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Krankheitsbedingte Kündigung – Weiterbeschäftigung

Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 4 Sa 241/21 – Urteil vom 09.11.2022

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.10.2021 – 7 Ca 265/21 – wird zurückgewiesen.

Der Auflösungsantrag der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen beschränkt auf die Zurückweisung der Berufung gegen die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung, einen vorläufigen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits sowie im Berufungsrechtszug über einen Auflösungsantrag der Klägerin.

Die am 28.05.1961 geborene Klägerin war unter Anrechnung auch von Studienzeiten bei den Rechtsvorgängern der Beklagten seit dem 01.09.1979 als Mitarbeiterin Arbeitsvorbereitung, Abrechnung, Kalkulation beschäftigt. Zuletzt erzielte sie bei einer Arbeitsverpflichtung von 32,75 Stunden/Woche einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 3.316,60 €. Die Klägerin war als schwerbehindert anerkannt.

Im Jahr 2016 war sie an 55 Tagen arbeitsunfähig, was Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 7.291,17 € zur Folge hatte. Im Jahr 2017 war sie 72 Tage arbeitsunfähig mit der Folge von Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 9.979,79 €. Im Jahr 2018 war sie an 169 Tagen arbeitsunfähig mit der Folge von Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 10.731,26 €. Im Jahr 2019 war sie 28 Tage arbeitsunfähig mit Folge von Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 820,77 €. Im Jahr 2020 war sie 199 Tage arbeitsunfähig mit der Folge von Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 13.745,02 €. Im Jahr 2021 war sie weiter durchgehend bis zum Ausspruch der Kündigung arbeitsunfähig. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvortrags zu den Abwesenheitszeiten, in die diese auch Urlaubszeiten einbezieht, wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31. Mai 2021 S. 2 bis 4 (Bl. 25 – 27 der Akte) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin seit dem 29.04.2020 arbeitsunfähig war, richtete die Beklagte unter dem 16.06.2020 ein Schreiben mit einem Angebot zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements an sie. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes dieses Schreibens und der Anlagen hierzu wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 31 – 34 der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.07.2020, wegen dessen Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 35 und 36 der Akte) Bezug genommen wird, ließ die Klägerin durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mitteilen, sie sehe derzeit keine Veranlassung an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement teilzunehmen, weil die Arbeitsunfähigkeit fortbestehe. Sie ließ ankündigen, sie komme auf das angebotene betriebliche Eingliederungsmanagement zurück, wenn sich die Wiedergenesung abzeichne. In dem Schreiben äußerte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin außerdem die Vermutung, seitens der Beklagten könne der Wille bestehen, das Arbeitsverhältnis zu beenden und bot hierüber Gespräche an.

Mit Datum vom 10.07.2020 sprach die Beklagte eine Kündigung aus, ohne zuvor eine Zustimmung beim Integrationsamt beantragt zu haben. Diese Kündigung wurde in einem Rechtsstreit erstinstanzlich durch Urteil für unwirksam erklärt.

Am 06.08.2020 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung der Klägerin. Am 22.01.2021 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung. Mit am 1.2.2021 zugegangenem Schreiben vom 27.01.2021 sprach die Beklagte der Klägerin, die bis dahin ihre Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangt hatte, gegenüber die Kündigung zum 31.08.2021 aus.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 18.02.2021 der Beklagten zugestellten Klage.

Wegen des Weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens im ersten Rechtszug, der dort geäußerten Rechtsansichten und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 2 – 4 des Entscheidungsabdrucks – Bl. 95 – 97 der Akte) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.10.2021 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die angegriffene Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat und die Beklagte verurteilt, die Klägerin für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiterin Arbeitsvorbereitung/Abrechnung/Kalkulation in der Niederlassung in … weiterzubeschäftigen. Es könne dahinstehen, ob sich eine negative Gesundheitsprognose aufgrund häufiger Kurzerkrankungen für die Zukunft erstellen lasse und es könne auch dahinstehen, ob die häufigen Abwesenheiten der Klägerin zu Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen der Beklagten führe, da sich die streitgegenständliche Kündigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung als nicht verhältnismäßig erweise. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Im Normalfall sei dies aber ein der Kündigung gegenüber milderes Mittel, um im Falle eines positiven Ergebnisses zukünftige Arbeitsunfähigkeitszeiten zu vermeiden. Deshalb sei ein solches gegenüber der Kündigung vorzugswürdig, es sei denn dem Arbeitgeber gelinge es umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und damit auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements von vornherein aussichtslos. Zu der insoweit notwendigen Durchführung des Versuchs eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gehöre auch die formell ordnungsgemäße Einleitung eines solchen. Hierzu gehöre auch ein korrekter Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung. Da dies in dem Einladungsschreiben vom 16.06.2020 fehle, sei das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht ordnungsgemäß eingeleitet gewesen und somit kein Versuch unternommen worden, die Kündigung durch verhältnismäßigere Mittel zu vermeiden.

Sachvortrag dahingehend, dass ein solches ergebnislos geblieben wäre habe die Beklagte nicht gehalten.

Wegen dieser Rechtsunwirksamkeit bestehe bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit ein Weiterbeschäftigungsanspruch.

Gegen das ihr am 05.11.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 08.11.2021 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 29.12.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Das Arbeitsgericht habe sich nicht hinreichend mit ihrem Sachvortrag auseinandergesetzt. Es sei ausführlich dargelegt worden, wie sich die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin entwickelt hätten. Die sich hieraus ergebende negative Zukunftsprognose sei evident. Die Behauptungen der Klägerin, sie bestreite die Zeiten mit Nichtwissen und es handele sich jeweils um Krankheiten, die ausgeheilt seien, seien zu pauschal, um ihnen nachgehen zu können. Die negative Zukunftsprognose habe somit festgestellt werden können. Schließlich habe diese sich hier auch bestätigt, denn die Klägerin sei weiterhin offenbar mit wechselnden Erkrankungen fast durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Es sei auch kein Interesse der Klägerin daran, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen, erkennbar. Die Klägerin nehme sobald sie Arbeitsfähigkeit erlangt habe zunächst ihren Urlaub in Anspruch und sei dann in der Regel wieder arbeitsunfähig.

