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Geltendmachung der Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 85/19 – Urteil vom 20.05.2021

1. Der Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Rechtsstreits wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Gerichtsvergleich vom 21.11.2019 beendet ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Hinsichtlich der Kosten der 1. Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Rechtsstreit durch den Gerichtsvergleich vom 21.11.2019 beendet wurde oder fortzuführen ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes in der Hauptsache wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Die Parteien haben auf Vorschlag des Gerichts zur Erledigung des Rechtsstreits am 21.11.2019 folgenden Vergleich abgeschlossen:

1. Die Parteien sind einig darüber, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund arbeitgeberseitiger Veranlassung einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.2019 endet.

2. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet und abgewickelt. Die Parteien sind einig darüber, dass die Klägerin den ihr zustehenden Urlaub in Natura genommen hat und Urlaubsabgeltungs- und Freizeitausgleichsansprüche nicht bestehen.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 715.000,- Euro brutto zu zahlen. Die Abfindung wird im Januar 2020 gezahlt.

4. Zur Erhaltung der außerplanmäßigen Professur der Klägerin wird die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Beurlaubung über den Zeitraum von fünf Jahren von Lehrverpflichtungen unterstützen.

5. Die Beklagte gibt der Klägerin Gelegenheit, ihre persönlichen Daten, die sich auf dem Laufwerk U befinden, in Anwesenheit des zuständigen Datenschutzbeauftragten, der absichert, dass keine Patientendaten freigegeben werden, zu kopieren.

6. Die Klägerin verpflichtet sich, die anhängige Klage gegen das Universitätsklinikum Aachen vor dem Arbeitsgericht Aachen mit dem Aktenzeichen 5 Ca 341/18 zurückzunehmen. Die Klägerin wird aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Universitätsklinikum Aachen keine weiteren Rechte herleiten, auch nicht aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln, 6 Sa 34/19.

7. Mit Erfüllung des Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen.

Die Verhandlung dauerte ca. zweieinhalb Stunden. Der Vergleich wurde auf Vorschlag des Gerichts nach mehrmaliger Unterbrechung zur jeweiligen Beratung der Parteien mit ihren Prozessvertretern geschlossen. Der Vergleich wurde den Parteien vorgespielt und von ihnen genehmigt. Die nunmehr streitgegenständliche Anhörung des Personalrats wurde weder von den Parteien noch vom Gericht zum Gegenstand des ausführlichen Vergleichsgesprächs gemacht. Eine Anhörung des bei der Beklagten gebildeten Personalrats zu dem bestandskräftig abgeschlossenen Vergleich erfolgte erst nachträglich im Februar 2021. Der Personalrat hat dazu am 05.02.2021 mitgeteilt, dass er die Maßnahme zur Kenntnis nimmt und auf eine weitere Stellungnahme verzichtet.

Die Klägerin stellte am 27.11.2019 entsprechend der Ziffer 4 des Vergleichs einen Antrag auf Beurlaubung über einen Zeitraum von fünf Jahren, um ihre außerplanmäßige Professur zu erhalten. Am 18.12.2019 kopierte die Klägerin gemäß Ziffer 5 des Vergleichs im Beisein des Datenschutzbeauftragten ihre persönlichen Daten. Im Januar 2020 zahlte die Beklagte die Abfindung nach Ziffer 3 des Vergleichs in Höhe 715.000 EUR brutto aus. Die Klägerin nahm die Zahlung vorbehaltlos entgegen.

Erstmals mit Schreiben 31.07.2020 rügte die Klägerin die Wirksamkeit des Vergleichs und berief sich dazu auf die fehlende Anhörung des Personalrats nach § 74 Abs.2 LPVG NRW. Mit ihrer am 31.12.2020 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt sie ihr Begehren weiter und beantragt die Fortführung des Verfahrens.

Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich bei dem Vergleich vom 21.11.2019 um einen Beendigungsvertrag iSv § 74 Abs.2 LPVG NRW. Ihr Arbeitsverhältnis als Oberärztin unterliege dem Beteiligungsrecht des Personalrats. Der Vergleich sei daher mangels Anhörung des Personalrats nach § 74 Abs.3 LPVG NRW unwirksam. Sie könne sich – ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln – auf die Unwirksamkeit des Vergleichs berufen. Die Einhaltung der personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen sei ausschließlich Sache der Beklagten. Ob dies geschehe, entziehe sich regelmäßig der Kenntnis der Beschäftigten. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, dass sie nach Einholung von Rechtsrat und Erkennen der Sach- und Rechtslage umgehend ihre Rechte wahrnehme. Weder das Zeit- noch das Umstandsmoment seien gegeben. Sie habe keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen. Einem – wie hier von der Klägerin gestellten – Beurlaubungsantrag werde regelmäßig entsprochen. Sie – die Klägerin – sei durch den Ablauf der mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 und die Forderung der Beklagten, auch den Oberarztvertrag zu beenden „überrumpelt“ worden. Der Oberarztvertrag sei zuvor außer Streit gewesen. Durch den Verlauf der Verhandlung sei sie „überrollt“ worden. Die unterbliebene Anhörung des Personalrats und eine ggfs. mögliche Rücksprache mit diesem hätte ihr eine Reflexion ermöglicht, die ihr durch die von der Beklagten zu vertretende Verletzung des § 74 Abs.2 LPVG NRW genommen worden sei.

