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Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses – Auslegung E-Mails

Eine Physiotherapeutin scheitert vor Gericht mit ihrer Klage auf Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses. Obwohl sie bereits einen Arbeitsvertrag in Aussicht hatte, platzte der Traumjob in letzter Minute. Der Fall zeigt, wie schnell Vertragsverhandlungen scheitern können, selbst wenn beide Seiten bereits weit fortgeschritten sind.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Klägerin und die Beklagte streiten um das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses.
  • Es fand ein Vorstellungsgespräch statt, bei dem die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung von 30 Stunden pro Woche anstrebte.
  • Die Beklagte bot an, die Klägerin in ihr Team aufzunehmen, und kündigte an, das Arbeitsverhältnis am 17. April zu beginnen.
  • In einer späteren E-Mail erklärte die Klägerin ihren Wunsch, in Vollzeit zu arbeiten.
  • Die Beklagte stellte daraufhin einen Entwurf eines Arbeitsvertrags mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zur Verfügung.
  • Das Gericht stellte fest, dass es keinen rechtsgültigen Arbeitsvertrag gegeben hat.
  • Es wurde entschieden, dass die E-Mail-Kommunikation nicht ausreichte, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen.
  • Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der mangelnden Klarheit und den fehlenden Unterschriften in den Dokumenten.
  • Die Auswirkungen dieser Entscheidung zeigen, dass E-Mails in der Vertragsverhandlung nicht immer rechtlich bindend sind.
  • Potenzielle Arbeitnehmer sollten auf eindeutige schriftliche Vereinbarungen achten, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.

E-Mail-Kommunikation im Arbeitsrecht: Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse

Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ist oft das Ergebnis komplexer Kommunikationsprozesse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei der Einigung über Arbeitsbedingungen spielen insbesondere E-Mail-Kommunikationen eine zentrale Rolle. In vielen Fällen wird ein Arbeitsvertrag durch ein Angebot und eine darauf folgende Annahme geschlossen, wobei beide Parteien Willenserklärungen abgeben müssen. Die juristische Auslegung dieser Erklärungen kann jedoch herausfordernd sein, insbesondere in Zeiten zunehmend elektronischer Kommunikation, die häufig informeller verläuft als traditionelle Verhandlungen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die für das Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen gelten, sind vielschichtig. Arbeitsrechtliche Regelungen verlangen in bestimmten Fällen die Schriftform eines Vertrags, während in anderen Situationen auch E-Mails als gültiger Nachweis der Einigung betrachtet werden können. Vorvertragliche Pflichten und die damit verbundene Beweislast führen in der Praxis häufig zu Unsicherheiten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich der Konsequenzen bewusst sein, die aus der elektronischen Kommunikation resultieren können, um Missverständnisse zu vermeiden und ihre rechtlichen Ansprüche zu wahren.

In diesem Kontext werfen wir einen Blick auf einen speziellen Fall, der die Auslegung von E-Mails im Rahmen von Vertragsverhandlungen betrifft, und analysieren die damit verbundenen rechtlichen Implikationen.

Der Fall vor Gericht


Gescheiterter Arbeitsvertrag: Gericht sieht kein Arbeitsverhältnis zwischen Physiotherapeutin und Rehaklinik

Arbeitsverhältnis: E-Mail-Kommunikation - Gericht sieht kein Arbeitsverhältnis
Gescheiterter Arbeitsvertrag: Gericht sieht kein Arbeitsverhältnis zwischen Physiotherapeutin und Rehaklinik. Die Klägerin klagte auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und Kündigungsschutz, doch das Gericht entschied, dass kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Rechtsstreit zwischen einer Physiotherapeutin und einer Rehaklinik entschieden, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Die Klägerin hatte auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und Kündigungsschutz geklagt, nachdem Vertragsverhandlungen gescheitert waren.

