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Zustimmung des Integrationsamts zur krankheitsbedingten Kündigung – Ermessensprüfung

In einem wegweisenden Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gegen seine krankheitsbedingte Kündigung abgewiesen. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Rolle des Integrationsamts und zur Bedeutung von Präventionsmaßnahmen im Kündigungsschutz auf. Im Fokus steht die Ermessensentscheidung des Integrationsamts, bei der es um die Abwägung zwischen dem Schutz des Arbeitnehmers und den betrieblichen Interessen geht.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Kläger wollte die Zustimmung des Integrationsamts zu seiner Kündigung anfechten.
  • Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Klägers ab, die Berufung wurde nicht zugelassen.
  • Das Gericht sah keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des ursprünglichen Urteils.
  • Der Kläger konnte keine Ermessensfehler des Integrationsamts nachweisen.
  • Das Gericht stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung kein leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger verfügbar war.
  • Ein fehlendes Präventionsverfahren macht die Kündigungsentscheidung des Integrationsamts nicht rechtswidrig.
  • Es gab keine besonderen Anhaltspunkte dafür, dass ein Präventionsverfahren die Kündigung hätte verhindern können.
  • Die Klärung des Zusammenhangs zwischen der Behinderung des Klägers und den Kündigungsgründen wurde nicht ausreichend dargelegt.
  • Der Kläger muss die Kosten des Verfahrens tragen, jedoch keine Gerichtskosten.
  • Mit der Ablehnung des Berufungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.

Krankheitsbedingte Kündigung: Integrationsamts-Ermessen entscheidend für Rechtmäßigkeit

Krankheitsbedingte Kündigungen sind ein komplexes Thema, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gleichermaßen betrifft. Hierbei spielen gesetzliche Vorgaben eine wichtige Rolle, die den Rahmen für eine rechtmäßige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Krankheitsfall festlegen. Der Gesetzgeber möchte einerseits Arbeitnehmer schützen, die durch Krankheit ihre Arbeit nicht mehr verrichten können, andererseits aber auch die Interessen von Arbeitgebern berücksichtigen, die nicht dauerhaft mit krankheitsbedingten Ausfällen belastet werden können.

Ein wichtiger Punkt dabei ist das Ermessen des Integrationsamtes. Die Entscheidung, ob eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig ist, liegt in der Hand des Integrationsamtes. Dieses hat die Aufgabe, den Einzelfall genau zu prüfen und zu entscheiden, ob die Kündigung gerechtfertigt ist. Dabei wird vor allem auf die Dauer der Krankheit, die Schwere der Erkrankung und die Prognose für die Zukunft abgestellt.

Im Folgenden soll ein konkretes Gerichtsurteil vorgestellt werden, welches die Entscheidung des Integrationsamtes in einem Fall der krankheitsbedingten Kündigung beleuchtet.

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Der Fall vor Gericht


Krankheitsbedingte Kündigung eines Schwerbehinderten: Berufungszulassung abgelehnt

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem aktuellen Beschluss die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München abgelehnt. Der Fall dreht sich um die krankheitsbedingte Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. Der Kläger hatte versucht, die Zustimmung des Integrationsamts zu seiner Kündigung im Wege einer Anfechtungsklage aufheben zu lassen.

Das Verwaltungsgericht München hatte die Klage des Arbeitnehmers in erster Instanz abgewiesen. Daraufhin beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Er berief sich dabei auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Rechtslage bei krankheitsbedingten Kündigungen von schwerbehinderten Beschäftigten. Im Zentrum steht die Frage, wie weitreichend die Prüfungs- und Ermessenspflichten des Integrationsamts bei der Zustimmung zu einer solchen Kündigung sind.

