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Verhaltensbedingte Kündigung – Drohung und Herabwürdigung unmittelbarer Vorgesetzter

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 4 Sa 131/16 – Urteil vom 11.01.2019

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberkündigung vom 24.04.2009 zum 30.06.2009, die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Klägerin, die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und im Berufungsverfahren zusätzlich über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2009.

Die am 16.01.1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten ab dem 20.09.2001 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14.09.2001 (Kopie Bl. 242, 243 d.A.) als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 4.620,39 (vgl. Abrechnung für 06/2009, Kopie Bl. 1177 d.A.).

Die Klägerin fühlt sich über mehrere Jahre hinweg aufgrund ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft durch Vorgesetzte diskriminiert, was zu einem umfangreichen E-Mail-Verkehr führte.

Mit E-Mail vom 21.09.2008 (Kopie Bl. 61-64 d.A.) wandte sich die Klägerin persönlich an den damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. L…. Sie schilderte ihm ihr persönliches Profil, insbesondere das Vorhandensein von drei unterhaltspflichtigen Kindern, und ihre berufliche Situation. Diesbezüglich behauptete sie, schon seit einigen Jahren gegen ihre Person geführten „Guerilla-Aktionen“ von Vorgesetzten ausgesetzt zu sein, eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden zu haben und sich wegen der Brisanz des Falles deshalb direkt an den Vorstandsvorsitzenden zu wenden, weil sie es als unfair erachte, wenn er erst aus der amerikanischen Presse informiert werden würde. Sie kündigte an, sich zu Loyalität und Geheimhaltung gegenüber der Beklagten nur solange verpflichtet zu fühlen, als diese ihre Schutzpflicht gegenüber der Klägerin wahrnehme.

Mit E-Mail vom 05.02.2009 (Kopie Bl. 59, 60 d.A.) wandte sich die Klägerin erneut an den damaligen Vorstandsvorsitzenden und schilderte ihm, dass sie weiterhin unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie brachte ihre Erwartung zum Ausdruck, „dass man sich als erstes von einem Frauen- und Ausländerhasser trennt und nicht vom Opfer verlange, weiterhin mit seinem Täter zusammenarbeiten zu müssen“. In dieser E-Mail wird unter anderem ausgeführt:

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S… noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in allem: Was mir bis heute geboten wird – das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz“.

Die Klägerin wandte sich mit E-Mail vom 30.03.2009 (Kopie Bl. 27, 28 d.A.) unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten K…. In dieser E-Mail wird dem Vorgesetzten Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik und unsachliche und leere Bemerkungen vorgeworfen und dass er seit 2007 nur deswegen an seinem Platz installiert worden sei, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Sie sandte diese E-Mail an weitere 12 Mitarbeiter der Beklagten.

Die Beklagte reagierte auf diese E-Mails mit Schreiben vom 03.04.2009 (Kopie Bl. 25, 26 d.A.), in der gerügt wurde, dass einzelne Formulierungen der Klägerin durch das Beschwerderecht und ihr Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr abgedeckt seien, insbesondere die Bezeichnung einzelner Führungskräfte als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“ bzw. „Rassist“ und die gemachten Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. In dem Schreiben wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie mit ihren Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert habe. Sie wurde aufgefordert, diese Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den E-Mail-Adressaten und der S… AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen und sich bei den betroffenen Personen zu entschuldigen. Der Klägerin wurden arbeitsrechtliche Maßnahmen angekündigt, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können, sollte keine Rücknahme erfolgen. Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges wurde die Klägerin widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt.

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 15.04.2009 Stellung; wegen des exakten Wortlauts wird auf die bei den Akten befindliche Kopie (Bl. 65-69 d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.04.2009 (Kopie Bl. 23, 24 d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung zum 30.06.2009 an. Dem Anhörungsschreiben, bestehend aus Deckblatt und Anhang waren als weitere Anlage 1 das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 und als Anlage 3 die Stellungnahme der Klägerin vom 16.04.2009 beigefügt. Welche der beanstandeten E-Mails der Klägerin als Anlage 2 beigefügt waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung am 24.04.2009 zu.

Mit Schreiben vom 24.04.2009 (Kopie Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus verhaltensbedingten Gründen zum 30.06.2009.

Hiergegen hat die Klägerin mit dem am 29.04.2009 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 27.04.2009 Kündigungsschutzklage erhoben.

Im Wege der Klageerweiterung begehrt die Klägerin die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und für den Fall des Obsiegens ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Verfahren erster Instanz ruhte aufgrund der schriftlichen Anträge der Klägerin vom 13.10.2010 (Bl. 929 d.A.), 22.03.2011 (Bl. 942, 943 d.A.) und 10.09.2011 (Bl. 944 d.A.) in der Zeit von Oktober 2010 bis September 2013.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 06.11.2013 dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin stattgegeben, die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Verhaltensbedingte Kündigung - Drohung und Herabwürdigung unmittelbarer Vorgesetzter
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die in den beanstandeten E-Mails der Klägerin enthaltenen massiven Beschimpfungen anderer Mitarbeiter und ehrverletzenden Äußerungen würden zwar ein arbeitsvertragswidriges und kündigungsrelevantes Verhalten der Klägerin darstellen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete jedoch den Ausspruch einer Abmahnung, wenn hierdurch der Arbeitnehmer angehalten werde, sich künftig wieder vertragstreu zu verhalten. Das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 enthalte Elemente einer Abmahnung. Dadurch, dass die Beklagte der Klägerin in diesem Schreiben die Gelegenheit zur Entschuldigung bzw. zur Rücknahme der in Rede stehenden Äußerungen gegeben hat, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei. Dies führe zu der Bewertung, dass die gerügten Äußerungen und Vergleiche der Klägerin ohne eine vorherige Abmahnung nicht geeignet seien, einen Grund für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung abzugeben.

Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin berücksichtige nicht die in ihrem Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel und erweise sich deshalb als unbegründet.

Gegen das den Parteien am 18.11.2013 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem am selben Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 22.11.2013 und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Telefax vom 16.12.2013 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 27.01. bzw. 20.02.2014 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 27.01.2014 bzw. Schriftsatz vom 20.02.2014 begründet.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe dadurch in grobem Umfang gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, dass ihre Führungskräfte K… und We… als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“ bzw. „Rassist“ bezeichnet und in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten des Vorgesetzten K… infrage gestellt habe. Des Weiteren habe sie einen diffamierenden Vergleich der Umstände bei der Beklagten mit dem Leid der jüdischen Mitbürger während der NS-Zeit angestellt. Darin sei eine schwerwiegende Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht zu sehen. Hierdurch sei ein irreparabler Vertrauensverlust eingetreten und die für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche negative Prognose begründet. Einer Abmahnung habe es vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurft. Eine vorherige Abmahnung sei nämlich dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handle, dass dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar sei und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen werden könne. Die Klägerin habe angesichts der zahlreichen grob ehrverletzenden und diskreditierenden Äußerungen gegenüber der Beklagten, ihren Vertretern und ihren Mitarbeitern nicht damit rechnen können, dass dies von der Beklagten hingenommen werde. Die Art der ehrverletzenden Äußerungen, mit der die betrieblichen Umstände und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen System und dem Leid der jüdischen Mitbürger verglichen würden, führe bei einem verständigen Arbeitgeber zu einem nicht mehr zu kittenden Vertrauensverlust. Diese Pflichtverletzungen seien so gravierend, dass für die Klägerin die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Ferner sei in Anbetracht der Schwere der Verstöße für sie erkennbar gewesen, dass die Hinnahme dieses Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen sei.

Der negativen Prognose stehe der Inhalt ihres Schreibens vom 03.04.2009 nicht entgegen. Es sei ihr nicht verwehrt, sich auf einen Kündigungssachverhalt zu berufen, weil sie der Klägerin Gelegenheit gegeben habe, sich für ihre Pflichtverstöße zu entschuldigen. Sie habe in dem Schreiben vom 03.04.2009 nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Pflichtverstöße als ausreichend sanktioniert und die Sache als erledigt ansehe, sondern   hinreichend deutlich gemacht, dass das weitere Vorgehen von der Reaktion der Klägerin abhänge. Die Klägerin habe ihre Äußerungen nach Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 nicht ausdrücklich zurückgenommen und hierdurch die in den Äußerungen liegenden Pflichtverletzungen und die daraus resultierende Zerstörung des Vertrauensverhältnisses manifestiert und verstärkt.

Die Pflichtverletzungen würden so schwer wiegen und das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis derart stören, dass die Interessenabwägung nicht zugunsten der Klägerin ausfallen könne.

Sie sei als international agierendes Unternehmen gerade in den Jahren 2008 und 2009 stark im Fokus der Öffentlichkeit gestanden und habe deshalb größten Wert darauf legen müssen, durch ihre Vertreter und Mitarbeiter unternehmensintern und in der Öffentlichkeit nicht mit ehrverletzenden oder diskreditierenden Äußerungen in Verbindung gebracht zu werden. Bei den nicht hinzunehmenden Äußerungen der Klägerin habe es sich nicht um eine einmalige Entgleisung gehandelt, sondern eine fortlaufende Verhaltensweise. Dies trotz mehrfacher Maßnahmen, die zu einer Deeskalation hätten beitragen sollen. Durch diese Äußerungen sei Unruhe im Betrieb entstanden und Mitarbeiter hätten sich geäußert, künftig mit der Klägerin nicht zusammenarbeiten zu wollen.

Der bei ihr bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Im Deckblatt des Anhörungsbogens sei ihm die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder mitgeteilt worden, die sich aus den Abrechnungsunterlagen ergeben hätte. Die E-Mail der Klägerin vom 21.09.2008, in dem sie ihre persönlichen Verhältnisse geschildert habe, sei zudem als Anlage 2c dem Betriebsrat zugeleitet worden. Damit sei er über die Familienverhältnisse der Klägerin umfassend informiert worden. Da der Betriebsrat mit den Gesamtvorgängen um die Klägerin bereits zuvor immer wieder befasst worden sei, seien ihm die persönlichen Verhältnisse der Klägerin positiv bekannt gewesen. Im Übrigen komme es im Hinblick auf das Gewicht der Vertragsverstöße der Klägerin nicht darauf an, wie viele unterhaltsberechtigte Kinder zum Kündigungszeitpunkt vorhanden gewesen seien. Die in dem Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 angesprochene Anlage 2 habe aus den Anlagen 2a (E-Mail der Klägerin vom 30.03.2009), 2b (E-Mail Konvolut vom 24.09.2008) und 2c (E-Mails an den damaligen Vorstandsvorsitzenden L… vom 21.09.2008 und 05.02.2009) bestanden. Der Anlage 2c sei der vollständige Inhalt des Judenzitats zu entnehmen.

Dieses enthalte eine Tatsachenbehauptung, denn ein „Erleben“ betreffe einen tatsächlichen Vorgang und keine rein subjektiv-persönliche Einschätzung. Die Klägerin habe gewusst, welchen Stellenwert ein solcher Vergleich in Deutschland habe. Dadurch, dass sie diesen Tatsachenvergleich zur Charakterisierung der Zustände bei der Firma S… einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, habe sie größtmögliche Wirkung zum Nachteil der Arbeitgeberin erzielen wollen.

Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Klägerin sei nicht mehr zu erwarten. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb gemäß § 9 Abs. 2 KSchG gerichtlich aufzulösen. Die zahlreichen Spannungen, die sich während des Kündigungsschutzprozesses gezeigt hätten, ließen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als sinnlos erscheinen. Die Klägerin habe die Beklagte in zahlreichen Äußerungen gegenüber der regionalen und überregionalen Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Auch von ihrem Judenvergleich habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern vielmehr die Arbeitgeberin bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24.02.2010 habe sie diesbezüglich sogar eine Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eingereicht. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen gegen die Mitarbeiterin Se… aus der Personalabteilung und den Mitarbeiter R… aus der Presseabteilung der Beklagten wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz erstattet. Die Klägerin habe die Namen der beiden Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt und der Presse mitgeteilt, so dass deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt worden sei. Sie habe in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin das Ansehen der Firma beeinträchtigt, denn sie habe der Arbeitgeberin gegenüber den Vorwurf erhoben, auf Kosten ihrer Person die Ressentiments in der Gesellschaft gegen Menschen mit Migrationshintergrund anzuheizen und die Deutschen zum Zorn zu reizen. Ferner behaupte sie, Augenzeuge eines Selbstmords in ihrem Betrieb, Augenzeuge der Diskriminierung von behinderten und krebskranken Menschen, der Diskriminierung der Senioren und diverser Benachteiligungen der Frauen, die von der Schwangerschaft zurückkämen, gewesen zu sein. Dieser offene Brief sei auf der Homepage der Klägerin veröffentlicht worden.

In einer E-Mail vom 31.08.2009 an mehrere Mitarbeiter und Mitglieder des Betriebsrats habe sie dem Betriebsrat gegenüber den Vorwurf erhoben, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

Wegen der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehe kein Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung, egal zu welchem Inhalt. Zudem würden wegen der geschilderten Auflösungsgründe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits Gründe für eine Nichtbeschäftigung überwiegen.

Die Klägerin wendet dagegen ein, die Berufung der Beklagten sei bereits unzulässig, da sie sich mit der die Kündigung tragenden Prognoseentscheidung nicht substantiiert auseinandersetze.

