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Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit: Rechtliche Rahmenbedingungen

Es kommt nicht selten vor, dass sich ein Arbeitnehmer mehr Zeit für die eigene Familie wünscht oder sogar aufgrund von privaten Verpflichtungen ein erkranktes Familienmitglied pflegen muss. Wer sich bereits mit der Thematik auseinandergesetzt hat, wird wissen, wie schwierig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der gängigen Praxis tatsächlich sein kann.

Der Gesetzgeber in Deutschland versucht jedoch, diese Vereinbarkeit zu verbessern. Hier in diesem Ratgeberartikel bieten wir Ihnen die wichtigsten Informationen zu dieser Thematik und zeigen auf, welche Aspekte von Relevanz sind. Zudem geben wir einen Ausblick auf die praktische Umsetzung und zeigen die Herausforderungen auf, die mit dem Thema einhergehen.

Das Wichtigste in Kürze


Die gesetzlichen Regelungen zu Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit sind wesentliche Instrumente zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung in Deutschland. Sie ermöglichen Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit anzupassen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, wobei bestimmte rechtliche Voraussetzungen und Schutzmechanismen beachtet werden müssen.

  1. Definition und Zweck: Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit sind Maßnahmen, um Arbeitnehmern zu ermöglichen, sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, ohne ihre berufliche Tätigkeit vollständig aufgeben zu müssen.
  2. Arbeitszeitreduzierung: Bei der Pflegeteilzeit wird die Wochenarbeitszeit verringert, während bei der Familienpflegezeit eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit möglich ist.
  3. Gesetzliche Grundlagen: Grundlage bilden das Pflegezeitgesetz (2008) und das Familienpflegezeitgesetz (2012), mit wichtigen Änderungen im Jahr 2015.
  4. Dauer und Voraussetzungen: Pflegeteilzeit ist auf maximal sechs Monate begrenzt, Familienpflegezeit auf bis zu 24 Monate. Voraussetzung ist die Pflege eines nahen Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 1.
  5. Anspruchsberechtigung: Nicht alle Arbeitnehmer haben Anspruch auf Pflegezeit; dies hängt von der Größe des Unternehmens ab (unter 16 Mitarbeitern kein Anspruch auf Pflegeteilzeit, unter 26 Mitarbeitern kein Anspruch auf Familienpflegezeit).
  6. Arbeitsrechtlicher Schutz: Während der Pflegezeit besteht ein Kündigungsschutz, der 12 Wochen vor Antritt beginnt und mit dem Ende der Maßnahme ausläuft.
  7. Finanzielle Aspekte: Trotz Einkommenseinbußen gibt es staatliche Unterstützungen in Form von zinslosen Darlehen oder Zuschüssen.
  8. Praktische Herausforderungen: Die Umsetzung kann in der Praxis schwierig sein, und oft ist die Einbeziehung eines Rechtsanwalts ratsam, um die Rechte des Arbeitnehmers zu wahren.

Definition von Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit

Arbeitsrecht: Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit
Arbeitsrecht im Überblick: Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit ermöglichen es Berufstätigen, ihre Arbeitszeiten flexibel anzupassen, um pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. (Symbolfoto: evrymmnt /Shutterstock.com)

Als Pflegeteilzeit wird eben jene Zeitspanne definiert, in der ein Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Wochenarbeitszeit verringert, um bei einer pflegebedürftigen Person die Pflege durchzuführen. Die Teilzeit bedarf einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber und sie bringt eine Reduzierung des Arbeitsentgelts mit sich. Um die Reduzierung des Arbeitsentgelts wirtschaftlich abzumildern, gibt es die Möglichkeit, Zuschüsse von dem zuständigen Amt zu erhalten.

Als Familienpflegezeit wird die Zeitspanne bezeichnet, in der pflegende Arbeitnehmer eine vollständige oder teilweise Freistellung von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung erhalten. Im Gegensatz zu der Pflegeteilzeit besteht für den pflegenden Arbeitnehmer in der Familienpflegezeit keine Verpflichtung zur Arbeit. Das Arbeitsverhältnis ruht für diese Zeitspanne und wird nach Ablauf des zeitlichen Rahmens wieder normal aufgenommen.

Relevanz und Bedeutung im Kontext der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf

Die Familie und der Beruf können einen Spagat erfordern, der viele Arbeitnehmer schlichtweg überfordert. Die Relevanz sowie Bedeutung der Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit wird jedoch dadurch besonders deutlich, dass sehr viele Menschen von der Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Die Pflege verursacht Kosten, die sich nicht jeder Mensch wirtschaftlich leisten kann. Gleichermaßen verhält es sich auch mit der Unterbringung in einem Pflegeheim. Daher ist aus der Sicht von unzähligen Menschen die heimische Pflege alternativlos. Hinzu kommen noch die menschlichen Gefühle. Nicht jeder Mensch möchte einen geliebten pflegebedürftigen Menschen einer fremden Pflege überlassen. Angesichts dessen ist die Pflegeteilzeit oder auch die Familienpflegezeit eine gute Hilfe des Staates, um die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu gestalten.