Ermessensausübung des Integrationsamts auf dem Prüfstand

Ein Hauptkritikpunkt des Klägers richtete sich gegen die Ermessensausübung des Integrationsamts bei der Zustimmung zur Kündigung. Er argumentierte, das Amt habe es versäumt zu prüfen, ob ihm nicht eine höherqualifizierte und leidensgerechte Tätigkeit hätte zugewiesen werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof wies diesen Einwand jedoch zurück. Dem Integrationsamt hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Anhaltspunkte für einen solchen alternativen Einsatz vorgelegen. Zudem habe der Kläger nicht konkret dargelegt, dass ein passender Arbeitsplatz tatsächlich verfügbar gewesen wäre.

Das Gericht betonte, dass die Ermessensentscheidung des Integrationsamts nur dann fehlerhaft sei, wenn konkrete Alternativen zur Kündigung bestanden hätten. Eine rein theoretische Möglichkeit reiche dafür nicht aus.

Bedeutung von Präventionsmaßnahmen und betrieblichem Eingliederungsmanagement

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Falls betraf die Rolle von Präventionsmaßnahmen und dem betrieblichen Eingliederungsmanagement. Der Kläger hatte argumentiert, diese seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte hierzu klar, dass die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 SGB IX keine zwingende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung ist. Allerdings müsse das Amt dies im Rahmen seiner Ermessensentscheidung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten berücksichtigen.

Entscheidend sei dabei, ob bei gehöriger Durchführung solcher Maßnahmen die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden. Das Gericht sah jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies im vorliegenden Fall so gewesen wäre. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, inwiefern etwa die Ergebnisse einer durchgeführten psychologischen Individualabklärung die Kündigung hätten verhindern können.

Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgründen

Ein weiterer strittiger Punkt betraf den Zusammenhang zwischen der Behinderung des Klägers und den Kündigungsgründen. Der Kläger kritisierte, dieser sei nicht ausreichend ermittelt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Rüge jedoch zurück. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Behinderung und krankheitsbedingten Kündigungsgründen gerade unterstellt. Daraus habe es den entsprechenden strengen Maßstab für die Ermessensprüfung abgeleitet.

Das Gericht sah auch keine Notwendigkeit für weitere Sachverhaltsermittlungen zu diesem Punkt. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche konkreten Ermittlungsmöglichkeiten sich dem Verwaltungsgericht angesichts der fehlenden Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht noch hätten aufdrängen müssen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers bei der Anfechtung einer Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt. Das Gericht bestätigt, dass konkrete Alternativen zur Kündigung aufgezeigt werden müssen und theoretische Möglichkeiten nicht ausreichen. Zudem wird klargestellt, dass Präventionsmaßnahmen zwar zu berücksichtigen sind, aber keine zwingende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Zustimmung darstellen. Dies stärkt die Position der Arbeitgeber bei krankheitsbedingten Kündigungen von Schwerbehinderten.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie von einer krankheitsbedingten Kündigung betroffen sind, unterstreicht dieses Urteil die Wichtigkeit, konkrete Alternativen zu Ihrer Kündigung aufzuzeigen. Es reicht nicht aus, nur theoretische Möglichkeiten zu nennen. Sie müssen nachweisen können, dass zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich ein passender, leidensgerechter Arbeitsplatz für Sie verfügbar war. Auch wenn Präventionsmaßnahmen wie ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurden, müssen Sie darlegen können, wie diese konkret Ihre Kündigung hätten verhindern können. Das Urteil verdeutlicht, dass die Hürden für eine erfolgreiche Anfechtung der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung hoch sind. Es ist daher ratsam, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um Ihre Chancen realistisch einschätzen zu können.


FAQ – Häufige Fragen

Krankheitsbedingte Kündigung – ein Thema, das viele Arbeitnehmer verunsichert. Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das sensible Thema der Kündigung aufgrund von Krankheit. Unsere FAQ bietet Ihnen zuverlässige Informationen, die auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung basieren.


Welche Rechte habe ich bei einer krankheitsbedingten Kündigung?

