Skip to content

Verdachtskündigung – Anforderungen

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 3 Sa 559/17 – Urteil vom 19.02.2019

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 12.05.2017 – Az.: 2 Ca 1093/16 – teilweise abgeändert, soweit die Klage hinsichtlich der Kündigungsschutzanträge und des Auflösungsantrages abgewiesen wurde, und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte an den Kläger in Höhe von 9.537,- EUR brutto mit Wirkung zum 30.08.2016 aufgelöst.

II. Im Übrigen werden die Berufung des Klägers und der Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche, fristlose und hilfsweise ordentlich zum 30.08.2016 erklärte Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 07.06.2016 sowie über beiderseits gestellte Auflösungsanträge.

Der Kläger, geboren am 10.09.1974 und ledig, war bei der Beklagten seit dem 01.01.2008 als Servicetechniker mit einer Bruttovergütung in Höhe von zuletzt 2.200,00 EUR monatlich beschäftigt.

Die Beklagte, bei der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist der ausschließliche Servicepartner der W. Deutschland GmbH und beliefert Sauerstoffkunden der Firma W. in der Bundesrepublik Deutschland.

Einer dieser Kunden war Herr I. X.. Er wurde in 2013 und 2014 regulär durch den Kläger auf dessen Tour beliefert, in Krankheits- und/oder Urlaubsvertretungszeiten aber auch durch andere Auslieferungsfahrer. Jedenfalls seit Oktober 2014 war der Kläger nicht mehr regulärer Auslieferungsfahrer für Herrn X..

Am 22.04.2014 wurde ein Sauerstoffgerät des Typs Inogen One G 2 mit der Seriennummer 12142221 laut Lieferschein vom gleichen Tage (Blatt 103 der Akte) durch den dies mit Unterschrift quittierenden Auslieferungsfahrer X. der Beklagten bei dem Kunden I. in C. abgeholt. Weitere Aufzeichnungen zu dem nachfolgenden Verbleib des Gerätes existieren bei der Beklagten oder der Firma W. bis Ende 2015 nicht.

Im Frühjahr 2015 kam es im Lager L. zu einem Einbruchsdiebstahl.

Mit Schreiben vom 02.06.2016, wegen dessen Wortlauts im Einzelnen auf Blatt 7 f. der Akte Bezug genommen wird, hörte die Beklagte den Kläger „vor Ausspruch Verdachtskündigung“ dazu an, dass ihr von ihrer Auftraggeberin, der Firma W., zu Ohren gekommen sei, dass der Verdacht bestehe, dass er ein Sauerstoffgerät des Typs Inogen One G 2 an einen Kunden I. X., wohnhaft in G., veräußert habe. Es existiere bereits eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft L., mit welcher dem Kläger folgendes zur Last gelegt werde:

„Er entwendete aus dem Lager der Firma T. GmbH einen Sauerstoffkonzentrator, entfernte die Seriennummern und verkaufte das Gerät im März 2015 an den Zeugen X. zum Preis von 1.500,00 EUR. Da die Seriennummer auch in der Software des Gerätes abgespeichert ist, konnte die Identität des Gerätes festgestellt werden.“

Der Anklageschrift liege zugrunde, dass sich der Kunde X. am 12.11.2015 mit der Firma W. in Verbindung gesetzt habe, um einen Wartungstermin für einen von ihm angeblich privat erworbenen portablen Sauerstoffkonzentrator zu vereinbaren. Das vorbezeichnete Sauerstoffgerät sei für 1.980,00 EUR netto im Mai 2012 von der Firma W. erworben worden. Am 22.04.2014 sei das Gerät letztmalig bei der Beklagten eingelagert worden und danach erst wieder am 02.12.2015 aufgetaucht, als es durch den Kunden X. zur Wartung gegeben worden sei. Bei der Wartung sei festgestellt worden, dass Gerätenummern entfernt worden seien. Beim Auslesen der Software habe es jedoch als das im Bestand fehlende Gerät identifiziert werden können. Der Zeuge X. habe den Kläger als den Servicemitarbeiter sowohl namentlich benannt und auch wiedererkannt und erklärt, dass der Kläger das Sauerstoffgerät an ihn zum Preis von 1.500,00 EUR verkauft habe. Geliefert worden sei das Gerät im Zeitraum zwischen Mitte und Ende März 2015. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bei der Beklagten für die Tour nach G. eingeteilt gewesen und habe diese auch wahrgenommen, ohne von Kollegen vertreten worden zu sein.

Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft Krefeld zu dem Aktenzeichen 12 Js 485/16 unter dem 15.04.2016 vor dem Amtsgericht Krefeld Anklage gegen den Kläger wegen Diebstahls und Betrugs mit dem im Anhörungsschreiben beschriebenen Tatvorwurf erhoben.

In dem Anhörungsschreiben setzte die Beklagte dem Kläger eine Äußerungsfrist bis zum 06.06.2016. Hierauf reagierte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit Stellungnahmeschreiben vom 07.06.2016 (Blatt 9 ff. der Akte).

Mit Schreiben vom 07.06.2016 (Blatt 5 f. der Akte) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.08.2016.

Mit seiner am 13.06.2016 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen und der Beklagten am 16.06.2016 zugestellten sowie später noch hilfsweisen um einen Auflösungsantrag und einen hilfsweisen Urlaubsabgeltungsantrag erweiterten Kündigungsschutzklage hat der Kläger die in dem Schreiben vom 07.06.2016 enthaltenen Kündigungen angegriffen und deren Unwirksamkeit bzw. fehlende soziale Rechtfertigung geltend gemacht. Er hat bestritten, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Er habe kein Sauerstoffgerät an Herrn X. veräußert. Es sei ihm auch gar nicht möglich gewesen, ein Sauerstoffgerät aus dem Bestand der Beklagten zu entwenden. Zudem habe die Beklagte im Prozess falsch vorgetragen, indem sie ursprünglich behauptet habe, er hätte das streitgegenständliche Sauerstoffgerät vom Kunden I. aus C. abgeholt und dies mit seiner Unterschrift quittiert. Weder habe er das Gerät beim Kunden I. abgeholt noch die Unterschrift auf dem Lieferschein geleistet. Erst im Verfahrensverlauf habe die Beklagte dies zugestanden. Insoweit hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt habe, die es geboten hätte, den Sachverhalt vor Ausspruch offen und in alle Richtungen hinreichend zu ermitteln. Die Beklagte habe aber nicht einmal gewartet, ob er auf die ihm im Anhörungsschreiben vom 02.06.2016 gestellten Fragen reagieren werde. Zudem habe der Geschäftsführer der Beklagten eingeräumt, dass zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Hinsicht ermittelt worden sei, ob ein anderer Arbeitskollege oder andere Personen als Täter in Betracht kämen. Die Beklagte habe damit in Kauf genommen, dass der Kläger gegenüber seinen Kollegen als Straftäter bezeichnet und bezichtigt werde. Vor diesem Hintergrund sei ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nunmehr unzumutbar und es sei gerichtlich gegen Abfindungszahlung auszulösen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 07.06.2016 zum 30.08.2016 beendet worden ist;

2.hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.2016 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 17.600,00 EUR brutto betragen sollte;