Rechtlicher Rahmen

Jeder Anspruch eines Menschen in Deutschland basiert auf einem Gesetz, welches als rechtliche Grundlage fungiert. Bei der Pflegeteilzeit sowie der Familienpflegezeit ist dies nicht anders. Den wenigsten Arbeitnehmern ist jedoch der rechtliche Rahmen bekannt. Auch die sogenannten anspruchsberechtigten Personen sowie die Dauer und der Umfang der Pflegezeit respektive Familienpflegezeit sind nicht jedem Menschen geläufig.

Gesetzliche Grundlagen: Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz

Als gesetzliche Grundlage gelten sowohl das Pflegezeitgesetz als auch das Familienpflegezeitgesetz. Das Pflegezeitgesetz wurde in Deutschland im Jahr 2008 ins Leben gerufen, während hingegen das Familienpflegezeitgesetz vier Jahre später, also im Jahr 2012, von dem damaligen Gesetzgeber verabschiedet wurde. Mit dem Jahr 2015 wurden bei diesen beiden Gesetzen einige wichtige Änderungen vorgenommen, welche die praktische Umsetzung der Pflege auch während des Berufslebens erheblich vereinfachen sollten. Der Gesetzgeber verfolgte damit den rechtlichen Ansatz, dass pflegende Angehörige sich während der schwierigen Phase der Pflege keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen, respektive dass zu den Anstrengungen der Pflege nicht auch noch wirtschaftliche Sorgen hinzukommen sollen.

Dauer und Umfang der Pflegezeit und Familienpflegezeit

Arbeitnehmer können die Pflegezeit in Anspruch nehmen, um nahe Angehörige in den eigenen vier Wänden zu pflegen. Die Maximaldauer der Pflegezeit beträgt sechs Monate. Innerhalb dieses halben Jahres kann entweder eine vollständige oder eine anteilige Arbeitsfreistellung erfolgen. Dieser Anspruch ist jedoch an gewisse Mindestbedingungen geknüpft. So muss die pflegebedürftige Person ein naher Angehöriger sein, bei dem als Minimum ein Pflegegrad 1 festgestellt wurde. Überdies muss die Pflege zwingend zuhause stattfinden. Es muss allerdings beachtet werden, dass Arbeitnehmer in Unternehmen mit weniger als 16 Beschäftigten keinen Rechtsanspruch auf die Pflegezeit haben.

Die Familienpflegezeit kann von Arbeitnehmern für einen Maximalzeitraum von 24 Monaten in Anspruch genommen werden. Die Freistellung kann sowohl vollständig als auch auf anteiliger Basis erfolgen. Dies setzt allerdings voraus, dass ein pflegebedürftiger naher Angehöriger zuhause gepflegt wird. Dieser nahe Angehörige muss als Minimum den Pflegegrad 1 aufweisen und überdies muss der Arbeitnehmer mindestens eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden leisten, um den Anspruch geltend machen zu können. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Maßgabe die Zielsetzung, dass der pflegende Arbeitnehmer während der Pflegezeit die berufliche Tätigkeit nicht vollständig aufgibt. Der Rechtsanspruch besteht jedoch nur, wenn in dem Unternehmen mindestens 26 Beschäftigte tätig sind. Es muss an dieser Stelle betont werden, dass in diese Rechnung Auszubildende nicht einfliessen.

Anspruchsberechtigte Personen und pflegebedürftige nahe Angehörige

Es stellt sich nunmehr die Frage, welcher Personenkreis denn rechtlich als naher Angehöriger definiert wird. Der Gesetzgeber hat diesen Personenkreis sehr genau beschrieben. Als nahe Angehörige gelten sowohl Großeltern als auch die Eltern respektive Stiefeltern und Schwiegereltern. Zudem werden auch Ehegatten sowie Lebenspartner respektive Partner einer eheähnlichen / lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft zu den nahen Angehörigen gezählt. Auch Geschwister sowie Ehegatten von den Geschwistern sowie die Geschwister des eigenen Partners zählen dazu. Gleichermaßen verhält es sich mit den eigenen Kindern, wobei der Gesetzgeber keine Unterscheidung zwischen leiblichen Kindern und Pflegekindern / Adoptivkindern vornimmt. Die eigenen Enkelkinder zählen ebenfalls zu den nahen Angehörigen.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Viele Arbeitnehmer machen sich starke Gedanken darüber, wie sich das Arbeitsverhältnis während der Pflegeteilzeit respektive der Familienpflegezeit verhält. Insbesondere die Fragen nach dem Kündigungsschutz sowie der Vergütung stehen dabei stark im Fokus.