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung genießen Arbeitnehmer verschiedene Rechte und Schutzmaßnahmen. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bildet die rechtliche Grundlage und sieht vor, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss.
Für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen. Das bedeutet, es muss zum Zeitpunkt der Kündigung davon auszugehen sein, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft häufig oder langfristig ausfallen wird. Zweitens müssen die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen, etwa durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen. Drittens muss eine Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber unzumutbar sind.
Ein wichtiges Recht des Arbeitnehmers ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein BEM durchzuführen, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Ziel des BEM ist es, gemeinsam Möglichkeiten zu finden, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Die Durchführung eines BEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung, jedoch kann ein unterlassenes BEM die Kündigung vor Gericht angreifbar machen.
Für schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte Personen gelten besondere Schutzrechte. Der Arbeitgeber benötigt für die Kündigung die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung mit der Schwerbehinderung zusammenhängt und ob es Alternativen zur Kündigung gibt. Dabei hat das Integrationsamt einen Ermessensspielraum, wie eine aktuelle Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az.: 12 ZB 23.1261 vom 10.06.2024) bestätigt.
Arbeitnehmer haben das Recht, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Das Gericht prüft dann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dabei wird unter anderem untersucht, ob der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Kündigung zu vermeiden. Dazu gehört auch die Prüfung, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz oder zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich gewesen wäre.
Es ist wichtig zu wissen, dass eine Krankschreibung allein keinen absoluten Schutz vor Kündigung bietet. Allerdings muss der Arbeitgeber bei einer Kündigung während der Arbeitsunfähigkeit besonders sorgfältig prüfen und begründen, warum die Kündigung trotz der aktuellen Erkrankung erforderlich ist.
Arbeitnehmer haben zudem das Recht auf Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung, sofern ein solcher im Betrieb existiert. Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, was zwar die Kündigung nicht unwirksam macht, aber die Position des Arbeitnehmers in einem möglichen Kündigungsschutzprozess stärken kann.
Bei der Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung spielt auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle. Je länger ein Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt war, desto höhere Anforderungen werden an die soziale Rechtfertigung der Kündigung gestellt.

Welche Kriterien muss das Integrationsamt bei einer krankheitsbedingten Kündigung prüfen?

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung eines schwerbehinderten Menschen muss das Integrationsamt eine umfassende Prüfung vornehmen, bevor es seine Zustimmung erteilt. Im Mittelpunkt steht dabei die Ermessensentscheidung, die auf einer sorgfältigen Abwägung verschiedener Faktoren beruht.
Zunächst prüft das Integrationsamt, ob die Kündigung durch die besonderen Leiden des schwerbehinderten Menschen bedingt ist. Es geht darum festzustellen, inwieweit die gesundheitlichen Einschränkungen mit der Arbeitsfähigkeit in Zusammenhang stehen. Dabei werden die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vergangenen Jahren betrachtet und eine Prognose für die Zukunft erstellt.
Ein wesentliches Kriterium ist die Frage nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz. Das Integrationsamt untersucht, ob der Arbeitgeber Möglichkeiten hat, den Arbeitsplatz so umzugestalten, dass er den gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers entspricht. Hierbei werden technische und organisatorische Maßnahmen in Betracht gezogen, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen könnten.
Die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer spielt eine zentrale Rolle. Das Integrationsamt berücksichtigt einerseits die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens, andererseits den besonderen Schutz, den schwerbehinderte Menschen genießen. Es wird geprüft, ob die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber zumutbar ist oder ob die betrieblichen Interessen überwiegen.
Ein wichtiger Aspekt ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Das Integrationsamt prüft, ob der Arbeitgeber alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters wiederherzustellen oder zu erhalten. Wurde kein BEM durchgeführt, kann dies zu Lasten des Arbeitgebers ausgelegt werden.
Die Ermessensfehlerfreiheit der Entscheidung ist ein weiteres Kriterium. Das Integrationsamt muss nachweisen, dass es alle relevanten Aspekte berücksichtigt und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat. Es darf weder sein Ermessen unterschreiten noch überschreiten.
Bei der Prüfung von Alternativen zur Kündigung untersucht das Integrationsamt, ob Möglichkeiten wie Versetzung, Umschulung oder Teilzeitbeschäftigung in Betracht kommen. Dabei wird auch die Frage gestellt, ob durch Zahlung eines Minderleistungsausgleichs das Arbeitsverhältnis erhalten werden könnte.
Das Integrationsamt berücksichtigt zudem die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter des Arbeitnehmers. Diese Faktoren können für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sprechen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer langjährig beschäftigt und älter ist.
Die Schwere der Behinderung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit werden ebenfalls in die Entscheidung einbezogen. Je stärker der Zusammenhang zwischen Behinderung und Leistungseinschränkung, desto höher ist der Schutz, den das Integrationsamt gewähren muss.
Schließlich prüft das Integrationsamt, ob die Kündigung unvermeidbar ist. Es muss festgestellt werden, dass alle zumutbaren Möglichkeiten zur Erhaltung des Arbeitsplatzes ausgeschöpft wurden und keine andere Option als die Kündigung besteht.
Die Prüfung all dieser Kriterien dient dazu, eine ausgewogene und rechtmäßige Entscheidung zu treffen, die sowohl den Schutz schwerbehinderter Menschen als auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt. Das Integrationsamt muss seine Entscheidung sorgfältig begründen und dokumentieren, um eine mögliche gerichtliche Überprüfung zu bestehen.

