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Zustimmung Integrationsamt zur Kündigung von Schwerbehinderten

VG Stade – Az.: 4 A 687/15 – Urteil vom 30.03.2016

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von dem Beklagten erteilten Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers.

Der am E. geborene Kläger ist seit dem F. bei der Beigeladenen als Kraftfahrer beschäftigt. Er ist schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 stellte das G.. Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie ab dem 31. Juli 2012 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 fest; als Funktionsbeeinträchtigungen wurden „Erkrankung des lymphatischen Systems“ und „Funktionsstörung der Wirbelsäule“ aufgeführt. Seit dem 5. Oktober 2011 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig.

Unter dem 31. März 2014 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen und fristgerechten Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Die Kündigung sei, so die Beigeladene, sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei seit dem 5. Oktober 2011 durchgehend arbeitsunfähig und gelte daher als langandauernd arbeitsunfähig. Eine Prognose sei negativ. Der Kläger habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass er wegen einer anstehenden Knie-Operation nicht wisse, wann mit einer Rückkehr zu rechnen sei. Die Einwände des Klägers, er werde seine Arbeitsunfähigkeit überwinden, griffen nicht und seien als reine Schutzbehauptung zurückzuweisen. Für die Tätigkeit als Fahrer für Gefahrguttransporte sei der Kläger gesundheitlich nicht mehr geeignet. Tankwagentransporte gingen häufig mit der Übernachtung im LKW einher. Nach eigener Aussage sei er für mehrtägige Touren aber wegen der Hautkrebserkrankung nicht mehr geeignet. Eine positive Gesundheitsprognose sei nicht erkennbar. Ein anderweitiger Einsatz im Betrieb sei nicht möglich. Alle Abteilungen ihres Betriebes erforderten körperlichen Einsatz. Sie sei nicht in der Lage, anderweitig freie Arbeitsplätze anzubieten. Es liege daher auch eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor.

Unter dem 23. April 2014 hörte der Beklagte den Kläger an. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 29. April 2014 Stellung und führte zu dem von der Beigeladenen vorgebrachten Kündigungsgrund aus, dass er schon seit vielen Jahren nicht mehr längere Zeit über Nacht im LKW verbringen müsse. Eine Einteilung der Touren sei so möglich, dass dies auch so bleibe. Unter dem 7. Mai 2014 bat der Beklagte den Kläger darum, ärztliche Stellungnahmen zu übersenden, die sich auf die arbeitsplatzbezogene Leistungsfähigkeit bzw. Leistungseinschränkung beziehen sollten. Daraufhin gingen bei dem Beklagten mehrere ärztliche Stellungnahmen ein. Der Stellungnahme des Herrn Dr. med H. von der I. GmbH, Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie, in A-Stadt vom 26. Mai 2014 war zu entnehmen, dass eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit voraussichtlich auf Dauer bestehe. Fehlzeiten seien auf die bekannten Behinderungen zurückzuführen. In Zukunft solle überwiegend im Sitzen, Stehend und Gehend ca. 3 bis 6 Stunden ständig leicht gearbeitet werden. Aus einer weiteren Stellungnahme des Herrn Dr. med. J. vom Dermatologischen Zentrum der K., Klinikum L., vom 27. Mai 2014 ging hervor, dass Fehlzeiten aus dermatologischer Sicht nur an Bestrahlungstagen alle 3 Wochen zu begründen seien und der Kläger seinen Arbeitsplatz so wählen solle, dass er die Möglichkeit habe, sich auch kurzfristig in der onkologischen Ambulanz vorzustellen.

Unter dem 2. Juni 2014 bat der Beklagte Herrn Dr. med. M. um die Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens, aus dem sich ergeben solle, inwieweit der Kläger auf seinem Arbeitsplatz eingesetzt bzw. mit welchen Einschränkungen die Arbeit noch verrichtet werden könne. Außerdem bat er darum, auf zukünftige Entwicklungen der krankheitsbedingten Fehlzeiten einzugehen. Am 12. August 2014 ging das Gutachten des Herrn Dr. M. vom 9. August 2014 bei dem Beklagten ein. Zur Beantwortung der Fragen des Beklagten heißt es in dem Gutachten:

„Herr A. kann auf seinem Arbeitsplatz nicht mehr leidensgerecht eingesetzt werden. Er ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen 3 – 6 Stunden (zu) verrichten. Wegen seiner Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates sollte Herr A. keine schweren Lasten heben oder tragen bzw. ziehen. Arbeiten mit häufigen Bücken, Knien oder Hocken sowie Arbeiten mit erhobenen Armen über Schulterniveau sind zu unterlassen. Wegen der Knieerkrankung sind Arbeiten auf Leitern oder unebenen Untergrund zu vermeiden. Falls Herr A. nicht leidensgerecht eingesetzt werden sollte, ist auch in Zukunft mit ausgedehnten Fehlzeiten zu rechnen.“