Neben dieser schon erstinstanzlich feststellbaren negativen Zukunftsprognose habe sie, die Beklagte, auch hinreichend substantiiert vorgetragen, dass ihre Belegschaft durch fortwährende Krankschreibungen und die Ankündigungen baldiger Genesung erheblichen finanziellen und arbeitsorganisatorischen Überbeanspruchungen ausgesetzt gewesen und nach wie vor auch fortlaufend sei. Ihre problematische wirtschaftliche Situation und die hohe finanzielle Belastung durch die außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten sowie die Inanspruchnahme von Kuren, Urlaub und Zusatzurlaub hätten keinen angemessenen Eingang in die Entscheidungsfindung des erstinstanzlichen Gerichtes gefunden.

Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt würde, die bisherigen vorgetragenen Erkrankungen seien ausgeheilt, stehe offenkundig fest, dass sie, die Klägerin, besonders anfällig für Erkrankungen sei. Auch hieraus ergäbe sich eine negative Zukunftsprognose.

Ihr, der Beklagten, seien keine vermeidbaren gesundheitlichen Belastungen, die aus der Tätigkeit der Klägerin resultieren könnten, bekannt und es stehe kein alternativer, möglicherweise weniger belastender Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Tätigkeit der Klägerin umfasse leichte Büroarbeit im Sitzen oder Stehen. Es bestehe ausreichend Möglichkeit, die Körperhaltung zu wechseln und sich zu bewegen und herum zu laufen. Die Tätigkeit bedinge keine Arbeiten in Zwangshaltung. Die Klägerin habe keinerlei Hinweise gegeben, dass die Erkrankungen etwas mit der persönlichen Situation am Arbeitsplatz zu tun hätten oder dass ihr bestimmte Tätigkeiten nicht möglich seien oder nicht gut täten. Wegen dieser fehlenden Mitwirkung der Klägerin habe kein milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung gestanden.

Sie, die Beklagte, habe im Gegensatz zur Ansicht des Arbeitsgerichts den Versuch der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unternommen und ein solches ordnungsgemäß mit Schreiben vom 16.06.2020 eingeleitet. Hierüber seien im Anschluss an das Schreiben zunächst Gespräche geführt worden, wegen deren Inhalts im Einzelnen auf das Vorbringen in der Berufungsbegründung auf S. 5 und 6 (Bl. 148 u. 149 der Akte) Bezug genommen wird.

Die Klägerin habe die Durchführung dieses betrieblichen Eingliederungsmanagements abgelehnt und angekündigt, nach Wiedergenesung diesbezüglich auf die Beklagte zukommen zu wollen. Dies habe wohl offenkundig unter einem geheimen Vorbehalt dahingehend gestanden, sich später auf nicht ausreichenden Datenschutzhinweis berufen zu wollen. Damit habe die Klägerin aber zunächst böswillig bei ihr, der Beklagten, den Eindruck erweckt, dass sie keine Zweifel an der Wirksamkeit des Einladungsschreibens hege und so arglistig verhindert, dass sie, die Beklagte, das Einladungsschreiben nachgebessert habe. Die Klägerin sei auch nicht wie angekündigt wegen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements wieder auf sie, die Beklagte, zugekommen. Es seien lediglich neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Urlaubsanträge eingereicht worden. Damit habe sie, die Beklagte, alles Notwendige zur Vermeidung der Kündigung versucht. Es bestehe nicht die Pflicht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement mehrfach anzubieten, wenn die Arbeitnehmerseite sich nicht klar dazu positioniere. Das Einladungsschreiben habe auch keine formellen Mängel aufgewiesen. Die Gerichte betonten zwar stets, die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei keine formelle Voraussetzung für die Kündigung, stellten aber trotzdem hohe formelle inhaltliche Vorgaben auf, für die es keine sachliche und keine gesetzliche Grundlage gäbe. So berufe sich auch das Arbeitsgericht auf einen formellen Mangel des Einladungsschreibens und darauf, dass darin nicht die erforderlichen datenschutzrechtlichen Hinweise gegeben seien. Offensichtlich habe das Arbeitsgericht sich mit dem Einladungsschreiben nicht beschäftigt, denn bei genauer Analyse fänden sich tatsächlich die erforderlichen Hinweise darin. Die Entscheidung, auf die sich das Arbeitsgericht bezöge, habe einen anderen Sachverhalt zur Entscheidung gehabt. Wegen des Weiteren Vortrages zur Bedeutung der datenschutzrechtlichen Aspekte wird auf das Vorbringen in der Berufungsbegründung auf S. 10 bis 12 (Bl. 152 – 154 der Akte) Bezug genommen.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Weiterbeschäftigungsantrag überzeugten nicht. Der Beschluss des Großen Senats des BAG, der als Rechtsgrundlage herangezogen werde, stelle eine Überschreitung der Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung dar und verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Gerichte dürften nicht aus eigenen rechtspolitischen Willen einen eindeutig vom Gesetzgeber nicht gewollten Anspruch im Wege des Richterrechts generieren. Sei ein Gesetzesvorhaben gescheitert, so verbiete es die verfassungsmäßig vorgegebene Arbeitsteilung zwischen Legislative und Justiz, den gescheiterten Gesetzgebungsversuch durch richterliche Rechtsfortbildung in die Tat umzusetzen. Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des § 102 Abs. 5 BetrVG sei von den Ländern Hamburg und Hessen ein Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht worden, der auf eine Anerkennung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs während des Kündigungsschutzprozesses über § 102 Abs. 5 BetrVG hinaus abgezielt habe. Dieser sei abgelehnt worden. Damit sei eine entsprechende Gesetzesinitiative gescheitert. Hiergegen verstoße die Rechtsfortbildung durch das Bundesarbeitsgericht.