3.hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Kündigungsschutzanträgen oder dem Obsiegen mit dem Auflösungsantrag die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.249,23 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch ihre Kündigung vom 07.06.2016 fristlos, jedenfalls aber hilfsweise fristgerecht wirksam beendet worden. Sie hat geltend gemacht, es handele sich um eine Tatkündigung, und behauptet, der Kläger habe den Sauerstoffkonzentrator des Typs lnogen One G 2 mit der Seriennummer 12142221, welcher im Eigentum der W. Deutschland GmbH stehe, dem Kunden X. zum Kauf angeboten. Herr X. habe das Gerät dann im Februar 2015 gekauft. Es handele sich um ein Gerät, welches am 08.05.2012 durch die Firma W. angeschafft worden sei. Im Zeitraum vom 08.12.2012 bis zum 22.04.2014 sei das Gerät bei vier Kunden eingesetzt worden. Am 22.04.2014 sei das Gerät bei dem Kunden H. I. in C. abgeholt worden. Hierzu hat die Beklagte zunächst behauptet (Schriftsatz vom 25.10.2016), der Kläger habe nachweislich das Gerät beim Kunden I. abgeholt. Der Abholschein weise zweimal die Unterschrift des Klägers auf. Der Kunde I., den die Beklagte hierzu als Zeugen benannt hat, würde den Kläger jederzeit bei einer Gegenüberstellung identifizieren und bestätigen, dass er das Gerät an den Kläger übergeben habe. Danach hätte es im Lager der Beklagten erfasst werden müssen, was nicht geschehen sei. Es sei seit 10 Jahren noch nie vorgekommen, dass ein von den Servicemitarbeitern bei Kunden abgeholtes Gerät im Lager untergegangen sei. Insofern sei das Gerät am 22.04.2014 überhaupt nicht im Lager der Beklagten angekommen, sondern im Besitz des Klägers verblieben. Der Kläger möge darlegen, unter welchen Bedingungen und unter Ausfüllung welcher Dokumente gegenüber welchem Kollegen und unter welchen sonstigen Maßnahmen, die die Lageraufnahme für das Gerät vorsehe, er dieses am 22.04.2014 in das Lager und zu welchem Kollegen verbracht haben wolle. Das könne er nicht, da er das Gerät bis zur körperlichen Veräußerung und Übergabe an Herrn X. in Eigenbesitz gehabt habe. Mit Schriftsatz vom 12.01.2017 und nach arbeitsgerichtlicher Aufforderung im Auflagenbeschluss vom 16.11.2016 (Blatt 107 der Akte), andere Abholscheine oder ähnliche Formulare mit der Unterschrift des Klägers aus dem Frühjahr 2014 vorzulegen, damit die Unterschriften verglichen werden könnten, hat die Beklagte eingeräumt, dass die Unterschrift auf dem Abholschein des Kunden I. vom 22.04.2014 nicht von dem Kläger stamme. Die anderslautenden Behauptungen hätten sich als unrichtig herausgestellt, den Irrtum bedaure sie. An dem Tatvorwurf der Veräußerung dieses Gerätes an den Kunden X. halte sie aber fest. Im Sommer 2014 habe der Kläger Herrn X. ein Kaufangebot gemacht. Im Januar 2015 sei das Gerät nach gemeinsamer Inventur mit der Firma W. als vermisst gemeldet worden. Das Gerät sei seit dem 22.04.2014 nicht im System erfasst gewesen. Mitte bis Ende März 2015 habe der Kläger das Gerät an Herrn X. dann veräußert. Am 13.04.2015 sei es zu dem Einbruch in einem Lagerraum gekommen, bei dem ca. 10 Sauerstoffkonzentratoren entwendet worden seien, die jedoch sämtlich von der Polizei beschlagnahmt und später an W. zurückgegeben worden seien. Das hier streitige Gerät habe nicht dazu gehört, es sei zu diesem Zeitpunkt ja schon von dem Kläger an Herrn X. übergeben worden. Erst als dieser sich Ende 2015 bei W. gemeldet und einen Defekt angezeigt habe, sei es wieder aufgetaucht und dann als das fehlende Gerät identifiziert worden. Nachdem der Anwalt der Beklagten am 02.06.2016 Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten genommen habe, sei bekannt geworden, dass bereits eine Anklageschrift vom 15.04.2016 wegen dieses Vorfalls gegen den Kläger existiere. Daraufhin sei dessen Anhörung zur beabsichtigten Kündigung erfolgt. Die Beklagte könne über den Zeugen X. nachweisen, dass der Kläger das streitige Gerät in Besitz gehabt habe, als er es ihm angeboten und später übergeben habe. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, auch noch nachzuweisen, wie der Kläger sich den Besitz des Gerätes letztlich verschafft habe.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen X. die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 12.05.2017 abgewiesen und die Beklagte auf den entsprechenden Hilfsantrag zur Zahlung von 1.433,08 EUR brutto Urlaubsabgeltung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Klagebegründung als gegen fristlose wie hilfsweise ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage sei nicht begründet, denn als Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger dem Zeugen X. im Frühjahr 2015 ein Sauerstoffgerät verkauft habe, welches im Eigentum der W. Deutschland GmbH stehe. Das Gericht habe keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen X. oder an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund rechtfertige sich auch im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung die fristlose Kündigung der Beklagten. Die Kündigungserklärungsfrist sei gleichfalls gewahrt.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 24.05.2017 und dem Kläger am 29.05.2017 zugestellt worden. Die Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt. Der Kläger hat mit am 27.06.2017 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die er – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 28.06.2017 bis zum 29.08.2017 – mit am 29.08.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet hat.

Im zeitlichen Verlauf des Berufungsverfahrens hat das Amtsgericht Krefeld den Kläger nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Ehepaares X. als Zeugen mit Urteil vom 11.12.2017 – 33 Ds – 12 Js 485/16 – 356/16 – freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig, das zunächst von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel der Berufung wurde zurückgenommen.

Der Kläger verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens den Kündigungsschutz- sowie den Auflösungsantrag weiter. Er rügt, das Arbeitsgericht habe sich überhaupt nicht mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen X. und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage auseinandergesetzt. Insbesondere wäre zu hinterfragen gewesen, dass der Zeuge ein Gerät erworben habe, von dem er hätte wissen müssen, dass der Verkäufer nicht zu dessen Verkauf berechtigt gewesen sei. Er habe es letztlich selbst zugestanden, als er bekundet habe, das Gerät sei „unter der Hand“ an ihn verkauft worden. Daraus folge ein erhebliches Eigeninteresse des Zeugen, eben keinen Verdacht auf die bewusste Mitwirkung an einer Straftat auf sich zu lenken und zudem das Gerät auch behalten zu dürfen, für das er viel Geld bezahlt habe. All dies sei von dem Arbeitsgericht nicht problematisiert worden. Die Aussage des Zeugen X. sei zudem widersprüchlich und diese Widersprüche seien letztlich ja auch zu Recht der Grund für den Freispruch durch das Amtsgericht im Strafverfahren gewesen. Die Kündigung sei auch nicht als Verdachtskündigung wirksam. Die Beklagte habe diesen Kündigungsgrund ausdrücklich in erster Instanz fallen lassen. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen lägen auch im Übrigen nicht vor. Denn die Beklagte habe nicht vorbehaltlos in alle Richtungen ermittelt. Sie habe im Vorfeld der Kündigung überhaupt nicht ermittelt, sondern erst im laufenden Verfahren. Angesichts des jahrelangen unbeanstandeten Arbeitsverhältnisses sei sie jedoch verpflichtet gewesen, zum Schutz des Klägers auch in andere Richtungen zu ermitteln, insbesondere die Unterschrift auf dem Abholschein des Kunden I. vom 22.04.2014 zu überprüfen, den richtigen Fahrer zu identifizieren und zu hinterfragen, wo das Gerät nach der Abholung durch diesen verblieben sei. Da immerhin zweifelsfrei und unstreitig feststehe, dass mit Herrn X. ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten das Gerät seinerzeit beim Kunden abgeholt und offensichtlich nicht mehr in die Betriebsräume verbracht habe, stelle sich die Frage, warum die Beklagte diesem glaube, dass er mit der späteren Veräußerung an den Zeugen X. nichts zu tun gehabt habe, dem Kläger jedoch nicht. Der Zeuge habe beim Arbeitsgericht auch erklärt, der Kläger hätte angeblich zu ihm gesagt, dass das Gerät von einem Kunden aus C. stamme, was jedoch wiederum der Kläger gar nicht hätte wissen können, da er es unstreitig von diesem Kunden nie abgeholt habe, sondern sein Kollege X.. Mit diesem wiederum habe die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung nie gesprochen und allein dadurch schon ihre Aufklärungspflicht verletzt. Das führe ebenso zur Unbegründetheit auch der Verdachtskündigung wie zur Begründetheit des Auflösungsantrages. Mit Nichtwissen bestreitet der Kläger zudem, dass das streitige Gerät erst im Jahre 2015 im Rahmen einer Inventur bei der Beklagten als vermisst in das System eingestellt worden sei. Ebenfalls mit Nichtwissen bestreitet er, dass bei dem Diebstahl im April 2015 nicht das in Rede stehende und an Herrn X. veräußerte Gerät entwendet worden sei und dass es sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Lager befunden habe. Offenkundig habe die Beklagte keine ordnungsgemäße Lagerführung und Inventur vorgenommen. Denn sie könne nicht nachvollziehen und darlegen, wann oder zu welchem Zeitpunkt sich das streitige Gerät im Lager befunden oder aus dem Lager entnommen worden sei. Einer Vernehmung sämtlicher Auslieferungsfahrer der Beklagten zum Beweis der Behauptung, dass diese das Gerät nicht an Herrn X. veräußert hätten, widerspricht der Kläger.

Der Kläger, der mit der Berufungsbegründung keine ausdrückliche Antragstellung vorgenommen hatte, hat dies auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis mit Beschluss vom 05.09.2017, wegen dessen Inhalts auf Blatt 236 der Akte verwiesen wird, mit Schriftsatz vom 11.09.2017 nachgeholt.

Er beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 12.05.2017 – 2 Ca 1093/16 – teilweise abzuändern und

1.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.06.2016 nicht aufgelöst worden ist;

2.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.06.2016 zum 30.08.2016 aufgelöst worden ist;

3.hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.08.2016 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 17.600,00 EUR brutto betragen sollte.

