Skip to content

Zusatzvereinbarung zur Abgeltung alter Lohnansprüche: Wirksam für Zuschläge

Ein Arbeitnehmer unterzeichnete eine Zusatzvereinbarung zur Abgeltung alter Lohnansprüche, die die Berechnungsgrundlage für Nacht- und Sonntagszuschläge festlegte. Trotz dieser Zusatzvereinbarung klagte er später auf eine höhere Basis, weil er meinte, zwei Prämien hätten einbezogen werden müssen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Sa 154/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
  • Datum: 07.08.2019
  • Aktenzeichen: 3 Sa 154/18
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Vertragsauslegung

  • Das Problem: Ein Arbeitnehmer forderte höhere Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit. Er verlangte, dass zwei bestimmte Prämien in die Basis zur Berechnung dieser Zuschläge einbezogen werden. Der Arbeitgeber berief sich auf eine Zusatzvereinbarung, die die bisherige Berechnungspraxis ohne diese Prämien festschrieb.
  • Die Rechtsfrage: Kann ein Arbeitnehmer rückwirkend höhere Zuschläge fordern, wenn er zuvor eine Zusatzvereinbarung unterzeichnet hat, die die bisherige, niedrigere Berechnungsmethode ausdrücklich bestätigt und alte Ansprüche abgilt?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Forderung ab. Die Zusatzvereinbarung legte die bisherige betriebliche Praxis der Zuschlagsberechnung verbindlich fest und galt rückwirkend.
  • Die Bedeutung: Arbeitnehmer und Arbeitgeber können durch eine individuelle Zusatzvereinbarung die Berechnungsgrundlage für Zuschläge verbindlich regeln. Wenn eine solche Vereinbarung Ansprüche aus der Vergangenheit explizit abgilt, sind diese Forderungen nicht mehr einklagbar.

Der Fall vor Gericht


Weshalb eine Unterschrift Lohnansprüche für immer besiegeln kann

Ein Unternehmen wollte einen alten Streit um Nachtzuschläge beilegen und legte seinen Mitarbeitern eine Zusatzvereinbarung zur Unterschrift vor. Ein Mitarbeiter unterschrieb – und klagte später trotzdem auf Nachzahlung. Er war überzeugt, dass zwei spezielle Prämien bei der Berechnung seiner Zuschläge fehlten. Vor Gericht erlebte er eine Überraschung. Seine eigene Unterschrift hatte die Tür zu seinen Ansprüchen längst verschlossen.

Worum genau ging der Streit um die Lohnzuschläge?

Der Arbeitnehmer unterschreibt die Zusatzvereinbarung zur Abgeltung alter Lohnansprüche und Lohnzuschläge.
Gericht bestätigt: Unterschrift unter Zusatzvereinbarung beseitigte Lohnnachforderungen zu Nacht- und Feiertagszuschlägen | Symbolbild: KI

Der Mitarbeiter erhielt ein monatliches Entgelt. Dieses Gehalt setzte sich aus mehreren Bausteinen zusammen: einem Grundgehalt und verschiedenen Prämien. Für Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder in der Nacht zahlte das Unternehmen prozentuale Zuschläge. Der Konflikt entzündete sich an der Basis für diese Prozente. Das Unternehmen berechnete die Zuschläge nur auf Basis des Grundgehalts und einer allgemeinen Leistungsprämie. Zwei weitere Zahlungen – eine sogenannte „PQZFTN“-Prämie und eine Anwesenheitsprämie – flossen in diese Berechnung nicht ein.

Der Mitarbeiter sah das anders. Seiner Ansicht nach erhöhten auch diese beiden Prämien seinen tatsächlichen Stundenlohn. Folgerichtig müssten die prozentualen Zuschläge auf einer breiteren Basis – also unter Einbeziehung aller Prämien – berechnet werden. Die Differenz für das Jahr 2014 bezifferte er auf 127,01 Euro und zog vor das Arbeitsgericht.

Welche Rolle spielte die nachträgliche Zusatzvereinbarung?