Zur Begründung der Kündigung werde eine bewusst gekürzte und sinnentstellende Fassung des Judenvergleichs in der E-Mail vom 05.02.2009 wiedergegeben. Aus der vollständigen Wiedergabe des gesamten Satzes werde offensichtlich, dass die Klägerin dem Vorstandsvorsitzenden lediglich ihr subjektiv-persönliches Erleben und Empfinden mitgeteilt habe. Sie habe weder betriebliche Vorgänge genannt noch Handlungen des Arbeitgebers bezeichnet und erst Recht habe sie keinen Vergleich zwischen Tatsachen und Handlungsweisen zwischen Betrieb einerseits und dem Dritten Reich andererseits angestellt, sondern sich lediglich über das Maß der Beeinträchtigung ihrer Gefühle geäußert. Ihre damalige Gefühlswelt sei dadurch stark geprägt gewesen, dass sie über Jahre hinweg bei der Beklagten von ihren Vorgesetzten diskriminiert, isoliert und herabgewürdigt worden sei. Es möge zwar die von der Klägerin getätigte Äußerung nicht jedermanns Wohlgefallen finden und insbesondere in Deutschland allerlei spezielle Befindlichkeiten berühren. Da sie aus Afghanistan stamme und erst im Alter von 26 Jahren nach Deutschland übersiedelt sei, habe sie nicht die gleiche spezielle Sensibilität für dieses Thema haben können, wie ein in Deutschland aufgewachsener Mitbürger, als sie diese spezifische Art der Umschreibung ihrer verletzten Gefühlswelt gewählt habe. Insofern sei die Annahme des Erstgerichts, es könne sich hierbei um einen kündigungsrelevanten Sachverhalt handeln, unzutreffend. Unzutreffend sei auch die Behauptung, sie habe eine Führungskraft als unterbelichtenden Frauen- und Ausländerhasser bezeichnet. In ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009 habe sie diese Ausdrucksweise relativiert und ihre Ausdrucksweise durch konstruktive Selbstkritik geläutert. Zu keinem Zeitpunkt habe sie die Führungskraft We… als „Rassist“ bezeichnet.

Im Rahmen der an den Vorstand herangetragenen Beschwerde sei auch eine überspitzte und polemische Kritik zulässig und verletze nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Bei der Konkretisierung dieser Pflicht seien stets die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu beachten.

Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 03.04.2009 zum Ausdruck gebracht, dass bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses nichts im Wege stehe. Damit fehle es an der für die Kündigung erforderlichen negativen Zukunftsprognose. Eine erfolglose Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen, denn es liege keine so schwere Pflichtverletzung vor, dass ohne weiteres erkennbar gewesen sei, eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber sei offensichtlich ausgeschlossen. Sie habe lediglich ihre verletzte Gefühlswelt beschrieben und keinen Mitarbeiter der Beklagten als Nazi bezeichnet und im Verhältnis zum NS-Regime keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Im Rahmen der Interessenabwägung lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge völlig außer Acht. Der Betriebsfrieden werde nicht durch sie, sondern durch ihre damaligen “Mobber“ gestört.

Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, da der Betriebsrat nicht gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden sei. Dem Betriebsrat sei in dem Anhörungsbogen vom 21.04.2009 wahrheitswidrig mitgeteilt worden, sie habe nur ein Kind, dem sie unterhaltsverpflichtet sei. Dabei habe die Beklagte aufgrund ihrer E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden vom 21.09.2008 gewusst, dass sie drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sei. Im Rahmen der Interessenabwägung würde die Anzahl der Kinder stets eine Rolle spielen. Unzutreffend sei, dass dem Betriebsrat ihre persönlichen Familienverhältnisse bekannt gewesen seien. In dem Anhörungsschreiben selbst seien keine ausreichenden Kündigungsgründe genannt und es sei nicht Aufgabe des Betriebsrats, sich aus einem Anlagenkonvolut das passende herauszusuchen. Dem Betriebsrat gegenüber sei das Judenzitat zudem falsch wiedergegeben worden.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei abzuweisen, denn dieser erweise sich wegen der Unzulässigkeit der Berufung und der Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG als unzulässig. Auch der Verzicht der Beklagten auf ein etwaiges Kündigungsrecht durch Schreiben vom 04.03.2009 führe rechtlich zum Ausschluss der Auflösungsmöglichkeit. Bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG könnten zudem nur Sachverhalte nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Berücksichtigung finden. Mehrere Jahre zurückliegende Vorgänge seien nicht geeignet, den in die Zukunft zielenden Auflösungsantrag sachlich zu rechtfertigen. Die Fortführung des von ihr angestrengten Mobbingprozesses gegen die Beklagte bringe es mit sich, dass Vorwürfe gegen Vorgesetzte vorgebracht werden müssten. Dies könne nicht dazu führen, einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin zu rechtfertigen. Unzutreffend sei die Behauptung der Beklagten, sie hätte die Presse und Öffentlichkeit gesucht, vielmehr sei die Presse aktiv auf sie zugekommen.

Ihre Strafanzeige vom 24.02.2010 sei zu Recht erfolgt, denn die Beklagte habe ihr gegenüber im Schriftsatz vom 22.10.2009 und in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2010 den Vorwurf der Holocaust-Verharmlosung erhoben, was einen strafrechtlichen relevanten Vorgang gem. §§ 185, 186 StGB darstelle. Insoweit habe sie zur Vermeidung beruflicher Nachteile in zulässiger Weise ihre staatsbürgerlichen Rechte wahrgenommen. Auch die Strafanzeige gegen zwei Mitarbeiter der Beklagten sei gerechtfertigt gewesen. Denn der Zeitschrift „Stern“ seien Informationen zugeleitet worden, die Inhalt ihrer Personalakte gewesen seien und sie selbst Reportern dieser Zeitschrift nicht mitgeteilt habe. Die Herausgabe der persönlichen Daten an die Presse habe zwangsläufig nur durch Mitarbeiter der Beklagten bewerkstelligt werden können. Sie haben den Stern-Artikel als Rufmord empfunden und im Rahmen der Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen von ihren rechtsstaatlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht.

Ihr Brief an die Bundeskanzlerin sei schon längst nicht mehr auf ihrer Homepage und könne deshalb keine aktuellen negativen Auswirkungen mehr entfalten.

Der Angriff gegen den Betriebsrat im Jahr 2009 habe auf ihrer Verärgerung beruht, da sich dieser nicht für sie eingesetzt habe.

Dem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines fortlaufend diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere und sogar Vergeltungsmaßnahmen einleite, sei es aufgrund europarechtlicher Vorgaben verwehrt, von einer nach einfachem nationalem Recht eröffneten Möglichkeit der Vertragsbeendigung Gebrauch zu machen. Insoweit sei eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Der als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende E… habe sich hinsichtlich der dem Betriebsrat in Anlage des Anhörungsschreibens überlassenen Unterlagen widersprüchlich geäußert. Die Anlagen 2b und 2c seien dem Betriebsrat nämlich nicht zugeleitet worden. Es sei zeitlich gar nicht möglich gewesen – wie vom Zeugen geschildert – die 29 Seiten in der Betriebsratssitzung zu verlesen. Dies sei auch nicht im Rahmen ihrer telefonischen Anhörung durch den Betriebsratsvorsitzenden erfolgt, denn das Telefonat habe lediglich etwa 15 Minuten gedauert. Als sie am 24.04. um 8.30 Uhr den Personalreferenten Wei… der Beklagten angerufen habe, sei diesem die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung bereits vorgelegen und etwa zwei Stunden später sei das Kündigungsschreiben durch den Werkschutz der Beklagten in ihren Briefkasten eingeworfen worden.

Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt sie vor, die Beklagte habe sie aufgrund des gewonnenen Kündigungsrechtsstreits zu den zuletzt praktizierten arbeitsvertraglichen Bedingungen tatsächlich zu beschäftigen, hilfsweise auch zu anderen vertragskonformen Konditionen.

In den Verhandlungsterminen vom 09.07.2014 und 07.08.2014 ist Beweis erhoben worden gemäß den Beweisbeschlüssen von diesen Tagen durch uneidliche Einvernahme der Zeugen E…, H… W…, G… und Ki… sowie der Klägerin als Partei.

Hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 09.07.2014 (Bl. 1431 – 1437 d.A.) und vom 07.08.2014 (Bl. 1516 – 1527 d.A.) sowie den Beschluss vom 06.11.2014 (Bl. 1678 – 1680 d.A.) verwiesen.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2014 wie folgt erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13, teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses begehrt.

II. Auf Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2009 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von EUR 37.600,–

(in Worten: Euro siebenunddreißigtausendsechshundert) brutto aufgelöst.

III. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

IV. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

VI. Die Revision wird zugelassen.

Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.11.2015 (Az.: 2 AZR 217/15) das angegriffene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, die Berufung der Beklagten sei entgegen der Rechtsansicht der Klägerin zulässig, denn sie sei ausreichend begründet worden. Dies insbesondere was die negative Zukunftsprognose wegen eines irreparablen Vertrauensverlustes, die geltend gemachten Pflichtverletzungen der Klägerin und die Entbehrlichkeit einer Abmahnung anlangt.

Mit der gegebenen Begründung habe das Landesarbeitsgericht nicht annehmen dürfen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

Eine Kündigung sei iSv. § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Absatz 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers könne eine Kündigung rechtfertigen (BAG v. 03.11.2011 – 2 AZR 748/10 – Rn. 20;  v. 24.03.2011 – 2 AZR 282/10 – Rn.12; v. 12.05.2010 – 2 AZR 845/08 – Rn. 20).

Eine Kündigung scheide dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG v. 31.07.2014 – 2 AZR 434/13 – Rn. 19; v. 03.11.2011 – 748/10 – aaO. mwN). Einer Abmahnung bedürfe es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Absatz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – Rn. 20; v. 31.07.2014 – 2 AZR 434/13 – Rn. 39).

Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Die Aufforderung zur Stellungnahme habe erkennbar dazu gedient, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung sei lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ erfolgt und lasse sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

Nach § 241 Absatz 2 BGB sei jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, könne – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen (BAG v. 13.05. 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 43; v. 08.05.2014 – 2 AZR 49/13 – Rn. 19 f.; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.).

Mit den E-Mails vom 21.09.2008 und 05.02.2009 könne eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die – amerikanischen – Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche – wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen – nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedürfe es der Auslegung der E-Mails gem. §§  133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, sei bislang nichts ersichtlich.

In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21.09.2008 könne eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30.03.2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer – auch unternehmensöffentlich – Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, müsse der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Absatz 1 BGB: BAG v. 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 22; v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 – Rn. 17; v. 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – Rn. 22; v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 – zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung: BAG v. 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 – Rn. 45).

Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 05.02.2009 werde durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen sei. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. BAG v. 07.07.2011 – 2 AZR 355/10 – Rn. 14; v. 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – Rn. 19), liege jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin habe ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Absatz 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, werde unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen sein, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar sei, das Arbeitsverhältnis – ggf. nach Abmahnung – auf Dauer fortzusetzen. Hierbei könne zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gebe, was ggf. näher aufzuklären sei. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck gehabt habe, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung – objektiv – unzumutbar sei, könne außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, möge dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits habe sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies habe sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

Zu Recht habe das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Die Beklagte habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 21.04.2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. Es habe nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts gefehlt. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung habe die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin seien ebenso in Bezug genommen worden wie das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009. Die Beklagte habe ihre Einschätzung mitgeteilt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails hat die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen verwiesen. Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme seien diese Anlagen – einschließlich der Anlage „2c“ – dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt worden. Das Landesarbeitsgericht habe in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen gehalten habe, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liege nicht vor. Das Landesarbeitsgericht habe berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E… zum Teil widersprochen hätten. Maßgeblich sei für das Landesarbeitsgericht gewesen, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21.04.2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es habe daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

Die Anhörung des Betriebsrats sei nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Für das Landesarbeitsgericht habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festgestanden, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert gewesen sei. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin gekannt habe, sei ebenfalls erkennbar gewesen, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin habe handeln können.

Die Beklagte habe die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorgelegen habe.

Aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht ist den Parteien mit Auflagenbeschluss vom 03.05.2016 (Bl. 1758 – 1760 d.A.) Gelegenheit gegeben worden, zu den noch klärungsbedürftigen Tatsachen- und Rechtsfragen abschließend Stellung zu nehmen.

Die Klägerin trägt zur Problematik einer an die Beklagte gerichteten Drohung in ihren E-Mails vom 21.09.2008 und 05.02.2009 vor, der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts entbehre jeglicher Grundlage, da eine solche Drohung in keiner der E-Mails enthalten sei. In der E-Mail vom 21.09.2008 habe sie sogar ausdrücklich geschrieben, dass sie eine Einschaltung der amerikanischen Medien als unfair ansehe. Sie habe damit zum Ausdruck gebracht, solche unfairen Methoden abzulehnen und gerade deshalb nicht die amerikanischen Medien eingeschaltet, sondern sich an den Vorstandsvorsitzenden gewandt. Bei der E-Mail vom 21.09.2008 habe es sich um einen vertraulichen Beschwerdebrief an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten gehandelt, der per „CC“ lediglich an zwei weitere Vorstandsmitglieder der Beklagten gegangen sei. Die Weitergabe sei unzulässig und rechtswidrig gewesen, weshalb das Schreiben für die Frage einer Kündigung nicht herangezogen werden dürfe. Wenn ihr Kommunikationspartner gegen ihren Willen die Vertraulichkeit aufgehoben habe, könne dies nicht zu ihren Lasten gehen.