Die Beklagte beantragt,

1.die Berufung zurückzuweisen;

2.hilfsweise und vorsorglich, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.08.2016 ohne Abfindung aufzulösen;

3.weiter hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger wiederum beantragt hierzu, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen, soweit der festzusetzende Abfindungsbetrag hinter dem von ihm beantragten Betrag zurückbleibt.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Berufung sei mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils bereits unzulässig. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Auch vor dem Hintergrund des Freispruchs des Klägers vor dem Amtsgericht halte sie den Tatvorwurf der Unterschlagung des Sauerstoffgeräts durch den Kläger und der Veräußerung desselben an Herrn X. aufrecht. Jedenfalls sei der dringende Verdacht der Tatbegehung beim Kläger gegeben. Dieser sei sowohl vor dem Arbeits- als auch dem Amtsgericht durch den Zeugen X. identifiziert und klar belastet worden. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen seien unberechtigt, die Beweiswürdigung des Strafrichters sei fehlerhaft. Umfangreich trägt die Beklagte weiter zur Würdigung der beiden bislang vorliegenden gerichtlichen Aussagen des Zeugen X. wie auch zur Vernehmung von dessen Ehefrau beim Amtsgericht, der Zeugin X. vor. Die Aussagen seien im Kern widerspruchsfrei. Hinzu komme, dass – so die Behauptung der Beklagten – keiner der anderen überhaupt nur denkbar in Betracht kommenden Auslieferungsfahrer der Beklagten das Gerät an den Zeugen X. veräußert habe und aber klar sei, dass es ein Auslieferungsfahrer gewesen sei, der das Gerät verkauft habe. Damit komme allein der Kläger als Täter in Betracht. Diesbezüglich ist die Beklagte auch vor dem Hintergrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Vernehmungsunfähigkeit des Zeugen X. der Ansicht, ihr entsprechender Beweisantritt zur Vernehmung aller anderen benannten Fahrer sei erheblich und müsse mithin Berücksichtigung finden. Jedenfalls aber müsse Frau X. als Zeugin vernommen werden. Hierzu behauptet die Beklagte, sie habe mitbekommen, dass der Kläger das streitige Gerät geliefert habe, sie habe den Kläger in der Wohnung bei den Verhandlungen über den Kaufpreis, bei der Lieferung des Gerätes und der nachfolgenden Lieferung der Bedienungsanleitung gesehen. Selbst wenn der Tatnachweis nicht gelinge, hält die Beklagte jedenfalls die Verdachtskündigung für wirksam. Ermittlungen habe sie sehr wohl vor Ausspruch der Kündigung vorgenommen. Das bedeute aber nicht, dass diese auch immer mit entsprechenden Ergebnissen verbunden sein müssten. Im Übrigen stehe mit der Aussage des Zeugen X. fest, dass der Kläger das Gerät in Besitz gehabt habe, als er es an ihn übergeben habe. Anders als auf unrechtmäßige Weise hätte er diesen Besitz aber gar nicht erlangen können. Vor dem Einbruchsdiebstahl im April 2015 sei das Lager für Jedermann zugänglich gewesen, so dass der Kläger problemlos Zugang zu unter anderem dem streitgegenständlichen Gerät gehabt hätte und es hätte entnehmen können, ohne dass irgendein Dokument hätte ausgefüllt werden müssen oder die Zugangsberechtigung geprüft worden wäre. Der Auflösungsantrag des Klägers sei nicht begründet. Ein üblicherweise zur Auflösung gegen Abfindungszahlung berechtigendes weitreichendes Fehlverhalten des Arbeitgebers liege hier nicht vor. In der Tat habe sie sich mit der Unterschrift auf dem Abholschein vom 22.04.2014 nicht hinreichend auseinandergesetzt, den Fehler aber andererseits auch sofort eingeräumt, als er aufgedeckt worden sei. Der Mitarbeiter X. wiederum, der den Abholschein unterzeichnet habe, habe das Gerät im Lager in L. abgegeben. Danach verliere sich die Spur des Gerätes. Herr X. komme demnach aber nicht als Täter in Frage. Als der Zeuge X. das Gerät später bei W. eingeliefert und zu dem Kauf Stellung genommen habe, sei der Verdacht sofort auf den Kläger gefallen, da dieser Herrn X. beliefert habe. Im Rahmen der Ermittlungen, die zunächst von W. betrieben worden seien, habe Herr X. den Kläger identifiziert und belastet. Er habe zu nächst den Namen des Fahrers nicht nennen können, der ihm das Gerät verkauft habe, aber darauf hingewiesen, dass es derjenige gewesen sei, der in 2013 und 2014 die „20er BU“ gebracht habe. Hierauf habe die Beklagte die Lieferscheine durchgesehen und festgestellt, dass es sich um den Kläger gehandelt habe, der dem Zeugen X. die 20er BU geliefert habe. Hierbei handele es sich um ein Alleinstellungsmerkmal, da die 20er BU sehr selten ausgeliefert werde. Daraufhin sei Herrn X. ein Foto des Klägers gezeigt worden und Herr X. habe den Kläger hierauf identifiziert. Selbst dann habe die Beklagte noch mit der Kündigung abgewartet und sich um Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft bemüht, um den Ermittlungsstand abzuwarten und in ihre Würdigung einbeziehen zu können. Ihr selbst, so die Beklagte, sei durch das illoyale Verhalten des Klägers nunmehr jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden, worauf sie ihren Auflösungsantrag stütze. Die Abfindung müsse angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Klägers dabei mit Null bemessen werden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat die Akte der Staatsanwaltschaft Krefeld zum Aktenzeiche 12 Js 485/16 hinsichtlich der vor dem Amtsgericht Krefeld am 11.12.2017 durchgeführten Beweisaufnahme, hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom gleichen Tage sowie der Feststellung der Rechtskraft dieses Urteils beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Der Zeuge X. ist – noch bevor seine Vernehmung durch die Berufungskammer möglich war – im Verlauf des Berufungsverfahrens schwer erkrankt. Bereits unter dem 04.06.2018 war ihm durch Herrn Dr. med. C. Vernehmungsunfähigkeit attestiert worden (Blatt 455 der Akte). Mit weiterem Attest des Dr. I. ohne Datum, bei Gericht eingereicht am 03.09.2018 wurde ein Karzinom bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung mit deutlicher Verschlechterung des Zustandes, Pflegebedürftigkeit und fast kompletter Bettlägerigkeit diagnostiziert (Blatt 548 der Akte). Seit 05.11.2018 ist dem Zeugen fachärztlich fortlaufend Vernehmungsunfähigkeit attestiert worden; insoweit wird auf die fachärztliche Stellungnahme der Lungenklinik I. vom selben Tage (Blatt 563 der Akte) Bezug genommen. Mit fachärztlicher Stellungnahme vom 28.01.2019 des Dr. I. (Leitender Oberarzt des Palliativzentrums V., Blatt 598 der Akte) wurde dieses Attest der Vernehmungsunfähigkeit „für den jetzigen Zeitpunkt und für die absehbare Zeit“ erneuert. Daraufhin wurde der Zeuge abgeladen. Wegen der zuvor erfolgten Bemühungen um eine Klärung der Vernehmungsfähigkeit des Zeugen und die entsprechenden Hinweise an die Parteien wird Bezug genommen auf das gerichtliche Schreiben vom 26.10.2018 (Blatt 560 der Akte), die Sitzungsniederschrift vom 27.11.2018 und die weiteren gerichtlichen Schreiben vom 28.11.2018 (Blatt 577 der Akte) und vom 04.01.2019 (Blatt 586 der Akte).

Beweis erhoben hat die Berufungskammer sodann durch Vernehmung der Zeugin Frau X. nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 19.02.2019. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist angesichts des Streits der Parteien über zwei Kündigungen vom 07.06.2016 (fristlos und ordentlich) und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

a. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt insbesondere die in der Berufungsbegründungsfrist vorgebrachte Begründung des Klägers ohne Weiteres den Anforderungen der §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 – 4 ZPO.

Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG vom 14.03.2017 – 9 AZR 54/16, juris, Rz. 10; BAG vom 14.03.2017 – 9 AZR 633/15, juris, Rz. 11; BAG vom 11.06.2013 – 9 AZR 855/11, juris, Rz. 16; BAG vom 18.05.2011 – 4 AZR 552/09, Rz. 14; LAG Düsseldorf vom 21.03.2017 – 3 Sa 762/16, juris, Rz. 31).

Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Sie muss im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG vom 14.03.2017 – 9 AZR 54/16, juris, Rz. 10; BAG vom 14.03.2017 – 9 AZR 633/15, juris, Rz. 11; BAG vom 19.05.2016 – 3 AZR 131/15, juris, Rz. 15; BAG vom 11.11.2014 – 3 AZR 404/13, juris, Rz. 18; BAG vom 16.05.2012 – 4 AZR 245/10, juris, Rz. 11; BAG vom 18.05.2011 – 4 AZR 552/09, Rz. 14; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 520 Rn. 27).