Die Beklagte hält den Auflösungsantrag für unbegründet. Ihre Art und Weise der Prozessführung und Formulierungen seien kein gegen die Klägerin gerichteter unlauterer Angriff, keine ehrverletzende Vorgehensweise und ziele nicht auf Persönlichkeitsrechte ab. Die Klägerin habe sich fortlaufend auch nach Ausspruch der Kündigung arbeitsunfähig gemeldet und dabei Erst- und Folgebescheinigungen eingereicht. Zwischenzeiten, in denen sie nicht arbeitsunfähig gewesen sei, seien jeweils durch Urlaub überbrückt worden. Im Zusammenhang mit der Nichtgenehmigung eines Urlaubsantrags sei eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht worden. Wenn sie, die Beklagte, hieraus Schlussfolgerungen ziehe, ein Verhaltensmuster erkenne und auch Zweifel an der Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hege, sei dies nicht unangemessen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 29.08.2022 S. 1 bis 5 (Bl. 209 – 213 der Akte) sowie die beigefügt gewesenen Anlagen (Bl. 226 – 341 der Akte) Bezug genommen.

Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass ihrem, der Beklagten, Prozessbevollmächtigten mitunter einige Versehen unterlaufen seien. So sei die Klägerin lediglich einmal versehentlich als Bauleiterin bezeichnet worden. Den Inhalt der Tätigkeit habe man jedoch richtig beschrieben. Auch die Art und Weise der Durchführung und Handhabung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bei ihr, der Beklagten, und der Beteiligung ihres Prozessvertreters daran, sei nicht zu beanstanden. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 29.08.2022 S. 5 und 6 (Bl. 213 und 214 der Akte) Bezug genommen.

Die versehentlich verfälschende Wiedergabe des Antwortschreibens des Klägervertreters vom 01.07.2020 sei ebenfalls kein bewusster Betrugsversuch gewesen ebenso wenig wie die inhaltlich andere Darstellung von Telefonaten. Wegen der Einzelheiten des Vortrags diesbezüglich wird auf die S. 7 – 10 des Schriftsatzes vom 29.08.2022 (Bl. 215 – 218 der Akte) Bezug genommen.

Die Kündigung vom 10.07.2020, welche in der Tat ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen worden sei, habe nicht darauf gezielt, die Klägerin schlecht zu behandeln. Vielmehr sei dies eine taktische Maßnahme gewesen, veranlasst durch die aus Sicht der Beklagten bestehende Bereitschaft der Klägerin, über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sprechen. Es habe sich als zweckmäßig erwiesen, in solchen Fällen zunächst zu kündigen, um sodann ins Gespräch zu kommen und die Situation eines Rechtsstreits für einen Vergleich nutzen zu können, der dann arbeitsförderungsrechtliche Probleme minimiere. Um die Sache möglichst lange offenzuhalten, habe man diese unwirksame Kündigung auch im Rechtsstreit aufrechterhalten bis hin zum erstinstanzlichen Urteil.

Ebenso wenig zu beanstanden sei, dass die Beklagte den Eindruck bekommen habe, die Klägerin sei nicht ernsthaft an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessiert und nutze die formellen Gesichtspunkte des betrieblichen Eingliederungsmanagements, an dem sie auch nicht tatsächlich interessiert sei, um sich Vorteile zu verschaffen. Schließlich sei auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte aus dem Verhalten der Klägerin schlussfolgere, dass sie nicht ernsthaft mitwirken wolle an der Aufklärung ihres Gesundheitszustandes und an den Möglichkeiten, hier sinnvoll Maßnahmen zu ergreifen, die eine Kündigung vermeiden könnten.

Ihr, der Beklagten, Prozessbevollmächtigter habe auch im erstinstanzlichen Kammertermin mit einer Äußerung zu der Frage, inwiefern in der DDR verbrachte Betriebszugehörigkeitszeiten berücksichtigungsfähig seien, nicht einen Angriff auf ostdeutsche Mitarbeiter oder auf die Klägerin speziell vornehmen wollen. Hintergrund dieser Äußerung sei, dass sie, die Beklagte, den Betrieb erst deutlich nach der sogenannten Wende übernommen habe und unmittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile aus den Zeiten davor gehabt habe. Deshalb sei die Frage aufgeworfen worden, ob der Betriebszugehörigkeit in Zeiten vor der Privatisierung des Unternehmens tatsächlich derselbe Wert zugemessen werden müsse wie spätere Betriebszugehörigkeit. Der Investor habe damals keine werthaltigen Betriebsmittel oder sonst erarbeitetes Vermögen übernommen. Eine Herabwürdigung der Lebensleistung der DDR-Bürger habe darin nicht gelegen. Die von der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten wahrgenommene Empörung der Kammer des Arbeitsgerichts habe ihr, der Beklagten, Prozessbevollmächtigter nicht wahrgenommen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.10.2021, 7 Ca 265/21, wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Ferner beantragt die Beklagte, den Auflösungsantrag der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zurückzuweisen und für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch mindestens 60.000,00 € Steuerbrutto betragen sollte, aufzulösen, sowie für den Fall des Unterliegens mit dem Auflösungsantrag, die Berufung auch hinsichtlich der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtstreits zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie ist der Ansicht, durch das Verhalten der Beklagten auch im Prozess sei ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sei unverschämt, lüge, versuche Prozessbetrug, beleidige sie, die Klägerin. So sei der Klägerin vorgeworfen, ein unzumutbares Verhaltensmuster an den Tag zu legen seit dem Kammertermin bis zum heutigen Tage und sich laufend weiter krankschreiben zu lassen.

Die Diagnosen würden als angebliche Diagnosen bezeichnet. Dies alles seien Beleidigungen der Klägerin und herabwürdigend.

Der Beklagte habe sie, die Klägerin, fälschlicherweise als Bauleiterin bezeichnet. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sollte bemerkt haben, dass dies nicht richtig sei. Nicht nachvollziehbar sei auch die Behauptung, sie, die Klägerin, verrichte leichte Büroarbeit im Sitzen oder Stehen. Woher die Beklagte diese Kenntnis nehme sei nicht ersichtlich. Möglicherweise verwechsele der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hier die Akten. Absurd sei, dass die Beklagte in dem Einladungsschreiben vom 16.06.2020 auf die “Idee verfallen“ sei

Ihren eigenen Anwalt als den persönlichen Berater für das betriebliche Eingliederungsmanagement zu empfehlen.