Mit der Formulierung „jeder unterbelichtete Frauen- und Ausländerhasser“ habe sie keinen direkten Vorgesetzten beleidigt. Diese Äußerung sei in einer vertraulichen Kommunikation enthalten gewesen, insoweit genieße ihr Persönlichkeitsrecht besonderen Schutz. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Vertraulichkeit durch das Vorstandsbüro der Beklagten aufgehoben worden sei. Die Beklagte verkenne bei der Bewertung der Äußerung „jeder unterbelichtete Frauen- und Ausländerhasser“ als ehrverletzend, dass diese pointierte Äußerung nicht isoliert betrachtet werden könne, sondern im Kontext einer Sachauseinandersetzung gestanden habe. Sie habe auf die bis dahin fehlende wirksame Abhilfe durch die Arbeitgeberin, die Übergriffe bestimmter Vorgesetzter betreffend, reagiert. In diesem Kontext hätten auch die inkriminierten Äußerungen auf berufliche Kenntnisse von Personen und Verhalten von Personen im Betrieb gestanden.

Bei den Adressaten der E-Mail vom 30.03.2009 habe es sich um keine x-beliebigen Mitarbeiter gehandelt, sondern um folgende direkte Vorgesetzte bzw. Kollegen von Herrn K…: We… (Abteilungsleiter Global Procurement), Wei… (Personalreferent),  Ki… (Personalreferent), G… (Büroleiter des Vorstandsvorsitzenden), B… (Leiter Drive Technology), Wi… (Kaufmännischer Leiter Drive Technology), Ba… (Leiter Global Procurement), Hi… (Vorstandsmitglied), Er… (Personalvorstand), Sch…, Ho… und Be… (Teamleiter Global Procurement). Sämtliche dieser Personen waren in die Sache W… bereits involviert. Es sei zulässig und nicht zu beanstanden, in dem Schreiben ihren unmittelbaren Vorgesetzten K… klar und unmissverständlich aufzufordern, sein Mobbing, Bossing, seine unberechtigte Kritik und seine unsachlichen und leeren Bemerkungen ab sofort zu unterlassen und ihm für den Fall der Fruchtlosigkeit der Aufforderung strafrechtliche und zivilrechtliche Schritte anzukündigen. Sie habe anhand von Sachthemen aus dem Tagesgeschäft dargelegt, warum der Vorgesetzte K… nicht in der Lage sei, sie im Rahmen des EFA-Gespräches sachgerecht zu bewerten, da er viele der aufgezählten Themen nicht detailliert genug kenne. Im Kontext der dargelegten fachlichen Defizite habe auch die Äußerung gestanden, „er habe Glück, ein Mann zu sein“ und „seine Fähigkeiten reichten offensichtlich dafür, als Führungskraft zu fungieren und täglich mehr und mehr Schaden für S… AG zu verursachen“. Sie habe mehrfach versucht, ihm den Unterschied zwischen „cost“ und „price“ zu erklären, was erfolglos gewesen sei. Der Gesamtkontext dieser E-Mail zeige, dass es ihr nicht darum gegangen sei, Herrn K… zu beleidigen, sondern um die – wenngleich bestimmte und nachdrückliche – Aufforderung an Herrn K… zu einer künftig leistungsgerechten Beurteilung. Sie habe sich bei Abfassung des Schreibens gedemütigt gefühlt, da die Nachricht über ihre Kündigung bereits am 16.03.2009 betriebsbekannt geworden sei. Ihr Schreiben vom 30.03.2009 sei im Gesamtkontext sachlich gehalten, überspitzte Formulierungen an einzelnen Stellen könnten diesen Gesamteindruck nicht verändern.

Sie selbst habe zur keiner Zeit Rücksichtnahmepflichten verletzt, sondern sei vom Arbeitgeber im Stich gelassen worden. Hätte dieser bereits auf ihren Beschwerdebrief vom Oktober 2007 angemessen reagiert, wären keine weiteren Schreiben erforderlich geworden. Durch das Ignorieren ihrer Beschwerde habe die Arbeitgeberin zur Verschlechterung des Betriebsklimas beigetragen und ihren Vorgesetzten K… in seinem Handeln weiter bestärkt. Die Arbeitgeberin sei gehalten gewesen, durch Ausübung ihres Weisungsrechts auf die involvierten Arbeitnehmer einzuwirken, um damit die Konfliktsituation zu entschärften und zu beheben. Diesbezüglich hätte sich auch der Einsatz eines externen Mediators angeboten.

Im vorliegenden Fall hätte es einer Abmahnung selbst dann bedurft, wenn man der Unterstellung der Beklagten, es hätten in der Vergangenheit kündigungsrelevante Pflichtverletzungen vorgelegen, folgen würde. Ein angeblicher „irreparabler Vertrauensverlust“ habe nicht vorgelegen, denn das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 zeige, dass auch nach deren Meinung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen sei. In diesem Schreiben würden mögliche arbeitsrechtliche Maßnahmen nur für den Fall in Aussicht gestellt, dass Behauptungen wiederholt oder nicht fristgerecht zurückgenommen würden. Da die Beklagte eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, mit einer Entschuldigung könne alles aus der Welt geschaffen werden, habe sie die Behauptung eines angeblich bestehenden irreparablen Vertrauensverlustes selbst widerlegt.

In Bezug auf die Würdigung ihrer E-Mail vom 16.04.2009 sei es lebensfremd, wenn sich das Bundesarbeitsgericht eine einseitig von ihr ausgehende Entschuldigung vorgestellt habe und rätselhaft bleibe, was unter den „beanstandeten Äußerungen“ zu verstehen sei. Die Beklagte habe von ihr eine Entschuldigung pauschal für alles verlangt und es sei nicht klargestellt worden, wofür sie sich habe entschuldigen sollen.

Für die Verwendung des Ausdrucks „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“ habe sie sich ausdrücklich entschuldigt. Diese Äußerung habe im Zusammenhang mit den Verhaltensweisen des Herrn K… gestanden, der sie am 16.10.2007 als „Walross“ bezeichnet habe. Aufgrund der Vorfälle im Oktober 2007 sei der Sozialberater Sel… eingeschaltet worden. Während eines Gesprächs bei Herrn Sel… habe Herr K… am 26.10.2007 in ihre Richtung von sich gegeben: „Aus der Ecke wo Du herkommst, möchte ich nicht kommen und nichts damit zu tun haben. … Ihr Araber seid alle gleich“.

In einem persönlichen Gespräch habe ihr der Vorgesetzte K… am 26.10.2007 erklärt, „Alle hätten mir ihr Probleme, wollten aber nicht erkannt werden, weil sie vor ihr Angst hätten“. Im Juli 2008 habe er zu ihr gesagt: „Ein Japaner ist und bleibt ein Japaner, auch wenn man ihm 20 Mal die deutsche Staatsbürgerschaft gewähren würde“. Die Bezeichnung als Walross sei beleidigend und frauenfeindlich gewesen und die weiteren Sprüche über Araber und Japaner offenkundig ausländerfeindlich. Es habe deshalb nicht ferngelegen, jemanden, der Frauen herabwürdigt und eine ausländerfeindliche Gesinnung an den Tag legt, überspitzt als „unterbelichtet“ zu bezeichnen. Eine solche politische Einordnung einer Person unterliege dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. In ihrer Stellungnahme habe sie klargestellt, dass sie diesen Ausdruck nicht zum Zweck der Beleidigung oder sonstigen Rufschädigung eingesetzt habe, sondern die Enttäuschung und der Ärger und ein sehr langes Mobbing seit 2002 ursächlich für diesen Ausdruck gewesen sei. Im Herbst 2007 habe er die Aussage getätigt: „Du bringst als Frau ein derartiges Potential an Widerstand mit, dass jeder Mann dadurch seine Ehre beleidigt und verletzt fühlt“. Obwohl sie sich im Jahr 2007 diesbezüglich bei der Geschäftsleitung beschwert habe, habe diese keinerlei kündigungsrechtliche Sachverhaltsrelevanz gegen Herrn K… festgestellt, ihm noch nicht einmal eine Abmahnung erteilt oder ihn aus der Abteilung entfernt. Am 15.05.2008 habe Herr K… an zahlreiche Mitarbeiter der Abteilung eine frauenfeindliche E-Mail mit Grafik versandt, die sie als Anlage K 8 vorgelegt habe. Bei den Äußerungen gegenüber Herrn K… sei als Tatsachengrundlage zudem zu berücksichtigen, dass er ihrem Ehemann gegenüber in einem Telefonat geäußert habe: „Die steht irgendwo rum. Die Weiber schmarren den ganzen Tag. So sind die Weiber“. Herr K… habe zudem häufig Wörter aus dem Fäkal- und Abdominalwortschatz benutzt, die überwiegend – am IQ gemessen – in unteren Bevölkerungsschichten verwendet würden. Wer mit einem eher unterdurchschnittlichen IQ gesegnet sei, werde im Volksmund häufig als „unterbelichtet“ bezeichnet.

Dem „Judenzitat“ und dem Filmzitat aus „Der Pate“ kämen keine für die Beklagte negativen Aussagegehalte zu. Aus ihrer Sicht habe deshalb kein Grund bestanden, sich zu entschuldigen. Dass sie die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem habe gleichsetzen wollen, sei abwegig. Sie habe während des gesamten Prozesses darauf hingewiesen, dass diese seinerzeitige Äußerung lediglich eine Wiedergabe ihres seelischen Erlebens und Empfindens dargestellt habe. Von der Auslegung, welche von der Beklagten dem Zitat irrtümlich beigemessen sei, habe sie sich von Anfang an mit Nachdruck distanziert und dieses Zitat nie mehr wiederholt. Das Zitat aus dem Spielfilm „Der Pate“ („Es beleidigt meine Intelligenz“) habe ihre Person betroffen und nicht die Beklagte und den Vorsitzenden als Adressaten ihres Schreibens zum Nachdenken anregen sollen.

Sie habe sich in einer Ausnahmesituation befunden, denn Mobbing und Diskriminierung seitens der Vorgesetzten von April 2002 bis April 2003 hätten zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Von Oktober 2002 bis Juli 2003 sei sie diesbezüglich vom Sozialberater Sel… und der betriebsärztlichen Stelle durch Frau Dr. Wu… betreut worden. Ursächlich seien die Geschehensabläufe gewesen, wie auf Bl. 1942, 1943 d. A. dargestellt. Ihre E-Mails von September 2008 und Februar 2009 würden zeigen, dass sie von einer völlig verzweifelten Mitarbeiterin stammen, die bis zur Einschaltung des Vorstandsvorsitzenden alles versucht habe, jahrelanges Mobbing zu beenden, der man aber jeglichen Schutz verweigert habe. Diesbezüglich habe sie in der E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden von einem siebenjährigen Martyrium gesprochen und in der E-Mail an Herrn K… vom 30.03.2009 davon, dass man ihr als intellektueller Frau das Leben zur Hölle gemacht habe. Aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes habe sie Opium-Präparate zur Schmerzstillung und zur Sedierung einnehmen müssen, weshalb davon auszugehen sei, dass die letzten beanstandeten E-Mails vom Jahr 2009 unter dem Einfluss von Opiaten geschrieben worden seien; sie sei deshalb schuldunfähig gewesen und könne nicht für diese E-Mails verantwortlich gemacht werden.

Von dem Sozialberater Sel… sei sie am 29.10.2007 darüber informiert worden, dass ihm der Vorgesetzte K… berichtet habe, sie hätte Eigenermittlungen angestellt im Betrieb. Der Sozialberater habe geäußert, diese Eigenermittlungen könnten eine Störung des Betriebsfriedens darstellen und damit eine Grundlage für eine fristlose Kündigung bilden. Am 31.11.2007 habe sie sich an Herrn Lo… gewandt, einem Strafrechtler im Betrieb, und ihm geschildert, als „Walross“ bezeichnet und wegen ihrer Herkunft beleidigt worden zu sein. Sie habe ihm den fäkalen und abdominalen Sprachstil geschildert und die Androhung einer fristlosen Kündigung. Herr Lo… habe daraufhin Herrn V… (Compliance Officer) informiert und auf dessen Empfehlung hin habe sie am 05.11.2007 ein Telefonat mit dem Personalreferenten Le… geführt. Dieser habe ihr nach Prüfung der Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch am 07.11.2007 geraten, sich nach alternativen vakanten Stellen innerhalb des Betriebes zu erkundigen und mit Hilfe des Sozialberaters zu erreichen, dass im Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten ein bisschen Ruhe einkehre, denn sie könne nicht darauf vertrauen, wegen des Konfliktes mit ihrem Vorgesetzten einen neuen Chef oder einen anderen Job zu bekommen.

Der ihr vom Vorgesetzten K… am 27.03.2008 gekündigte Telearbeitsplatz sei ihr erst nach Einschaltung des Personalreferenten Wei… wieder zugesprochen worden, weshalb sie in der Folgezeit an zwei von fünf Arbeitstagen von zuhause aus habe arbeiten können. Die Vorgesetzten We… und K… hätten sich daraufhin etwas Neues einfallen lassen und die Korrektur sämtlicher von ihr bearbeiteter Daten verlangt, so dass sie habe jeden Vorgang zwei- bis dreimal bearbeiten müssen. Im Juli 2008 seien diverse Daten, die von ihr in das System übertragen worden seien, verfälscht und gelöscht worden. Im September 2008 habe man ihr den Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten, woraufhin sie am 10.09.2008 dem Vorgesetzten We… einen Versetzungsvorschlag unterbreitet habe. Am 12.09.2008 habe sie sich schließlich an den Personalstrategen Dr. Seg… gewandt.

Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen zur Frage der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats könnten nicht aufrechterhalten werden. Dies vor allem wegen der eindeutigen Aussage des als Zeuge vernommenen Betriebsratsvorsitzenden E… auf die entsprechende Zwischenfrage, nicht alle von ihm vorgelegten Unterlagen mit dem Anhörungsschreiben der Beklagten erhalten zu haben. Eine Verunsicherung des Zeugen bei seiner Einvernahme durch Zwischenfragen habe entgegen der Bewertung des Berufungsgerichts nicht stattgefunden. Die Kenntnis des Betriebsrats von der tatsächlichen Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder könne aus der Zeugeneinvernahme nicht abgeleitet werden, denn der Zeuge habe sich nur an eine Tochter erinnern können. Seine Angaben zur Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder seien zu unbestimmt gewesen, um auf eine entsprechende Kenntnis des Betriebsrats schließen zu können. Dem Betriebsrat seien mit der schriftlichen Anhörung die Anlagen 2b und 2c nicht zugeleitet worden, sondern erst nachträglich im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung komplettiert worden. Bereits hieraus folge die fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats. Eine Verlesung sämtlicher Anlagen in der Betriebsratssitzung am 23.04.2009 sei schon zeitlich nicht möglich gewesen und auch am Folgetag nicht nachgeholt worden. Ihr sei nämlich am 24.04.2009 bereits um 08:00 Uhr morgens vom Personalsachbearbeiter Wei… die telefonische Mitteilung gemacht worden, der Betriebsrat habe zugestimmt und sie werde die Kündigung erhalten.

Die Beklagte trägt hinsichtlich der sozialen Rechtfertigung der Kündigung vor, die Klägerin habe dadurch einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten begangen, dass sie der Beklagten mit einem empfindlichen Übel offen gedroht habe, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen, nämlich die Entfernung ihrer missliebigen Vorgesetzten und Kollegen, zu erreichen. In der E-Mail vom 21.09.2008 an den Vorstandsvorsitzenden habe sie darauf hingewiesen, dass sie es als unfair erachten müsse, wenn dieser über die gegebenen Probleme direkt aus der amerikanischen Presse oder etwa aus der Oprah-Winfrey-Show informiert werden würde, obwohl doch die Entfernung zwischen Nürnberg und München erheblich kürzer sei als diejenige zwischen Nürnberg und welchem Ort auch immer in den USA. Im Weiteren habe die Klägerin drohend ausgeführt, dass sie sich nicht auf die Ausschöpfung eines Instanzenweges verweisen lasse und sie auch nicht etwa zur Einhaltung eines „Burgfriedens“ stillhalten werde. Es seien keinerlei Begleitumstände ersichtlich oder von der Klägerin vorgetragen, welche die in der E-Mail unstreitig enthaltenen Drohungen an den Vorstandsvorsitzenden erklären bzw. in einem kündigungsrechtlich milderen Licht scheinen lassen würden. Die Klägerin habe offen angedroht, nicht etwa den üblichen Instanzenweg ausschöpfen zu wollen, sondern sich vielmehr unmittelbar an die (amerikanische) Presse zu wenden, um die vermeintlichen Missstände im Unternehmen öffentlich zu machen. Sie habe in der E-Mail ausdrücklich bekundet, sich zu Loyalität und Geheimhaltung gegenüber der Beklagten nur so lange verpflichtet zu sehen, als die Beklagte ihre Schutzpflichten gegenüber der Klägerin wahrnehme. Die Klägerin habe es in der Folgezeit nicht bei dieser Drohung belassen, sondern tatsächlich über verschiedene mediale Wege (Presse und Internet) Anschuldigungen und Vorwürfe gegen die Beklagte öffentlich gemacht. Personalverantwortliche, Vorgesetzte und auch Betriebsratsmitglieder hätten den damals bereits seit längerem bestehenden Konflikt mit der Klägerin frühzeitig aufgegriffen und vermittelnde Lösungsansätze verfolgt. Es sei stets versucht worden, auf die Klägerin zuzugehen und die aufgetretenen Schwierigkeiten einvernehmlich beizulegen, um eine weitere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden sei von einem objektiven Betrachter nur so zu verstehen, dass die Klägerin das Ziel verfolge, durch ihr Schreiben – mitsamt der darin enthaltenen Drohung der Einschaltung amerikanischer Medien – einen solchen Druck auf die Beklagte aufzubauen, dass diese dazu veranlasst werde, unter Ausblendung der tatsächlichen Hergänge und Geschehensabläufe den Forderungen der Klägerin nachzukommen. Bereits diese Drohung gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten habe eine eklatante und nicht zu rechtfertigende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dargestellt. Dies sei sogar geeignet gewesen, eine außerordentliche Kündigung zu begründen.

Auch die Äußerung gegenüber ihrem unmittelbaren Vorgesetzten als „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“ sei als eine grobe pflichtwidrige Beleidigungshandlung zu bewerten, die nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt sei. Die Klägerin habe ihre E-Mail vom 30.03.2009, mit welchem sie ihren Vorgesetzten K… umfassend und in übelster Form herabsetzte und diskreditierte, nicht etwa nur an den Betroffenen, sondern zudem an 12 weitere Mitarbeiter der Beklagten versandt. Diese E-Mail enthalte im Hinblick auf den erweiterten Empfängerkreis verschiedenste Ehrkränkungen und Schmähungen zu Lasten des unmittelbaren Vorgesetzten K…. Sie habe ihrem Vorgesetzten gezieltes „Mobbing“ und „Bossing“ vorgeworfen und dass er wenig Ahnung von den Prozessen in der eigenen Abteilung habe. Er sei zudem nicht in der Lage, sachlich und fachlich über die Arbeit der Klägerin zu urteilen. Abteilungsaufgaben kämen für ihn „böhmischen Dörfern“ gleich. Sie habe resümiert, Herr K… habe schlicht das Glück, ein Mann zu sein und seine „fulminanten Fähigkeiten“ deshalb wohl noch dafür ausreichend seien, um als Führungskraft zu fungieren und damit täglich mehr und mehr Schaden für die Beklagte zu verursachen. Im Weiteren attestierte sie ihm eine fehlende Aufnahmefähigkeit, weshalb sie ihm seit 2007 jeden Tag alles erfolglos erklären müsse. Zudem wies sie darauf hin, Verträge, welche von Herrn K… bearbeitet worden seien, wiesen mindestens 50 Orthographiefehler auf.

Es sei nicht ersichtlich, welche Tatsachengrundlage es gegeben haben sollte, welche die Klägerin zu derart beleidigenden und sachfremden Äußerungen gegenüber einem sehr großen Empfängerkreis berechtigt haben könnten. Die aufgetretenen Konflikte und Beschwerden der Klägerin seien bei der Beklagten zuvor im Rahmen der unternehmensintern vorgesehenen Konfliktlösungsmechanismen bearbeitet worden. Keinesfalls könne daher von einer besonderen Ausnahmesituation für die Klägerin gesprochen werden. Die getätigten Beleidigungen und Schmähungen seien auch nicht als Effekthandlung zu erklären, vielmehr seien die Aussagen von der Klägerin überlegt und gezielt in ein umfassendes Schreiben integriert und einem großen Empfängerkreis übermittelt worden.

Auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Hinweise des Bundesarbeitsgerichts sei für sie im Hinblick auf die getätigten vergleichenden Äußerungen der Klägerin, die innerbetrieblichen Verhältnisse und das nationalsozialistische Terrorsystem sowie Verhaltensweisen der Mafia betreffen, kein Aussagegehalt erkennbar, der nicht als stark pflichtverletzende Schmähung der Beklagten zu verstehen wäre. Soweit die Klägerin in der fraglichen E-Mail gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden mitteilte, dass sie im Unternehmen der Beklagten so viele Intrigen erlebt habe, dass das Ganze die Erinnerung an ihren Lieblingsfilm „Der Pate“ wachhalte, habe sie hiermit offensichtlich Bezug auf den Hollywoodfilm von Francis Ford Coppola genommen. In diesem Film habe der Regisseur ein abschreckendes Portrait über Aufstieg und Fall eines sizilianischen Mafiaclans in Amerika gezeichnet. Offensichtlich habe die Klägerin mit diesem Vergleich die Aussage gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden treffen wollen, in dem Unternehmen würden mafiöse Strukturen bestehen und unliebsame Gegenspieler – wie sie selbst – mit unfairen oder sogar kriminellen Mitteln bekämpft. Diese Aussage sei weder aus einem berechtigten Anlass heraus getroffen worden noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Soweit die Klägerin gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden schriftlich bestätigt habe, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen habe erleiden müssen wie sie, werde hieraus eine Bezugnahme auf das nationalsozialistische Terrorsystem offenkundig. An dieser Feststellung ändere auch die ergänzende Mitteilung nichts, dass es sich bei dem angestellten Juden-Vergleich um ihr „Erleben und Empfinden“ handele. Der Hinweis auf das persönliche Empfinden allein könne nicht dazu führen, die im höchsten Maße pflichtwidrige Äußerung unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu legitimieren. Zu berücksichtigen sei nämlich auch, dass die Klägerin im selben Satz ihres Schreibens zugleich auf das eigene „Erleben“ abstelle, d.h. das tatsächliche Vorhandensein terrorisierender Abläufe, und hierzu noch ergänzt habe, dass niemand ihr verbieten könne, darüber zu berichten. Der von der Klägerin vorgenommene Vergleich mit dem früheren Leid der Juden in Deutschland sowie dem Mafiafilm „Der Pate“ lasse sich in keiner Les- oder Verständnisart als Bestandteil einer sachlichen Auseinandersetzung mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten rechtfertigen. Vielmehr habe diese nur zur Erzeugung einer besonderen Schärfe und der persönlichen Herabwürdigung der Vorgesetzten sowie des Unternehmens insgesamt gedient. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin die fraglichen Äußerungen unmittelbar gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden gemacht habe, welcher persönlich gar nicht mit den personellen Konflikten im Umfeld der Klägerin involviert oder vertraut war, mache deutlich, dass es sich vorliegend keinesfalls noch um eine sachliche, allenfalls polemisch überspitzte Kritik gehandelt habe, sondern die Klägerin damit maximalen Druck habe aufbauen wollen, um ihre vermeintlichen Rechte ohne jegliche Rücksicht auf die Vorgesetzten und Kollegen durchzusetzen. Eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Würden Arbeitnehmer ihre Kollegen und Vorgesetzten wiederholt massiv beleidigen oder das Arbeitsumfeld im Unternehmen mit dem unfassbaren Leid von Menschen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern vergleichen, so sei dieses Verhalten sogar geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

In ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009 habe sich die Klägerin überwiegend in einem unfreundlichen und harschen Tonfall geäußert, die von ihr getätigten Äußerungen und Vergleiche weder zurückgenommen noch sich für diese Vorkommnisse entschuldigt. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“ habe sie damit zu relativieren versucht, der Ausdruck sei lediglich ein wenig zu scharf geraten und aufgrund der über sieben Jahre hinweg erlittenen „subtilen Gewalt“ sei es zu der Äußerung gekommen. Sie habe in dem Schreiben weitere Vorwürfe gegen den Vorgesetzten erhoben und ausdrücklich ausgeführt, für sie sei nicht zu erkennen, „weswegen sie sich zu entschuldigen“ habe. Die Klägerin habe in Bezug auf keinen einzigen der ihr vorgeworfenen Äußerungen und Behauptungen umfassende Reue gezeigt oder sich entschuldigt. Vielmehr habe die Klägerin darzulegen versucht, weshalb die beleidigenden Äußerungen inhaltlich berechtigt gewesen seien. Anstatt sich zu entschuldigen, habe sie den Betroffenen zu einer Strafanzeige geraten.

Das mildere Mittel einer Abmahnung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn Art und Ausmaß des Fehlverhaltens der Klägerin hätten den Schluss zugelassen, dass auch künftig mit weiteren vergleichbaren Pflichtverletzungen der Klägerin zu rechnen sei. Dies insbesondere in Ansehung ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009, in der sie keineswegs ein reuiges oder gar entschuldigendes Verhalten gezeigt habe. Sie habe keinerlei Bereitschaft gezeigt, einen Beitrag zur Reputation der betroffenen Mitarbeiter zu leisten und auch damit die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses verstärkt. Einer vorausgehenden Abmahnung zur Behebung der Prognoseunsicherheit habe es nicht bedurft, da festgestellt werden könne, dass mit einer Verhaltensänderung in Zukunft nicht gerechnet werden könne. Eine negative Prognose ohne Vorliegen einer Abmahnung könne sich auch aus der inneren Einstellung des Arbeitnehmers zu seinen Verfehlungen ergeben. Diese Einschätzung werde durch das weitere klägerische Verhalten bestätigt, denn bis zum heutigen Tag habe die Klägerin keine nennenswerte Bereitschaft gezeigt, sich mit dem eigenen Fehlverhalten kritisch auseinanderzusetzen.