Im Unternehmen hatte es bereits Unruhe gegeben. Andere Arbeitnehmer hatten wegen der Zuschläge geklagt und Vergleiche erzielt. Um die Sache für alle zu klären, schloss die Firma im Juli 2017 mit ihren Angestellten eine Zusatzvereinbarung. Dieses Dokument sollte die Berechnung der Zuschläge einheitlich und für die Zukunft regeln. Es enthielt mehrere entscheidende Punkte.

Punkt eins erhöhte den Nachtzuschlag pauschal auf 25 Prozent. Punkt zwei war der Kern des späteren Streits. Dort stand, dass die „bisherige Betriebliche Regelung“ für die Vergütung von Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit weiter bestehen solle. Punkt drei versprach eine Nachberechnung und Auszahlung für die Vergangenheit auf Basis dieser Regeln. Punkt fünf besiegelte den Deal: „Mit dieser Vereinbarung sind alle rechtlichen Ansprüche (…) aus der Vergangenheit abgegolten.“ Der Mitarbeiter unterschrieb dieses Papier.

Warum ließ das Gericht die Klage des Mitarbeiters scheitern?

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung des Klägers zurück. Die Richter stellten eine zentrale Frage in den Mittelpunkt: Was genau hatten die Parteien mit der Zusatzvereinbarung vom Juli 2017 vereinbart? Die Antwort des Gerichts war unmissverständlich. Mit seiner Unterschrift hatte der Mitarbeiter die Berechnungsmethode des Arbeitgebers nachträglich und für alle Zeiten gebilligt.

Die Richter zerlegten die Logik der Vereinbarung. Die Klausel, wonach die „bisherige betriebliche Regelung“ weitergelten solle, war der Dreh- und Angelpunkt. Unstrittig war die bisherige Praxis des Unternehmens, die beiden umstrittenen Prämien bei der Zuschlagsberechnung herauszurechnen. Die Vereinbarung zementierte genau diese Praxis. Sie machte aus einer gelebten Gewohnheit eine verbindliche Vertragsregel.

Der zweite K.o.-Schlag für die Klage war die Abgeltungsklausel in Ziffer 5. Sie funktionierte wie ein Schlussstrich unter allen alten Forderungen. Selbst wenn der Mitarbeiter ursprünglich einen Anspruch auf eine höhere Berechnungsgrundlage gehabt hätte – diese Klausel pulverisierte ihn. Die Vereinbarung regelte die Ansprüche rückwirkend bis zum 1. Januar 2013. Die Forderung für das Jahr 2014 war damit vom Tisch.

Hätte der Mitarbeiter die Vereinbarung nicht anfechten können?

Das Gericht prüfte auch, ob die Zusatzvereinbarung möglicherweise unwirksam sein könnte. Solche vom Arbeitgeber vorformulierten Verträge unterliegen einer strengen Inhaltskontrolle, wie sie die Paragraphen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) vorsehen. Eine Klausel kann unwirksam sein, wenn sie zum Beispiel überraschend oder für den Vertragspartner intransparent ist.

Hier fanden die Richter keine Angriffspunkte. Die Formulierung über den Fortbestand der „bisherigen betrieblichen Regelung“ war aus ihrer Sicht klar und verständlich. Ein durchschnittlicher Mitarbeiter musste verstehen, dass damit die bekannte Rechenmethode des Unternehmens gemeint war. Auch die Abgeltungsklausel war eindeutig formuliert. Das Gericht sah keinen Anhaltspunkt für eine unfaire Benachteiligung oder eine versteckte Falle. Die Vereinbarung war wirksam. Der Mitarbeiter musste die Kosten des Verfahrens tragen.

Die Urteilslogik

Wer eine betriebliche Zusatzvereinbarung unterzeichnet, besiegelt damit unwiderruflich die eigene Forderungshaltung für die Vergangenheit.