Was ist ein Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX und wie beeinflusst es die Entscheidung des Integrationsamts?

Das Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX ist eine wichtige Maßnahme zum Schutz schwerbehinderter Beschäftigter. Es verpflichtet Arbeitgeber, bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis frühzeitig aktiv zu werden, um eine Kündigung möglichst zu vermeiden.
Konkret muss der Arbeitgeber bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Problemen, die das Arbeitsverhältnis gefährden könnten, unverzüglich die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebs- oder Personalrat sowie das Integrationsamt einschalten. Gemeinsam sollen dann alle Möglichkeiten erörtert werden, um die Schwierigkeiten zu beseitigen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Dies kann beispielsweise durch Beratung, finanzielle Hilfen oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes geschehen.
Die Durchführung des Präventionsverfahrens hat erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Integrationsamts bei einem späteren Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Das Integrationsamt prüft im Rahmen seines Ermessens genau, ob der Arbeitgeber zuvor alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Kündigung abzuwenden. Ein nicht oder nur unzureichend durchgeführtes Präventionsverfahren kann daher die Chancen des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung deutlich verringern.
Zwar ist die Durchführung des Präventionsverfahrens formal keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung. Allerdings erhöht sich bei fehlenden Präventionsmaßnahmen die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten erheblich. Das Integrationsamt wird in solchen Fällen besonders kritisch prüfen, ob wirklich alle Alternativen zur Kündigung ausgeschöpft wurden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung vom 10.06.2024 (Az. 12 ZB 23.1261) die Bedeutung des Präventionsverfahrens für die Ermessensprüfung des Integrationsamts nochmals hervorgehoben. Demnach muss das Integrationsamt bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung zwingend berücksichtigen, ob und wie intensiv der Arbeitgeber zuvor Präventionsmaßnahmen durchgeführt hat. Ein Versäumnis des Arbeitgebers in diesem Punkt kann somit durchaus zur Verweigerung der Zustimmung führen.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Präventionsverfahren nicht nur eine formale Pflicht darstellt, sondern tatsächlich darauf abzielt, gemeinsam konstruktive Lösungen zu finden. Oft können durch frühzeitiges Eingreifen und kreative Ansätze Arbeitsverhältnisse gerettet werden, die auf den ersten Blick gefährdet erschienen. Das Integrationsamt bewertet daher besonders positiv, wenn Arbeitgeber sich ernsthaft um Alternativen zur Kündigung bemüht haben.
Für schwerbehinderte Beschäftigte bedeutet das Präventionsverfahren einen wichtigen Schutz. Es gibt ihnen die Chance, gemeinsam mit allen Beteiligten nach Wegen zu suchen, wie Probleme am Arbeitsplatz überwunden werden können. Gleichzeitig erhöht es die Hürden für eine Kündigung deutlich, da der Arbeitgeber sehr genau darlegen muss, warum trotz aller Bemühungen keine andere Lösung als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist.
Arbeitgeber sollten das Präventionsverfahren daher nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance begreifen, frühzeitig Lösungen zu finden und möglicherweise wertvolle Mitarbeiter zu halten. Für das Integrationsamt ist die ernsthafte Durchführung des Verfahrens ein wichtiges Indiz dafür, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachgekommen ist und eine Kündigung wirklich nur als letztes Mittel in Betracht zieht.