Mit Bescheid vom 21. August 2014 stimmte der Beklagte der ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses zu. Er sei zu der Überzeugung gekommen, dass dem Arbeitgeber durch die lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit und die vom Arbeitsmediziner festgestellten zukünftig vermehrt zu erwartenden Fehlzeiten, ein Aufrechterhalten des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten sei. Er habe bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Arbeitgeber seiner gesteigerten Fürsorgepflicht insoweit nachgekommen sei, als er seit dem Jahr 2011 abgewartet habe, wie sich die gesundheitliche Situation des Klägers entwickeln werde. Dass nach Angaben des Arbeitsmediziners künftig vermehrt mit krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen sei und der Kläger seine Aufgaben als Kraftfahrer nicht mehr vollschichtig ausüben könne, könne nicht mehr zu Lasten seines Arbeitgebers gehen. Auch sei es für den Arbeitgeber auf Dauer nicht hinnehmbar, einen Arbeitsplatz für nicht absehbare Zeit durch Vertretungsregelungen zu überbrücken. Im Hinblick auf eine geordnete Personalplanung habe der Arbeitgeber ein durchaus berechtigtes Interesse daran, dass die Stelle dauerhaft neu besetzt werden könne. Anderweitige, freie und leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die der Kläger im Rahmen seines Restleistungsvermögens verrichten könne, hätten von keinem der Verfahrensbeteiligten benannt werden können.

Unter dem 26. August 2014 kündigte die Beigeladene das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen zum 28. Februar 2015.

Am 1. September 2014 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Seine „lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit“ seit dem 5. Oktober 2011 sei auf eine Hautkrebserkrankung zurückzuführen, wegen derer er sich über einen Zeitraum von zwei Jahren viermal pro Woche im Krankenhaus in L. hätte behandeln lassen müssen. Diese Leidenszeit sei jetzt vorüber. Derzeit müsse er nur noch einmal alle vier Wochen aufgrund der Hautkrebsbehandlung zur Kontrolluntersuchung. Eine Negativprognose bestehe daher nicht mehr. Aus diesem Grund sei gegen die Kündigung der Beigeladenen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht A-Stadt eingereicht worden. Nach einer noch anstehenden Operation in linken Knie und einer orthopädischen Untersuchung wegen Schulterschmerzen sei damit zu rechnen, dass er über ein (bisher von der Beigeladenen nicht durchgeführtes) betriebliches Eingliederungsmanagement wieder in seinem bisherigen Beruf bei der Beigeladenen als Kraftfahrer arbeiten könne. Entgegenstehende Aussagen im Gutachten des Herrn Dr. M. seien falsch. Dieser habe lediglich eine Besichtigung des Betriebsgeländes in N. vorgenommen, sei aber nicht in C-Stadt am Hauptsitz der Beigeladenen gewesen. Ein tatsächlicher Eindruck seines Arbeitsumfeldes sei somit nicht Grundlage des Gutachtens. Er könne die bei der Beigeladenen anfallenden Arbeiten verrichten. Daher sei nicht von zukünftig zu erwartenden Fehlzeiten auszugehen.

Am 16. September 2014 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht A-Stadt unter anderem Kündigungsschutzklage (Az. 1 Ca 341/14). Diesbezüglich stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2014 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien

– dem Kläger und der Beigeladenen – nicht durch ordentliche Kündigung vom 26. August 2014 zum 28. Februar 2015 aufgelöst sei. Das Arbeitsgericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass kein den Anforderungen des § 84 Abs. 2 SGB IX entsprechendes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden sei.

Im Rahmen des Widerspruchverfahrens bat der Beklagte Herrn Dr. M. mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 unter Vorhalt, dass er lediglich den Betrieb in N. und nicht in C-Stadt besichtigt habe, um ergänzende Stellungnahme. Dieser antwortete mit ergänzender Stellungnahme vom 16. Dezember 2014, dass er den Standort in N. besucht habe, weil dort alle Einsatzfahrzeuge der Beigeladenen stationiert seien. Nach Angaben der Beigeladenen würden in C-Stadt keine Berufskraftfahrer mit geringeren Arbeitsanforderungen als in N. beschäftigt, sodass eine Arbeitsplatzbesichtigung bei der vorliegenden Fragestellung nicht unbedingt erforderlich gewesen sei. Die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen des Klägers bezögen sich überwiegend auf Erkrankungen des Bewegungsapparates. Die Auswirkungen der Hauterkrankung seien demgegenüber als nachrangig einzuschätzen. Das in dem Gutachten skizzierte eingeschränkte Leistungsvermögen werde sich nicht grundlegend ändern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2015, zugegangen am 20. März 2015, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 1. September 2014 gegen den Bescheid vom 21. August 2014 zurück und bestätigte die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung.