Das hat der Kläger aber auch nicht getan, sondern mit seinen Ausführungen in der Berufungsbegründung fristgerecht konkrete Anhaltspunkte genannt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im Urteil des Arbeitsgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Denn er hat konkret gerügt, dass das Urteil des Arbeitsgerichts zu dem zentralen Begründungselement der Entscheidung, nämlich der Feststellung, dass der Kläger aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen X. zur Überzeugung der Kammer im Frühjahr 2015 ein Sauerstoffgerät verkauft habe, das im Eigentum der Firma W. stand und damit ein Vermögensdelikt begangen habe, keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage enthalte. Dies hat er im Einzelnen weiter dahin ausgeführt, dass zu hinterfragen gewesen wäre, dass der Zeuge wissentlich ein Gerät erworben hätte, ohne dass der Verkäufer zur Veräußerung berechtigt gewesen sei. Er habe nach seiner eigenen Aussage gewusst, dass das Gerät „unter der Hand“ verkauft worden sei. Er habe sich keine Quittung geben lassen. Aufgrund seines Wissens um die unlauteren Umstände des Erwerbs habe er also durchaus ein Eigeninteresse mit seiner Aussage verfolgt. Das hätte dem Arbeitsgericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit aufdrängen müssen, mit denen es sich aber nicht auseinandergesetzt habe. Allein diese Ausführungen stellen bereits einen hinreichenden und konkreten sowie im Übrigen – selbst wenn es darauf im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht ankommt – auch zutreffenden Angriff gegen die Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts dar. Das Arbeitsgericht hat nämlich in der Tat zwar – allerdings ebenfalls nur sehr knappe – Ausführungen zur Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen X. auf Seite 9 des erstinstanzlichen Urteils gemacht, außer der entsprechenden, begründungslosen Pauschalfeststellung zur Glaubwürdigkeit des Zeugen aber kein einziges Wort mehr verloren. Damit sind Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Arbeitsgerichts dann aber von dem Kläger hinreichend begründet worden.

b. Die Berufung begegnet – wie die Berufungskammer bereits im Hinweisbeschluss vom 06.09.2017 ausgeführt hat – auch keinen Bedenken im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO.

Danach muss die Berufungsbegründung zwar die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (BAG vom 18.02.2016 – 8 AZR 426/14, juris, Rz. 21; vgl. auch BGH vom 10.06.2015 – XII ZB 611/14, juris, Rz. 10; BGH vom 19.11.2014 – XII ZB 522/14, juris, Rz. 10; BGH vom 22.03.2006 – VIII ZR 212/04, juris, Rz. 8).

Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags aber unschädlich sein (BAG vom 18.02.2016 – 8 AZR 426/14, juris, Rz. 22 m.w.N.). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (BAG vom 18.02.2016 – 8 AZR 426/14, juris, Rz. 22). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (BAG vom 18.02.2016 – 8 AZR 426/14, juris, Rz. 22; BAG vom 20.07.2004 – 9 AZR 570/03, juris, Rz. 16).

Danach ergibt die Auslegung der Berufungsbegründungsschrift hier hinreichend klar, dass zumindest der erstinstanzliche Kündigungsschutzantrag in der Berufung weiterverfolgt werden soll. Der Kläger rügt ausdrücklich gleich zu Beginn der Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Kündigung der Beklagten wirksam sei und führt zur Begründung dann weiter aus. Die mit Schriftsatz vom 11.09.2017 vorgenommene Antragstellung zu Ziffern 1 und 2 ist damit bereits in der Berufungsbegründung angelegt und ihr im Wege der Auslegung zu entnehmen. Wenn auch zum hilfsweise gestellten Auflösungsantrag nichts Näheres ausgeführt wird, wird dieser ohnehin mit den weiterverfolgten Kündigungsschutzanträgen gleichfalls in die Berufung „gezogen“. Unabhängig davon konnte er selbst dann, wenn man dem hier nicht folgen wollte, von dem Kläger mit dem Schriftsatz vom 11.09.2017 wegen § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung jederzeit neu gestellt werden.

2. Die hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsanträge sind gleichfalls zulässig, gleichgültig ob man sie als Anschlussberufung auffasst und die hierfür in § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzte Frist eingehalten ist. Denn auch hier gilt, dass der Auflösungsantrag mit § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG einer spezialgesetzlichen und vorrangig anzuwendenden Regelung unterliegt, wonach die Antragstellung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch noch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz möglich ist. Das führt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter anderem dazu, dass auch die nicht durch das erstinstanzliche Urteil beschwerte Partei noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz einen Auflösungsantrag im Wege der Anschlussberufung stellen kann. Die der Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels nach Ablauf der Berufungserwiderungsfrist eigentlich entgegenstehende Regelung des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird durch die spezialgesetzliche Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG verdrängt und auch eine Zurückweisung zur Begründung des Antrags neu eingebrachten Sachvorbringens nach § 67 ArbGG kommt insoweit nicht in Betracht (BAG vom 11.07.2013 – 2 AZR 241/12, juris, Rz. 13; BAG vom 03.04.2008 – 2 AZR 720/06, juris, Rz. 11; ebenso Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Auflage, Rn. 2094).

Da insbesondere § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch im Übrigen die zivilprozessualen Regelungen zur Zulässigkeit des (Anschluss-) Rechtsmittels überlagert, der Antrag beispielsweise formgerecht auch noch zu Protokoll in der letzten mündlichen Berufungsverhandlung gestellt und begründet werden kann, wird weitergehend teilweise die Ansicht vertreten, er unterliege aufgrund seiner spezialgesetzlichen Regelung nicht der Einordnung als Berufung oder Anschlussberufung und den auf diese Rechtsmittel bezogenen Zulässigkeitsvoraussetzungen, sondern allein den in § 9 KSchG normierten Sonderregelungen (LAG Niedersachsen vom 04.06.2004 – 10 Sa 198/04, juris, Rz. 77 ff.; KR/Spilger, 11. Auflage, § 9 KSchG Rn. 117).

Der letztgenannten Ansicht steht aus Sicht der erkennenden Berufungskammer entgegen, dass auch § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG ein entsprechendes Rechtsmittel der Berufung voraussetzt, innerhalb dessen die Antragstellung für einen Auflösungsantrag dann bestimmten Sonderregelungen unterliegt, die das Berufungsrecht überlagern. Soweit solche Überlagerungen nicht vorliegen, finden die allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften zur Berufung und Anschlussberufung aber weiterhin Anwendung (so schon LAG Düsseldorf vom 03.07.2018 – 3 Sa 553/17, juris, Rz. 49 ff., 51).

Letztlich kann dies hier dahingestellt bleiben, da beide Ansichten zu dem gleichen Ergebnis, nämlich der problemlosen Zulässigkeit der hilfsweise gestellten Auflösungsanträge der Beklagten kommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet und führt zur teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit von fristloser und hilfsweise ordentlicher Kündigung sowie zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Aus der dem Kläger mit nachstehender Begründung zugesprochenen Abfindung folgt zugleich die Zurückweisung des dahinter zurückbleibenden Auflösungsantrages der Beklagten.

Im Einzelnen:

1. Die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet.

Zur Zulässigkeit wird Bezug genommen auf die zutreffenden und von keiner Partei angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts Krefeld zur Auslegungsfähigkeit und vorzunehmenden Auslegung unter I.1 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Diese macht sich die Berufungskammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu Eigen und sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab. Mit der Antragstellung im Berufungsverfahren hat der Kläger diese Begründung des Arbeitsgerichts aufgenommen und seine Anträge nunmehr zutreffend auch ausdrücklich entsprechend konkretisiert.

Die Anträge sind begründet. Weder die außerordentliche fristlose noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.06.2016 sind begründet. Sie sind vielmehr sowohl als Tat- wie auch als Verdachtskündigung mangels wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB bzw. fehlender sozialer Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen hier vorliegen, unwirksam.

a. Fristlose wie ordentliche Kündigung sind zunächst entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts als Tatkündigung unwirksam. Denn die Beklagte ist für ihre Behauptung, der Kläger habe ein Sauerstoffgerät des Typs Inogen One G 2 an den Kunden I. X. veräußert, indem er 2014 entsprechende Verhandlungen mit ihm geführt und dann im März 2015 das Gerät nebst Bedienungsanleitung dorthin ausgeliefert habe, beweisfällig geblieben.

aa. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 25; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 16; BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris, Rz. 15; BAG vom 21.06.2012 – 2 AZR 694/11, juris, Rz. 20; BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10, juris, Rz. 14; BAG vom 10.10.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 30).

Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 26; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 19; BAG vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, juris, Rz. 29). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 26; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 19).

Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers – wie beispielsweise im Falle einer Unterschlagung fremden Eigentums -, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ebenso darstellen (BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, juris, Rz. 37; BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 27) wie dann erst Recht einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung. Gleiches gilt, wenn es sich um Eigentum eines zentralen Auftraggebers des Arbeitgebers handelt, denn auch dann gefährdet der Arbeitnehmer durch seine Tat die Vertragsbeziehung des Arbeitgebers und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen.

Voraussetzung der Tatkündigung ist jedoch, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung – soweit wie hier streitig – nachgewiesen wird. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach seiner freien Überzeugung darüber zu befinden, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr erachtet oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, aber nicht völlig ausgeschlossen sein. Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (st. Rspr., vgl. BAG vom 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, juris, Rz. 24; BAG vom 16.07.2015 – 2 AZR 85/15, juris, Rz. 73; BGH vom 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, juris, Rz. 14). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Dabei sind die Tatsacheninstanzen allerdings grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG vom 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, juris, Rz. 24).

bb. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist die Berufungskammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger die ihm vorgeworfene Unterschlagung und Veräußerung des Sauerstoffgeräts an den Kunden X. begangen hat.