  • Vertragliche Zementierung der Praxis: Verweisen Vertragsparteien auf die „bisherige betriebliche Regelung“, heben sie die tatsächliche, gelebte Abrechnungspraxis des Arbeitgebers – einschließlich der Herausrechnung bestimmter Prämien – auf die Ebene einer verbindlichen Vertragsregel.
  • Die Wirkung der Abgeltungsklausel: Eine klar formulierte Abgeltungsklausel in einer Zusatzvereinbarung tilgt vergangene Lohnansprüche unwiderruflich, selbst wenn diese Ansprüche vor der Unterschrift objektiv Bestand hatten.
  • Transparenz der Berechnungsbasis: Arbeitgeber dürfen eine komplizierte Berechnungsmethode in einer vorformulierten Vereinbarung festschreiben, solange diese für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer transparent und verständlich bleibt und keine versteckte, unangemessene Benachteiligung darstellt.

Die Unterschrift des Arbeitnehmers verwandelt eine möglicherweise streitbare Abrechnungspraxis rückwirkend in eine rechtlich gesicherte Vertragsgrundlage.


Benötigen Sie Hilfe?


Gilt Ihre Zusatzvereinbarung alte Ansprüche auf höhere Lohnzuschläge rechtlich wirksam ab? Nehmen Sie Kontakt auf, um eine professionelle Einschätzung Ihrer Berechnungsgrundlage zu erhalten.


Experten Kommentar

Ein alter Streit im Betrieb ist selten so einfach erledigt, wie es ein unterschriebenes Papier verspricht. Der Mitarbeiter hat einen teuren Fehler gemacht, indem er die Zusatzvereinbarung unterzeichnete, welche die bisherige Berechnungspraxis festschrieb. Damit wurde die fragwürdige Rechenmethode des Arbeitgebers nachträglich zur vertraglich bindenden Regel. Dieses Urteil zeigt konsequent, dass eine umfassende Abgeltungsklausel wie ein Vertragshammer wirkt: Einmal unterschrieben, sind alte Lohnansprüche restlos und endgültig Geschichte.


Symbolbild zum Arbeitsrecht-FAQ: Schriftzug 'FAQ' vor einer dynamischen Büroszene mit Bewegungsunschärfe in Blau- und Rottönen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Lohnbestandteile müssen als Basis für Nachtzuschläge berücksichtigt werden?

Die Zuschläge für Nacht- oder Feiertagsarbeit müssen auf Basis des laufend gezahlten Arbeitslohns berechnet werden, nicht nur auf dem vertraglich festgelegten Grundgehalt. Feste Prämien, die eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen, sind grundsätzlich zuschlagspflichtig. Sie erhöhen den tatsächlichen Stundenlohn und müssen daher in die Berechnungsgrundlage einfließen.

Die Regelung unterscheidet klar zwischen echtem Entgelt für geleistete Arbeit und anderen Zuwendungen. Sie schließt variable oder einmalige Zahlungen sowie reinen Aufwendungsersatz, wie beispielsweise Spesen oder Verpflegungsgeld, von der Zuschlagsbasis aus. Feste Prämien, die unmittelbar an die Arbeitsleistung gebunden sind, müssen grundsätzlich zur Berechnungsgrundlage zählen. Viele Arbeitgeber versuchen dennoch, Bestandteile wie eine Anwesenheitsprämie herauszurechnen, um die Kosten zu senken.

Konkret: Im Fall des Klägers rechnete das Unternehmen die Zuschläge nur auf Basis des Grundgehalts und einer allgemeinen Leistungsprämie ab. Zwei weitere feste Lohnbestandteile – die sogenannte PQZFTN-Prämie und die Anwesenheitsprämie – flossen in diese Berechnung nicht ein. Dieses Vorgehen war juristisch angreifbar, solange die Mitarbeiter die Methode nicht nachträglich durch eine Unterschrift bestätigten. Durch die spätere Vertragsänderung zementierten die Angestellten die fehlerhafte Methode als rechtsverbindliche „bisherige betriebliche Regelung“.

