beschäftigung des Klägers der Fall gewesen wäre.

(2) Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger auch in den Vorjahren die mit der Beklagten vereinbarten Ziele nur teilweise erreicht hat. Er hat die Ziele im Jahr 2015 zu 84 %, im Jahr 2016 zu 80 % und im Jahr 2017 zu 25 % erreicht. Die insoweit im Bonusplan niedergelegten Ziele sahen nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten beide Parteien als angemessen an. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, in den Jahren 2016 und 2017 sei die Umsätze zurückgegangen, weil die Beklagte nicht lieferfähig gewesen sei, entspricht sein Vortrag nicht den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 ZPO. Inwieweit die Beklagte nicht lieferfähig gewesen sein soll und wie und in welchem Umfang sich dies auf seine Zielerreichung ausgewirkt hat, ist seinem Vortrag nicht zu entnehmen.

Da das Wirtschaftsjahr 2017 am 31. August 2017 bereits endete, ist auch nicht erkennbar, dass sich die Änderung des Aufgabenbereichs des Klägers im Juni 2017 noch im Wirtschaftsjahr 2017 negativ auf die Erreichung der Ziele für dieses Jahr ausgewirkt hat.

Im Hinblick darauf, dass die Zielerreichungsquote des Klägers kontinuierlich gesunken ist und aus Sicht der Kammer das unmittelbar vor dem hier zu beurteilenden Jahr liegende Jahr 2017 bei der Schätzung stärker zu berücksichtigen ist, als das Jahr 2016, dieses jedoch wiederum stärker als das Jahr 2015, hat die Kammer den Zielerreichungsgrad aus dem Jahr 2017 dreifach, den aus dem Jahr 2016 doppelt und den aus dem Jahr 2015 einfach berücksichtigt. Bei dieser Gewichtung ergibt sich für das Jahr 2018 ein zu schätzender Zielerreichungsgrad von 53,17 %.

(3) Bezogen auf den vom Kläger als Zielbonus geforderten Betrag in Höhe von 43.970,01 € errechnet sich ein Schaden i.H.v. 23.378,85 €.

Der Prozentsatz der Zielerreichung von 53, 17 % ist der Schadensschätzung zugrunde zu legen. Er ist nicht deshalb zu reduzieren, weil im Rahmen der Bonuspläne regelmäßig vereinbart wurde, welcher Zielerreichungsgrad welchem Auszahlungsanteil entsprach. Eine solche Vereinbarung ist für das Jahr 2018 zwischen Parteien unstreitig nicht getroffen worden. Ob die Beklagte bezogen auf den Kläger eine entsprechende einseitige Festsetzung vorgenommen hat und ob sie hierzu berechtigt war, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Sie hat auf Nachfrage im Berufungstermin lediglich mitgeteilt, die einseitige Festsetzung der Ziele beziehe sich auch auf die übrigen Planbedingungen. Dem ist der Klägervertreter entgegengetreten. Selbst wenn jedoch die Beklagte eine entsprechende einseitige Festsetzung vorgenommen hätte, wäre diese im Rahmen der Schadensschätzung durch die Kammer gemäß § 287 ZPO nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie gem. § 315 Abs. 1 BGB billigem Ermessen entsprochen hätte. Hierzu ist Vortrag der Beklagten nicht erfolgt.

6. Die Forderung des Klägers gilt auch nicht in Höhe von 1.073 € brutto gem. § 389 BGB als erloschen. Es fehlt an einer materiell zulässigen Aufrechnungserklärung betreffend eine Aufrechnung gegen den eingeklagten Anspruch. Ausführungen über das Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung – dies übersieht das Arbeitsgericht – verbieten sich deshalb im Hinblick auf die Klarheit der Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber mit Gegenansprüchen nur gegen eine unpfändbare Nettolohnforderung des Arbeitnehmers aufrechnen (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris).

a) Erklärt der Arbeitgeber die Aufrechnung gegen eine Bruttolohnforderung des Arbeitnehmers, fehlt es insoweit an der Gegenseitigkeit der Forderungen im Sinne des § 387 BGB, als der Arbeitnehmer zwar Gläubiger der Bruttolohnforderung ist, sie sich jedoch hinsichtlich der auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Steuer entfallenden Teile auf Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger richtet (BAG 19. Februar 2004 – 6 AZR 664/02 – Juris; LAG Köln 2. September 2020 – 11 Sa 454/19 –Juris; LAG Schleswig-Holstein 24. September 2019 – 1 Sa 108/19 –Juris; LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2013 – 21 Sa 866/13, 21 Sa 960/13 – Juris). Dies gilt auch, soweit der Arbeitgeber mit einer Bruttoforderung aufrechnet. Von einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit kann nur ausgegangen werden, wenn die Beitragsbemessungsgrenzen nicht tangiert und die Sozialversicherungsbeiträge auch im Übrigen unverändert geblieben sind. Die Klärung derartiger Vorfragen obliegt nicht den Arbeitsgerichten, sondern ist den Sozialgerichten vorbehalten (vgl. BAG 30. April 2008 – 5 AZR 725/07 – AP Nr. 4 zu § 28g SGB; LAG Schleswig-Holstein 24. September 2019 – 1 Sa 108/19 –Juris; LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2013 – 21 Sa 866/13– Juris).

b) Eine Aufrechnung gegen ein Bruttoentgelt Anspruch verstößt zudem gegen § 394 BGB (BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Juris; BAG 20. November 2018 -9 AZR 349/18-Juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91, 92 ZPO.

IV.

Die Revision ist für die Beklagte bezogen auf den Anspruchsgrund zuzulassen.

1. Die Frage, ob bei pflichtwidrig unterbliebener Zielvorgabe des Arbeitsgebers die gleichen Grundsätze gelten, wie im Falle einer pflichtwidrig nicht geschlossenen Zielvereinbarung, ist sowohl entscheidungserheblich als auch von grundsätzlicher Bedeutung, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

2. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist die Zulassung durch keinen der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Gründe veranlasst.

3. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf den Anspruchsgrund ist hier zulässig. Sie ist möglich, wenn über den Anspruch grds. ein Grundurteil hätte ergehen können. Dass im Arbeitsgerichtsprozess Grundurteile nicht selbständig anfechtbar sind (§ 61 Abs. 3 iVm. 64 Abs. 7 ArbGG) führt zu keiner anderen Bewertung (BAG 28. Mai 2019 – 8 AZN 268/19 – BAGE 167, 32). Ein Grundurteil nach § 304 ZPO wäre hier zulässig. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 283, 252 BGB stellt einen rechtlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs dar, über den – ebenso wie bei Schmerzensgeldansprüchen (vgl. BGH 28. März 2006 – VI ZR 50/05 – Juris) durch Grundurteil entschieden werden kann (ebenso für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG BAG 28. Mai 2019 – 8 AZN 268/19 – BAGE 167, 32). Auch bei einem der Höhe nach §§ 249, 252 BGB, 287 ZPO zu schätzenden Schadensersatzanspruch gehört der Betrag des Anspruchs zum Streitgegenstand, denn insoweit kann nicht nur der Anspruchsgrund, sondern – wie hier – auch der zu beziffernde Betrag streitig sein.

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