Zu Unrecht berufe sich die Klägerin darauf, die despektierlichen und beleidigenden Äußerungen seien im Rahmen einer vertraulichen Kommunikation im Freundes- oder Kollegenkreis abgegeben worden. Die Klägerin habe mit einem förmlichen Beschwerdeschreiben unmittelbar an den Vorstandsvorsitzenden ihre Arbeitgeberin mit Missständen konfrontiert. Dass ein solches förmliche Beschwerdeschreiben nicht als eine vertrauliche Mitteilung in der Privatsphäre verstanden werden könne, sondern als eine offizielle Nachricht an die höchste Stelle ihrer Arbeitgeberin, bedürfe keiner weiteren Ausführungen. Es hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass der Vorstandsvorsitzende nicht persönlich solche Schreiben bearbeiten könne, sondern die zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens aus dem Bereich Human Resources damit beauftrage, innerbetriebliche Konflikte aufzuklären und die geeigneten Maßnahmen einzuleiten.

Es treffe nicht zu, dass eine vermeintlich seit mehreren Jahren andauernde Mobbing-Situation die Klägerin in einen derartigen Ausnahmezustand versetzt habe, dass die streitgegenständlichen Pflichtverletzungen als weniger schwer und von der Beklagten noch hinnehmbar erachtet werden müssten. Die Klägerin sei keinen schikanösen oder diskriminierenden Verhaltensweisen von Vorgesetzten ausgesetzt gewesen. Soweit es im Verlauf des Arbeitsverhältnisses wiederholt zu Störungen und Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten gekommen sei, habe sich die Beklagte stets sehr intensiv um eine Aufklärung und Beilegung dieser Konflikte bemüht. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass sie sowohl von dem eingeschalteten Sozialberater Sel… als auch der betriebsärztlichen Stelle in Person von Frau Dr. Wu… intensiv betreut und versucht worden sei, mit den betroffenen Vorgesetzten und Kollegen Wege zu finden, um eine gedeihliche Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die von der Klägerin behaupteten Vorfälle in den Jahren 2002/2003 sowie 2007 könnten nicht ursächlich für eine besondere Ausnahme- und Belastungssituation sein, in der sich die Klägerin Ende März 2009 befunden haben will. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, dass ihr Arbeitskollege K…, mit dem sie sich geduzt habe, Mitte 2007 zu ihrem Vorgesetzten befördert worden sei. Dieses Problem habe auch unter Einschaltung der Sozialberatung und den Gesprächen zwischen der Klägerin, Herrn K… und dem Sozialberater nicht behoben werden können. Das Angebot zu einer Vertragsaufhebung im September 2008 sei im Rahmen einer sozialplanpflichtigen Maßnahme zur Senkung der Verwaltungs- und Vertriebskosten gemacht worden. In der Zeit von September 2008 bis Februar 2009 sei zur Beilegung des Konflikts zwischen der Klägerin und ihrem Vorgesetzten der Personalleiter Ki… eingeschaltet worden, der mehrfach mit der Klägerin Kontakt gehabt habe. Er habe zudem den Compliance-Officer sowie den Ombudsmann Dr. J… einbezogen, um zu recherchieren, ob tatsächlich eine Diskriminierung zum Nachteil der Klägerin stattgefunden habe. Diese eingeschalteten Experten seien zu der Überzeugung gelangt, dass im Falle der Klägerin weder Mobbing noch Diskriminierung vorgelegen hätten, sondern es sich um einen Konflikt zwischen zwei Mitarbeitern handele. Hierbei könne die Klägerin nicht als Opfer angesehen werden, da sie sich zu dieser Zeit mit Allen angelegt habe, die nicht ihrer Meinung gewesen seien. Der Klägerin fehle nach Auffassung der Experten eine ausreichende Distanz zur eigenen Position und ihr sei nicht zu vermitteln, dass man Dinge auch anders sehen könne als sie selbst. Es seien alle Bemühungen gescheitert, die Klägerin von den objektiven Begebenheiten zu überzeugen und so für eine Befriedung der Situation zu sorgen. Gerade weil sie sehr intensiv und lang andauernd der Klägerin professionelle Unterstützung und Beratungen in Konfliktsituationen angeboten habe, sei es ihr in Anbetracht der von Seiten der Klägerin erfolgten Eskalation nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit ihr weiter fortzusetzen.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

In dem Berufungsverfahren (vormaliges Aktenzeichen 4 Sa 574/13) hatten die Parteien folgende Sachanträge gestellt:

Die Beklagte:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts

Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 insoweit abgeändert, als es der Klage stattgegeben hat.

2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Hilfsweise: Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufgelöst.

3. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

4. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin:

1. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie de Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

2. Das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit dort noch zum

Nachteil der Klägerin entschieden wurde und insoweit nach den vorinstanzlichen Schlussanträgen der Klägerin zu erkennen, hilfsweise hierzu, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 14.09.2001 genannten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den in Ziffer 1 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungsausspruch weiter zu beschäftigen.

Einem zeitnahen Abschluss des Berufungsverfahrens nach der Zurückverweisung (neues Aktenzeichen 4 Sa 131/16) standen vielfache Terminverlegungsgesuche (Bl. 2193 ff d.A.), Rügen der Besetzung des Gerichts und Ablehnungsgesuche (Bl. 2294 – 2296, 2337 ff d.A.) entgegen.

Zum Verhandlungstermin am 14.12.2018 sind die Parteivertreter ausweislich ihrer Empfangsbekenntnisse am 20.11.2018 geladen worden.

Am Terminstag hat die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 2384 d.A.) einen erneuten Verlegungsantrag gestellt und das Mandat ihres Anwalts gekündigt.

Hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Gründe wird auf den Inhalt der dienstlichen Stellungnahme der Regierungsinspektorin H. (Bl. 2383 d.A.) und auf das Sitzungsprotokoll vom 14.12.2018 (Bl. 2385 – 2387 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 wird auf die Berufung der Beklagten insoweit abgeändert, als es der Klage stattgegeben hat.

2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

3. Hilfsweise wird das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufgelöst.

4. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

5. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin beantragt, die Vertagung der Sitzung.

Ein Sachantrag ist nicht gestellt worden, vielmehr haben der Klägerinvertreter und die Klägerin den Sitzungssaal verlassen.

Die Beklagte beantragt daraufhin, nach Aktenlage zu entscheiden gemäß § 331 a ZPO; vorsorglich durch Erlass eines Versäumnisurteils.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen sind zulässig.

Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2b, und c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

Beide Berufungen setzen sich in ausreichendem Umfang mit den Entscheidungsgründen des Ersturteils auseinander.

Dies hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19.11.2015 bestätigt (Rdz. 21, 22).

II.

Die Berufung der Beklagten erweist sich als sachlich begründet, denn ihre Kündigung vom 24.04.2009 hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin rechtswirksam zum 30.06.2009 beendet. Wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch der Klägerin auf ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Aus diesem Grund bleibt die Berufung der Klägerin erfolglos.

Über die von der Beklagten im Verhandlungstermin am 14.12.2018 gestellten Sachanträge ist von der Kammer nach Aktenlage zu entscheiden, § 331a ZPO.

1. Die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Entscheidung nach Aktenlage liegen vor, denn es bedurfte keiner Vertagung der mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 und infolge des Nichtverhandelns der Klagepartei im Termin vom 14.12.2018 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung nach § 331a ZPO gegeben.

a) Dem Vertagungsgesuch der Klagepartei vom 14.12.2018 war nicht zu entsprechen, weil ein erheblicher Grund i.S.v. § 227 Abs. 1 ZPO nicht festgestellt werden konnte.

Alleine die kurzfristig dem Gericht gegenüber erklärte Mandatskündigung ist hierfür nicht geeignet, denn die Vollmacht des im Termin erschienenen bisherigen Prozessbevollmächtigten erlischt gem. § 87 Abs. 1 ZPO im Anwaltsprozess erst mit der Anzeige eines anderen Anwalts.

Hinzu kommt, dass das im Gesuch der Klägerin behauptete Zerwürfnis und die darauf beruhende Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit jeglicher Tatsachengrundlage entbehrten und erkennbar dem Ziel dienen sollten, eine gerichtliche Sachbehandlung im dem Verhandlungstermin zu verhindern. Diesem Ziel dienten bereits die Besetzungsrüge vom 02.05.2018 und der Befangenheitsantrag vom selben Tag, der auf einen seit Zustellung des Berufungsurteils am 07.04.2015 (!) bekannten Umstand gestützt worden ist.

Ausweislich der dienstlichen Stellungnahme der in der Geschäftsstelle eingesetzten Beamtin, hatte die Klägerin in einem von ihr geführten Telefonat am Vortag angegeben, an diesem Tag mit ihrem anreisenden Prozessbevollmächtigten telefonischen Kontakt gehabt zu haben. Dass dieser sich einen Tag später im Verhandlungstermin am 14.12.2018 hieran nicht mehr zu erinnern vermochte, hat nicht nur das Gericht verwundert. Dem ist sogar die Klägerin entgegengetreten und hat sich ausdrücklich auf ein mit ihm geführtes Telefonat um 12.00 Uhr des Vortages berufen (siehe Sitzungsprotokoll, Bl. 2386 d.A.).

Dies zeigt zur Überzeugung der erkennenden Kammer, dass die zur Stützung des Vertagungsgesuchs behaupteten Umstände nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und nur vorgetäuscht wurden, um eine Sachentscheidung des Gerichts zu verhindern.

b) Im Verhandlungstermin, zu dem beide Parteien ordnungsgemäß geladen worden waren und auch erschienen sind, hat die Klagepartei nach Stellung ihres Verlegungsgesuches den Sitzungssaal verlassen. Sie hat ihre in der Berufungsinstanz bereits im Termin am 25.06.2014 gestellten Sachanträge nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits und dem eingetretenen Wechsel bei den ehrenamtlichen Richtern nicht wiederholt und nicht zur Sache verhandelt.

Der im Verhandlungstermin am 14.12.2018 gestellte Vertagungsantrag genügt im Rahmen des § 333 ZPO hierfür nicht (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 333 Rdz. 2).

Frühere Verhandlungen haben gem. § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Berufungsinstanz bereits stattgefunden, denn dem gesetzlichen Erfordernis wird auch durch einen Verhandlungstermin vor der erfolgten Zurückverweisung der Sache Rechnung getragen. Nach Zurückverweisung i.R.d. § 563 ZPO bilden die frühere und die neue Verhandlung eine Einheit (vgl. Zöller, aaO, § 563 Rdz. 2).

Bisher durchgeführte Beweisaufnahmen müssen deshalb nicht wiederholt zu werden. Dies gilt gem. § 355 ZPO auch bei einem zwischenzeitlich eingetretenen Richterwechsel, sofern sich die Bewertung früherer Zeugenaussagen und eines eingenommenen Augenscheins auch aus den erstellten Sitzungsniederschriften entnehmen lassen (vgl. Zöller, aaO, § 355 Rdz. 6).

Im vorliegenden Fall sind die beiden ausgeschiedenen ehrenamtlichen Richter durch die nach dem Geschäftsverteilungsplan zu berufenden ersetzt worden.

Die gem. § 309 ZPO zur Sachentscheidung berufenen Richter des Verhandlungstermins vom 14.12.2018 haben sich aufgrund des Inhalts der Sitzungsprotokolle vom 09.07.2014 und 07.08.2014 (Bl. 1431 ff, 1516 ff d.A.), des Beschlusses vom 06.11.2014 (Bl. 1678 ff d.A.) und der Anlage B 14 (Bl. 1206 d.A.) in der Lage gesehen, ohne erneute Durchführung der Beweisaufnahme die protokollierten Zeugenaussagen und den gerichtlichen Augenschein abschließend zu würdigen.

2. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 (Rdz. 27 – 34) hat die Beklagte durch ihr Schreiben vom 03.04.2009 hinsichtlich der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht auf ein etwaiges Recht zur Kündigung verzichtet oder für eine kündigungsrechtlich relevante Unklarheit gesorgt, vgl. § 563 Abs. 2 ZPO.

Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige.

Das Schreiben sei weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme diene erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben.

Auch die widerrufliche Freistellung sei lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ erfolgt und ließ sich nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

3. Die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2009 zum 30.06.2009 ist sozial gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, denn die Klägerin hat durch ihr Verhalten die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört.

Sie hat in ihren E-Mails vom 21.09.2008, 05.02.2009 und 30.03.2009 ihren unmittelbaren Vorgesetzten und die gesamte Führung des Unternehmens in einem Maße herabgewürdigt und diskreditiert und damit ihre Rücksichtnahmepflichten so gravierend verletzt, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Es standen auch keine milderen Mittel zur Verfügung, um eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Im Rahmen der Interessenabwägung sprachen keine ausreichenden Umstände dafür, dass der Klägerin trotz ihrer Störungen der betrieblichen Zusammenarbeit eine Weiterarbeit ermöglicht werden müsste.

a) Nach § 241 Abs.  2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben verlangt werden kann (so BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 – NZA 2014, 1258; m.w.N.).

Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein erheblicher, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen. Eine auf solch ein Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen Kündigungsgrund bilden (so BAG, a.a.O.).

Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Sie muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Die Drohung kann auch versteckt erfolgen, beispielsweise durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen. Als Übel genügt jeder Nachteil. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, d.h. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, d.h. die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem vertraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (so BAG a.a.O.).