Verlauf der Vertragsverhandlungen

Im März 2023 fand ein Vorstellungsgespräch statt, bei dem die Klägerin zunächst eine Teilzeitbeschäftigung von 30 Wochenstunden anstrebte. Die Klinik bot daraufhin ein Bruttomonatsgehalt von 2.800 Euro für diese Arbeitszeit an.

Wenig später teilte die Klägerin per E-Mail mit, dass sie ab dem 17. April 2023 in Vollzeit arbeiten wolle. Die Klinik übermittelte daraufhin ein Schreiben mit Details zu einer Vollzeitbeschäftigung sowie einen nicht unterzeichneten Arbeitsvertragsentwurf. Darin waren unter anderem eine Befristung auf ein Jahr, eine sechsmonatige Probezeit und ein Bruttomonatsgehalt von 3.593,33 Euro vorgesehen.

Scheitern der Vertragsverhandlungen

In der Folge kam es zu weiteren Diskussionen über die Vertragsbedingungen. Die Klägerin bat um Änderungen, darunter ein unbefristeter Vertrag und ein höheres Gehalt nach der Probezeit. Die Klinik lehnte diese Forderungen ab.

Am 14. April 2023 teilte die Klinik der Klägerin mit, dass kein Arbeitsverhältnis zustande komme. Als die Klägerin am 17. April dennoch ihre Arbeitsleistung anbot, wurde sie abgewiesen. Die Klinik sprach später noch vorsorgliche Kündigungen aus.

Gerichtliche Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung der Klägerin zurück. Das Gericht stellte fest, dass kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen war:

  • Die E-Mail der Klägerin vom 8. April wurde nicht als verbindliches Vertragsangebot gewertet, sondern als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots.
  • Das Schreiben der Klinik vom 11. April mit den Vertragsdetails wurde nicht als verbindliche Annahme eines Angebots gesehen, da es auf einen noch nicht unterzeichneten Vertrag verwies.
  • Die unterschiedlichen Vorstellungen zu wesentlichen Vertragspunkten wie Befristung und Probezeit sprachen gegen eine Einigung.

Da kein Arbeitsverhältnis bestand, griff auch der Kündigungsschutz nicht. Das Gericht sah keinen Grund zur Revision.

Der Fall verdeutlicht die Bedeutung klarer Kommunikation bei Vertragsverhandlungen und zeigt, dass auch scheinbar fortgeschrittene Gespräche scheitern können, wenn keine Einigung über alle wesentlichen Vertragspunkte erzielt wird.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil unterstreicht die hohe Bedeutung der Vertragsfreiheit und klaren Willensbildung im Arbeitsrecht. Es zeigt, dass trotz fortgeschrittener Verhandlungen kein Arbeitsverhältnis entsteht, solange keine Einigung über alle wesentlichen Vertragspunkte erzielt wurde. Für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags ist eine eindeutige beiderseitige Willenserklärung erforderlich, die hier aufgrund divergierender Vorstellungen zu zentralen Aspekten fehlte. Dies mahnt zur Vorsicht bei Vertragsverhandlungen und betont die Notwendigkeit präziser Kommunikation.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit klarer Kommunikation und Einigung bei Arbeitsvertragsverhandlungen. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet dies, dass Sie besonders vorsichtig sein müssen, wenn Sie per E-Mail über Arbeitsbedingungen verhandeln. Selbst wenn Sie glauben, eine Zusage erhalten zu haben, kann dies rechtlich anders bewertet werden, solange kein unterschriebener Vertrag vorliegt. Achten Sie darauf, dass alle wesentlichen Vertragspunkte (wie Befristung, Probezeit, Gehalt) eindeutig geklärt und schriftlich festgehalten sind, bevor Sie Ihre bisherige Stelle kündigen oder umziehen. Im Zweifel sollten Sie eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um Ihre Position zu stärken und Missverständnisse zu vermeiden.