Welche Möglichkeiten habe ich, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat?

Nach der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung stehen dem betroffenen Arbeitnehmer noch verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen, um gegen die Entscheidung vorzugehen.
Ein wichtiger erster Schritt ist die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts. Dieser Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim zuständigen Widerspruchsausschuss des Integrationsamts eingereicht werden. Im Widerspruchsverfahren wird die Entscheidung des Integrationsamts nochmals überprüft. Der Arbeitnehmer hat hier die Gelegenheit, weitere Argumente und Beweise vorzubringen, die gegen eine Zustimmung zur Kündigung sprechen.
Parallel zum Widerspruchsverfahren ist es ratsam, vorsorglich Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einzureichen. Diese Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden. Durch die Kündigungsschutzklage wird die soziale Rechtfertigung der Kündigung gerichtlich überprüft. Das Arbeitsgericht prüft dabei unabhängig von der Entscheidung des Integrationsamts, ob die Kündigung aus betrieblichen, personen- oder verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt ist.
Sollte der Widerspruch gegen die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts erfolglos bleiben, besteht die Möglichkeit, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Diese Klage richtet sich gegen den Widerspruchsbescheid und muss innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung eingereicht werden. Das Verwaltungsgericht überprüft dann die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung nicht automatisch bedeutet, dass die Kündigung auch arbeitsrechtlich wirksam ist. Die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung wird unabhängig davon im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht geprüft.
In bestimmten Fällen kann auch eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht beantragt werden, um vorläufig die Weiterbeschäftigung zu erwirken. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage als hoch eingeschätzt werden und dem Arbeitnehmer durch die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein nicht zu ersetzender Schaden droht.
Eine weitere Option ist die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, falls alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft wurden und eine Verletzung von Grundrechten geltend gemacht werden kann. Dies ist jedoch ein außergewöhnlicher Schritt, der nur in seltenen Fällen Erfolg verspricht.
Es ist zu beachten, dass die genannten Fristen für Widerspruch, Kündigungsschutzklage und Verwaltungsgerichtsklage strikt einzuhalten sind. Eine Versäumnis dieser Fristen führt in der Regel dazu, dass die Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden können und die Kündigung bestandskräftig wird.
Bei der Wahl der rechtlichen Schritte sollten Betroffene die Erfolgsaussichten sorgfältig abwägen. Dabei spielen Faktoren wie die Begründung der Kündigung, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Art und Schwere der Behinderung sowie mögliche Alternativen zur Kündigung eine wichtige Rolle.
In komplexen Fällen, insbesondere wenn es um die Auslegung aktueller Rechtsprechung geht, kann die rechtliche Situation unklar sein. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az.: 12 ZB 23.1261 vom 10.06.2024) zur Ermessensprüfung bei der Zustimmung des Integrationsamts zur krankheitsbedingten Kündigung. Solche Entscheidungen können die Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln beeinflussen und sollten bei der Strategiewahl berücksichtigt werden.

Was bedeutet „leidensgerechter Arbeitsplatz“ und wie kann ich nachweisen, dass eine solche Alternative existiert?