Die Beklagte habe am 10.07.2020 sehenden Auges eine unwirksame Kündigung ausgesprochen. Trotz der klaren Sach- und Rechtslage habe man dies nicht ohne Urteil aus der Welt schaffen können.

Die Telefonate vom 19.06.2020 bzw. 30.06.2020 seien entweder so nicht geschehen, mit anderen Personen oder mit anderem Inhalt. Wegen des Vortrags hierzu im Einzelnen wird auf die S. 5 bis 6 der Berufungserwiderung vom 26.01.2022 (Bl. 130 und 131 der Akte) Bezug genommen.

„Unverschämt“ und versuchter Prozessbetrug sei es zu behaupten, sie, die Klägerin, habe auf die Einladung vom 26.06.2020 antworten lassen, sie sehe keine Veranlassung, an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement teilzunehmen. Vielmehr sei geäußert worden, sie sehe „derzeit“ keine Veranlassung dazu. Dies unterschlage der Prozessbevollmächtigte der Beklagten. Auch die Unterstellung eines unzulässigen geheimen Vorbehalts und ähnliches seien nur „erbärmliche“ und rechtsunwirksame Vermutungen.

Ebenso zur Unzumutbarkeit des Arbeitsverhältnisses führe der falsche Vortrag der Beklagten, die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements scheitere allein an ihrer, der Klägerin, Ablehnungshaltung und ihrer Verweigerung der Mitwirkung. Ferner werde behauptet, sie, die Klägerin, und ihr Prozessbevollmächtigter hätten den eigentlichen Sinn des Verfahrens zur Erteilung der Zustimmung zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung nicht verstanden. Ihr, der Klägerin, werde von Seiten der Beklagten pausenlos Lügen, Arglistig und sonstige Gemeinheiten unterstellt. Schriftstücke, die bereits zur Akte gereicht seien, würden offenkundig wahrheitswidrig zur Täuschung des Gerichts verdreht oder falsch wiedergegeben.

Auch noch in der Berufungsbegründung vom 29.12.2021 beleidige und diffamiere die Beklagte sie, die Klägerin, unentwegt und stelle bewusst wahrheitswidrige Behauptungen auf.

  • – die Klägerin habe sich laufend weiter krankschreiben lassen (Seite 2)
  • – die Klägerin habe gar kein Interesse daran, ihre Tätigkeit bei der Beklagten in absehbarer Zeit wieder aufzunehmen (Seite 2)
  • – Benennung „angeblicher Diagnosen“ (Seite 2)
  • – die Fehlzeiten der Klägerin würden zu einem schlechten Betriebsklima und einer sinkenden Arbeitsmoral führen (Seite 3)
  • – die Klägerin habe ein angebotenes BEM sogar explizit abgelehnt (Seite 4)
  • – das Verhalten der Klägerin „ist treuwidrig“ (Seite 6)
  • – unzulässiger geheimer Vorbehalt (Seite 6)
  • – die Klägerin sei „bösgläubig“ und verhindere arglistig (Seite 6)
  • – das Verhalten der Klägerin sei eindeutig rechtsmissbräuchlich (Seite 6)
  • – die Klägerin habe das BEM wiederholt wirksam abgelehnt (Seite 6)
  • – die Klägerin hätte das BEM verweigert (Seite 11)
  • – die Klägerin habe Mitwirkung verweigert (Seite 12)
  • – das treuwidrige Verhalten der Klägerin und deren Ablehnung an einer Teilnahme (Seite 12)
  • – die Klägerin habe jegliche Information und Mitwirkung verweigert (Seite 12)
  • – die Klägerin habe das BEM mit fachkundiger Beratung durch ihren Prozessvertreter ausgeschlagen (Seite 12)
  • – die Klägerin habe Mitwirkung beim Integrationsamt verweigert (Seite 12)
  • – die Klägerin habe in der Anhörung keinerlei zweckdienliche Informationen erteilt (Seite 13)
  • – die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter hätten den Sinn des Verfahrens nicht verstanden (Seite 13)
  • – die Klägerin habe offenkundig überhaupt kein Interesse an dem Erhalt ihres Arbeitsplatzes (Seite 13 gleich 2mal)
  • – der Klägerin ging es nach einer Genesung vordringlich um den Abbau von Urlaubsansprüchen (Seite 13)
  • – die Klägerin habe tatsächlich kein Interesse, ihre Tätigkeit bei der Beklagten fortzusetzen (Seite 13)

In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht im Rahmen der Diskussion über eine angemessene Abfindungshöhe habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hinsichtlich der Betriebszugehörigkeit geäußert „DDR-Jahre kann man doch nicht zählen lassen“. Dies habe sie, die Klägerin, zutiefst gekränkt und dazu für Empörung auch bei den Richtern in erheblichem Ausmaß gesorgt. Dies mache deutlich, wie verächtlich die Beklagte über ihre Mitarbeiter im Osten denke.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Die Kündigung vom 27.01.2021 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, denn sie ist rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Die Kündigung war auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen, denn der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist anwendbar. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer*innen i. S. v. § 23 Abs. 1 KSchG und die Klägerin ist länger als 6 Monate beschäftigt. Sie hat rechtzeitig innerhalb der Frist der §§ 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben. Die Kündigung ist ihr am 01.02.2021 zugegangen. Die Klage ist innerhalb von 3 Wochen, nämlich am 18.02.2021, zugestellt worden.

Die Beklagte beruft sich zur sozialen Rechtfertigung auf personenbedingte Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG.

Die Kammer lässt ausdrücklich offen, ob die Beklagte eine hinreichend negative Zukunftsprognose hinsichtlich des Auftretens weiterer häufiger Kurzerkrankungen dargelegt hat und die Kammer lässt ausdrücklich offen, ob die Beklagte hinreichend substantiiert zu den betrieblichen Auswirkungen der dargelegten und damit auch in Zukunft von der Beklagten prognostizierten Ausfallzeiten der Klägerin vorgetragen hat. Darauf will die Kammer die Entscheidung nicht stützen.