Die Klägerin beantragt, das Verfahren fortzuführen, da das Arbeitsverhältnis durch den am 21.11.2019 geschlossenen Vergleich nicht beendet werden konnte.

Die Beklagte beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 21.11.2019 beendet ist.

Sie ist der Auffassung, § 74 Abs. 2 und 3 LPVG NRW sei auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht anwendbar, da schon ihre Oberarztvergütung höher als eine B3-Vergütung sei. Demnach bestehe gemäß § 72 Abs. 1 S 2 2.HS Nr.2 LPVG NRW kein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen und bei analoger Anwendung des § 72 Abs.1 S.2 LPVG kein Anhörungsrecht nach § 74 Abs.1 S 2 LPVG NRW. Darüber hinaus bedürfe es keiner vorherigen Anhörung. Hier sei der Personalrat unstreitig nachträglich angehört worden. Die Beklagte ist außerdem der Auffassung, die Parteien hätten keinen Aufhebungs- oder Beendigungsvertrag iSv § 74 Abs.2 LPVG NRW, sondern einen Vergleichsvertrag iSv §v 779 BGB abgeschlossen. Schließlich sei die Berufung der Klägerin auf eine Unwirksamkeit des Vergleichs rechtsmissbräuchlich unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung. Das Umstandsmoment sei erfüllt. Die Klägerin habe den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich vorbehaltlos akzeptiert. Die Klägerin habe die Abfindung vorbehaltlos entgegengenommen. Die auf Antrag der Klägerin erfolgte Beurlaubung habe ihr den Vorteil verschafft, über fünf Jahre den Professorentitel fortzuführen, ohne dafür Lehrleistungen erbringen zu müssen. Dies würde ihr z.B. erlauben, eine private Praxis für Kieferorthopädie zu betreiben, wobei sie sich mit dem Titel einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Auch das Zeitmoment sei erfüllt. Die Klägerin habe acht Monate nach dem Vergleichsschluss geschwiegen und dann erst am 31.12.2020 später die Fortführung des Verfahrens geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Klägerin vom 31.12.2020 und 12.05.2021 sowie der Beklagten vom 15.02.2021 und 18.05.2021 nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.  Der zulässige Antrag der Klägerin auf Fortführung des Verfahrens ist unbegründet. Der Gerichtsvergleich vom 21.11.2019 ist wirksam und hat den Rechtsstreit der Parteien beendet. Die Klägerin kann sich nicht  auf eine – zu ihren Gunsten unterstellte Unwirksamkeit des Vergleichs wegen fehlender Personalratsanhörung berufen. Denn dieser Einwand ist unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung rechtsmissbräuchlich. Es bleibt daher unentschieden, ob der streitgegenständliche Vergleich – wie die Klägerin meint – mangels vorheriger Anhörung des Personalrats nach § 74 Abs. 2 iVm Abs.3 LPVG NW überhaupt unwirksam ist, wogegen die Beklagte beachtliche Argumente angeführt hat.

1.  Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und trägt dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger seine Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (vgl. etwa BAG 17.10. 2013 – 8 AZR 974/12 – mwN).

Zeit- und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig; beide Elemente sind – bildhaft ausgedrückt – im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände sind, die eine Geltendmachung für den Gegner unzumutbar machen, desto schneller kann ein Anspruch oder Recht verwirken (vgl etwa BAG 24.07. 2008 – 8 AZR 175/07 – mwN).

Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände im Verhalten des Berechtigten sind, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung als unzumutbar anzusehen (vgl. etwa  BAG 3.12.2008 5 AZR 63/08).

Die Verwirkung beschränkt sich nicht auf materiell-rechtliche Rechtspositionen des Berechtigten. Auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Klärung einer Rechtsposition ist eine eigenständige Befugnis, die verwirken kann (vergl. etwa BAG 25.11. 2010 – 2 AZR 323/09 – mwN).