FAQ – Häufige Fragen

Sie fragen sich, wie Sie im Falle eines scheiternden Arbeitsverhältnisses durch fehlende Willensübereinstimmung vorgehen können? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Ihren Rechten und Pflichten.

 

Wann gilt ein Arbeitsvertrag rechtlich als zustande gekommen?

Ein Arbeitsvertrag gilt rechtlich als zustande gekommen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich über die wesentlichen Vertragsinhalte geeinigt haben. Dies geschieht durch übereinstimmende Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme.

Wesentliche Vertragsinhalte

Zu den wesentlichen Inhalten, über die Einigkeit bestehen muss, gehören in der Regel:

  • Art der zu leistenden Arbeit
  • Höhe der Vergütung
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses

Wenn Sie und Ihr potenzieller Arbeitgeber sich über diese Punkte einig sind, kann ein Arbeitsvertrag bereits als geschlossen gelten.

Form der Einigung

Ein Arbeitsvertrag kann grundsätzlich formfrei geschlossen werden. Das bedeutet, er kann mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Wenn Sie beispielsweise nach einem Vorstellungsgespräch die Arbeit aufnehmen und Ihr Arbeitgeber Sie arbeiten lässt, kann dies als konkludenter Vertragsschluss gewertet werden.

Schriftform und Nachweispflicht

Obwohl ein Arbeitsvertrag formfrei geschlossen werden kann, sieht das Nachweisgesetz vor, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen und dem Arbeitnehmer aushändigen muss. Dies dient Ihrem Schutz als Arbeitnehmer und erleichtert im Streitfall den Nachweis der vereinbarten Bedingungen.

Besonderheiten bei E-Mail-Kommunikation

Wenn Sie mit Ihrem potenziellen Arbeitgeber per E-Mail kommunizieren, können auch diese Nachrichten rechtlich bindende Erklärungen enthalten. Eine Zusage oder Annahme eines Arbeitsangebots per E-Mail kann bereits zum Vertragsschluss führen. Achten Sie daher besonders auf den Inhalt Ihrer E-Mails während der Vertragsverhandlungen.

Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Der Arbeitsvertrag gilt in dem Moment als geschlossen, in dem die letzte notwendige Willenserklärung der anderen Partei zugeht. Wenn Ihnen beispielsweise Ihr Arbeitgeber ein schriftliches Vertragsangebot macht und Sie dieses unterschrieben zurücksenden, ist der Vertrag in dem Moment geschlossen, in dem Ihre Annahme beim Arbeitgeber eingeht.

Beachten Sie, dass auch bei mündlichen Zusagen oder E-Mail-Korrespondenzen bereits ein bindender Vertrag entstehen kann. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es ratsam, wichtige Vereinbarungen schriftlich festzuhalten und sich über den genauen Zeitpunkt des Vertragsschlusses klar zu sein.


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Welche rechtliche Bindungswirkung haben E-Mails im Rahmen von Arbeitsvertragsverhandlungen?

E-Mails können im Rahmen von Arbeitsvertragsverhandlungen durchaus rechtliche Bindungswirkung entfalten. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitsverträge formfrei geschlossen werden können, also auch per E-Mail. Die rechtliche Bindungswirkung hängt dabei von mehreren Faktoren ab:

Inhalt und Formulierung der E-Mails

Entscheidend ist, ob aus dem Inhalt und der Formulierung der E-Mails ein eindeutiger Bindungswille der Parteien hervorgeht. Wenn Sie in einer E-Mail konkrete Konditionen wie Gehalt, Arbeitszeit und Stellenbezeichnung verbindlich zusagen oder annehmen, kann dies als Vertragsschluss gewertet werden. Vage Formulierungen oder der ausdrückliche Vorbehalt weiterer Verhandlungen sprechen hingegen gegen eine Bindungswirkung.