Die Kündigung ist rechtsunwirksam, weil sie unverhältnismäßig ist. Bei einer personenbedingten Kündigung wegen entweder häufiger Kurzerkrankungen einer Arbeitnehmerin oder einer Langzeiterkrankung einer Arbeitnehmerin ist – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei welcher auch die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die Arbeitgeberin zu prüfen ist. Der Ausspruch einer Kündigung ist grundsätzlich in die Zukunft gerichtet und soll nicht vergangene Zeiten sanktionieren sondern einer Arbeitsvertragspartei, welcher aufgrund besonderer Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Zukunft hin unzumutbar geworden ist, ermöglichen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sind die Störungen im Arbeitsverhältnis durch eine weniger drastische Maßnahme als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen, so ist die kündigende Partei zunächst gehalten, dies zu versuchen. Nur wenn feststeht, dass in anderen Fällen sonst üblicherweise denkbare mildere Maßnahmen nicht zum Erfolg führen würden, ist der Ausspruch einer Kündigung berechtigt. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung dieses Sachverhaltes ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Nachträglich auftauchende Tatsachen können nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie die vor Ausspruch der Kündigung liegenden Sachverhalte in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Bei einer Kündigung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeitszeiten kommt zunächst in Betracht zu prüfen, ob es Umstände gibt, auf die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Einfluss genommen werden kann, um die Ursachen für die Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. Der Ausspruch einer Kündigung ist unverhältnismäßig, wenn ein Arbeitgeber nicht zuvor wenigstens diese Möglichkeit in Erwägung gezogen und geprüft hat. Hierzu besonders geeignet ist das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement. Nur wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schon feststünde und dies in einem Rechtsstreit entsprechend feststellbar wäre, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sinnlos gewesen wäre, weil ohnehin keinerlei Optionen bestünden, den Krankheitszeiten der zu kündigenden Arbeitnehmerin mit von den Parteien des Arbeitsverhältnisses beeinflussbaren Mitteln zu begegnen, könnte die Kündigung auch verhältnismäßig sein, ohne dass zuvor die Möglichkeiten, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement z. B. bietet, versucht wurden.

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte konnte nicht hinreichend darlegen, es gäbe für die Beseitigung der Störung im Arbeitsverhältnis, welche nach Behauptungen der Beklagten auf die häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin zurückgehen, keine milderen Maßnahmen als den Ausspruch der Kündigung.

Die Beklagte ist den Weg, versuchen herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, die Kündigung zu vermeiden, nicht konsequent genug zu Ende gegangen. Sie hat aus ihrer Sicht am 16.06.2020 versucht ein betriebliches Eingliederungsmanagement in die Wege zu leiten. Die Kammer lässt ausdrücklich offen, ob dies eine wirksame oder unwirksame, eine formell fehlerhafte oder formell wirksame Einleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gewesen ist; darauf kommt es für die Entscheidung der Kammer nicht an.

Die Klägerin hat die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements seinerzeit nur für den Zeitpunkt abgelehnt, was aus ihrer Antwort durch den Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2020 hinreichend deutlich hervorgeht. Sie hat „derzeit“ eine Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements abgelehnt. Sie hat jedoch gleichzeitig klargestellt, dass sie durchaus an der Durchführung eines solchen Interesse hat und lediglich – die zu hinterfragende – Ansicht vertreten, dies mache noch keinen Sinn, wenn sie arbeitsunfähig sei. Sie hat jedoch angekündigt, sie wolle diesbezüglich auf die Beklagte zukommen, sobald sich Ihre Wiedergenesung abzeichnet.

In der Situation wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, entweder abzuwarten, bis sich eine Wiedergenesung ankündigt und die Klägerin auf sie zukommt oder aber, wenn Sie dies nicht abwarten wollte, selbst noch einmal auf die Klägerin zuzugehen und klarzumachen, dass man nach Möglichkeiten suche den Arbeitsunfähigkeitszeiten zu begegnen und die Mitwirkung der Klägerin hieran zu erreichen. Die Kammer lässt offen, ob in jedem Arbeitsverhältnis ein Arbeitgeber, der kündigen möchte, in einer solchen Situation ein zweites Mal auf die kündigende Arbeitnehmerin zugehen muss. In einem Arbeitsverhältnis jedenfalls, in welchem die zu kündigende Arbeitnehmerin über 40 Jahre anzurechnende Betriebszugehörigkeit aufweist, ergibt die Interessenabwägung letztlich, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, noch einmal auf die Klägerin zuzugehen um ihre Mitwirkung dafür zu erreichen, kündigungsvermeidende Maßnahmen zu eruieren.

Dies hat die Beklagte nicht getan. Sie hat allein 10 Tage nach Mitteilung der Klägerin die 1. Kündigung ausgesprochen. Sie hat ferner die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen, ohne noch einmal auf die Klägerin zuzugehen. Da, wie die Beklagte selbst darlegte, die Klägerin durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war, hatte sich auch noch keine Wiedergenesung angekündigt, sodass entsprechend der Ankündigung im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1.7.2020 auch nicht zu erwarten war, dass die Klägerin auf die Beklagte zukommt. Genau dies steht auch der Interpretation der Beklagten entgegen, die Klägerin habe rein tatsächlich überhaupt nicht vorgehabt und einen geheimen Vorbehalt gehabt, auf die Beklagte zuzugehen.

Hieran ändern auch die nach Ausspruch der Kündigung gewonnenen Erkenntnisse nichts. Mittlerweile ist ein Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement durchgeführt worden. Bei diesem hat sich, so der unstreitige Vortrag der Parteien, ergeben, dass die Klägerin mit ihrer unmittelbaren Vorgesetzten nicht soweit klar kommt, als dass sie meint, das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu können.