Auf diese bisherige Rechtsprechung stützt sich auch das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Entscheidung vom 19.11.2015 (Rdz. 36) und trägt dem Berufungsgericht auf, die E-Mails der Klägerin an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 21.09.2008 und 05.02.2009 dahingehend zu prüfen, um einen diesbezüglichen Erklärungsinhalt gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln.

Aus Sicht des Erklärungsempfängers, § 133 BGB, durfte die Ankündigung der Klägerin, die amerikanische Presse und die Medien einzuschalten, sollte der Vorstandsvorsitzende nicht ihren Forderungen nachkommen, als eine Drohung aufgefasst werden. Die Klägerin hat in der E-Mail vom 21.09.2008 gefordert, sie von dem „7-jährigen Martyrium“, das sie erlitten habe, dadurch zu befreien, dass man sie „als erstes von einem Frauen- und Ausländerhasser“ trennt. Sie gibt in dem Schreiben ausreichend deutlich zu erkennen, dass sie sich andernfalls gezwungen sehe, „über die gegebenen Probleme die amerikanische Presse oder Fernsehmedien“ zu informieren.

Anders ist die Textpassage, „gerade deshalb wende ich mich also an Sie, verehrter Herr Dr. L…, weil ich es als unfair erachten müsste, wenn Sie über die gegebenen Probleme direkt aus der amerikanischen Presse oder etwa aus der Oprah-Winfrey-Show informiert werden würden, obwohl doch die Entfernung zwischen Nürnberg und München erheblich kürzer ist, als diejenige zwischen Nürnberg und welchem Ort auch immer in den USA“, nicht zu verstehen. Aus dem letzten Halbsatz wird erkennbar, dass die Klägerin bereit sei, auch diesen längeren Weg zu gehen, falls ihren Erwartungen nicht ausreichend entsprochen würde. Durch die Angabe ihres Wohnorts Nürnberg wird klargestellt, dass sie diejenige sein werde, die hier aktiv werden würde. Verstärkt wird dieser Erklärungsgehalt durch die in dem Schreiben getroffene weitere Aussage, dass sie sich zur Loyalität und Geheimhaltung gegenüber ihrer Arbeitgeberin nur solange verpflichtet sieht, als diese ihre Schutzpflicht gegenüber ihr wahrnimmt.

Nachdem zu diesem Zeitpunkt bereits die Bemühungen des Sozialberaters Sel… liefen, den Konflikt der Klägerin mit ihrem Vorgesetzten K… zu entschärfen, und wegen ihrer Vorwürfe gegenüber dem Vorgesetzten auch der Compliance-Officer V…, die Personalreferenten Le… und Ki…, ein Strafrechtler und ein Ombudsmann eingeschaltet wurden, um die Sachverhalte zu prüfen und Konfliktlösungen zu finden, wollte die Klägerin einen Handlungsdruck auf die Beklagte ausüben, die Angelegenheit in ihrem Sinne einer Lösung zuzuführen. Die Ankündigung, die Reputation der Beklagten in der Öffentlichkeit, insbesondere der amerikanischen, zu beeinträchtigen und zwar zeitnah und vor Ausschöpfung des Instanzenweges, stellt in laufenden Verfahren der eingeschalteten zuständigen Stellen eine widerrechtliche Maßnahme dar.

Diese Intention des Schreibens hatte die Klägerin bereits in dem E-Mail an Dr. Seg… vom 12.09.2008 (Bl, 51, 52 d.A.) zum Ausdruck gebracht, wo sie ausführt: „Ein Skandal, der lebhaft nach Gerechtigkeit schreit, und den man offensichtlich über „Emma“ oder die internationale Presse der Öffentlichkeit zugänglich machen muss. Da darf Herr Dr. L… sich dann doch einmal um die verlassenen, verratenen, verkauften und verhöhnten Frauen in seinem Unternehmen kümmern. Und dann wird er erfahren, wie sehr die Damen und Herren – nicht nur Herren – der amerikanischen Börsenaufsicht den spezifisch deutschen Humor der S… AG abzuwägen und zu würdigen wissen werden“.

Diese Eskalation des Konflikts der Klägerin mit den Vorgesetzten ist nicht aufgrund der von ihr behaupteten Mobbingmaßnahmen der Vorgesetzten We… und K… in den Jahren 2003/2004 und ab Oktober 2008 gerechtfertigt. Denn diese zum Teil Jahre zurückliegenden Vorkommnisse (Bl. 1942, 1943 d.A.) können nicht geeignet sein, eine Öffentlichkeitskampagne gegenüber der Arbeitgeberin zu starten, und den bereits eingeleiteten Konfliktlösungsverfahren vorzugreifen.

Der Inhalt dieser E-Mails ist dem Betriebsrat als Anlage 2b und 2c des Anhörungsschreibens zugeleitet worden (was unter Ziffer 4 der Entscheidungsgründe noch näher ausgeführt wird), weshalb die Anhörung des Betriebsrats sich auch auf diesen Sachverhalt bezieht.

b) Einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB), die eine Kündigung rechtfertigen können, stellen auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, dar.

Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Dieses Grundrecht schützt weder Formalbeleidigungen und Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Meinungsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet und wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar können Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich gegebenenfalls auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maß unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen. Schon die erstmalige Ehrverletzung kann kündigungsrelevant sein und wiegt umso schwerer, je überlegter sie erfolgt (so BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 – NZA 2010, 698; m.w.N.).

Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet. Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht. Hebt der Gesprächspartner später gegen den Willen des sich negativ äußernden Arbeitnehmers die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu dessen Lasten (so BAG aaO.).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Bezeichnung des unmittelbaren Vorgesetzten K… in der E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L… vom 21.09.2008 als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser (weder Abitur, noch Studium, noch internationale Arbeitserfahrung, noch weniger interkulturelle Erfahrung), dem ich täglich die Grundlagen der BWL… erläutern darf…“ eine solche verbale Entgleisung der Klägerin, die eine Schmähung und Herabwürdigung des Vorgesetzten zum Inhalt hat und für die keine ausreichende Tatsachengrundlage besteht.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang weder den Nachweis erbracht, bei dem Vorgesetzten würde es sich um einen dummen und dämlichen Menschen handeln, für den das Prädikat „unterbelichtet“ angemessen sei. Auch wenn in einem Gespräch unter Kollegen der Vorgesetzte Redewendungen bedient, wie „seinen Schwanz einziehen“ oder „angepisst sein“ kann allein hieraus noch nicht auf eine niedrige Intelligenz, eine fehlende Allgemeinbildung oder weit unterdurchschnittliches Fachwissen geschlossen werden. Letzteres folgt auch nicht aus dem von der Klägerin mehrfach geschilderten fachlichen Defizit, was die betriebswirtschaftliche Unterscheidung von „cost“ und „price“ anlangt.

Es ist ebenso wenig feststellbar, dass der Vorgesetzte K… mit den Kolleginnen oder Frauen generell ein Problem hat, um ihn als „Frauenhasser“ zu bezeichnen.

Alleine die Konfliktsituation mit der Klägerin, die mit seiner Beförderung im Jahr 2007 zu deren Vorgesetzten zusammenhängen, vermag diesen Vorwurf nicht zu begründen. Weder aus der geschilderten sprachlichen Entgleisung, sie einmal als „Walross“ bezeichnet zu haben, noch aus seiner E-Mail vom 15.05.2008 mit der angehängten Grafik über die „weiblichen Gedanken“. Die E-Mail beginnt nämlich mit der Aussage, „a bisserl was zum Schmunzeln muss auch mal sein…“, was dafür spricht, die übersandte Grafik sei ironisch gemeint und solle als Spaß verstanden werden.

Auch wenn die Klägerin diesem Humor nichts abgewinnen konnte und die Angelegenheit auf sich bezogen hat, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Vorgesetzte K… verabscheue das weibliche Geschlecht. Wenn man sich über jemanden lustig macht, muss man ihn noch lange nicht hassen und verabscheuen.

Gleiches gilt hinsichtlich der Bezeichnung des Vorgesetzten als „Ausländerhasser“. Aus der in diesem Zusammenhang geschilderten Aussagen des Vorgesetzten K… – aus der Gegend wo die Klägerin herkomme – Afghanistan – möchte er nicht herkommen –  kann hierauf nicht geschlossen werden. Ein Großteil der Bevölkerung in Europa dürfte angesichts der ausgetragenen Glaubenskonflikte im Mittelalter und der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Neuzeit ein ähnliches Unbehagen verspüren. In ein Umfeld von Stammesfehden, religiöser Auseinandersetzungen bis hin zu Selbstmordattentaten auf Andersgläubige, eines archaischen Strafrechts (Auspeitschungen, Steinigungen u.ä.), eines jahrelangen Bürgerkriegs mit völliger Zerstörung der Infrastruktur und einer fehlenden von den Gedanken der Säkularisation und der Aufklärung getragenen Rechts- und Sozialordnung möchte wohl keiner gern hineingeboren werden. Diese Entwicklungsphasen einer Gesellschaft wünscht man sich der Vergangenheit angehörend.

Hieraus kann nicht darauf geschlossen werden, der Vorbehalt gelte für jedes Ausland. Auch aus den behaupteten Äußerungen, „Ihr Araber seid alle gleich“ und „Ein Japaner bleibt ein Japaner, auch wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt“ kann eine ausländerfeindliche Tendenz nicht bescheinigt werden. Tragen diese Aussagen doch dem Umstand Rechnung, dass der einzelne Mensch und sein Verhalten nicht nur genetisch geprägt werden, sondern auch durch Traditionen, Glauben, familiäre und schulische Ausbildung sowie das private Umfeld. Der so geprägte Mensch unterscheidet sich deshalb sehr wohl danach, ob es sich um einen Menschen arabischer Abstammung mit muslimischen Glauben handelt, einen Japaner buddhistischen oder shintoistischen Glaubens oder einen Mitteleuropäer evangelischen oder katholischen Glaubens. Diese menschliche Prägung verliert man nicht dadurch, dass man in einem anderen Land wohnt und arbeitet oder gar die dortige Staatsangehörigkeit annimmt. Wer dies zum Ausdruck bringt ist noch lange kein Ausländerhasser, weil damit keine Geringschätzung des Mitmenschen anderer Abstammung oder anderen Glaubens verbunden ist.

Die gravierendste Herabwürdigung und Diskreditierung des Vorgesetzten K… ist in der E-Mail der Klägerin vom 30.03.2009 zu sehen, denn dort wird von Anfang bis Ende ein menschlich und fachlich vernichtendes Urteil über diesen Mitarbeiter abgegeben. Die Zuleitung an mehrere seiner Kollegen und an seine Vorgesetzten bis in die Vorstandsetage der Beklagten diente dem Ziel, den Ruf dieses Mitarbeiters gänzlich zu zerstören und sein Ansehen herabzusetzen.

All die Vorwürfe, die die Klägerin gegen diesen Kollegen erhebt, seitdem er im Jahr 2007 zu ihrem Vorgesetzten befördert worden ist, sind auch nicht ansatzweise geeignet, diese beabsichtigte Rufschädigung zu rechtfertigen. Schon gar nicht der Anlass einer ungerecht empfundenen Beurteilung, die auf anderem Weg einer Überprüfung zugeführt werden kann. Kein Arbeitskollege und Vorgesetzter wird gänzlich frei von menschlichen Schwächen und fachlichen Defiziten sein. Soweit dies zu kollegialen Konflikten oder fachlicher Differenzen führt, sind diese zur Wahrung der Interessen der Arbeitgeberin auf der Basis innerbetrieblicher Richtlinien oder einer nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflicht so einer Konfliktlösung zuzuführen, dass die Basis kollegialer Zusammenarbeit dadurch nicht völlig zerstört wird. Die Form eines offenen Briefes mit der erkennbaren Tendenz, den betroffenen Kollegen oder Vorgesetzten in seinem Arbeitsbereich unmöglich zu machen, verstößt in eklatanter Weise gegen das Gebot der Rücksichtnahme und der Wahrung des Betriebsfriedens. Insoweit kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, schon allein deshalb die Kündigungskonsequenz zu ziehen, denn die Klägerin hat es trotz des ausdrücklichen Hinweises in dem Schreiben vom 03.04.2009 unterlassen, sich bei ihrem Vorgesetzten wegen dieser Briefaktion förmlich zu entschuldigen und gegenüber dem breiten Adressatenkreis der E-Mail vom 30.03.2009 eine entsprechende offene Gegenerklärung abzugeben.

Die Klägerin hat ihr persönliches Arbeitsumfeld und das des Vorgesetzten K… in einem solchen Maße beeinträchtigt, dass dies jegliche weitere gedeihliche Zusammenarbeit ausschließt.

Sie kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, ihre Äußerungen seien in einem engen kollegialen Freundeskreis abgegeben worden. Denn es handelt es sich weder bei dem Vorstandsvorsitzenden noch dessen Mitarbeiter im Vorstandsbüro und auch nicht dem Adressatenkreis der E-Mail vom 30.03.2009, um einen intimen kollegialen Freundeskreis der Klägerin wie von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefordert.

Aus diesem Grund scheitern jegliche Versuche der Klägerin, die herabwürdigenden Äußerungen unter Verweis auf den Schutz ihrer Privatsphäre und ihres Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Hätte die Klägerin einen Gedanken daran verschwendet, wie es ihr erginge und sie reagieren würde, hätten dieselben Äußerungen und die nach außen getragenen Herabwürdigungen ihre Person betroffen, würde sie wahrscheinlich die Notwendigkeit erkannt haben, auf das Anschreiben der Beklagten vom 03.04.2009 anders zu reagieren als durch eine Verniedlichung der Angelegenheit und den Versuch einer sachlichen Rechtfertigung.