Suchen Sie sofort Ihre Lohnabrechnungen und den Arbeitsvertrag zusammen, um festzustellen, ob Ihre festen Prämien Lohncharakter oder lediglich Aufwendungsersatz darstellen.


zurück zur FAQ Übersicht

Ich habe eine Abgeltungsvereinbarung unterschrieben: Kann ich trotzdem noch Lohnzuschläge nachfordern?

In den meisten Fällen ist dies leider nicht möglich. Eine wirksam formulierte Abgeltungsklausel wirkt im Arbeitsrecht wie ein rechtlicher Schlussstrich. Sie löscht unwiderruflich alle potenziellen Forderungen aus, die den vereinbarten Zeitraum betreffen. Selbst wenn Ihr ursprünglicher Anspruch berechtigt war, ist er nach der Unterschrift in der Regel erloschen.

Solche Vereinbarungen haben die Funktion eines juristischen K.o.-Schlags. Die Wirksamkeit hängt maßgeblich davon ab, dass die Abgeltung unmissverständlich und umfassend formuliert wurde. Wird die Klausel als transparent eingestuft und deckt sie den geforderten Zeitraum ab, haben Sie Ihre Ansprüche selbst aufgegeben. Das Landesarbeitsgericht stellte in einem vergleichbaren Fall fest: Selbst wenn der Mitarbeiter einen Anspruch gehabt hätte, pulverisierte die Abgeltung diesen, weil sie rückwirkend bis zum 1. Januar 2013 alle alten Forderungen regelte.

Die einzige juristische Hoffnung besteht darin, die Vereinbarung wegen objektiver Intransparenz anzufechten. Sie können die Unterschrift jedoch fast nie erfolgreich rückgängig machen, nur weil Sie sich unter Druck gesetzt fühlten oder den Text nicht gelesen haben. Die Klausel muss gegen die strengen AGB-Regeln des BGB verstoßen, indem sie beispielsweise überraschend oder völlig unverständlich ist. Da Gerichte die Abgeltungsklausel im Fallbeispiel als klar und eindeutig bewerteten, scheiterte dort die Anfechtung.

Suchen Sie die Vereinbarung und prüfen Sie sofort, welchen genauen zeitlichen Umfang die Abgeltung festlegt.


zurück zur FAQ Übersicht

Wann macht eine Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag meine alten Lohnansprüche ungültig?

Eine Abgeltungsklausel kann Lohnansprüche unwiderruflich ungültig machen, wenn sie zwei juristische Mechanismen erfüllt. Sie fungiert zunächst als Zementierungsklausel, indem sie eine bisherige, möglicherweise fehlerhafte Berechnungsmethode zur verbindlichen Vertragsregel erklärt. Gleichzeitig wirkt die Abgeltungsklausel als umfassender Verzicht auf alle Nachforderungen, die in einem zeitlich definierten Rahmen in der Vergangenheit entstanden sind.

Der entscheidende Punkt liegt oft in der Zementierung der betrieblichen Praxis. Wenn die Vereinbarung explizit auf die „bisherige betriebliche Regelung“ verweist und diese zur verbindlichen Vertragsgrundlage erhebt, ist dies bindend. Die Unterschrift bestätigt dann nachträglich die Korrektheit dieser Methode. Ein Arbeitnehmer verliert damit die Grundlage für eine spätere Klage gegen die Berechnungsmethode, weil die neue vertragliche Grundlage die alte, fehlerhafte Gewohnheit legalisiert hat.

Zusätzlich wirkt die Klausel als juristischer Schlussstrich unter bereits entstandenen Forderungen. Wurde die Abgeltung unmissverständlich und umfassend formuliert – etwa mit der Angabe, dass „alle rechtlichen Ansprüche abgegolten sind“ – können Sie keine Lohnansprüche mehr nachfordern, die vor dem definierten Stichtag entstanden sind. Im Fall des klagenden Mitarbeiters zementierte die Klausel nicht nur die Rechenpraxis, sondern pulverisierte durch den umfassenden Verzicht alle Forderungen, die rückwirkend bis 2013 bestanden.

