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Zugangszeitpunkt einer Kündigungserklärung – Selbstbeurlaubung

Landesarbeitsgericht Berlin – Az.: 6 Sa 166/99 – Urteil vom 07.05.1999

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 10. Dezember 1998 – 63 Ca 24134/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine dem Kläger am 15. Juli 1998 um 16.10 Uhr durch Boten in den Hausbriefkasten geworfene außerordentliche Kündigung dadurch fiktiv wirksam geworden ist, daß der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis unter Kündigungsschutz stand, sich gegen diese Kündigung erst mit einer am 6. August 1998 eingereichten Klage gewandt hat.

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 15. Juli 1998 nicht aufgelöst worden sei, sondern bis zum 30. Juli 1998 fortbestanden habe. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, da der Kläger am 15. Juli 1998 arbeitsunfähig krank geschrieben sei, habe für ihn keine Veranlassung bestanden, den Briefkasten nach der üblichen Postzustellzeit nochmals auf eingegangene Post zu überprüfen. Soweit dem Kläger am Vortag für den Fall der Nichtaufnahme der Arbeit die Kündigung angedroht worden sei, hätte für ihn allenfalls bis Mittag Veranlassung bestanden, seinen Briefkasten in Erwartung einer solchen Kündigung zu leeren. Aus diesen Gründen sei die Kündigung erst am 16. Juli 1998 zugegangen, und sei mithin die Kündigungsschutzklage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist bei Gericht eingegangen.

Gegen dieses ihm am 4. Januar 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Januar 1999 eingelegte und am 26. Februar 1999 begründete Berufung des Beklagten. Er ist der Ansicht, daß der Kläger nicht davon habe ausgehen dürfen, daß seine um 9.30 Uhr im Wohnheim F abgegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die personalführende Stelle noch am selben Tag erreichen würde. Angesichts des gesamten Geschehensablaufs habe der Kläger ohnehin davon ausgehen müssen, daß er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für ein Gefälligkeitsattest halten werde.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, daß die im Wohnheim Beschäftigten ihre Krankschreibung üblicherweise dort abgegeben hätten.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit zutreffender Begründung festgestellt, daß die Kündigungserklärung vom 15. Juli 1998 dem Kläger erst am folgenden Tag zugegangen ist und der Kläger damit die dreiwöchige Klagefrist der §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gewahrt hat (§ 543 Abs. 1 ZPO), ohne daß der Beklagte auch mit seiner Berufung einen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S. d. § 626 Abs. 1 BGB dargelegt hat.

Soweit der Beklagte mit der Berufung gemeint hat, der Kläger habe wegen der Urlaubsabwesenheit des Heimleiters als dessen Vertreter davon ausgehen müssen, daß eine Krankmeldung die personalführende Stelle nicht mehr am selben Tag erreichen würde, hat er übersehen, daß der Kläger zumindest davon ausgehen durfte, daß er, wenn er über das Fernbleiben des Klägers bei Dienstbeginn alsbald unterrichtet würde, konsequenterweise auch über die bereits um 9.30 Uhr abgegebene Krankschreibung benachrichtigt würde oder zumindest Anlaß zu einer entsprechenden Erkundigung gehabt hätte, bevor er eine außerordentliche Kündigung auf den Weg brachte.

Damit, daß der Beklagte aufgrund der gesamten Vorgeschichte von einem Gefälligkeitsattest ausgehen würde, brauchte der Kläger nicht zu rechnen. Seine mit seiner Eigenkündigung zum 30. Juli 1998 verbundene Ankündigung, ab Montag, dem 13. Juli 1998, seinen – nicht bewilligten – Urlaub anzutreten, hatte der Kläger gerade nicht wahrgemacht. Zudem wären dem Beklagten gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB noch zwei Wochen Zeit für seine außerordentliche Kündigung verblieben, ohne daß ihn bei tatsächlich nicht bestehender Arbeitsunfähigkeit eine Zahlungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG getroffen hätte, war er mithin zur Interessenwahrung keinesfalls auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung noch am selben Tag angewiesen (vgl. zur Abgrenzung in einem solchen Fall BayVerfGH, Entsch. vom 15. Oktober 1992 – Vf 117-VI-91 – NJW 1993, 518 zu IV 3b der Gründe).

Nach alledem konnte dahinstehen, ob für die Beurteilung des Zugangszeitpunkts eine erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in den Briefkasten geworfenen Erklärung überhaupt die Besonderheiten des Einzelfalls wie Arbeitsunfähigkeit oder nicht berufstätige Mitbewohner zu berücksichtigen sind (so BAG, Urteil vom 8. Dezember 1983 – 2 AZR 337/82 – AP § 130 BGB Nr. 12 zu B II 2b der Gründe) und ob dann konsequenterweise auch die weiteren Besonderheiten des Einzelfalls Berücksichtigung finden müssen, nachdem es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr auf die konkreten berechtigten Erwartungen des Erklärenden ankommen soll (so Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 587/87 – BAGE 58, 9 = AP § 130 BGB Nr. 16 zu I 4 der Gründe; Urteil vom 2. März 1989 – 2 AZR 275/88 – AP § 130 BGB Nr. 17 zu II 2 der Gründe).

2. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

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