Am 20. April 2015 hat der Kläger Klage erhoben und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

Er habe ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Arbeitsverhältnis bestehe trotz entsprechender Nachverhandlungen über dessen Auflösung im Nachgang zu dem arbeitsgerichtlichen Verfahren Az. fort. Eine Kündigung durch die Beigeladene sei daher weiterhin möglich.

Vorliegend ginge es insbesondere um die Argumentation des Beklagten, der seine Kündigungszustimmung allein auf das Gutachten des Herrn Dr. M. stütze. Zwar müsse die Beigeladene im Rahmen einer neuen Kündigung auch ein neues Antragsverfahren bei dem Beklagten einleiten, jedoch würde sich die Beklagte erneut auf das bereits eingeholte Gutachten des Herrn Dr. M. stützen. Daher sei es falsch, dass dieses Gutachten bei einer neuerlichen Entscheidung des Beklagten keine Rolle mehr spielen würde.

Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beigeladene eine gesteigerte Fürsorgepflicht treffe, die auch in der ordnungsgemäßen Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX läge. Stattdessen sei er „blind“ dem Gutachten des Herrn Dr. M. gefolgt. Dieser habe jedoch nur eine Besichtigung des Betriebsgeländes in N. und nicht in C-Stadt durchgeführt, wo sich eine Tankstelle, Waschanlage und Schlosserei sowie die Reifenmontage befänden. Ein tatsächlicher Eindruck des Arbeitsumfeldes sei somit nicht Grundlage des Gutachtens. Er könne Arbeiten, die bei der Beigeladenen zu verrichten seien, durchaus bei Vornahme gewisser Veränderungen bewältigen. Dies sei der Beigeladenen auch zumutbar, da sie alles Menschenmögliche tun müsse, um ihm als schwerbehinderten Arbeitnehmer am Arbeitsplatz solche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen.

Er sei zuversichtlich, dass er nach einer weiteren Knieuntersuchung an dem im Sommer 2015 operierten Knie noch in der ersten Jahreshälfte 2016 im Rahmen einer betrieblichen Wiedereingliederung bei der Beigeladenen wieder arbeiten könne.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 21. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er tritt dem klägerischen Vorbringen wie folgt entgegen:

Die Klage sei unzulässig, es fehle dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis. Die aufgrund der angefochtenen Zustimmung am 26. August 2014 ausgesprochene ordentliche Kündigung sei durch das Arbeitsgericht A-Stadt für unwirksam erklärt worden. Dieses Urteil habe Rechtskraft erlangt. Aus der Zustimmung zur Kündigung vom 21. August 2014 könne die Beigeladene daher keine Rechte mehr herzuleiten. Eine erneute Kündigung der Beigeladenen bedürfe eines neuen Antragsverfahrens nach den §§ 85 ff. SGB IX.

Der Kläger habe auch kein Feststellungsinteresse. Eine identische oder wiederholende Entscheidung sei vorliegend nicht zu befürchten. Über den Antrag der Beigeladenen vom 31. März 2014 sei abschließend mit Bescheid vom 21. August 2014 entschieden worden. Selbst im Falle eines erneuten, künftigen Antrages der Beigeladenen auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung ergäbe sich ein zeitlich und tatsächlich gänzlich veränderter, neuer Lebenssachverhalt. Die Argumentationslage vom 31. März 2014 sei jetzt und künftig überholt und insoweit irrelevant. Die ergebnisoffene behördliche Amtsermittlung nach § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sowie die erforderliche Interessenabwägung nach §§ 85 ff. SGB XI hätten bei einem weiteren Antrag der Beigeladenen auf einer gänzlich veränderten Sachverhaltsbasis zu erfolgen. Eine Wiederholungsentscheidung sei mithin auszuschließen.

Die Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie erwidert:

Der Kläger habe kein Feststellungsinteresse. Werde sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine krankheitsbedingte Kündigung in Erwägung ziehen, wäre eine erneute Zustimmung des Beklagten erforderlich.

Zudem könne die Klage nur Erfolg haben, wenn die Zustimmung des Beklagten und die Entscheidung der Widerspruchsbehörde rechtsfehlerhaft erteilt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall. Eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung des Klägers als Fahrer unter Zugrundelegung des Gutachtens des Herrn Dr. M. sei nicht möglich. Die Tatsache, dass das Arbeitsgericht A-Stadt in seiner Entscheidung zu einem anderen Schluss komme, mache die Entscheidung des Beklagten nicht fehlerhaft.

Mit Beschluss vom 8. Februar 2016 hat die Kammer das Verfahren der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogene Gerichtsakte des Arbeitsgerichts A-Stadt in dem Verfahren Az. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die die Einzelrichterin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entscheiden kann, hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.