Prüfen Sie bei der Unterzeichnung genau, welche spezifischen Zeiträume oder Lohnbestandteile die Abgeltungsklausel explizit ausnimmt.


zurück zur FAQ Übersicht

Kann ich eine Zusatzvereinbarung zur Lohnabgeltung wegen Intransparenz anfechten?

Die Anfechtung einer Lohnabgeltungsvereinbarung wegen Intransparenz ist äußerst schwierig und selten erfolgreich. Gerichte wenden die strenge AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) nur an, wenn eine Klausel objektiv unverständlich oder überraschend ist. Im Fall des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sahen die Richter keinen Angriffspunkt: Die Klauseln wurden als transparent eingestuft, da sie auf der bereits gelebten „bisherigen betrieblichen Regelung“ basierten.

Die Anforderungen an die Unwirksamkeit wegen Intransparenz sind juristisch hoch. Eine Klausel ist nur dann intransparent, wenn der Inhalt für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht klar erkennbar ist. Im beschriebenen Fall akzeptierte das Gericht die Formulierung über den Fortbestand der betrieblichen Regelung als eindeutig. Es geht davon aus, dass Mitarbeiter wissen, welche Lohnberechnungsmethode das Unternehmen in der Praxis angewendet hat, was eine Anfechtung erschwert.

Der Versuch, die Vereinbarung anzufechten, scheiterte, da die Klausel keine „versteckte Falle“ enthielt. Sie bestätigte lediglich eine bereits bekannte Gewohnheit, wodurch der notwendige Überraschungseffekt fehlte. Zudem war die Abgeltungsklausel formal eindeutig; sie benannte klar, dass mit der Unterschrift alle Ansprüche aus der Vergangenheit beseitigt wurden. Die Richter verneinten eine unfaire Benachteiligung, da die Konsequenzen der Unterschrift klar formuliert waren.

Prüfen Sie, ob die Vereinbarung in einem für Sie völlig unpassenden Kontext (zum Beispiel versteckt in einem allgemeinen Aushang) präsentiert wurde, um den Aspekt des Überraschungseffekts zu belegen.


zurück zur FAQ Übersicht

Was bedeutet die Formulierung „bisherige betriebliche Regelung“ in Zusatzvereinbarungen für mich?

Die scheinbar harmlose Formulierung „bisherige betriebliche Regelung“ besitzt eine enorme juristische Tragweite. Sie ist ein Legalisierungsanker, der die bisherige, tatsächlich gelebte Gewohnheit im Unternehmen nachträglich vertraglich zementiert. Ihre Unterschrift wandelt somit eine womöglich fehlerhafte oder informelle Praxis in eine rechtsverbindliche Vertragsregel um, die Sie an spätere Klagen hindert.

Der Hauptgrund liegt in der Funktion als Ratifikationsklausel. Wenn der Arbeitgeber beispielsweise Nachtzuschläge jahrelang nur auf Basis des Grundgehalts berechnet hat (wie im Fall des LAG Mecklenburg-Vorpommern), wird diese spezifische, fehlerhafte Berechnungsmethode durch die Klausel legalisiert. Sie bestätigen dadurch nachträglich die Korrektheit dieser Praxis, selbst wenn sie ursprünglich nicht gesetzeskonform war. Dies entzieht Ihnen später die Grundlage für Klagen gegen die angewandte Berechnungsmethode.

Gerichte prüfen bei solchen Formulierungen, ob ein durchschnittlicher Mitarbeiter verstehen musste, was gemeint ist. Im beschriebenen Fall ging das Gericht davon aus, dass jeder wusste, welche Rechenmethode das Unternehmen anwendete. Die Klausel bezieht sich dabei nicht auf eine schriftliche Betriebsvereinbarung, sondern explizit auf die praktizierte Methode. Die Konsequenz ist drastisch: Ihre Forderung, die Berechnungsgrundlage zu korrigieren, wird durch Ihre eigene Unterschrift unwiderruflich blockiert.