Vollständigkeit der Vereinbarungen

Für einen wirksamen Vertragsschluss müssen sich die Parteien über alle wesentlichen Vertragspunkte geeinigt haben. Wenn in der E-Mail-Korrespondenz zentrale Aspekte des Arbeitsverhältnisses noch offen bleiben, liegt in der Regel noch kein bindender Vertrag vor.

Auslegung des E-Mail-Verkehrs

Bei Unklarheiten wird der gesamte E-Mail-Verkehr nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt. Es kommt darauf an, wie ein verständiger Dritter die Äußerungen verstehen durfte. Achten Sie daher auf klare und eindeutige Formulierungen in Ihren E-Mails.

Nachweispflichten

Beachten Sie, dass Sie als Arbeitgeber trotz eines möglichen Vertragsschlusses per E-Mail verpflichtet sind, die wesentlichen Vertragsbedingungen gemäß Nachweisgesetz schriftlich niederzulegen. Diese Pflicht besteht unabhängig von der Wirksamkeit des Vertragsschlusses.

Vorsichtsmaßnahmen

Um unbeabsichtigte Bindungen zu vermeiden, sollten Sie in E-Mails während der Vertragsverhandlungen stets klarstellen, dass es sich um unverbindliche Angebote oder Verhandlungspositionen handelt. Verwenden Sie Formulierungen wie „vorbehaltlich der Zustimmung der Geschäftsführung“ oder „dies stellt kein verbindliches Angebot dar“.

Wenn Sie eine verbindliche Zusage machen möchten, formulieren Sie diese eindeutig und fügen Sie alle wesentlichen Vertragsbedingungen bei. Bedenken Sie, dass auch eine Zusage per E-Mail rechtlich bindend sein kann, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.


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Wie können Arbeitnehmer sicherstellen, dass ihre Vertragsvorstellungen rechtlich verbindlich werden?

Um Ihre Vertragsvorstellungen rechtlich verbindlich zu machen, sollten Sie als Arbeitnehmer folgende Schritte beachten:

Schriftliche Fixierung aller Vereinbarungen: Bestehen Sie darauf, dass alle wesentlichen Punkte Ihrer Vertragsvorstellungen schriftlich im Arbeitsvertrag festgehalten werden. Mündliche Zusagen oder Vereinbarungen per E-Mail sind zwar grundsätzlich wirksam, aber im Streitfall schwerer nachzuweisen.

Klare Kommunikation Ihrer Erwartungen

Formulieren Sie Ihre Vorstellungen präzise und unmissverständlich. Vermeiden Sie vage Formulierungen wie „angemessene Vergütung“ oder „flexible Arbeitszeiten“. Stattdessen sollten Sie konkrete Zahlen und Bedingungen nennen, z.B. „Monatsgehalt von 3.500 Euro brutto“ oder „Gleitzeit zwischen 7 und 19 Uhr mit Kernarbeitszeit von 10 bis 15 Uhr“.

Dokumentation des Verhandlungsprozesses

Führen Sie ein Protokoll über alle Gespräche und Verhandlungen. Fassen Sie nach wichtigen Besprechungen die besprochenen Punkte in einer E-Mail zusammen und bitten Sie um Bestätigung. Dies schafft Klarheit und kann im Zweifelsfall als Nachweis dienen.

Prüfung des Vertragsentwurfs

Lesen Sie den Vertragsentwurf sorgfältig durch und vergleichen Sie ihn mit Ihren ursprünglichen Vorstellungen. Achten Sie besonders auf Formulierungen zu Gehalt, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Kündigungsfristen und eventuellen Sonderleistungen. Markieren Sie unklare oder abweichende Punkte und fordern Sie Erklärungen oder Änderungen an.

Wichtig: Unterschreiben Sie den Vertrag erst, wenn alle Ihre Vorstellungen korrekt und vollständig darin enthalten sind. Eine nachträgliche Änderung ist oft schwierig durchzusetzen.