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist eine Arbeitsstelle, die an die individuellen gesundheitlichen Einschränkungen und Fähigkeiten eines Arbeitnehmers angepasst ist. Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter trotz seiner körperlichen Beeinträchtigungen die Arbeit ausführen kann, ohne zusätzlichen Belastungen ausgesetzt zu sein.
Wesentliche Merkmale eines leidensgerechten Arbeitsplatzes sind:
– Er entspricht den gesundheitlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers.
– Die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, Arbeitsmittel oder Arbeitsaufgaben sind so gestaltet, dass sie mit den Einschränkungen vereinbar sind.
– Der Arbeitsplatz ermöglicht die bestmögliche Integration und Teilhabe des Arbeitnehmers am Arbeitsleben.
Der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB. Besonders relevant ist dies für schwerbehinderte Menschen oder Arbeitnehmer mit dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen.
Um nachzuweisen, dass eine leidensgerechte Alternative existiert, sollten Arbeitnehmer folgende Schritte unternehmen:
1. Ärztliches Attest: Lassen Sie sich von Ihrem behandelnden Arzt ein detailliertes Attest ausstellen, das Ihre gesundheitlichen Einschränkungen und die daraus resultierenden Anforderungen an den Arbeitsplatz genau beschreibt.
2. Analyse des Unternehmens: Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Struktur und die verschiedenen Tätigkeitsbereiche in Ihrem Unternehmen. Identifizieren Sie Positionen oder Aufgaben, die Sie trotz Ihrer Einschränkungen ausüben könnten.
3. Konkrete Vorschläge: Formulieren Sie konkrete Vorschläge, wie Ihr Arbeitsplatz angepasst werden könnte oder welche alternative Position für Sie geeignet wäre. Je detaillierter Ihre Vorschläge sind, desto eher können Sie nachweisen, dass eine leidensgerechte Alternative existiert.
4. Dokumentation freier Stellen: Beobachten Sie interne Stellenausschreibungen und dokumentieren Sie freie Positionen, die für Sie in Frage kommen könnten.
5. Gespräch mit dem Arbeitgeber: Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber, idealerweise im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Präsentieren Sie Ihre Vorschläge und diskutieren Sie mögliche Lösungen.
6. Einbeziehung des Betriebsrats: Sofern vorhanden, informieren Sie den Betriebsrat über Ihre Situation. Dieser kann Sie bei der Suche nach Alternativen unterstützen.
7. Externe Beratung: Holen Sie sich Unterstützung von externen Stellen wie der Agentur für Arbeit, dem Integrationsamt oder Berufsgenossenschaften. Diese können oft wertvolle Hinweise zur Arbeitsplatzgestaltung geben.
8. Probeweise Beschäftigung: Schlagen Sie eine probeweise Beschäftigung auf dem potenziell leidensgerechten Arbeitsplatz vor. Dies kann demonstrieren, dass Sie die Aufgaben bewältigen können.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, einen völlig neuen Arbeitsplatz zu schaffen. Der leidensgerechte Arbeitsplatz muss bereits im Unternehmen existieren oder durch zumutbare Umstrukturierungen geschaffen werden können.
Bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsplatz leidensgerecht ist, spielen folgende Kriterien eine Rolle:
– Die Art und Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen
– Die Qualifikationen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers
– Die betrieblichen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Grenzen des Arbeitgebers
– Die Zumutbarkeit für andere Mitarbeiter (z.B. bei Umverteilung von Aufgaben)
Der Nachweis eines leidensgerechten Arbeitsplatzes kann entscheidend sein, um eine krankheitsbedingte Kündigung abzuwenden. Arbeitgeber müssen vor einer solchen Kündigung alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Dies schließt die Prüfung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes ein.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Ermessensausübung: Die Ermessensausübung beschreibt die Entscheidungsfreiheit einer Behörde, innerhalb eines rechtlichen Rahmens verschiedene Optionen zu wählen. Im Fall der krankheitsbedingten Kündigung muss das Integrationsamt abwägen, ob die Kündigung angesichts der individuellen Umstände des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Dies umfasst die Prüfung von Alternativen zur Kündigung, wie etwa eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz.