Statthaft ist vorliegend die Fortsetzungsfeststellungsklage. Diese ist analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann anwendbar, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat (Nds. OVG, Beschluss vom 13.08.2012 – 7 LA 77/10 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 99). Das ist hier der Fall.

Die von dem Beklagten erteilte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers vom 21. August 2014 ist nicht (mehr) wirksam und hat sich im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X noch vor Klageerhebung am 20. April 2015 erledigt. Nach dieser Vorschrift bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten hat sich vor Klageerhebung auf andere Weise erledigt.

Ein Verwaltungsakt hat sich auf andere Weise erledigt, wenn sein Regelungsobjekt wegfällt (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG -, 15. Aufl. 2014, § 43 VwVfG Rn. 41). Das Regelungsobjekt der Zustimmung nach § 85 SGB IX ist die nach § 88 Abs. 2 SGB IX binnen eines Monats zu erklärende Kündigung. Diese ist vorliegend weggefallen. Das Arbeitsgericht A-Stadt hat mit Urteil vom 18. Dezember 2014 vor Klageerhebung am 20. April 2015 rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen nicht durch die ordentliche Kündigung vom 26. August 2014 zum 28. Februar 2015 aufgelöst worden ist. Damit war die von der Beigeladenen ausgesprochene Kündigung, der der Beklagte zugestimmt hat, unwirksam. Aus der Zustimmungsentscheidung des Beklagten vom 21. August 2014 kann die Beigeladene wegen der Regelung in § 88 Abs. 2 SGB IX, wonach der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustimmung erklären kann, keine Rechte mehr herleiten.

Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung, dass der Bescheid des Beklagten vom 21. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren (BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 C 20.12 -, juris)

Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO liegt nicht vor. Ein solches Interesse ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes für weitere gerichtliche Verfahren erheblich ist, der Rehabilitation dienen soll oder eine Wiederholungsgefahr besteht.

Der Kläger kann die hier allein in Betracht kommende Wiederholungsgefahr nicht mit Erfolg geltend machen. Eine solche liegt vor, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt gegenüber dem jeweiligen Kläger ergehen wird (Nds. OVG, Beschluss vom 04.03.2015 – 4 LA 178/14 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 C 20.12 -, juris). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Es besteht schon keine hinreichend bestimmte Gefahr, dass die Beigeladene den Kläger in absehbarer Zeit erneut aus personenbedingten Gründen, die auf seine bereits im März 2014 bekannte Erkrankung bzw. Behinderung zurückzuführen sind, kündigen und hierfür zunächst die nach § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung bei dem Beklagten beantragen wird.

Doch selbst, wenn sie eine solche Kündigung beabsichtigt und ein weiteres Zustimmungsverfahren anstrengt, ist nicht anzunehmen, dass eine Zustimmung durch den Beklagten unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erteilt würde. Würde die Beigeladene erneut die Zustimmung zur Kündigung bei dem Beklagten beantragen, läge der Zustimmungsentscheidung ein neuer und veränderter Lebenssachverhalt zugrunde. Die daraus resultierenden vielfältigen und komplexen Rechtsfragen sollen gerade nicht mehr, auch nicht in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage, Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Befassung sein, wenn die angegriffene Kündigung für unwirksam erklärt wurde (VG Köln, Urteil vom 23.09.2010 – 26 K 3733/09 -, juris). Den neuen Lebenssachverhalt hätte der Beklagte zunächst im Wege seiner Amtsermittlungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) zu ermitteln. Dies gilt schon deshalb, weil sich die gesundheitliche Situation des Klägers aufgrund der durchgeführten medizinischen Untersuchungen und der Operation am Knie im Sommer 2015 seit dem ersten Antrag auf Zustimmung zur Kündigung vom 31. März 2014 derart geändert hat, dass der Beklagte ohnehin nicht allein auf die für das erste Zustimmungsverfahren eingeholten Auskünfte und ärztlichen Stellungnahmen zurückgreifen könnte. Neben der gesundheitlichen Situation des Klägers könnten sich mittlerweile aber auch die Arbeitsbedingungen bei der Beigeladenen derart geändert haben, dass sich auch hieraus ein anderer Lebenssachverhalt ergibt. Aufgrund dessen ist nicht absehbar, wie der Beklagte den ermittelten Lebenssachverhalt im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidung würdigen würde.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dazu verpflichtet hat, das Gutachten des Herrn Dr. M. vom 9. August 2014 nicht zur Entscheidung heranzuziehen, sollte die Beigeladene erneut einen Zustimmungsantrag stellen. Damit ist dem eigentlichen Interesse des Klägers, dem es maßgeblich um die Verwendung dieses Gutachten bei einem zukünftigen Zustimmungsverfahren ging, bereits genüge getan.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

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