Es kann offenbleiben, ob diese nach Ausspruch der Kündigung gewonnene Erkenntnis insoweit auf die den Kündigungssachverhalt, der vor Ausspruch der Kündigung vorlag und zu prüfen ist, einwirkt, als dass nunmehr feststünde, dass seinerzeit auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht erfolgreich gewesen wäre, denn letztendlich ist dies nicht der Fall. Auch wenn die Beklagte keine Möglichkeit der Versetzung der Klägerin sieht oder einer Veränderung in der betrieblichen Organisation und der persönlichen Verhältnisse, so wäre es doch denkbar gewesen, der Klägerin ein Coaching anzuempfehlen oder eine Therapie, welche sie in die Lage versetzt, mit der aus ihrer Sicht schwierigen Situation umzugehen. Denkbar wäre ferner die Durchführung einer Mediation unter Beteiligung der Vorgesetzten und der Klägerin. In einem so lange währenden Arbeitsverhältnis ist dies der Beklagten auch zumutbar.

Der bei dieser Sachlage als uneigentlicher Hilfsantrag zunächst angefallene Auflösungsantrag der Klägerin ist im Wege der Anschließung zulässig (dazu BAG 11. 7. 2013 – 2 AZR 241/12).

Er ist unbegründet.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht das durch eine sozialwidrige Kündigung nicht beendete Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen, wenn der Arbeitnehmerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dafür muss kein wichtiger Grund i. S. von §§ 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der der Arbeitnehmerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würde. Es reicht aus, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist. Dafür wiederum genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, von der Arbeitnehmerin darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen. Auflösungsgründe können sich demnach aus den Modalitäten der Kündigung als solcher und aus weiteren Handlungen der Arbeitgeberin ergeben, die mit der Kündigung einhergehen. Für diese Zumutbarkeitsprüfung ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 9.11.2022 abzustellen (zu allem BAG 11.7.2013 – 2 AZR 241/12).

Zur Überzeugung der Kammer ist der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit in die Zukunft hin nicht unzumutbar.

Grundsätzlich kann der Ausspruch einer offensichtlich unwirksamen Kündigung, zumal wenn der Arbeitgeberin dieser Umstand bewusst ist, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründen. Hier ist dies ausnahmsweise nicht der Fall.

Die Beklagte sprach bereits am 10.07.2020 in dem Bewusstsein, dass die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zum Ausspruch einer Kündigung fehlt, eine Kündigung aus. Ihr war bewusst, dass diese unwirksam sein wird. Sie hat gleichwohl eine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage nicht anerkannt oder anders entsprechend deeskalierend reagiert, sondern es auf eine erstinstanzliche Entscheidung ankommen lassen. Ausnahmsweise ist dieses Verhalten hier nicht geeignet, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin zu begründen.

Ihr fehlt jegliche feindliche gegen die Klägerin gerichtete Zielrichtung. Die Beklagte hat ihr Verhalten plausibel erklären können als taktisches Vorgehen. Einer allgemeinen Bewertung eines solchen Verhaltens, zumal von einem unabhängigen Organ der Rechtspflege vertreten, hat sich die Kammer zu enthalten, weil dies nicht der Maßstab für die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 01.07.2020 auf die Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements reagiert hat und in dem Schreiben ferner mitgeteilt hat, der Klägerin habe sich der Eindruck ergeben, man wolle sich von ihr trennen, und deshalb Gespräche hierüber angeboten hat, hat die Beklagte zunächst eine Kündigung ausgesprochen mit dem Ansinnen, sich im Rahmen eines etwaigen Rechtsstreites hierüber einigen zu können.

Aus Sicht der Beklagten habe sich dieses Vorgehen angeboten, weil sich auf diese Weise mögliche Probleme im Arbeitsförderungsrecht minimieren ließen, die bei einer reinen außergerichtlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses schwieriger zu handhaben wären. Um zu diesem Zwecke die Lage möglichst lange offenzuhalten, habe man es auch auf eine erstinstanzliche Entscheidung ankommen lassen.

Diese Erklärung für das Verhalten der Beklagten ist jedenfalls nicht unplausibel. Es ist eine mögliche Interpretation dieses Verhaltens und deshalb auch entsprechend zu würdigen. Können Erklärungen, Äußerungen oder Verhaltensweisen verschieden interpretiert und verstanden werden und sind mehrere Erklärungen/Interpretationen für ein Verhalten gleichwertig, so ist nicht zwingend ohne weitere Tatsachenfeststellungen die für die Partei negativste Interpretation zugrunde zu legen.

Insofern war der Ausspruch der Kündigung vom 10.07.2020 und die Durchführung des Kündigungsrechtsstreits nicht darauf ausgerichtet, die Klägerin zu schikanieren oder sie unbedingt loswerden zu wollen. Zwar belastet auch der Ausspruch einer solchen Kündigung und die Durchführung eines Kündigungsschutzprozesses eine Arbeitnehmerin in einer solchen Situation, auch wenn sie sich relativ sicher sein kann, den Rechtsstreit zu gewinnen. Gleichwohl hat vor dem Hintergrund, dass auch die Klägerin zuvor ergebnisoffene Gespräche über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten hat, der Ausspruch der Kündigung noch nicht den Charakter, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unabsehbare Zeit in Zukunft entgegensteht.

Soweit sich die Klägerin zur Begründung des Auflösungsantrags auf aus Ihrer Sicht unzutreffende Behauptungen der Beklagten, auf entstellende Darstellung von Geschehnissen und auf die Schärfe der Wortwahl zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruft, rechtfertigt ihr Sachvortrag hierzu ebenfalls nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Das gilt auch für die aus Sicht der Klägerin als schikanierenden, diskriminierenden und aus ihrer Sicht gelogenen Vorwürfe und ihren gesamten Sachvortrag auf S. 9 und 10 der Berufungserwiderung (Bl. 184 und 185 der Akte – s.o.).