2.  Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihr Recht, die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 21.11.2019 geltend zu machen, verwirkt. Es ist hier sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment erfüllt.

a)  Die Klägerin beruft sich auf die Unwirksamkeit eines von den Parteien auf Vorschlag des Gerichts am 21.11.2019 zur Erledigung des Rechtsstreits abgeschlossenen Vergleichs. Dieser Vergleich hat die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.12.2019 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 715.000 EUR brutto sowie die ordnungsgemäße Abwicklung (Ziffern 1, 2, 3 und 5) bis zum Beendigungstermin zum Gegenstand. Darüber hinaus verpflichtet sich die Beklagte, einen Antrag der Klägerin zur Erhaltung der außerplanmäßigen Professur auf Beurlaubung über den Zeitraum von fünf Jahren zu unterstützen (Ziffer 4). Schließlich verpflichtet sich die Klägerin eine weitere anhängige Klage gegen das Universitätsklinikum Aachen zurückzunehmen und aus dem Arbeitsverhältnismit dem Universitätsklinikum Aachen keine Rechte herzuleiten.

Der Vergleich wurde zeitnah erfüllt und das Arbeitsverhältnis der Parteien vollständig abgewickelt. Die Klägerin stellte am 27.11.2019 entsprechend der Ziffer 4 des Vergleichs einen Antrag auf Beurlaubung über einen Zeitraum von fünf Jahren, um ihre außerplanmäßige Professur zu erhalten. Am 18.12.2019 kopierte die Klägerin gemäß Ziffer 5 des Vergleichs im Beisein des Datenschutzbeauftragten ihre persönlichen Daten. Im Januar 2020 zahlte die Beklagte die Abfindung nach Ziffer 3 des Vergleichs in Höhe 715.000 EUR brutto aus. Die Klägerin nahm die Zahlung vorbehaltlos entgegen.

Erstmals mit Schreiben 31.07.2020 rügte die Klägerin Wirksamkeit des Vergleichs und berief sich dazu auf die fehlende Anhörung des Personalrats nach § 74 Abs.2 LPVG NRW. Mit ihrer am 31.12.2020 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt sie ihr Begehren weiter mit dem Antrag, das Verfahren fortzuführen.

b)  Das erforderliche Zeitmoment ist erfüllt. Die Klägerin hat sich erstmals mehr als acht Monate nach dem Vergleichsschluss gegenüber der Beklagten auf die Unwirksamkeit des unwiderruflich abgeschlossenen Vergleichs vom 21.11.2019 berufen und dann erst nach fünf weiteren Monaten die Fortführung des durch den Vergleich beendeten Verfahrens gerichtlich geltend gemacht. Damit hat die Klägerin mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs wegen nicht erfolgter Anhörung des Personalrats längere Zeit abgewartet. Infolge des Zeitablaufs von insgesamt mehr als einem Jahr hat sich für die Beklagte ein Vertrauenstatbestand gebildet, wonach sie mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs nicht mehr hat rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Vergleich  handelt, der die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hat. Ob ein Arbeitsverhältnis beendet ist oder fortbesteht, ist für die Arbeitsvertragsparteien nicht zuletzt im Hinblick auf die vielfältig daran geknüpften Rechtsfolgen von herausragender Bedeutung. Dementsprechend unterliegen Bestandsschutzklagen einem besonderen Beschleunigungsgebot, wie es etwa die dreiwöchige Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts nach § 4 KSchG zum Ausdruck bringt. Gemessen daran, ist ein mehr als einjähriges Abwarten der Klägerin, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen, ein so langer Zeitraum, dass die Beklagte mit einer Geltendmachung nicht mehr rechnen musste. Dies trifft auch schon auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung mit Schreiben vom 31.07.2020 zu. Hierbei ist unter dem Gesichtspunkt der Vertrauensbildung zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit einer Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs mehr als acht Monate nachdem er bestandskräftig abgeschlossen worden ist, auch im Hinblick auf die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 37 TVöD, der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das  Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, nicht hat rechnen müssen.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Einhaltung der personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen sei ausschließlich Sache der Beklagten, ob dies geschehe, entziehe sich regelmäßig der Kenntnis der Beschäftigten. Es sei der Klägerin nicht als rechtsmissbräuchlich vorzuhalten, dass sie nach Einholung von Rechtsrat und Erkennen der Sach- und Rechtslage umgehend ihre Rechte wahrnehme, greift dieser Einwand nicht durch. Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass es Sache der Arbeitgeberin ist, die personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Hier hätte dies, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass eine vorherige Anhörung des Personalrats Wirksamkeitsvoraussetzung des am 21.11.2019 abgeschossenen Gerichtsvergleichs ist, dazu führen müssen, dass dieser Vergleich wegen der sodann von der Beklagten noch vorzunehmenden Personalratsanhörung, nur hätte widerruflich abgeschlossen werden können. Die nunmehr streitgegenständliche Anhörung des Personalrats wurde weder von den Parteien noch vom Gericht zum Gegenstand des ausführlichen Vergleichsgesprächs gemacht. Das Gericht hat an etwaige Beteiligungsrechte des Personalrats schlicht nicht gedacht. Die Klägerin wurde in dem Rechtsstreit, der durch den Vergleich beendet wurde, einschließlich des Vergleichsabschlusses in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2019 von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten, die für die Klägerin dann nachträglich die Unwirksamkeit des Vergleichs erst außergerichtlich und sodann gerichtlich geltend gemacht haben. Zu welchem Zeitpunkt die Prozessbevollmächtigten die Klägerin über die – nach ihrer Auffassung – zur Wirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs erforderliche Personalratsanhörung informiert haben, teilt die Klägerin nicht mit. Sie trägt auch keinen Sachverhalt dazu vor, warum sie mit der erstmaligen Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs mehr als acht Monate und dann noch weitere fünf Monate bis zur gerichtlichen Geltendmachung abgewartet hat. Danach gibt es keinen nachvollziehbaren Grund für den langen Zeitablauf bis zur Geltendmachung, der zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden könnte.