Umgang mit Änderungswünschen des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber Änderungen an Ihren Vorstellungen vornehmen möchte, diskutieren Sie diese offen. Suchen Sie nach Kompromissen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Lassen Sie vereinbarte Änderungen direkt in den Vertrag einarbeiten, bevor Sie unterschreiben.

Beachten Sie, dass E-Mails und andere schriftliche Kommunikation im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss rechtlich relevant sein können. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch E-Mails zur Auslegung des Arbeitsvertrags herangezogen werden können. Daher ist es wichtig, dass Sie in allen schriftlichen Kommunikationen präzise und eindeutig formulieren.

Durch diese Vorgehensweise erhöhen Sie die Chancen, dass Ihre Vertragsvorstellungen rechtlich verbindlich werden und im Arbeitsalltag Bestand haben.


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Welche Rolle spielen nicht unterzeichnete Vertragsentwürfe bei der Beurteilung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses?

Nicht unterzeichnete Vertragsentwürfe können bei der Beurteilung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie rechtlich nicht bindend sind. Sie dienen als Indiz für den Willen der Parteien und können bei der Auslegung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herangezogen werden.

Rechtliche Bedeutung von Vertragsentwürfen

Grundsätzlich gilt: Ein Arbeitsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande – Angebot und Annahme. Ein nicht unterzeichneter Vertragsentwurf stellt für sich genommen noch keine verbindliche Willenserklärung dar. Er kann jedoch als Beweis für Vertragsverhandlungen dienen und die Absichten der Parteien dokumentieren.

Wenn Sie als Arbeitnehmer einen Vertragsentwurf erhalten, bedeutet dies noch nicht, dass ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Erst wenn beide Seiten ihr Einverständnis erklärt haben – sei es durch Unterschrift oder konkludentes Handeln – entsteht ein rechtsgültiger Arbeitsvertrag.

Auslegung durch Gerichte

Bei Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ziehen Gerichte alle verfügbaren Indizien heran. Nicht unterzeichnete Vertragsentwürfe werden dabei als ein Puzzlestück in der Gesamtbetrachtung gesehen. Sie können Aufschluss geben über:

  • Die beabsichtigten Vertragsbedingungen
  • Den Verlauf der Vertragsverhandlungen
  • Die Erwartungen beider Parteien

Gerichte berücksichtigen neben dem Vertragsentwurf auch andere Faktoren wie E-Mail-Korrespondenz, mündliche Absprachen und das tatsächliche Verhalten der Parteien.

Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Für Sie als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ergeben sich folgende mögliche Konsequenzen:

  1. Beweisfunktion: Der Entwurf kann als Beweis für den Inhalt der Verhandlungen dienen.
  2. Auslegungshilfe: Bei Unklarheiten über vereinbarte Konditionen kann der Entwurf zur Klärung beitragen.
  3. Schutzfunktion: Enthält der Entwurf Klauseln zu Ihren Gunsten, können diese u.U. als vereinbart gelten, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich begonnen wurde.

Praktische Bedeutung

In der Praxis ist es ratsam, Vertragsentwürfe sorgfältig zu prüfen. Wenn Sie als Arbeitnehmer die Arbeit aufnehmen, bevor ein finaler Vertrag unterzeichnet wurde, kann dies unter Umständen als konkludente Annahme der im Entwurf enthaltenen Bedingungen gewertet werden.

Für Arbeitgeber ist es wichtig, in Vertragsentwürfen klarzustellen, dass es sich um unverbindliche Vorschläge handelt, solange keine Unterschrift geleistet wurde. Dies verhindert Missverständnisse und potenzielle rechtliche Komplikationen.

Nicht unterzeichnete Vertragsentwürfe sind somit kein rechtlich bindendes Dokument, können aber bei der Beurteilung des Zustandekommens und der Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses eine erhebliche Rolle spielen. Sie dienen als wichtiges Interpretationsinstrument, wenn es darum geht, den tatsächlichen Willen der Parteien zu ermitteln.