Kündigungsschutz während der Pflegezeit und Familienpflegezeit

Von dem Moment an, wo der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf die Pflegezeit respektive Familienpflegezeit geltend macht, ist die Kündigung rechtlich für den Arbeitgeber nicht mehr so einfach. Der gesetzlich festgelegte Kündigungsschutz beginnt 12 Wochen, bevor die Maßnahme angetreten wird. Das Ende des Kündigungsschutzes ist gleichlautend mit dem Ende der Maßnahme. Der Arbeitnehmer muss jedoch gewisse Ankündigungsfristen beachten und die Ankündigung sollte bei dem Arbeitgeber aus Beweisgründen in schriftlicher Form eingereicht werden.

Vergütung und finanzielle Unterstützung während der Pflegezeit und Familienpflegezeit

Während der Pflegezeit sowie der Familienpflegezeit hat der Arbeitnehmer finanzielle Einbußen bei dem Erwerbseinkommen, da das Arbeitsverhältnis stundentechnisch reduziert wird. Der Gesetzgeber hat diesen Fall jedoch selbstverständlich berücksichtigt und bietet pflegenden Arbeitnehmern Hilfestellungen in Form von zinslosen Darlehen oder auch Zuschüssen von dem zuständigen Amt an. Diese Hilfestellungen müssen in schriftlicher Form beantragt werden.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen

Die Nichteinhaltung von Vereinbarungen zur Pflegeteilzeit oder Familienpflegezeit kann verschiedene arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass die Inanspruchnahme der Pflegeteilzeit von einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abhängig ist. Wenn diese Vereinbarung nicht eingehalten wird, kann dies zu verschiedenen Sanktionen führen.

Eine mögliche Konsequenz könnte eine Vertragsstrafe sein. Vertragsstrafen dienen der Absicherung von Vertragspflichten und können ohne einen konkreten Schadensnachweis geltend gemacht werden.

Darüber hinaus könnte die Nichteinhaltung der Vereinbarungen auch ein Kündigungsrisiko darstellen. In bestimmten Fällen kann eine Kündigung in Betracht kommen, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden.

Es ist auch zu beachten, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Vereinbarung einer Familienpflegezeit haben. Sie müssen daher Überzeugungsarbeit leisten, um eine solche Vereinbarung zu erreichen.

Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass bestimmte Fristen und Formalitäten eingehalten werden müssen, wenn ein Arbeitnehmer eine Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen möchte. Die Nichteinhaltung dieser Fristen und Formalitäten könnte ebenfalls zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Diese Konsequenzen unterstreichen die Bedeutung der Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Pflegeteilzeit und Familienpflegezeit.

Praktische Umsetzung und Herausforderungen

Der Anspruch auf die Pflegeteilzeit sowie die Familienpflegezeit hört sich in der Theorie sehr gut an. Bedauerlicherweise sieht es in der Praxis oftmals anders aus. Dem Arbeitgeber kommt bei diesen Maßnahmen eine besondere Rolle zu. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, freiwillige Vereinbarungen zu treffen. Auf diese Weise können die betrieblichen Belange des Arbeitgebers berücksichtigt und der Anspruch des Arbeitnehmers gleichermaßen beherzigt werden. Sofern das Unternehmen des Arbeitgebers die Grundbedingungen für den Anspruch des Arbeitnehmers erfüllt, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch auch geltend machen. Im Zweifel kann es erforderlich werden, dass die Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch genommen wird. Wir stehen hierfür sehr gerne zur Verfügung.

Schlussbemerkungen

Die Pflege ist eine Herausforderung, die für Arbeitnehmer in Vollzeit kaum zu bewältigen ist. Aus diesem Grund gibt es die Pflegeteilzeit sowie die Familienteilzeit. Hierbei handelt es sich um einen rechtlichen Anspruch, den der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen kann. Dies setzt allerdings voraus, dass das Unternehmen des Arbeitgebers einige Mindestvoraussetzungen erfüllt. Ist dies der Fall, so kann die Maßnahme angetreten werden. Der Arbeitnehmer hat hierbei allerdings gewisse finanzielle Einbußen hinzunehmen, die mit staatlichen Hilfen jedoch aufgefangen werden können.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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