b)  Auch das Umstandsmoment ist erfüllt. Denn der Beklagten, die mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs nicht mehr rechnen musste, kann deshalb eine Einlassung darauf nicht mehr zugemutet werden. Die Abwicklung des Vergleichs hat bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend begründet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien sowie der Rechtsstreit der Parteien durch den bestandskräftigen Vergleich beendet worden ist und die Klägerin sich nicht nachträglich auf Unwirksamkeitsgründe berufen wird. Der Vergleich vom 21.11.2019 wurde zeitnah und vollständig den Parteien abgewickelt. Die Klägerin stellte am 27.11.2019 entsprechend der Ziffer 4 des Vergleichs einen Antrag auf Beurlaubung über einen Zeitraum von fünf Jahren, um ihre außerplanmäßige Professur zu erhalten. Am 18.12.2019 kopierte die Klägerin gemäß Ziffer 5 des Vergleichs im Beisein des Datenschutzbeauftragten ihre persönlichen Daten. Im Januar 2020 zahlte die Beklagte die Abfindung nach Ziffer 3 des Vergleichs in Höhe 715.000 EUR brutto aus. Die Klägerin nahm die Zahlung vorbehaltlos entgegen.

Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die auf Antrag der Klägerin erfolgte Beurlaubung ihr den Vorteil verschafft habe, über fünf Jahre den Professorentitel fortzuführen, ohne dafür Lehrleistungen erbringen zu müssen. Damit war es der Klägerin erlaubt, eine private Praxis für Kieferorthopädie zu betreiben und sich mit dem Titel einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Soweit die Klägerin dagegen einwendet, einem derartigen Beurlaubungsantrag werde regelmäßig entsprochen, verkennt sie, dass sie keinen Anspruch auf Beurlaubung hatte. Nach Erinnerung der Vorsitzenden legte die Klägerin großen Wert darauf, diese Frage im Vergleich ausdrücklich zu regeln.

Soweit die Klägerin einwendet, sie sei durch den Ablauf der mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 und die Forderung der Beklagten, auch den Oberarztvertrag zu beenden „überrumpelt“ und „überrollt“ worden, so ist dieser Sachvortrag substanzlos und angesichts des unstreitigen Ablaufs der Verhandlung geradezu ärgerlich. Die Klägerin stand nicht allein vor Gericht, sondern wurde von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten. Im Übrigen machte sie auf das Gericht den Eindruck, der Verhandlung und insbesondere dem Vergleichsgespräch nicht nur auf Augenhöhe folgen zu können, sondern ihre Interessen durchaus erfolgreich selbst einbringen und vertreten zu können. Die Verhandlung dauerte ca. zweieinhalb Stunden. Der Vergleich wurde auf Vorschlag des Gerichts nach mehrmaliger Unterbrechung zur jeweiligen Beratung der Parteien mit ihren Prozessvertretern geschlossen. Der Vergleich wurde der Klägerin, dem Vertreter der Beklagten und den Prozessbevollmächtigten der Parteien vorgespielt und von ihnen genehmigt. Sollte die Klägerin sich dennoch durch den Vergleichsabschluss – für das Gericht nicht erkennbar – „überrumpelt“ und „überrollt“ gefühlt haben, so hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, diesen Vergleich – in Abstimmung und vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten nicht oder jedenfalls nicht unwiderruflich abzuschließen.

II.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97, 98 ZPO.

III.  Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

 

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