Dies kann zunächst nicht aufgrund der Vernehmung des Zeugen X. in erster Instanz und/oder seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Krefeld in dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren und auch nicht aus den Einlassungen des Zeugen im Ermittlungsverfahren oder seiner schriftlichen Eingabe bei Gericht vom 28.12.2018 (Blatt 587 der Akte) geschlussfolgert werden. Denn es fehlen für die Berufungskammer bindende oder ihr selbst mögliche Feststellungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen, die hier aber von zentraler Bedeutung sind.

Die Feststellungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil zur Täterschaft des Klägers entfalten für die Berufungskammer keine Bindungswirkung im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, denn es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte für derartige Zweifel bestehen dann, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Sie können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, dem Vortrag der Parteien, Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind, oder sonst aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (BGH vom 16.08.2016 – X ZR 96/14, juris, Rz. 17; BGH vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03, juris, Rz. 16 mwN; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Auflage, § 529 Rn. 3). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit einer durch Beweisaufnahme gewonnenen Tatsachengrundlage können vor allem aus einer fehlerhaften, insbesondere widersprüchlichen, oder gänzlich fehlenden Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder der Glaubhaftigkeit seiner Aussage durch das Erstgericht folgen (BGH vom 16.08.2016 – X ZR 96/14, juris, Rz. 17; BGH vom 03.06.2014 – VI ZR 394/13, juris, Rz. 16; BGH vom 16.12.1999 – IIII ZR 295/98, VersR 2000, 227, 228).

Solche Zweifel bestehen hier schon deshalb, weil das Arbeitsgericht keine nachvollziehbare Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen X. vorgenommen hat. Es hat die Glaubwürdigkeit lediglich pauschal und ohne irgendeine Begründung festgestellt. Diese Feststellung ist nichtssagend und vermag schon deshalb keine Bindungswirkung zu entfalten. Wie der Kläger zu Recht mit der Berufung rügt, hätte das Arbeitsgericht hinreichend Anlass zur Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen und hierbei vor allem zur Prüfung gehabt, ob er sich von einem Eigeninteresse bei der Aussage hat leiten lassen. Denn seine Bekundungen sprechen deutlich dafür, dass ihm bewusst war, dass er sich mit dem Ankauf des Sauerstoffgerätes an einer rechtswidrigen Tat beteiligte. Hierfür spricht seine Bekundung, das Gerät sei an ihn „unter der Hand“ verkauft worden. Ein Verkauf „unter der Hand“ meint schon von alters her und auch heute noch, dass das Geschäft „heimlich“, „von anderen unbemerkt“ und „auf inoffiziellen Wegen“ vorgenommen wird (vgl. Deutsche Encyclopädie – Allgemeines Real-Wörterbuch aller Zünfte und Wissenschaften, Frankfurt am Main,1789, 14. Band, Seite 206 einerseits und https://de.wiktionary.org/wiki/unter_der_Hand andererseits). Selbst wenn der Zeuge sich direkt insoweit korrigiert hat, dass er damit einen Privatkauf gemeint habe, bleiben Zweifel an seiner Redlichkeit bestehen. Denn zum einen schließen sich Privatkauf und ein solcher „unter der Hand“ ja gar nicht aus. Zum anderen hat er weiter bekundet, der Kläger habe ihm angeblich gesagt, er solle den Kollegen nicht sagen, dass er das Gerät vom Kläger gekauft habe. Unstreitig hat er zudem keine Quittung erhalten. Alles das deutet auf den ersten Blick auf ein Geschäft hin, bei dem etwas verborgen bleiben soll, im Zweifel eben die fehlende Berechtigung des Verkäufers zum Verkauf. Soweit der Zeuge dann später bekundet hat, sich gleichwohl dabei nichts gedacht zu haben und dann weiter wörtlich laut Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts ausführt „Ich habe im guten Glauben gehandelt bei dem Kauf und fertig, mehr kann ich dazu nicht sagen“, hätte Anlass genug bestanden, sich allein schon wegen mehrerer auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen zielender, vollkommen berechtigter Fragen mit diesem Thema eingehender in der Urteilsbegründung zu beschäftigen. Die Feststellungen des Arbeitsgerichts beschränken sich aber darauf, die Aussage dahingehend zusammenzufassen, dass nachvollziehbar bekundet worden sei, dass es der Kläger gewesen sei, der dem Zeugen das Gerät verkauft habe. Die Nachvollziehbarkeit soll sich daraus ergeben, dass der Zeuge den Kläger gekannt habe und der Verkaufsvorgang detailliert geschildert worden sei, indem der Zeuge zunächst den Erhalt des Gerätes und ein, zwei Tage später der Gebrauchsanweisung angegeben habe. Das begegnet insgesamt erheblichen Bedenken. Denn wenn der Zeuge – und dafür sprechen seine Bekundungen schon dem reinen Wortlaut nach – wusste, dass er das Gerät eben „unter der Hand“ gekauft hat, davon anderen nicht berichten sollte, was ja auch wieder nur den Sinn haben konnte, dass dieser heimliche Vorgang ohne Quittung oder Rechnung nicht über Gespräche aufgedeckt würde, dann war zu hinterfragen, ob er nicht auch mit seiner Aussage ein diese prägendes Eigeninteresse verfolgte. Dieses könnte beispielsweise darin bestehen, eine Tatbeteiligung an einer Straftat dadurch zu negieren, dass er den Verkaufsvorgang so weitgehend wie möglich als einen doch für ihn als Kunden „normalen“ Vorgang darstellt, nachdem die Unterschlagung als solche nun nach Eingang des Gerätes bei W. und trotz entfernter Seriennummer erfolgter Feststellung der Herkunft aufgedeckt war. Das würde erklären, warum ein Auslieferungsfahrer der Beklagten beschuldigt wird. Und insoweit nicht den aktuellen zu nennen, sondern einen, der schon nicht mehr für den Zeugen zuständig ist, war geeignet, unliebsamen Kontakt mit ihm bei z.B. einer noch regulären Tour des Fahrers zum Zeugen zu vermeiden. So sehr dies spekulativ sein mag, so sehr war aber jedenfalls die Glaubwürdigkeit des Zeugen dahingehend zu hinterfragen, ob nicht tatsächlich solche oder andere Beweggründe seine Aussage beeinflusst haben.

Anlass hierfür bestand hinreichend. Denn seine Aussage war ja auch nicht widerspruchsfrei. Zwar hat er den Kläger eindeutig identifiziert und auch seine Telefonnummer genannt. Diese konnte er aber auch als Kunde aus anderen Gründen als einem unlauteren Erwerbsgeschäft „unter der Hand“ erlangt haben. Und bereits vor dem Arbeitsgericht hat der Zeuge sich zu „damals längeren Haaren“ des Klägers geäußert, obwohl nicht einmal die Beklagte behauptet, er hätte solche 2014/2015 gehabt, und der Kläger, der eben dieses bestritten hat, hierzu auf die einzigen zur Akte gereichten Bilder verweisen konnte, die alle kurzes Haar belegten. Schwerwiegend kommen dann auch hinzu die durch das Amtsgericht im Urteil vom 11.12.2017 festgestellten Widersprüche in der Aussage des Zeugen und seiner ebenfalls vernommenen Frau. Denn das Amtsgericht weist zurecht darauf hin und begründet damit maßgeblich den – rechtskräftigen – Freispruch des Klägers, dass sich die beiden Zeugen X. schon dahingehend widersprochen hätten, ob Frau X. bei der Übergabe des Gerätes und den Telefonaten im Vorhinein zugegen gewesen sei. Das hat der Zeuge X. so bekundet, seine Frau aber nicht bestätigt. Auch im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung vor der erkennenden Berufungskammer hat sie klar angegeben, weder gesehen zu haben oder dabei gewesen zu sein, als der Kläger das Gerät geliefert oder die Bedienungsanleitung geliefert haben soll noch bei den Verkaufsverhandlungen dabei gewesen zu sein. Bei diesen hat sie den Kläger nach ihrer Bekundung nicht einmal gesehen oder gehört. Ihre Aussage war für die Beweisfrage komplett unergiebig. Sie hat, soweit sie den Kläger belastet hat, immer nur Hörensagen aus Aussagen ihres Ehemannes, des Zeugen X. wiedergegeben. Die Widersprüche und die entsprechende Beweiswürdigung durch das Amtsgericht Krefeld sind weiterer Anlass, die Glaubwürdigkeit des Zeugen X. überprüfen zu müssen, um zu entscheiden, ob hierauf die Feststellungen, die das Arbeitsgericht getroffen hat, wirklich überzeugend gestützt werden können.

Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bis April 2015 vielen Personen in dem weitgehend ungesicherten Lager die Möglichkeit gegeben war, das Gerät, wenn es denn überhaupt dorthin gelangt ist, zu entwenden. Das Gerät ist unstreitig nicht verschollen, nachdem der Kläger es zuletzt in Händen gehabt hätte, sondern nachdem der Mitarbeiter X. es am 22.04.2014 beim Kunden I. abgeholt hat. Aufgrund einer unzureichenden Organisation der Betriebs- und Lagerungsabläufe gibt es keine Quittung über die Abgabe im Lager und überhaupt zur dortigen Einbuchung in ein Lagerbuchungssystem oder eine irgendwie geartete, nachvollziehbare Dokumentation. Damit kommt so gut wie jeder als möglicher Täter einer Unterschlagung oder eines Diebstahls in Betracht, bei weitem nicht nur andere Auslieferungsfahrer, weshalb der entsprechende Indizienbeweisantrag der Beklagten nicht weiterzuverfolgen war. Dass der Täter ein Auslieferungsfahrer sei, folgert auch die Beklagte letztlich allein wieder aus der Bekundung des Zeugen X., der mit dem Kläger eben einen solchen belastet hat.

Die Glaubwürdigkeit des Zeugen X. ist aber gerade aufgrund der vorgenannten Aspekte zweifelhaft. Seine Aussage konnte damit durch die Berufungskammer nicht zur Tatsachenfeststellung herangezogen werden, ohne ihn erneut vernommen, sich ein eigenes Bild von ihm gemacht zu haben und dabei insbesondere geprüft zu haben, ob Widersprüche in seinen Bekundungen durch sein Alter und seine gesundheitlichen Einschränkungen sowie die Anspannung und Belastung durch die wiederholten Vernehmungen begründet sein könnten, ob solche Einflüsse auch im Übrigen dann letztlich für oder gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und der allerdings immer wieder klar im Kern wiederholten Belastung des Klägers sprechen und vor allem auch, ob ein wie dargelegt aus den äußeren Umständen seiner Aussage heraus naheliegendes Eigeninteresse das Aussageverhalten und den Inhalt erheblich beeinflusst haben könnte und damit keine Glaubwürdigkeit des Zeugen mehr anzunehmen ist. Die positive Feststellung derselben ist Voraussetzung der Verwertung der Aussage für die Tatsachenfeststellung.

Sind die Feststellungen des Arbeitsgerichts fehlerhaft und ist eine begründete Beurteilung des erstinstanzlichen Gerichts zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht erfolgt oder sind die Ausführungen hierzu nicht nachvollziehbar, entfalten die Feststellungen keine Bindungswirkung (BGH vom 16.08.2016 – X ZR 96/14, juris, Rz. 29; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Auflage, § 529 Rn. 8). Das gilt auch dann, wenn eine erneute Vernehmung des Zeugen durch das Berufungsgericht nicht mehr möglich ist, weil der Zeuge verstorben oder auf Dauer vernehmungsunfähig und das Beweismittel damit unerreichbar ist. Das Berufungsgericht muss dann in eigener Verantwortung prüfen, ob die vorhandene Aufzeichnung der Aussage ihm die Überzeugung von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung der beweisbelasteten Partei vermitteln kann (BGH vom 16.08.2016 – X ZR 96/14, juris, Rz. 29). Das ist im vorliegenden Fall wie aufgezeigt schon deshalb nicht der Fall, weil erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen X. bestehen, das Arbeitsgericht diese in keiner Weise selbst aufgegriffen und einer nachvollziehbaren Würdigung unterzogen hat und die Glaubwürdigkeit damit nur durch eine eigene erneute Vernehmung des Zeugen hätte überprüft werden können. Eine infolge Vernehmungsunfähigkeit sich ergebende Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der beweisbelasteten Partei (BGH vom 16.08.2016 – X ZR 96/14, juris, Rz. 29).

Der Zeuge X. ist jedoch als Beweismittel unerreichbar und kann durch die Berufungskammer nicht mehr vernommen werden. Unerreichbarkeit eines Zeugen als dauerhaftes Hindernis der Beweisaufnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich die Berufungskammer ebenso wie zuvor bereits das LAG Köln anschließt, anzunehmen, wenn ein Zeuge vernehmungsunfähig für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist (BGH vom 25.02.2003 – 1 StR 15/03, NStZ 2003, 562; LAG Köln vom 23.03.2018 – 4 Sa 946/16, juris, Rz. 41; OLG München vom 14.02.2014 – 10 U 3074/13, juris, Rz. 15 ff.). Diese Voraussetzungen sind bei dem Zeugen X. – belegt durch entsprechende fachärztliche Atteste – gegeben. Ihm ist im Verlauf des Jahres 2018 seit dem Attest des Dr. med. C. vom 04.06.2018 mehrfach wiederkehrend Vernehmungsunfähigkeit bescheinigt worden, seit dem 05.11.2018 erneut durchgehend bis zu dem Attest des Dr. I. vom 28.01.2019 und „für die absehbare Zeit“. Der Zeuge ist damit weit über drei Monate hinaus vernehmungsunfähig gewesen und eine Wiederherstellung der Vernehmungsfähigkeit nicht absehbar. Als Beweismittel ist er damit unerreichbar geworden. Hieran hat auch keine der Parteien und insbesondere die beweisbelastete Beklagte einen Zweifel geäußert.

Damit vermag die Berufungskammer sich aber keine Überzeugung zu der dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzung auf der Grundlage einer Aussage des Zeugen X. zu verschaffen.

Die Kammer hat die von der Beklagten angebotenen anderen Beweise hinsichtlich der Vernehmung der Zeugin X. erhoben. Die Aussage der Zeugin war jedoch wie bereits aufgezeigt unergiebig zur Beantwortung der Beweisfrage und damit zum Beweis der Behauptungen der Beklagten zu einer Täterschaft des Klägers. Die Zeugin hat zu keiner Zeit den Kläger bei Verhandlungen, dem Verkaufsgespräch, der Übergabe des Gerätes oder der Bedienungsanleitung auch nur gesehen oder gehört. Ihre Angaben vom Hörensagen basieren allein auf Erklärungen ihres Ehemannes, des Zeugen X.. Soweit aber gerade dessen Glaubwürdigkeit in Frage steht, vermögen selbstredend auch seine Erklärungen gegenüber seiner Ehefrau, die diese dann lediglich wiedergegeben hat, keinen Beweis zu erbieten.

Die Vernehmung aller anderen Auslieferungsfahrer der Beklagten vermag keinen entsprechenden Indizienbeweis zu liefern. Denn entgegen der Annahme der Beklagten steht mit deren Bekundung, nicht selbst das Gerät unterschlagen zu haben – was sonst wäre wohl auch als deren Aussage zu erwarten ? – eben nicht fest, dass es dann doch der Kläger gewesen sein muss. Da objektiv gesichert allein ist, dass das besagte Gerät am 22.04.2014 beim Kunden I. durch Herrn X. abgeholt wurde und dann Ende 2015 überbracht durch Herrn X. wieder bei W. auftauchte, kommen auch andere Personen als nur Auslieferungsfahrer für eine Unterschlagung in Betracht, so Lagermitarbeiter der Beklagten oder von W., andere Personen mit Zutritt zum Gelände und zu dem seinerzeit nach Vortrag der Beklagten weitgehend ungesicherten Lager. Andere Behauptungen der Beklagten basieren eben wieder auf der Aussage des Zeugen X. dazu, wie er an das Gerät gelangt ist und sind aber ohne mögliche Glaubwürdigkeitsbeurteilung seiner Aussage eben weder feststehend noch sind sie unstreitig. Objektiv feststehende Indizien, die auf eine Täterschaft des Klägers hindeuten, gibt es nicht. Er hatte unstreitig gar keinen Kontakt zu dem streitgegenständlichen Gerät, er hat es nicht beim Kunden I. abgeholt. Er müsste es also aus dem Lager oder anderswo schlicht irgendwann entwendet haben und dass er das getan haben soll und nicht irgendein anderer, basiert allein und ausschließlich auf der Aussage des Zeugen X. und vermag keine entsprechende Überzeugungsbildung der Berufungskammer zu begründen. Gleiches gilt für Indizien wie die Altersangabe, das Reden über den 40. Geburtstag, das Aussehen und die Fußballaffinität des Klägers wie auch die Lieferung der 20er BU durch den angeblichen Täter und die hierauf aufbauende Recherche der Beklagten, dass allein der Kläger im fraglichen Zeitraum solche Lieferungen an Herrn X. vorgenommen habe. All das bzw. die Grund annahmen folgen aus der Aussage des Zeugen X. und es kann ihm ebenso wie die Handynummer des Klägers aus der längere Zeit bis Oktober 2014 stattgefundenen Betreuung durch den Kläger auf dessen regulärer Tour bekannt gewesen sein; als Indizien für eine Täterschaft des Klägers reichen diese Angaben des Zeugen, dessen Glaubwürdigkeit nicht überprüft werden kann, nicht aus.

Aufgrund der damit festzuhaltenden Beweisfälligkeit der Beklagten für die von ihr behauptete Täterschaft des Klägers ist kein Kündigungsgrund feststellbar.

b. Die Kündigungen sind des Weiteren nicht als Verdachtskündigungen wirksam bzw. sozial gerechtfertigt.

aa. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 22; BAG vom 17.03.2016 – 2 AZR 110/15, juris, Rz. 39).

