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Arbeitnehmererfindung bei Arbeitgeberinsolvenz

LG Magdeburg – Az.: 7 O 548/15 – Teilurteil vom 24.08.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu geben oder Rechnung zu legen, in welcher Art und in welchem Umfang sie selbst und/oder mit ihr konzernmäßig verbundene Unternehmen, die mit deutschem Patent DE … … (Titel:“ Solarzelle, Solarzellen Herstellungsverfahren und Prüfverfahren“) geschützte Erfindung (familienangehörige Patentanmeldungen sind bei dem Europäischen Patentamt, dem Chinesischen Patentamt sowie dem US-Patentamt anhängig) seit dem 01.07.2012 bis 31.12.2015 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation sowie in China und seit dem 01.07.2012 bis zum 05.01.2015 den USA verwertet haben.

Die Auskunft und Rechnungslegung ist in einem geordneten Verzeichnis zu erbringen, in dem die folgenden Angaben enthalten sein müssen:

a) Art und Umfang erzielter einzelner Verwertungen

  • aus betrieblicher Eigennutzung;
  • aus der Nutzung der Erfindungen durch alle Unternehmen, mit denen die Beklagte konzernmäßig verbunden ist oder kooperiert, einschließlich konkreter Bezeichnung der jeweiligen Unternehmen und Offenlegung des jeweils bestehenden Konzernverhältnisses, aufgrund dessen die Unternehmen die Erfindung benutzt haben oder benutzen;

b) konkrete Bezeichnung der hergestellten Stückzahlen von erfindungsgemäßen Vorrichtung (i.e. Solarzellen), der jeweiligen Herstellzeitpunkte sowie Herstellkosten, inklusive begründeter Darlegung zu deren Höhe, und/oder der einzelnen Lieferungen von erfindungsgemäßen Vorrichtungen (i.e. von Solarzellen und/oder Solarmodulen, abhängig von der jeweiligen Abgabeform) an Dritte, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte entwickelt und stellt Fotovoltaikanlagen her. Nach der Insolvenz der  Q… SE im Sommer 2012 ging der Geschäftsbetrieb auf die H GmbH über.

Bis dahin war der Kläger bei der  Q… GmbH angestellt und im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte die Koordination der Arbeitsabläufe sowie die technologische Betreuung und Weiterentwicklung der Anlagen und Prozesse innerhalb der Analyselabore. Als Arbeitnehmer der Beklagten war der Kläger – mit 3 Miterfindern – an einer Erfindung beteiligt, die mit dem deutschen Patent DE … … geschützt ist. Ziel der Erfindung ist es, die Gefahr einer potenzialinduzierten Degradation (PID) bei Solarzellen zu vermindern bzw. vollständig zu vermeiden.

Für die Inanspruchnahme der Erfindung hatten die Parteien die Teilnahme an dem   Q… Incentive-Programm vereinbart, welches für Erfindungen bis zu einem Erfindungswert von 50.000,00 € pauschale Vergütung für den Erfinder vorsieht. Für Erfindungen mit einem Erfindungswert größer als 50.000,00 € sollten die in dem Arbeitnehmererfinder zustehenden Vergütungsansprüche gemäß den gesetzlichen Regelungen ermittelt werden. Der Kläger hat bisher 430 € erhalten.

In den USA hat das Patentamt einen negativen Prüfbescheid erlassen. Dieser gilt mit Wirkung zum 06.01.2015 als fallengelassen, weil die Frist zur Beantwortung des negativen Prüfbescheides verstrichen war. Auch in China ist der Prüfbescheid negativ ausgefallen, und die Frist lief zum 14.01.2016 ab.

Die Beklagte hat angegeben, dass im Zeitraum zwischen 01.07.2012 und 30.12.2014 in Deutschland 97.557.744 Solarzellen gefertigt wurden und die Zellen einen durchschnittlichen Wert von etwa zwei Euro hätten. Es gebe keine relevanten Handlungen von Konzernunternehmen auf dem deutschen Markt. Einnahmen aus Lizenz- oder Kaufverträgen seien nicht zu verzeichnen.

Der Kläger meint, er habe ein Interesse daran zu wissen, ob der nach der Vergütungsvereinbarung als maßgebliche Schwelle genannte Erfindungswert von 50.000 € bereits erreicht sei.

Der Kläger beantragt nach Teilrücknahme in der mündlichen Verhandlung am 01.06.2016 und im Schriftsatz vom 04.07.2016,

4. die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu geben oder Rechnung zu legen, in welcher Art und in welchem Umfang sie selbst und/oder mit ihr konzernmäßig verbundene Unternehmen, die mit deutschem Patent DE … … (Titel:“ Solarzelle, Solarzellen Herstellungsverfahren und Prüfverfahren“) geschützte Erfindung (familienangehörige Patentanmeldungen sind bei dem Europäischen Patentamt, dem Chinesischen Patentamt sowie dem US-Patentamt anhängig) seit dem 01.07.2012 bis 31.12.2015 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation, China und seit dem 01.07.2012 bis zum 05.01.2015 den USA verwertet haben.