Wer eine solche E-Mail schreibt über das menschliche Verhalten und fachliche Wissen eines Kollegen oder Vorgesetzten wie die vom 30.03.2009, der weiß, dass er damit die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört und damit sein Arbeitsumfeld aufgegeben hat. Diesbezüglich brauchte die Klägerin durch eine Abmahnung nicht auf die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens hingewiesen zu werden. Die Chance, einen Beitrag zu einer Wiedergutmachung zu leisten, hat sie versäumt und sich dem widersetzt. Insofern kann die Beklagte nicht erwarten, dass die Klägerin ihr Verhalten gegenüber einem männlichen Vorgesetzten ändert, wenn sie sich in ihrer Rolle als intellektuelle Frau internationalen Formats nicht ausreichend gewürdigt sieht.

Dies allein rechtfertigt bereits den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

c) Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bildet in der Regel einen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitsgebers unter der für ihn handelnden Menschen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar (so BAG vom 07.07.2011 – 2 AZR 355/10 – NZA 2011, 1412; vom 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – NZA 2006, 650; jeweils m.w.N.).

Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht die Berufungskammer in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 (RZ 38) aufgefordert, durch Auslegung zu bestimmen, wie der Äußerung der Klägerin in ihrem E-Mail vom 05.02.2009 in Bezug auf das Leid der Juden beizumessen ist.

Betrachtet man die Textpassagen der Klägerin in der E-Mail vom 05.02.2009 an den Vorstandsvorsitzenden und die am 24.09.2008 dem Vorstandsbüro zugeleitete weitere E-Mail vom 12.09.2008 an Herrn Dr. Seg… so wird hieraus für einen verständigen Erklärungsempfänger, § 133 BGB, schon klar, dass die Klägerin darin das Handeln von Vertretern der Beklagten so empfindet wie das nationalsozialistischer Verbrecher und von Mitgliedern der Mafia und sie sich diesbezüglich  in der Opferrolle sieht.

Die Klägerin äußert sich diesbezüglich wie folgt:

„Die Opfer? die haben keine Rechte in der gerechten Welt der S… AG. In jedem andern Land der Welt – außer in Deutschland, versteht sich – wären die unmenschlichen Taten, die hier gegeben sind, selbstverständlich beantwortet worden, wie es sich gehört“.

„Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist meiner Leben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt hab ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm:

Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird – das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz“.

In der E-Mail vom 12.09.2008, die sich hauptsächlich auf die von ihr als frauenfeindlichen Akt verstandene E-Mail des Vorgesetzten K… vom 15.05.2008 (Kopie Blatt 53 – 58 d.A.) bezieht, die dieser als Scherz bezeichnet hat, führt sie Folgendes aus:

„An dieser Stelle erlaube ich mir, Ihnen einen Witz aus der Zeit des Nationalsozialismus zu zitieren:

Ein SS-Mann zieht seine Pistole und hält sie einem Juden an die Stirn und fragt: „Jud, fürchtest du dich?“

Auf die Antwort „Ja“ zieht der SS-Mann die Pistole zurück und sagt „Es war doch nur ein Scherz“.

Später wurde der Jude vergast. Und jetzt überlass ich Ihnen die Parallele aus dieser lustigen Anekdote zu ziehen. Also über die Frau werden Scherze gemacht und man setzt sie auch als erste vor die Tür. Wo ist denn hier der Witz?“

Eigentlich muss ich für das jahrelange Leiden und den dort erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen von S… AG auf Lebenszeit ein Schloss mit freier Holzzuteilung zur Verfügung gestellt bekommen, damit ich meine Wunden heile. Da ich jedoch ein sehr bescheidener Mensch bin, sage ich, mir genügt eine Kammer mit ein paar Gasflaschen, damit ich für den Rest meines Lebens – wie lange es auch dauern mag – warm bleibe“.

Diese Textpassagen zeigen, dass die Klägerin das Vorgesetztenverhalten der Herren We… und K… – das sie bereits mit den Werturteilen bezeichnet hat, hierdurch würde ihr Leben „zur Hölle“ gemacht und sie habe ein jahrelanges „Martyrium“ erlebt – mit den noch drastischeren Vergleichen zu Handlungsweisen von SS-Schergen und Angehörigen der Mafia bewertet. Anders lassen sich Äußerungen, die erlittenen seelischen Qualen würden auf ihrem „Erleben und Empfinden“ beruhen und der intrigante Umgang mit dem Personal bei der Beklagten erinnere sie an ihren Lieblingsfilm „Der Pate“, nicht interpretieren. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den angeblichen Judenwitz, der kein solcher ist, und die ausdrücklich gezogene Parallele zu ihrer beruflichen Situation. Zudem spricht sie in der E-Mail vom 12.09.2008 davon, sie begnüge sich mit einer „Kammer mit ein paar Gasflaschen“. Auch dies weist einen Bezug zum Massenmord während der NS-Diktatur auf.

Die Klägerin, die Wert darauf legt, auf ihr internationales Format hinzuweisen, wählt Vergleiche und zieht Parallelen, die ganz bewusst die Beklagte als international tätiges Unternehmen hinsichtlich ihrer Führungsstruktur und dem Verhalten ihrer Vertreter in die Nähe verbrecherischer NS-Organisationen und der Mafia stellt. Hierbei handelt es sich um eine nicht hinzunehmende Schmähung und Herabwürdigung ihrer Arbeitgeberin, die sie damit als deutsches Unternehmen besonders treffen wollte.

Ihr wurde mit Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 ausreichend konkret vor Augen geführt, wie diese die schriftlichen Ausführungen der Klägerin verstanden habe, und dass es für sie nicht akzeptabel sei, mit den gemachten Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus diskreditiert zu werden. Es wäre deshalb zu erwarten gewesen, dass die Klägerin sich in ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009 von den Äußerungen distanziert und sich bei Vorstand und Management ausdrücklich entschuldigt.

Die Klägerin sieht hiervon nicht nur ab, sondern bekräftigt dies mit folgender Passage ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009:

„Der Vorwurf des Antisemitismus, respektive unverantwortlichen Umgangs mit dem scheußlichsten Kapitel deutscher Geschichte ist folgendermaßen zu beantworten:

Nach meinem subjektiven Erleben muss ich feststellen, dass mitten in der schönsten Demokratie ein Mensch gemobbt, gebosst und diskriminiert werden kann, wobei ihm, wenn er sein von Ihnen betontes Beschwerderecht ausübt, Entgegnungen geschehen, die eben sehr wohl an das erinnern, woran ich zu erinnern gezwungen wurde: Die junge und – wie sich in der Folge zeigte – sehr zerbrechliche Demokratie konnte den Opfern des Terrorregimes keine Hilfe angedeihen lassen. Wie anders heute! Wir alle sind ungeheuer multikulturell, international und was weiß ich: Da trifft einen die Keule eben auf eine besondere Weise. Wir alle sind derart gleichberechtigt, dass diejenige Frau, welche Herrn K… nicht passt, halt weg muss. So viel zu den Lehren aus der Geschichte“.

d) Die Kündigung der Beklagten wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht zu beanstanden.

Vor Ausspruch einer Kündigung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Kündigungssachverhalts für ihn nicht mildere Mittel zur Verfügung stehen, um eine weitere Beeinträchtigung seiner Interessen zu vermeiden und damit eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu schaffen. Der Arbeitgeber hat im Interesse des Inhalts- und Bestandsschutzes ihm zumutbare alternative Möglichkeiten zu ergreifen, bevor er in den Bestand oder den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingreift. Falls er dies tut, darf er immer nur von dem für den Arbeitnehmer mildesten und ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen.

Danach kommt eine Beendigungskündigung, gleichgültig ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt wird, als äußerstes Mittel (ultima-ratio) erst in Betracht, wenn sie zur Beseitigung betrieblicher Beeinträchtigungen geeignet und erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren gleich geeigneten zumutbaren Mitteln das auswählen, das den Arbeitnehmer am wenigsten belastet. Eine Kündigung ist nur als letztes Mittel zulässig (so KR-Griebeling, 10. Aufl., § 1 KSchG Rz. 214, 215 m.w.N.).

Die von der Klägerin zum Ausdruck gebrachte Beharrlichkeit in der Bewertung des Konflikts mit ihrem Vorgesetzten und der angezogenen Vergleiche mit den Opfern eines Terrorregimes zeigt, wie sehr zerrüttet die vertragliche Beziehung auch aus Sicht der Klägerin ist.

Mit einer Änderung ihres Verhaltens konnte die Beklagte nicht mehr rechnen, da sie bereits in dem Schreiben vom 03.04.2009 auf die Kündigungsrelevanz hingewiesen hatte und die Klägerin keine Veranlassung gesehen hat, zur Wiederherstellung der Vertrauensbasis einen aktiven Beitrag zu leisten.

Insoweit waren weder eine Abmahnung noch eine Versetzung in eine andere Abteilung geeignet, die Grundlage für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zu schaffen.

Die von der Klägerin datumsgemäß aufgelisteten Fehlverhaltensweisen der Vorgesetzten We… und K… auf Bl. 1942 und 1943 der Akte sind keinesfalls geeignet, die Beklagte und ihre Vertreter in die Nähe verbrecherischer Organisationen zu rücken, wie geschehen. Insofern liegt weder eine Tatsachengrundlage für die beleidigenden Äußerungen der Klägerin vor noch eine von den Vorgesetzten verursachte Ausnahmesituation, die das Verhalten der Klägerin im milderen Licht erscheinen lassen könnten. Selbst wenn sie sich durch behauptete Mobbinghandlungen von Vorgesetzten aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt sehen durfte, was in dem Parallelverfahren zwischen den Parteien noch geprüft wird, erlaubt dies nicht die von ihr angestrengten Vergleiche.

Diese entbehren jeglicher Realitätsnähe. Hätte die Klägerin den Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 und den Ausspruch der Kündigung zum Anlass genommen, sich mit dem Leid der Juden während des NS-Unrechtsstaats zu befassen, wäre ihr unschwer möglich gewesen, zu erkennen, dass das von ihr empfundene Unrecht mit dem von den Juden erlittenen in keinerlei Relation steht. Die Juden wurden während der Zeit des Nationalsozialismus nämlich nicht nur wegen ihrer Rasse und ihres Glaubens verbal und schriftliche diskriminiert, erniedrigt und gedemütigt. Vielmehr wurden sie darüber hinaus unter Zerstörung familiärer Beziehungen aus ihren Wohnungen getrieben, in Viehwaggons gepfercht und auf Verladerampen selektiert, um anschließend entweder zu Tode malträtiert oder einer industriellen Massenvernichtung zugeführt zu werden.

Kein deutsches Unternehmen, das internationale Geschäftsbeziehungen pflegt, kann es sich erlauben, hinsichtlich ihres Geschäftsgebarens oder der Vorgehensweise ihres Führungspersonals mit der NS-Terrorherrschaft in Verbindung gebracht zu werden. Gerade was das Ansehen in angelsächsischen Ländern und im Land Israel anlangt, sind die hiermit verbundenen Nachteile offensichtlich.

Es hätte für die Klägerin aufgrund ihrer Bildung und ihres selbst in Anspruch genommenen internationalen Formats naheliegen müssen, zur Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person die von ihr getätigten Äußerungen zurückzunehmen und sich um Wiedergutmachung zu bemühen.

Die Klägerin hat ihre Worte sehr wohl gewählt und ganz bewusst verletzend gesetzt. Dass sie sich hierbei in einem wochen- und monatelangen Morphinrausch befunden haben sollte, ist nicht anzunehmen und wird auch nicht ausreichend belegt. Schon die in den Schreiben zum Ausdruck gekommene sprachliche Gewandtheit spricht dafür, dass die Verfasserin des Schreibens durchaus im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen ist.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, infolge der Nichtbehandlung der Konfliktsituation, die sie erlebt hat, hätte die Beklagte einen aktiven Beitrag zur Zerrüttung der Vertragsbeziehung geleistet. Aus dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien wird nämlich sehr wohl klar, dass sowohl der betriebsärztliche Dienst als auch der Sozialberater eingeschaltet waren, um zu einer Konfliktlösung beizutragen und die gesundheitliche Situation der Klägerin zu verbessern. Bezüglich des behaupteten Fehlverhaltens und der diskriminierenden Behandlung durch den Vorgesetzten K… waren zudem die Personalabteilung, zwei Personalreferenten, der Compliance-Officer und der Ombudsmann eingeschaltet gewesen, um Sachverhalte zu klären, bestehende Missstände zu beheben und Lösungen für eine zukünftige Zusammenarbeit zu finden.

Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass auch sie sich um eine Verbesserung der Situation bemühen müsse, da sie nicht damit rechnen könne, zum jetzigen Zeitpunkt einen neuen Vorgesetzten oder einen anderen Job zu bekommen. Damit liegt weder ein organisatorisches Verschulden der Beklagten vor, was das Vorhandensein von Konfliktlösungsinstrumenten anbelangt, noch kann ein schuldhaftes Verhalten der Personen festgestellt werden, die zur Sachverhaltsaufklärung und Konfliktlösung auf Arbeitgeberseite beitragen sollten.