Grundsätzlich kann auch die Art und Weise der Prozessführung und unangemessene Schärfe im Ausdruck, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründen. Auch die Überschreitung der Grenzen der Wahrheitspflicht und ein etwa in dem Sachvortrag liegender Angriff auf die persönliche Ehre können einen Auflösungsgrund ergeben. Hier kann die Kammer keine solche gegen die Ehre der Klägerin gerichteten Angriffe und eine Prozessführung, die bewusst wahrheitswidrig ist und bewusst in einer Schärfe geführt wird, welche nicht mehr als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein kann, feststellen.

Soweit insofern der Beklagten vorgeworfen wird, das Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01.07.2020 sinnentstellend im Prozess wiedergegeben zu haben, ist dies kein bewusst wahrheitswidriger Sachvortrag, sondern durchaus als Versehen zu werten. Die Beklagte hat das Schreiben so zitiert, als wenn die Klägerin geäußert habe, kein Interesse an der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu haben.

Tatsächlich hatte die Klägerin lediglich erklären lassen, dass „derzeit“ kein Interesse habe, weil es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll sei. Dies bezog sich erkennbar lediglich auf den Zeitpunkt des angebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements. Dieses Schreiben war mit zu den Akten gereicht. Aus dem gesamten Prozessverhalten der Beklagten wird deutlich, dass diese ihrerseits das Verhalten der Klägerin so interpretiert hat, als hätte sie kein Interesse an der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. Vor dem Hintergrund ist die Fehlwahrnehmung der Äußerung ihres Prozessbevollmächtigten im Antwortschreiben vom 01.07.2020 plausibel erklärbar. Die Interpretation des Verhaltens der Klägerin durch die Beklagte muss man nicht erteilen, jedoch ist sie auch nicht abwegig. In der Tat ist wenig Aktivität von der Klägerin entfaltet. Aus dem Grunde ist die Darstellung der Beklagten, bei der Fehldarstellung des Schreibens vom 01.07.2020 habe es sich um ein Versehen gehandelt, nicht widerlegbar.

Ähnliches gilt für die weiteren Vorwürfe der Klägerin dahingehend, wie ihr Verhalten durch die Beklagte interpretiert wurde. Die Beklagte meint ein Verhaltensmuster der Klägerin zu erkennen, welches darin besteht, dass Sie entweder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreicht oder aber Urlaub beantragt und damit zum Ausdruck bringe, nicht arbeiten zu wollen. Der objektive Geschehensablauf stellt sich tatsächlich so dar, dass die Klägerin entweder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht oder Urlaubsanträge stellt. Das ist ihr nicht vorwerfbar. Es entspricht der Intention von § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz. Gleichwohl ist die Interpretation aus Sicht der Arbeitgeberin, die Klägerin komme nicht zur Arbeit und Bewertung dieses als Verhaltensmuster nicht ausgeschlossen und auch nicht zu widerlegen. Dass die Beklagte in der Situation zusätzlich aufgrund der Tatsache, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Ablehnung eines Urlaubsantrages eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht wird, Zweifel an dieser hegt, ist ihr ebenfalls nicht im Sinne eines Auflösungsgrundes vorzuwerfen. Es ist hier nicht zu beurteilen, ob dieser Umstand schon überhaupt durchsetzbare Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet. Dass die Beklagte dies zum Anlass nimmt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu hinterfragen und den Medizinischen Dienst der Krankenkasse zu beauftragen ist hingegen insoweit nicht vorwerfbar.

Soweit die Beklagte im Rechtsstreit Geschehensabläufe anders darstellt als die Klägerin, liegt dies in der Natur der Sache. Es ist nicht feststellbar, dass gegebenenfalls unzutreffende Darstellungen bewusst falsch in den Prozess eingeführt werden, weshalb sich diese Art und Weise der Prozessführung noch im Rahmen des als zulässige Interessenwahrnehmung vertretbaren hält und damit als Auflösungsgrund i. S. v. § 9 KSchG nicht taugt.

Soweit die Beklagte pointierte Meinungsäußerungen vorträgt und das Verhalten der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten sehr kritisch darstellt und interpretiert, haben der entsprechende Tonfall und die Prozessführung noch nicht eine Schwelle erreicht, welche die Wahrnehmung berechtigter Interesse überschreitet und gezielt die Ehre der Klägerin angreift oder welche die Klägerin herabwürdigt oder beleidigt. Die Beklagte sieht aus Ihrer Sicht kein Interesse der Klägerin an der Weiterarbeit und kein Interesse der Klägerin an Mitwirkung zur Aufklärung der Krankheitsursachen. Sie zweifelt daran, ob die Klägerin den Sinn des betrieblichen Eingliederungsmanagements tatsächlich erfasst hat, wie die Beklagte ihn interpretiert.

All das macht der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit nicht unzumutbar. Aufgrund Ihrer Äußerung im Schreiben vom 01.07.2020, dass sie ein betriebliches Eingliederungsmanagement für nicht sinnvoll hält, weil sie noch arbeitsunfähig sei, darf man ohne beleidigend zu sein, anderer Auffassung sein und in Zweifel ziehen, ob diese Ansicht, bei Arbeitsunfähigkeit sei die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht sinnvoll, in Zweifel ziehen.

Soweit die Klägerin der Beklagten vorwirft, unnötig scharf im Prozess vorzutragen und beleidigend, schikanierend und ehrverletzend den Prozess zu führen, kann dies die Kammer nicht feststellen. Zwar ist die Ausdrucksweise auch des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mitunter recht scharf. Allerdings darf in dem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin ihrerseits teilweise sehr umgangssprachlich vorträgt und den Prozessbevollmächtigten als Lügner und unverschämt darstellt sowie seinen Vortrag als „erbärmlich“ bezeichnet. Die Klägerin hat damit in hohem Maße selbst zur Verschärfung des Tonfalls beigetragen. Vor dem Hintergrund ist die Ausdrucksweise der Beklagtenseite nicht in einem Maße zu beanstanden, dass es zu einem Auflösungsgrund taugt.