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Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie der Meinung sind, dass ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, der Arbeitgeber dies aber bestreitet?

Wenn Sie als Arbeitnehmer der Überzeugung sind, dass ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, der Arbeitgeber dies jedoch bestreitet, haben Sie mehrere Handlungsmöglichkeiten:

Dokumentation und Beweissicherung

Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen und Kommunikationen, die auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages hindeuten. Dazu gehören E-Mails, Textnachrichten, Briefe oder Notizen von Telefongesprächen. Besonders wichtig sind hierbei Nachrichten, die Einzelheiten zur Tätigkeit, Vergütung oder zum Arbeitsbeginn enthalten.

Schriftliche Aufforderung

Verfassen Sie ein Schreiben an den vermeintlichen Arbeitgeber, in dem Sie Ihre Sichtweise darlegen und um Klarstellung bitten. Fordern Sie darin die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen und setzen Sie eine angemessene Frist zur Stellungnahme.

Gerichtliche Klärung

Sollte keine Einigung erzielt werden, können Sie eine Feststellungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Ziel dieser Klage ist die gerichtliche Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis besteht.

Beweislast und Erfolgsaussichten

Bei einem Rechtsstreit über das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages tragen Sie als Arbeitnehmer die Beweislast. Sie müssen darlegen und beweisen, dass eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbedingungen erfolgt ist.

Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob Sie nachweisen können, dass eine eindeutige Willensübereinstimmung über die wesentlichen Vertragspunkte wie Art der Tätigkeit, Arbeitszeit und Vergütung vorlag.

Bedeutung elektronischer Kommunikation

In der heutigen Zeit spielt die elektronische Kommunikation eine wichtige Rolle. E-Mails können grundsätzlich als Beweismittel dienen. Allerdings muss im Streitfall der Absender den Zugang beim Empfänger beweisen. Dies kann in der Praxis schwierig sein, weshalb eine zusätzliche schriftliche Bestätigung wichtiger Vereinbarungen ratsam ist.