Die Auskunft und Rechnungslegung ist in einem geordneten Verzeichnis zu erbringen, in dem die folgenden Angaben enthalten sein müssen:

a) Art und Umfang erzielter einzelner Verwertungen

  • aus betrieblicher Eigennutzung;
  • aus der Nutzung der Erfindungen durch alle Unternehmen, mit denen die Beklagte konzernmäßig verbunden ist oder kooperiert, einschließlich konkreter Bezeichnung der jeweiligen Unternehmen und Offenlegung des jeweils bestehenden Konzernverhältnisses, aufgrund dessen die Unternehmen die Erfindung benutzt haben oder benutzen;

b) konkrete Bezeichnung der hergestellten Stückzahlen von erfindungsgemäßen Vorrichtung (i.e. Solarzellen), der jeweiligen Herstellzeitpunkte sowie Herstellkosten, inklusive begründeter Darlegung zu deren Höhe, und/oder der einzelnen Lieferungen von erfindungsgemäßen Vorrichtungen (i.e. von Solarzellen und/oder Solarmodulen, abhängig von der jeweiligen Abgabeform) an Dritte, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer;

5. nach erfolgter Auskunft und Rechnungslegung wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine angemessene Erfindervergütung zu zahlen, deren Höhe von dem Gericht zu bestimmen ist.

Im Hinblick auf bereits von der Beklagten erteilte Auskünfte über Lizenz- und/oder Austauschverträge und Verkäufe (ursprünglich 1 a) dritter Spiegelstrich, c) und d)) haben die Parteien den Rechtsstreit  übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass dem Beklagten kein Anspruch nach § 27 ArbnErfG zustehe, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers nach der Insolvenz nicht mit übernommen worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Auskunftsklage ist begründet. Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Leistungsanspruch zu und die Beklagte ist verpflichtet, die vom Kläger in der Klage benannten Daten zur Bezifferung seines Anspruchs zu erhalten.

Der Leistungsanspruch folgt aus § 27 Nr. 1 ArbnErfG in Verbindung mit § 9 ArbnErfG. Nach dieser Vorschrift gilt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin, dass bei Veräußerung der Diensterfindung mit dem Geschäftsbetrieb der Erwerber für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an in die Vergütungspflicht des Arbeitgebers eintritt. Der Insolvenzverwalter hat im vorliegenden Fall mit dem Geschäftsbetrieb auch die Diensterfindung veräußert, so dass grundsätzlich die Beklagte in die Vergütungspflicht eingetreten ist.

Umstritten ist jedoch, ob der Übergang der Vergütungspflicht auch eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis des Erfinders nicht mit übergeht. Diese Frage muss hier entschieden werden, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht fortgeführt hat.

Betrachtet man allein den Wortlaut des § 27 Nr. 1 ArbnErfG, so findet sich dort weder eine ausdrückliche Einbeziehung der gekündigten Arbeitnehmer noch deren Ausschluss. Soweit  B, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Auflage, Rn. 61, aus dem Umstand, dass § 27 Nr. 1 ArbnErfG vom Eintritt in die Vergütungspflicht des „Arbeitgebers“ spricht, folgert, dass kein vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber unabhängiger Anspruch begründet werden soll, überzeugt dieses Argument nicht. Schließlich ist auch in § 27 Nr. 3 ArbnErfG, der nach Ansicht von B statt des § 27 Nr. 1 ArbnErfG Anwendung finden soll, vom „Arbeitnehmer“ die Rede, ohne dass dies aus seiner Sicht gegen die Anwendung des § 27 Nr. 3 ArbnErfG spricht. Auch die parallele Verwendung des Begriffs „Eintritt“ in § 613 a BGB und § 27 ArbnErG lässt nicht den Schluss zu, dass § 27 Nr. 1 ArbnErfG einen Betriebsübergang voraussetzt. Schließlich sind jeweils andere Voraussetzungen und andere Rechtsfolgen in beiden Bestimmungen normiert.

Vielmehr führt ein systematischer Vergleich dieser Vorschriften dazu, dass das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung „Übergang des Arbeitsverhältnisses“ dafür spricht, dass der Gesetzgeber eine Differenzierung zwischen übernommenen und nicht übernommenen Arbeitnehmer gerade nicht treffen wollte. Sonst hätte man vom Gesetzgeber erwarten können, dass dieser es auch so formuliert. Denn die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Rahmen einer Insolvenz ist eher die Regel als die Ausnahme.

Bieten demnach Wortlaut und Systematik keine eindeutigen Hinweise darauf, dass nach § 27 Nr. 1 ArbnErfG die Vergütung vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist, so spricht der Sinn und Zweck des § 27 ArbnErfG – nämlich der Schutz des Erfinders auch bei Insolvenz des Arbeitgebers – dafür, den Anwendungsbereich des § 27 Nr. 1 ArbnErfG weit zu fassen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nicht fortgeführt wird, weniger schutzwürdig sein soll als der  weiter beschäftigte Arbeitnehmer. Seine Erfindung verliert nicht an Wert dadurch, dass er nicht beim Erwerber beschäftigt wird. Vielmehr profitiert der Erwerber in beiden Fällen gleichermaßen von der Erfindung, so dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb nur dem weiter beschäftigten Arbeitnehmer dieser Anspruch zustehen soll. Eine andere Auslegung benachteiligt den ohnehin mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses belasteten Arbeitnehmer zusätzlich, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund erkennbar ist. Zutreffend weist das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 10.08.2010 – 4a O 132/09)  darauf hin, dass der Erwerber diese Vergütungspflichten bei der Bemessung der Gegenleistung berücksichtigen kann und ihm zudem die Möglichkeit frei steht, die Diensterfindung freizugeben.

Schließlich birgt eine andere Auslegung zudem die Gefahr, dass der Erwerber, um entsprechenden Vergütungsansprüchen zu entgehen, die Arbeitsverhältnisse nicht mehr fortführt.

Die Auskunftspflicht ergibt sich aus § 242 BGB nach Treu und Glauben. Der Kläger benötigt die begehrten Angaben, um seinen Leistungsanspruch beziffern zu können. Nur die Beklagte ist in der Lage, die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

 

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