Eine Verdachtskündigung kann nicht allein auf Erkenntnisse oder Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und/oder Entscheidungen eines Ermittlungsrichters wie eine Anklageerhebung oder den Erlass eines Haftbefehls gestützt werden, selbst wenn sie auf der Annahme eines dringenden Tatverdachts beruhen oder ihn voraussetzen. Solche Umstände können für sich genommen allenfalls die Annahme des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe die Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen, verstärken und damit für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB Bedeutung gewinnen (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 23; BAG vom 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, juris, Rz. 16). Sie bilden als solche aber keine objektive Tatsache, die den dringenden Verdacht eines bestimmten strafbaren Verhaltens begründen könnte. Denn für die Erhebung der Anklage setzt die Strafprozessordnung einen genügenden Anlass, für die Eröffnung des Hauptverfahrens einen hinreichenden, aber noch keinen dringenden Tatverdacht voraus (BAG vom 27.06.2017 – 9 AZR 576/15, juris, Rz. 18; BAG vom 29.11.2007 – 2 AZR 724/06, juris, Rz. 39).

Da Verdachtskündigungen immer die Gefahr in sich tragen, dass ein „Unschuldiger“ betroffen ist, ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an sie zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären (BAG vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01, juris, Rz. 33). Anderenfalls verstößt die Kündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich ist der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu den Vorwürfen anzuhören und ihm Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern.

Entscheidungen im Strafverfahren binden die über die Wirksamkeit einer (Verdachts-)Kündigung befindenden Gerichte für Arbeitssachen im Übrigen nicht. Diese haben vielmehr alle relevanten Umstände selbst zu würdigen (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 24). Gleichwohl kann ein Freispruch im Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung des Arbeitnehmers für die arbeitsgerichtliche Prüfung im Rahmen einer Verdachtskündigung Bedeutung gewinnen (BAG vom 18.06.2015 – 2 AZR 256/14, juris, Rz. 46). Das gilt nicht nur, wenn der Verdacht gegen den Arbeitnehmer im Strafverfahren vollständig ausgeräumt worden ist. Es reicht vielmehr aus, wenn Tatsachen festgestellt worden sind, die den Verdacht zumindest wesentlich abschwächen (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 24).

Die mangelnde Bindung an das Strafurteil hindert die Gerichte für Arbeitssachen nicht, in der Entscheidung enthaltene Feststellungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen. Diese sind, wenn sich eine Partei auf das Strafurteil zu Beweiszwecken beruft, im Wege des Urkundenbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 22; BAG vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, juris, Rz. 26). Dabei dürfen die Gerichte für Arbeitssachen die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen aber nicht unbesehen übernehmen. Sie haben die in der Beweisurkunde dargelegten Feststellungen einer eigenen kritischen Überprüfung zu unterziehen und den Beweiswert einer ggf. lediglich urkundlich in den Worten des Strafrichters belegten Aussage sorgfältig zu prüfen (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 25). Die beantragte Vernehmung von Zeugen darf nicht unter Hinweis auf die strafgerichtlichen Feststellungen abgelehnt werden. Außerdem müssen sich die Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers grundsätzlich einen persönlichen Eindruck von einem Zeugen verschaffen, wenn das Gericht auf dessen (Un-) Glaubwürdigkeit abstellen will. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für die Würdigung maßgeblichen Umstände in den Akten festgehalten worden sind und die Parteien Gelegenheit hatten, sich dazu zu erklären (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 22; BAG vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, juris, Rz. 29 f.).

bb. In Anwendung dieser Grundsätze scheitern die Verdachtskündigungen zum einen bereits an einer unzureichenden Ermittlung des Sachverhalts vor Ausspruch der Kündigung, zum anderen daran, dass infolge der aufgezeigten Widersprüche in der Aussage des Zeugen X. und der Bedenken an seiner Glaubwürdigkeit nicht nur kein Tatnachweis erbracht ist, sondern die Kammer auch nicht von einer großen Wahrscheinlichkeit einer Täterschaft des Klägers ausgeht. Dahingestellt bleiben kann jedoch, ob die Beklagte, nachdem sie in erster Instanz noch erklärt hat, die Kündigung werde nur auf den Tatvorwurf gestützt und nicht auf einen dringenden Verdacht, diesen Kündigungsgrund nun in der Berufung wieder aktivieren kann. Die Berufungskammer ist dabei durchaus der Ansicht, dass dies möglich sein muss, solange die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Berufungsverfahren, insbesondere aus § 67 ArbGG, beachtet werden, was hier geschehen ist.

Gleichwohl scheitern die Verdachtskündigungen bereits an einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung im Vorfeld. Denn unstreitig hat die Beklagte die Unterschrift auf dem Abholschein vom 22.04.2014 erst deutlich später, nämlich nach dem ersten Kammertermin im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht, überhaupt einer kritischen Prüfung unterzogen und bis dahin ungeprüft dem Kläger nicht nur die Tat als solche vorgeworfen, sondern auch – und das als durchaus schwerwiegendes Indiz -, dass er das Gerät ja beim Kunden I. abgeholt und in Besitz genommen habe. Da sich die Spur des Gerätes von dann an verlor, war eine Täterschaft des Klägers naheliegend, wenn man zugrunde legte, dass er ja angeblich den Abholschein unterzeichnet hatte. Dabei war bei Augenscheinnahme des Abholscheins durchaus nicht naheliegend, dass er die Unterschrift des Klägers aufwies. Hätte die Beklagte hinreichend im Vorfeld der Kündigung ermittelt, hätte sie – wie später im Kündigungsschutzverfahren geschehen – festgestellt, dass Herr X. der Mitarbeiter war, der das Gerät am 22.04.2014 abholte. Zwangsläufig hätte sich eine Befragung dieses Mitarbeiters angeschlossen. Die Beklagte hingegen hat sich letztlich auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft verlassen, obwohl auch schon im Ermittlungsverfahren zu hinterfragen gewesen wäre, ob der Zeuge X. nicht ein Eigeninteresse verfolgte, das seine den Kläger belastenden Aussagen prägte. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Kläger im Anhörungsschreiben vom 02.06.2016 vorgehalten, im März 2015, als es angeblich zur Übergabe des Gerätes an Herrn X. gekommen sei, für die zu diesem führende Tour nach G. eingeteilt gewesen zu sein und diese auch gefahren zu haben, was nicht den Tatsachen entspricht. Unstreitig ist nämlich, dass der Kläger im Oktober 2014 das letzte Mal eine Tour zu Herrn X. gefahren ist. Auch dieser Vortrag der Beklagten, der also neben dem Indiz für eine Täterschaft, welches aus dem angeblichen Besitz ab 22.04.2014 folgen sollte, ein weiteres dahin begründen sollte, dass der Kläger auch im Zeitraum der Übergabe des Gerätes der reguläre Auslieferungsfahrer des Herrn X. gewesen sei und damit leichten und routinemäßigen Zugang dorthin gehabt habe, ist unzutreffend. Bei ordnungsgemäßer und gewissenhafter, weil in alle Richtungen offen erfolgender Sachverhaltsermittlung hätte es zu solch offensichtlichen Fehlern nicht kommen können, denn welche Touren der Kläger wann gefahren ist, lässt sich zwanglos seinen Lieferscheinen und dem Dienstplan entnehmen. Und wer welche Unterschrift hat, dürfte bei der überschaubaren Anzahl von Auslieferungsfahrern ebenfalls zwanglos überprüfbar sein. Die Beklagte hat zwar pauschal behauptet, gewissenhaft ermittelt zu haben, ihrem unsubstantiierten Vortrag ist aber nicht zu entnehmen, wann und wie vor der Kündigung und warum dann gleichwohl diese Fehler passiert sind.

Unabhängig davon besteht aber auch keine große Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung durch den Kläger. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Tatkündigung kann insoweit Bezug genommen werden. Die Problematik der nicht möglichen Glaubwürdigkeitsbeurteilung beim Zeugen X., der Unergiebigkeit der Aussage der Zeugin Frau X., der unschlüssigen Beweisangebote durch Vernehmung der anderen Auslieferungsfahrer und der nicht hinreichenden Indizien für eine Täterschaft des Klägers auch im Übrigen führt nicht nur dazu, dass keine Überzeugungsbildung der Berufungskammer von der Täterschaft des Klägers möglich ist. Sie führt auch dazu, dass die Kammer selbst eine große Wahrscheinlichkeit verneint. Die Beklagte hat gegen den Kläger letztlich nicht mehr als eine Belastung durch den Zeugen X. in der Hand, dessen Aussage aber keine bindenden Feststellungen ermöglicht, da keine hinreichende Beweiswürdigung zur Glaubwürdigkeit erfolgt ist. Weder ist im Übrigen gesichert, dass der Kläger das streitige Gerät zuvor überhaupt mal in Besitz genommen hat, noch wie er und warum er besser als andere Zugriff auf das Gerät erlangt haben sollte, um es dann angeblich an Herrn X. zu veräußern.