Wenn Sie diese Klausel sehen, prüfen Sie sofort, welche konkrete Berechnung das Unternehmen in den letzten Jahren tatsächlich angewendet hat, bevor Sie das Dokument unterschreiben.


zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar für Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht: Der Schriftzug 'Glossar' vor dem Foto einer belebten Baustelle

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abgeltungsklausel

Eine Abgeltungsklausel ist eine vertragliche Regelung, mit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindlich festlegen, dass alle alten Forderungen aus einem bestimmten Zeitraum als erledigt gelten. Juristen nennen diese Klausel oft einen Schlussstrich, weil sie einen umfassenden Verzicht auf Nachforderungen bewirkt. Das Arbeitsrecht ermöglicht solche Abreden, um Rechtssicherheit zu schaffen und langwierige Streitereien über die Vergangenheit zu beenden.

Beispiel: Im vorliegenden Fall pulverisierte die Abgeltungsklausel die Ansprüche des Mitarbeiters auf Nachzahlung der Lohnzuschläge für das Jahr 2014, da die Klausel rückwirkend bis zum 1. Januar 2013 alle Forderungen beseitigte.

Zurück zur Glossar Übersicht

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss eines Vertrages stellt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in den Paragraphen 305 ff. die AGB-Kontrolle, um die schwächere Partei – oft den Arbeitnehmer – vor unfairer oder überraschender Benachteiligung durch Standardverträge zu schützen.

Beispiel: Da die Zusatzvereinbarung zur Lohnabgeltung standardisiert und vom Arbeitgeber vorformuliert wurde, unterlag sie der strengen Inhaltskontrolle nach den Regeln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Zurück zur Glossar Übersicht

Betriebliche Regelung

Die betriebliche Regelung beschreibt in diesem arbeitsrechtlichen Kontext die tatsächlich gelebte Praxis des Unternehmens, die durch eine spätere Unterschrift nachträglich zu einer verbindlichen Vertragsgrundlage zementiert wird. Wenn eine Vereinbarung auf den Fortbestand der „bisherigen betrieblichen Regelung“ verweist, legalisiert sie die vorhandene Gewohnheit, selbst wenn diese ursprünglich juristisch angreifbar war. Diese Technik entzieht dem Arbeitnehmer die Grundlage für spätere Klagen gegen die Berechnungsmethode.

Beispiel: Die Klausel, wonach die bisherige betriebliche Regelung weitergelten solle, führte zur Zementierung der fehlerhaften Berechnungsmethode des Arbeitgebers, die die beiden umstrittenen Prämien herausrechnete.

Zurück zur Glossar Übersicht

Inhaltskontrolle

Die Inhaltskontrolle ist das gerichtliche Verfahren, bei dem Richter vorformulierte Vertragsklauseln intensiv auf ihre rechtliche Zulässigkeit, Fairness und Transparenz überprüfen. Mithilfe dieser Kontrolle stellt das Gericht sicher, dass Klauseln, die der Arbeitgeber einseitig erstellt hat, keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellen oder gegen zwingendes Recht verstoßen.

Beispiel: Das Landesarbeitsgericht prüfte im Fall der Nachtzuschläge im Rahmen der Inhaltskontrolle, ob die Abgeltungsklausel den Mitarbeiter in unfairer Weise überraschte oder unzumutbar benachteiligte.

Zurück zur Glossar Übersicht

Intransparenz

Juristen sprechen von Intransparenz, wenn eine Vertragsklausel so unklar oder unverständlich formuliert ist, dass ein durchschnittlicher Vertragspartner deren rechtliche Konsequenzen nicht erkennen kann. Die strenge Anforderung der Transparenz verpflichtet den Verwender von AGB dazu, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und eindeutig darzustellen, denn eine intransparente Klausel ist unwirksam.

Beispiel: Die Anfechtung der Zusatzvereinbarung wegen Intransparenz scheiterte, da die Richter die Formulierung über den Fortbestand der Rechenmethode als klar und für einen Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis verständlich einstuften.

Zurück zur Glossar Übersicht



Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 3 Sa 154/18 – Urteil vom 07.08.2019


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!