Auch die der Beklagtenseite vorgeworfene Äußerung im Kammertermin beim Arbeitsgericht, dass DDR-Jahre nicht für die Betriebszugehörigkeit zählen sollten, stellt keine Beleidigung oder Ehrverletzung oder Herabsetzung der Klägerin oder aller DDR-Bürger*innen dar. Auch für die entsprechende Äußerung liefert die Beklagtenseite eine plausible Erklärung, die man inhaltlich nicht teilen muss, die aber auch nicht widerlegbar ist, sodass dies nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führt. Die Beklagte meint offenbar, weil sie keine werthaltigen Mittel bei Übernahme des Unternehmens, in welchem die Klägerin tätig war, bekommen hatte und quasi einen wirtschaftlichen Neustart hinlegen musste, könne die davor im Betrieb zugebrachte Zeit nicht genauso bewertet werden in Bezug auf Abfindungsregelungen o. Ä. wie die zu DDR-Zeiten verbrachte Betriebszugehörigkeit.

Der Ansatz, der mit dem Kriterium der Betriebszugehörigkeit u. a. auch berücksichtigten Betriebstreue von Arbeitnehmer*innen für verschiedene Zeiten unterschiedlich zu bewerten, ist nicht in einem Maße abwegig und fehlgeleitet, als dass dies nur als Herabsetzung der Persönlichkeit der Klägerin interpretiert werden kann. So stellt sich unabhängig vom Staats- und Wirtschaftssystem durchaus ggf. die Frage, ob in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit das Aufrechterhalten des Arbeitsverhältnisses arbeitnehmerseitig als Betriebstreue denselben Wert hat wie in Zeiten eines Arbeitsmarktes, in dem Arbeitskräfte rar sind und Fachkräftemangel herrscht.

Abschließend hat die Kammer erwogen, ob die Gesamtheit der geprüften Verhaltensweisen insgesamt ein Gewicht ergibt, dass die Klägerin damit dermaßen angegriffen und herabgewürdigt würde, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Zukunft unzumutbar sein würde. Zu dieser Feststellung kann die Kammer sich nicht durchringen. Diesbezüglich darf, da maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prüfung die Durchführung der mündlichen Verhandlung am 9.11.2022 war, nicht unbeachtet bleiben, dass die Beklagte noch nach Ausspruch der Kündigung und während des Kündigungsschutz-Rechtsstreits um die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements bemüht war.

Das deutet nicht darauf hin, dass die Beklagte aus sachfremden, schikanösen und gegen die Person der Klägerin gerichteten Gründen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses betreibt.

Der bei dieser Sachlage weiter angefallene Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin ist begründet.

Die Kammer folgt der Rechtsprechung des BAG (27.2.1987 – GS 1/84) nach der ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits besteht, wenn erstinstanzlich oder wie hier zweitinstanzlich ein obsiegendes Urteil im Kündigungsschutzprozess vorliegt.

Die in letzter Zeit wieder vorgebrachten Zweifel an diesem Weiterbeschäftigungsanspruch und die mit beachtlichen Argumenten erfolgte Ablehnung durch einige Gerichte (LAG Niedersachsen 10.02.2016 – 14 Sa 746/15; ArbG Villingen-Schwenningen 07.10.2020 – 4 Ca 622/19) und auch kritische Stimmen in der Literatur (Koch in: Ascheid/Preis/Schmidt § 102 BetrVG Rn 236) überzeugen die Kammer schlussendlich nicht. Vielmehr schließt sie sich im Ergebnis der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (19.5.2021 – 10 Sa 69/20) an.

Das Hauptargument der Gegenmeinung ist, dass das Bundesarbeitsgericht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten habe. Dies wird damit begründet, dass der klare Wille des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung nicht konterkariert werden kann. Wenn der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht habe, einen bestimmten Rechtsanspruch nicht zu gewähren, könne dieser nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung konstruiert werden. Die Sachlage sei hier so, weil ein entsprechender Entschließungsantrag der Länder Hessen und Hamburg im Bundesrat nicht angenommen worden sei. Damit sei zum Ausdruck gekommen, dass der Gesetzgeber den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht gewollt habe. Deshalb verstoße der im Wege des Richterrechts entwickelte Weiterbeschäftigungsanspruch gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung.

Indes trifft diese Argumentation inhaltlich nicht zu. Der Gesetzgeber war nicht mit diesen Anträgen befasst. Gesetzgeber für Bundesgesetze ist der deutsche Bundestag. Der Bundesrat ist in verschiedenen Formen entweder durch Zustimmung oder mit der Möglichkeit des Einspruchs daran zu beteiligen. Der Bundesrat kann auch Gesetzesinitiativen ergreifen. All dies ist nicht geschehen. Lediglich die Länder Hessen und Hamburg haben in den Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht. In Entschließungen wird die Auffassung des Bundestags oder Bundesrats zu politischen Fragen zum Ausdruck gebracht und/oder die Bundesregierung zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert. Entschließungen sind rechtlich nicht verbindlich, sondern von politischer Bedeutung (https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/E/entschl_antrag-245394, zuletzt abgerufen 7.12.2022, 13:49 Uhr). Ein Entschließungsantrag ist demnach keine Gesetzesinitiative. Eine Gesetzesinitiative vom Bundesrat war nie Gegenstand der Diskussion. Da also überhaupt keine Gesetzesinitiative ergriffen wurde, kann mitnichten davon die Rede sein, der Gesetzgeber habe eine entsprechende Gesetzesinitiative abgelehnt, über was sich das Bundesarbeitsgericht hinweggesetzt hätte. Auch der Bundesrat hat keine entsprechende Gesetzesinitiative gestartet.

Hinsichtlich der weiteren Argumente nimmt die Kammer Bezug auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (19.5.2021 – 10 Sa 69/20).

Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen im Rechtsstreit.

Aufgrund der in letzter Zeit erneut aufgeworfenen Frage hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs hielt die Kammer es für geboten, die Revision diesbezüglich zuzulassen, obschon mit der Rechtskraft der anderen Teile der Streitgegenstände sich die Situation ergeben könnte, und dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag in der Hauptsache erledigt. Es handelt sich aber um einen eigenen, abtrennbaren Streitgegenstand, so dass die Beschränkung der Revision für die Kammer in Betracht kam.

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