  • Präventionsverfahren: Ein Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX soll helfen, Arbeitsverhältnisse trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu erhalten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dies kann beispielsweise durch Anpassung der Arbeitsbedingungen oder Unterstützung bei der Rehabilitation geschehen.
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Das BEM ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, um langzeiterkrankte Mitarbeiter stufenweise wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Ziel ist es, erneute Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden und das Beschäftigungsverhältnis zu sichern. Das Integrationsamt berücksichtigt, ob der Arbeitgeber ein BEM durchgeführt hat, wenn es über die Zustimmung zur Kündigung entscheidet.
  • Leidensgerechter Arbeitsplatz: Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, der an die gesundheitlichen Einschränkungen eines Mitarbeiters angepasst ist. Dies kann durch Veränderung der Arbeitsbedingungen oder durch Versetzung auf eine andere Position geschehen. Das Integrationsamt prüft, ob solche Anpassungen möglich sind, bevor es einer Kündigung zustimmt.
  • Anfechtungsklage: Mit einer Anfechtungsklage kann ein Arbeitnehmer die Zustimmung des Integrationsamts zu seiner Kündigung gerichtlich überprüfen lassen. Der Kläger muss darlegen, dass das Integrationsamt bei seiner Entscheidung Ermessensfehler gemacht hat, zum Beispiel durch Nichtbeachtung relevanter Fakten oder falsche Gewichtung der Interessen.
  • Schwerbehindertenvertretung: Die Schwerbehindertenvertretung ist eine Interessenvertretung der schwerbehinderten Mitarbeiter in einem Betrieb. Sie unterstützt die Betroffenen bei allen Angelegenheiten, die ihre Beschäftigung betreffen, und hat ein Anhörungsrecht bei Kündigungen. Die Mitwirkung der Schwerbehindertenvertretung ist ein wichtiger Faktor, den das Integrationsamt bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen muss.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel): Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen werden kann. Ein Zulassungsgrund ist, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt, weil er der Meinung war, das Verwaltungsgericht habe die Ermessensausübung des Integrationsamts bei der Zustimmung zur Kündigung fehlerhaft beurteilt.
  • § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO (Darlegung der Zulassungsgründe): Diese Vorschrift verlangt, dass die Gründe für die Zulassung der Berufung in einer bestimmten Weise dargelegt werden müssen. Der Kläger muss im Detail erklären, warum er das Urteil für falsch hält und welche Fehler das Verwaltungsgericht seiner Meinung nach gemacht hat. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Zulassungsgründe nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde.
  • § 167 SGB IX (Präventionsverfahren): Dieses Gesetz sieht vor, dass Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen müssen, um die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen und arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhindern. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob das Integrationsamt bei seiner Entscheidung über die Kündigung ausreichend berücksichtigt hat, ob solche Präventionsmaßnahmen durchgeführt wurden und ob sie die Kündigung hätten verhindern können.
  • § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG, krankheitsbedingte Kündigung): Das Kündigungsschutzgesetz regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Kündigung zulässig ist. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn die Krankheit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt und keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung besteht. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt waren und ob das Integrationsamt seine Ermessensentscheidung korrekt getroffen hat.
  • § 178 SGB IX (Besonderer Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen): Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur zulässig, wenn das Integrationsamt zugestimmt hat. Das Integrationsamt prüft dabei, ob die Kündigung durch die Behinderung bedingt ist und ob es Möglichkeiten gibt, den Arbeitsplatz zu erhalten. Im vorliegenden Fall stand die Entscheidung des Integrationsamts im Mittelpunkt des Rechtsstreits.

Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 12 ZB 23.1261 – Beschluss vom 10.06.2024


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I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Mai 2023 – M 15 K 22.6 – wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung die Aufhebung der Zustimmung des Beklagten zu seiner ordentlichen Kündigung durch die Beigeladene im Wege der Anfechtungsklage weiter. Hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen Urteils, mit dem seine Klage abgewiesen wurde, bestünden ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Demgegenüber verteidigt der Beklagte die angefochtene Entscheidung. Die Beigeladene hat im Berufungszulassungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

1. Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg, da die vorrangig geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel an der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegen oder nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO entsprechend dargelegt worden sind.

Soweit die Bevollmächtigte des Klägers rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die ordnungsgemäße Ermessensausübung durch den Beklagten im Rahmen seiner Zustimmung zur ordentlichen personenbedingten Kündigung des Klägers bejaht, kann sie damit nicht durchdringen. Ermessensfehler des Beklagten, die die Aufhebung der Zustimmung rechtfertigen würden, zeigt sie nicht auf.

1.1 Dies gilt insbesondere, soweit die Bevollmächtigte des Klägers (erneut) darauf verweist, dass die Beigeladene und der Beklagte es zu prüfen unterlassen haben, ob dem Kläger organisationsübergreifend eine gegenüber seiner bisherigen Tätigkeit höherqualifizierte und leidensgerechte Tätigkeit hätte zugewiesen werden können. Dieser Einwand geht bereits deshalb fehl, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung dem Beklagten Anhaltspunkte für einen leidensgerechten Einsatz des Klägers auf einem höherqualifizierten Arbeitsplatz nicht vorgelegen haben. Im Übrigen legt die Klägerbevollmächtigte auch nicht dar, dass ein konkreter, leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger zum damaligen Zeitpunkt vorhanden gewesen wäre. Ein Ermessensfehler des Beklagten ist daher nicht substantiiert dargelegt.

1.2 Eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Zustimmungsentscheidung des Beklagten ergibt sich auch nicht im Zuge der Berücksichtigung der Präventionsmaßnahmen bzw. des betrieblichen Eingliederungsmanagements der Beigeladenen gegenüber dem Kläger.

In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass es sich bei der Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts handelt (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, B.v. 19.8.2013 – 5 B 47.13 – BeckRS 2013, 56082). Das Präventionsverfahren ist jedoch vom Integrationsamt im Rahmen seiner Ermessenentscheidung über die Kündigung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gegebenenfalls zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wenn bei gehöriger Durchführung die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden. Hat das Integrationsamt nach eigehender Prüfung die Zustimmung zur Kündigung erteilt, kann nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX hätte die Kündigung verhindert. Derartige besondere Anhaltspunkte hat der Kläger auch im Zuge des Berufungszulassungsverfahrens nicht aufgezeigt. So setzt er sich insbesondere nicht mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts auseinander, bei der sog. PIA-Testung (Psychologische Individualabklärung) handele es sich um eine nicht gesetzlich gebotene, freiwillige Leistung der Beigeladenen. Auch zeigt er nicht im Ansatz auf, inwieweit bei Berücksichtigung der Ergebnisse der PIA-Testung, die dem Kläger zwischenzeitlich bekannt sind, eine Kündigung hätte vermieden werden können. Insoweit fehlt es auch unter diesem Gesichtspunkt an Anhaltspunkten für eventuelle Ermessensfehler des Beklagten.

2. Soweit die Klägerbevollmächtigte darüber hinaus der Sache nach eine Aufklärungsrüge im Hinblick auf eine unterbliebene Klärung des Zusammenhangs zwischen der Behinderung des Klägers und den Kündigungsgründen der Beigeladenen rügt, die bereits das Integrationsamt des Beklagten nicht ermittelt habe, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht. Angesichts des Umstands, dass das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Behinderung des Klägers und den krankheitsbedingten Kündigungsgründen gerade unterstellt und daraus den entsprechenden Maßstab für die Ermessensprüfung abgeleitet hat, legt die Klägerbevollmächtigte schon nicht dar, welche Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung sich dem Verwaltungsgericht angesichts der fehlenden Entbindung der Ärzte des Klägers von der Schweigepflicht hätten aufdrängen müssen und inwieweit sich dies als entscheidungserheblich erwiesen hätte. Dies gilt gleichermaßen für die klägerische Behauptung, die die Kündigung tragenden krankheitsbedingten Gründe seien darauf zurückzuführen, dass die vom Beigeladenen angebotene Tätigkeit sich als nicht leidensgerecht erwiesen hätte.

3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Anhaltspunkte dafür, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, sofern solche überhaupt angefallen sind, liegen nicht vor. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsbegehrens wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.

 


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