Hätte die Klägerin nicht in den Monaten Februar und März ihrerseits zu einer weiteren Eskalation der Konfliktsituation beigetragen, sich zu beleidigenden Äußerungen gegenüber einzelnen Vorgesetzten und dem Management der Firma insgesamt hinreißen lassen, hätten eventuell sogar Lösungen gefunden werden können.

Aufgrund der schuldhaft herbeigeführten weiteren Eskalation der Klägerin fallen ihre Sozialdaten, insbesondere die Unterhaltspflicht gegenüber mehreren noch in der Ausbildung befindlichen Kinder, ihr Lebensalter und die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit nicht so nennenswert ins Gewicht, dass die zu erwartenden Nachteile, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich bringt, das berechtigte Interesse der Beklagten überwiegen, zu befürchtende weitere betriebliche Beeinträchtigungen und Störungen durch Ausspruch der Kündigung zu vermeiden.

Die vorzunehmende abschließende Interessenabwägung fällt deshalb zugunsten der Beklagten aus. Dieser ist nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund der erheblichen Wiederholungsgefahr bei ähnlich gelagerten Konfliktsituationen auf demselben oder einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes fortzusetzen. Aufgrund des gezeigten beharrlichen Verhaltens der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden, dass von ihr in einer irgendwie gearteten Konfliktsituation mit einem männlichen Vorgesetzten deutscher Herkunft eine Fortsetzung des empfundenen Mobbings und Bossings gesehen wird und sich die Klägerin wiederum als Opfer verbrecherischer Machenschaften versteht.

Diese erhebliche Wiederholungsgefahr, die aufgrund der Erfahrungen der eingeschalteten Fachleute (Sozialberater, Ombudsmann) letztlich darauf beruht, dass es der Klägerin an einer ausreichenden Distanz zur eigenen Position fehlt, rechtfertigt es, eine Lösung der künftig zu erwartender Konfliktsituationen nur in der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu sehen.

Die Einschätzung der Experten der Beklagten kann von der erkennenden Kammer durchaus nachvollzogen werden, sie deckt sich mit den Erfahrungen des Gerichts aufgrund des ungebührlichen Auftretens der Klägerin im Verhandlungstermin am 14.12.2018.

4. Das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist von der Beklagten ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Schreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen den im Beschäftigungsbetrieb bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört und erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung des Betriebsrats am 24.04.2009 die Kündigungserklärung aus ihrem Machtbereich hinausgegeben.

Dies ist auch vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 ausdrücklich bestätigt worden (Rdz. 42 – 56). Auf die dortigen Ausführungen wird vollumfänglich Bezug genommen.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher angehört zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (vgl. BAG vom 15.11.2001 – 2 AZR 380/00 – NZA 2002, 970).

Die Beklagte hat den bei ihr bestehenden Betriebsrat über die persönlichen Daten der Klägerin und den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen ordnungsgemäß unterrichtet.

Die ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens durch die Überlassung des Anhörungsschreibens nebst Anlagen an den zuständigen Betriebsratsvorsitzenden E… folgt für die erkennende Kammer aus der protokollierten durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme – der Aussage der Zeugen E… am 09.07.2014, der weiteren Zeugen H… W…, G… und Ki… am 07.08.2014, der Klägerin als Partei im selben Termin sowie der Einsichtnahme der vom Zeugen E… im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 vorgelegten Anhörungsunterlagen im Wege eines gerichtlichen Augenscheins.

Die in dem Anhörungsschreiben zu niedrig angegebenen Unterhaltspflichten der Klägerin führen im vorliegenden Fall nicht zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates, denn dieser war unabhängig vom Inhalt des Anhörungsschreibens über die Unterhaltspflichten der Klägerin positiv informiert und konnte zudem den Umfang der Unterhaltspflichten aus der Anlage 2c) des Anhörungsschreibens ersehen.

Der Zeuge E… hat in Bezug auf den Beweisbeschluss vom 09.07.2014 zu a) ausgesagt, dass bei dem Betriebsrat aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin, insbesondere auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Personalabbaumaßnahmen, eine konkrete Aktenlage bezüglich der Arbeitnehmerdaten bestand. Insoweit hat er bestätigt, dass beim Betriebsrat hinsichtlich der Familienverhältnisse der Klägerin die Informationen vorlagen.

Des Weiteren hat der Zeuge ausgeführt, dass in dem Anhörungsdeckblatt von einem unterhaltsberechtigten Kind gesprochen worden ist, im weiteren Inhalt der Anhörungsunterlagen aber von einer höheren Anzahl.

Der Zeuge gab in diesem Zusammenhang an, die Unterlagen vor dem Beweistermin nicht erneut eingesehen und sich mit deren Inhalt vertraut gemacht zu haben. Es verwundert folglich nicht, dass ihm aufgrund des mehr als fünfjährigen zeitlichen Abstands zu dem Anhörungsverfahren die genaue Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin bei seiner Zeugeneinvernahme nicht mehr erinnerlich waren und er sich diesbezüglich auch nicht festlegen konnte. Dies entwertet die Aussage des Zeugen nicht, sondern spricht für seine Glaubwürdigkeit.

Der Zeuge gab weiter an, die ihm damals übergebenen Unterlagen komplett mitgebracht zu haben. Nach dem protokollierten Augenschein der damaligen Kammer am 09.07.2014 hat die unter Hinzuziehung der Parteivertreter vorgenommene Einsichtnahme ergeben, dass die von dem Zeugen vorgelegten Unterlagen inhaltlich identisch sind mit den in der Gerichtsakte befindlichen Kopien des Anhörungsschreibens (Bl. 23, 24 d.A.) und der Anlagen 1 (Bl. 25, 26 d.A.), 2a (Bl. 27 – 29 d.A.), 2b (Bl. 30 – 58 d.A.), 2c (Bl. 59-64 d.A.) und 3 (Bl. 65 – 69 d.A.).

Auch wenn der Zeuge im weiteren Verlauf seiner Einvernahme auf Zwischenfragen des Klägerinvertreters beide alternative Fragen zur Vollständigkeit der Anlagen verneinte (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 1434 d.A.), was gegen Denkgesetze verstieß, entwertet dies seine Aussage in Bezug auf die übergebenen Anlagen nicht grundsätzlich. Der Zeuge konnte nämlich wieder sicher ausschließen, dass dem Betriebsrat nachträglich weitere Anhörungsunterlagen zugeleitet worden sind. Diese hätten auch einen weiteren Eingangsvermerk beim Betriebsrat aufgewiesen. Einen solchen von der Eingangsbestätigung 21.04.09 abweichenden Eingangsvermerk weisen die mit den Originalunterlagen identischen Kopien (Bl. 23 – 69 d.A.) indes nicht auf.

Auf den Zeitaufwand, das gesamte Anhörungskonvolut den Betriebsräten in der Sitzung vorzulesen, ist nicht entscheidend abzustellen, denn nach Angaben des Zeugen war die Kündigungsangelegenheit der Klägerin Gegenstand zweier Betriebsratssitzungen am 23. und 24.04.2009 und ist es dem Betriebsratsvorsitzenden überlassen, auf welche Weise er die ihm vom Arbeitgeber überlassenen Anhörungsunterlagen dem Betriebsratsgremium zur Kenntnis bringt.

Der Zeuge gab an, sich handschriftliche Notizen über ein mit der Klägerin geführtes Telefonat nach Erhalt des Anhörungsschreibens gemacht zu haben. Ausweislich dieses Vermerks hat der Zeuge mit der Klägerin in Anwesenheit des weiteren Betriebsratsmitglieds Ra… am 23.04. ein Telefonat geführt und ihr die Kündigungsbegründung der Beklagten eröffnet. Nach Angabe des Zeugen ist der Klägerin mitgeteilt worden, dass dem Betriebsrat diverse E-Mails, u.a. auch an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L…, vorliegen würden. Es sei auch der dort enthaltene Vergleich mit dem Leid der Juden Inhalt des Telefonats gewesen.

Nach Angabe des Zeugen lag dem Betriebsrat im Zeitpunkt des Telefonats mit der Klägerin die Anlage 2c vor, die die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden L… vom 05.02.2009 und 21.09.2008 umfasste. In ihnen wird die Situation bei der Beklagten mit dem Leid der Juden und dem Film „Der Pate“ in Verbindung gebracht und von der Klägerin auch mitgeteilt, gegenüber drei von vier Kindern unterhaltspflichtig zu sein.

Die Angaben des Zeugen wurden nicht durch die noch im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 aufgestellten Behauptungen widerlegt, die Anlage 2c sei nicht Gegenstand des geführten Telefonats gewesen, das Telefonat habe nicht am 23.04.2009, sondern am 21.04.2009 um ca. 14.00 Uhr stattgefunden und von Seiten des S… Vorstandsbüros habe es die Anweisung gegeben, die Anlagen 2b und 2c dem Betriebsrat nicht zuzuleiten.

Dies haben nämlich die Einvernahme des Ehemannes der Klägerin sowie der Mitarbeiter G… und Ki… sowie die Vernehmung der Klägerin als Partei nicht ergeben.

Der Zeuge W… hat den noch im Schriftsatz der Klägerin vom 05.08.2014 behaupteten Zeitpunkt des Telefonats am 21.04.2009 um 14.00 Uhr nicht bestätigt. Dies hätte auch dem Inhalt der E-Mail der Klägerin vom 23.04.2009 (Anlage B 14, Bl. 1206 d.A.) widersprochen.

Ausweislich dieses E-Mails hat das Telefonat nämlich am 23.04.2009 stattgefunden und es wurden in dem Telefonat die E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L… erwähnt, die nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden E… dem Betriebsrat vollständig vorlagen. Insoweit spricht der Inhalt dieser E-Mail, in dem die Klägerin bestätigte, dass „laut Herrn E… der gesamte Briefwechsel vorliegt“,  für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen E… hinsichtlich des Zeitpunkts des Telefonats mit der Klägerin, dessen Inhalt und dem damaligen Vorliegen der beiden E-Mails der Klägerin an den Vorstandsvorsitzenden Dr. L….

Dass es im Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin eine Weisung gegeben habe, die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden nicht dem Betriebsrat zuzuleiten, hat die durchgeführte weitere Beweisaufnahme nicht ergeben.

Eine solche Empfehlung oder Weisung hat weder der hierzu vernommene Zeuge G… bestätigt und auch nicht der Zeuge Ki…, der in Bezug auf die Personalangelegenheiten der Klägerin vom Vorstandsbüro beauftragt worden ist. Nach Angaben des Zeugen Ki… umfasste dies nicht das Betreiben der Kündigung sondern die Mobbingvorwürfe der Klägerin und ihre schriftlichen Beschwerden beim Vorstandsvorsitzenden.

Auch die Parteieinvernahme der Klägerin im Verhandlungstermin vom 07.08.2014 brachte keine weiteren Erkenntnisse, was die Zuleitung der Anlage 2c an den Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung betrifft. Zwar hat die Klägerin die von ihr erstellte Zusammenfassung mehrerer E-Mails zur Anlage 2b erklärt und die hierdurch verursachten innerbetrieblichen Prüfungen der Compliance-Problematik. Zum Betreiben der Kündigungsangelegenheit durch die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten enthielt ihre Aussage keine Fakten, die den Angaben des vernommenen Betriebsratsvorsitzenden E… widersprachen.

Insoweit stand aufgrund der protokollierten Aussagen der Zeugen, des vom Gericht am 09.07.2014 eingenommenen Augenscheins und der Anlage B 14 zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Betriebsrat mit dem Anhörungsschreiben jedenfalls auch die Anlage 2c zugeleitet worden ist, in dem das vollständige Judenzitat enthalten war und die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin. Einer nochmaligen Durchführung der Beweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht.

Nach alledem wurde seitens der Beklagten mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst den beigefügten Anlagen der Betriebsrat über die Personalien der Klägerin umfassend informiert. Ebenso über die der Klägerin vorgeworfenen Drohungen, despektierlichen Äußerungen bzw. Beleidigungen gegenüber den Vorgesetzten K… und We… sowie die Vergleiche zwischen den Zuständen bei der Beklagten und der Behandlung der Juden bzw. den Verhältnissen bei der Mafia. Der Betriebsrat konnte aus den einzelnen Absätzen der Anlage 1 die verschiedenen Kündigungskomplexe erkennen und hat der Kündigung in der Sitzung vom 24.04.2009 ausdrücklich zugestimmt.

Die Klägerin selbst hat im Schriftsatz vom 05.08.2014 unstreitig gestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats dem Personalreferenten Wei… vorlag, bevor das Kündigungsschreiben ihr durch einen Mitarbeiter des Werkschutzes am 24.04.2009 zugeleitet worden ist.

5. Wegen der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses steht der Klägerin keine Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu.

Ein qualifiziertes Endzeugnis hat sie unter dem Datum 30.06.2009 bereits erhalten (Kopie Bl. 386, 387 d.A.).

6. Die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung ihrer Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung ist sachlich nicht begründet.

Wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30.06.2009 steht der Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus kein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu.

III.

1. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die unterlegene Klägerin zu tragen.

2. Im Hinblick auf die kündigungsrechtliche Bewertung herabwürdigender Äußerungen über Vorgesetzte und die Firmenleitung in einer bestehenden Konfliktsituation und ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats wird dem vorliegenden Rechtsstreit über den Einzelfall hinausgehende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

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