2. Vor dem Hintergrund der Feststellung der fehlenden sozialen Rechtfertigung der zum 30.08.2016 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ist der Bedingungseintritt für die Entscheidung über den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag erfolgt. Der zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist das Arbeitsverhältnis durch das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers gegen Festsetzung einer Abfindungszahlung aufzulösen, wenn – wie hier – festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dafür muss kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würde. Es reicht aus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist (BAG vom 11.07.2013 – 2 AZR 241/12, juris, Rz. 15 mwN). Dafür wiederum genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, vom Arbeitnehmer darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen. Auflösungsgründe können sich demnach aus den Modalitäten der Kündigung als solcher und aus weiteren Handlungen des Arbeitgebers ergeben, die mit der Kündigung einhergehen (BAG vom 11.07.2013 – 2 AZR 241/12, juris, Rz. 15).

Soweit wie hier beide Parteien, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber einen Auflösungsantrag stellen und damit wechselseitig – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses behaupten, ist keine gesonderte Prüfung eines Auflösungsgrundes durch das Gericht mehr vorzunehmen. Zwar handelt es sich um zwei völlig selbständige Prozesshandlungen. Stellen beide Parteien jedoch einen Auflösungsantrag und begründen ihn jeweils mit Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bzw. einer nicht mehr den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit, hat das Gericht vom Vorliegen eines Auflösungsgrundes auszugehen. Denn es wäre geradezu widersinnig, wenn das Gericht gegen beide Parteien gleichwohl eine den Betriebszwecken dienliche und auch dem Arbeitnehmer zumutbare Fortführung des Arbeitsverhältnisses in einem solchen Fall bejahen würde (ebenso LAG Hamm vom 03.12.1998 – 4 Sa 703/98, juris, Rz. 70; Mues in: Mues/Eisenbeis/Laber, Handbuch Kündigungsrecht, 2. Auflage, Rn. 562; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Auflage, Rn. 2128 f.; ErfK/Kiel, 19. Auflage, § 9 KSchG Rn. 24; a.A. KR/Spilger, 11. Auflage, § 9 KSchG Rn. 81).

Selbst wenn man das anders sähe, läge hier jedoch ein Auflösungsgrund vor. Dieser kann auch darin bestehen, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer leichtfertig einer Straftat bezichtigt und damit an der Ehre verletzt (LAG Schleswig-Holstein vom 25.02.2004 – 3 Sa 491/03, juris, Rz. 65 ff; vgl. auch BAG vom 11.07.2013 – 2 AZR 241/12, juris, Rz. 24). Nun ergibt sich die Leichtfertigkeit der Beklagten nicht aus dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits, denn immerhin lag dem damals eine Anklageschrift zugrunde. Den dortigen Tatvorwurf im Kündigungsschutzverfahren als Behauptung zu verwenden, ist weder leichtfertig noch dann ehrverletzend. Wenn allerdings der Arbeitgeber dann wie hier die Angaben aus einer Anklageschrift im Kündigungsschutzverfahren und auch schon bei der Anhörung des Klägers leichtfertig, nämlich ohne gewissenhafte oder überhaupt nachvollziehbare Prüfung ergänzt um den Vorwurf, dieser habe das streitige Gerät als letzter in Besitz gehabt, so dass die Täterschaft naheliegend erscheint, zumindest aber ein gesonderter Erklärungsbedarf auf Klägerseite ausgelöst wird, wenn er dann weiter behauptet, der Kläger hätte den Kunden, an den angeblich ein Gerät „unter der Hand“ veräußert worden ist, im Zeitraum der angeblichen Übergabe als einziger Auslieferungsfahrer regulär aufgesucht, während er tatsächlich schon seit Monaten zuvor nicht mehr den Kunden X. auf seiner Tour hatte, sind solche Behauptungen ohne nachvollziehbar begründete Aufklärungsversuche durchaus geeignet, beim Kläger berechtigterweise den Eindruck entstehen zu lassen, dass man selbst unter Zuhilfenahme leichtfertig oder gar nicht recherchierter „Fakten“ und deren Einführung in den Kündigungsschutzprozess bereit ist, ihn einem nochmal erhöhten Risiko des Arbeitsplatzverlustes auszusetzen. Hiervon ist die Beklagte erst nach gerichtlicher erstinstanzlicher Auflage zur Vorlage von Referenzunterschriften abgerückt, also dann, als die bisherige Behauptung schlicht unhaltbar geworden und wohl überhaupt erstmals näher überprüft worden ist. Die darin liegende Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die darin zum Ausdruck kommende Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen bei dem „unschuldigen“, jedenfalls aber nicht überführten oder auch nur hinreichend verdächtigen Mitarbeiter lassen es berechtigterweise dem Mitarbeiter nicht mehr zumutbar erscheinen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Die damit begründete und zu dem beiderseits beantragten Datum (§ 9 Abs. 2 KSchG i.V.m. § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorgenommene gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat gegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 10 KSchG in Höhe von 9.537,- EUR brutto zu erfolgen.

Nach § 10 Abs. 1 KSchG beträgt der maximal mögliche Abfindungsrahmen beim Kläger 12 Bruttomonatsverdienste. Bei dem unstreitigen Verdienst des Klägers von 2.200,- EUR wäre dies ein Betrag von 26.400,- EUR brutto. Die hier festgesetzte Summe macht davon lediglich einen Anteil von 36% aus. Sie orientiert sich an der sogenannten „Faustformel“, also einem Ansatz von 0,5 Bruttogehältern pro Beschäftigungsjahr (hier 8 Jahre und 8 Monate = 8,67 x 0,5 x 2.200,- EUR). Diese Bemessung erscheint der Kammer unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeitszeit des Klägers, die bis zum Kündigungsvorwurf unstreitig unbeanstandet verlaufen ist und damit einen erheblichen sozialen Besitzstand begründet hat wie auch der Leichtfertigkeit der Beklagten bei Kündigung und Prozessführung bis 12.01.2017 gerechtfertigt. Immerhin hat sie ihre Behauptung, er habe den Abholschein vom 22.04.2014 unterzeichnet, über ein halbes Jahr in dem Kündigungsschutzverfahren aufrecht erhalten und sogar – was gleichfalls nur ins Blaue hinein und damit leichtfertig erfolgt sein kann – mit Schriftsatz vom 25.10.2018 behauptet, der Kunde I. würde den Kläger „jederzeit identifizieren“ können bei einer Gegenüberstellung, denn an den Kläger habe Herr I. das Gerät übergeben. Mit dem Kunden I. hat die Beklagte ganz offensichtlich vor Aufstellung dieser Behauptung, für die sie ihn auch als Zeugen benannt hat, keine Rücksprache gehalten. Denn da der Kläger, wie nunmehr unstreitig ist, das Gerät nicht beim Kunden I. abgeholt hat, hätte dieser ihn natürlich keinesfalls und schon gar nicht „jederzeit“ identifizieren können als denjenigen Fahrer, dem er am 22.04.2014 das Gerät übergeben hat. Den ohnehin schon mit strafrechtlichen Ermittlungen und einer Anklage belasteten Kläger durch leichtfertige und ungeprüfte Behauptungen einem nochmal höheren Risiko des Arbeitsplatzverlustes auszusetzen, rechtfertigt zum einen wie bereits aufgezeigt ohnehin bereits die Annahme der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und zudem die Festsetzung einer Abfindung in bereits deutlich spürbarer Höhe. Da andererseits die Kündigung und ihre vehemente Verteidigung durch die Beklagte aber auch nicht durchweg auf leichtfertigen Behauptungen fußten, sondern sie im Übrigen durchaus mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Anlass zur Prüfung eines dringenden Tatverdachts hatte, die Kündigung also nicht völlig im luftleeren Raum erfolgt ist, hält die Kammer einen Berechnungsansatz von 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr zwar für angemessen, aber auch ausreichend. Hier war zu berücksichtigen, dass die Chancen des Klägers auf dem zur Zeit weiterhin in guter Verfassung befindlichen Arbeitsmarkt – auch in Anbetracht des noch jungen bis mittleren Alters des Klägers – nicht allzu schlecht sein dürften. Dem Kläger hingegen, wie die Beklagte dies tut, die Kontaktaufnahme mit Mitarbeitern während des laufenden Verfahrens zur Gewinnung von Entlastungszeugen vorzuwerfen und aus seiner Rechtsverteidigung eine Reduzierung der Abfindung auf Null herleiten zu wollen, überzeugt die Kammer nicht. Das Vorgehen des Klägers rechtfertigt sich aus der Wahrnehmung berechtigter Interessen in dem teilweise hart und im Übrigen zunächst einmal von der Beklagten zu Beginn mit leichtfertig aufgestellten, unwahren Behauptungen geführten Rechtsstreit, der immerhin seine soziale Existenzgrundlage betrifft. Die Beklagte darf sich nun nicht beschweren, wenn dieses Prozessverhalten bei der Abfindungsbemessung auf sie zurückfällt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 92 Abs.1 ZPO und berücksichtigt die Anteile von Unterliegen und Obsiegen der Parteien in beiden Instanzen.

IV.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!