Alternative Lösungswege

Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung sollten Sie alternative Lösungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. Ein klärendes Gespräch oder eine Mediation können helfen, Missverständnisse auszuräumen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Bedenken Sie, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung das Arbeitsverhältnis, selbst wenn es festgestellt wird, stark belasten kann. Wägen Sie daher sorgfältig ab, ob dieser Schritt in Ihrer individuellen Situation sinnvoll ist.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Feststellung eines Arbeitsverhältnisses: Dieser Begriff bezieht sich darauf, dass eine Person gerichtlich anerkennen lassen möchte, dass ein Arbeitsverhältnis besteht oder bestanden hat. Dies ist wichtig, um Ansprüche wie Lohnzahlungen oder Kündigungsschutz geltend zu machen. In dem beschriebenen Fall wollte die Physiotherapeutin anerkannt bekommen, dass sie einen Arbeitsvertrag mit der Rehaklinik hatte.
  • Kündigungsschutz: Der Kündigungsschutz soll Arbeitnehmer vor willkürlichen oder ungerechtfertigten Kündigungen durch den Arbeitgeber schützen. Hierbei spielen gesetzliche Regelungen wie das Kündigungsschutzgesetz eine zentrale Rolle. Im vorliegenden Fall hätte der Kündigungsschutz nur gegriffen, wenn ein Arbeitsverhältnis tatsächlich bestanden hätte.
  • Befristung: Eine Befristung liegt vor, wenn ein Arbeitsvertrag über einen bestimmten Zeitraum gültig ist und danach automatisch endet, sofern er nicht verlängert wird. In dem Fall der Physiotherapeutin bot die Rehaklinik eine Befristung des Arbeitsverhältnisses auf ein Jahr an, was ein zentrales Streitthema darstellte, da die Klägerin einen unbefristeten Vertrag wünschte.
  • Probezeit: Die Probezeit ist ein befristeter Zeitraum zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses, während dessen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber den Vertrag mit einer kürzeren Kündigungsfrist beenden können. Die Rehaklinik schlug eine sechsmonatige Probezeit vor, die in den Verhandlungen eine zentrale Rolle spielte.
  • Vertragliche Einigung: Diese liegt vor, wenn beide Vertragsparteien eine übereinstimmende Willenserklärung zu allen wesentlichen Punkten des Vertrags abgeben. Dies bedeutet, dass alle Bedingungen wie Gehalt, Arbeitszeit, Probezeit und Befristung vollständig festgelegt und akzeptiert sein müssen. Im beschriebenen Fall wurde keine vollständige Einigung erzielt, was zur Ablehnung der Klage führte.
  • Aufforderung zur Abgabe eines Angebots: Dies ist ein juristischer Begriff, der beschreibt, dass eine Partei einer anderen mitteilt, unter welchen Bedingungen sie bereit wäre, einen Vertrag abzuschließen. Diese Aufforderung stellt jedoch noch kein verbindliches Angebot dar. Im Fall der Physiotherapeutin wurden verschiedene E-Mails als solche Aufforderungen gewertet, was bedeutete, dass noch keine endgültigen Vereinbarungen getroffen wurden.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 611 BGB (Schuldverhältnis): Der § 611 BGB regelt das allgemeine Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Er besagt, dass sich der Schuldner vertragsgemäß zu verhalten hat, während der Gläubiger das ihm zustehende Recht auf korrekte Vertragserfüllung hat. Im vorliegenden Fall steht die Klägerin mit ihrer Forderung nach Vollzeitbeschäftigung gegenüber der Beklagten, da die Beklagte ihr eine Vollzeitbeschäftigung angeboten und damit ein Schuldverhältnis begründet hat.
  • § 145 BGB (Vertragsschluss): Dieser Paragraph regelt die rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Vertrags. Dazu gehören die Willenserklärung des Angebotenden und des Annehmenden. Ein Vertrag entsteht, wenn beide Parteien ihren Willen zur Rechtsbindung übereinstimmend (konsensual) erklären. Im vorliegenden Fall stellt die E-Mail der Beklagten vom 30. März 2023 (siehe Blatt 20 d. A.) das Angebot dar. Die Klägerin beantwortete dieses Angebot in ihrer E-Mail vom 8. April 2023 (siehe Blatt 26 d. A.), wodurch ein Vertrag zustande kam.
  • § 150 BGB (Annahmeerklärung): Die Annahmeerklärung stellt eine Willenserklärung dar, die die Zustimmung zum Angebot des anderen Vertragspartners widerspiegelt. Im vorliegenden Fall ist die Annahmeerklärung der Klägerin in ihrer E-Mail vom 8. April 2023 (siehe Blatt 26 d. A.) relevant.
  • § 613 BGB (Dauer des Arbeitsverhältnisses): Dieser Paragraph regelt die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses kann befristet oder unbefristet sein. Im vorliegenden Fall ist das Arbeitsverhältnis durch den Entwurf des Arbeitsvertrags vom 11.04.2023 (siehe Blatt 27 f. d. A.) auf ein Jahr befristet.
  • § 315 BGB (Änderung bestehender Verträge): Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag zu ändern. Änderungen eines bestehenden Vertrags müssen von beiden Vertragsparteien vereinbart werden und schriftlich erfolgen. Im vorliegenden Fall ist das Schreiben vom 11. April 2023 (siehe Blatt 5 d. A.) der Beklagten ein Versuch, den zuvor angebotenen Arbeitsvertrag auf ein 30-Stunden-Arbeitsverhältnis zu ändern, obwohl sich die Klägerin in ihrer E-Mail vom 8. April 2023 eindeutig auf ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis festgelegt hat.

Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 195/23 – Urteil vom 07.02.2024


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