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Zurückbehaltungsrecht des Arbeitsnehmers an Arbeitsleistung

Arbeitsrecht: Gericht bestätigt Grenzen des Zurückbehaltungsrechts

Im Fall Hessisches Landesarbeitsgericht – Az.: 1 Ta 240/13 wurde die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main zurückgewiesen, wobei der Klägervertreter die Kosten der Beschwerde tragen muss. Der Kläger strebte die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts an seiner Arbeitsleistung gegenüber dem Beklagten an, wobei das Gericht den Wert des Antrags lediglich auf ein Monatsgehalt bemessen hat, trotz der Auffassung des Klägervertreters, der eine höhere Bewertung forderte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ta 240/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach und wies die Beschwerde des Klägers ab, der ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung feststellen lassen wollte.
  • Der Kläger verlangte die Bewertung seines Antrags auf Feststellung des Zurückbehaltungsrechts mit sechs Gehältern, das Gericht entschied jedoch auf der Basis eines einzigen Gehalts.
  • Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung der Klageanträge wurde abgelehnt, da das Gericht sie angemessen fand, auch im Hinblick auf den Auskunftsantrag über die Adresse eines Mitarbeiters, den der Kläger ebenfalls geltend gemacht hatte.
  • Das Gericht lehnte eine Erhöhung des Wertes für den Auskunftsantrag ab, der auf €500 festgesetzt wurde, obwohl der Kläger €1,000 verlangte, basierend auf einem geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch von €8,000.
  • Die Berechnung des Gegenstandswertes für die Klage und den Vergleich blieb bei €18,076.80, entsprechend der Festsetzung durch das Arbeitsgericht.
  • Die Klägervertreter müssen die Beschwerdegebühr übernehmen, weitere Kostenentscheidungen waren nicht erforderlich.
  • Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde vom Gericht nicht ermöglicht.

Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist geprägt von gegenseitigen Rechten und Pflichten. Während der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen hat, ist der Arbeitgeber zur Zahlung der versprochenen Vergütung verpflichtet. In bestimmten Situationen kann der Arbeitnehmer jedoch ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend machen.

Dieses Rechtsinstitut ermöglicht es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung vorübergehend zu verweigern, um den Arbeitgeber zu einer Handlung oder Unterlassung zu bewegen. Das Zurückbehaltungsrecht stellt somit ein Druckmittel dar, das dem Ausgleich der Interessengegensätze zwischen den Arbeitsvertragsparteien dient.

➜ Der Fall im Detail


Klage und Zurückbehaltungsrecht im Arbeitsrecht

Der Fall dreht sich um die rechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber, vertreten durch den Klägervertreter, vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht, Az.: 1 Ta 240/13. Der Kern des Konflikts entstand aus der Forderung des Arbeitnehmers nach einem Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung.

Zurückbehaltungsrecht Arbeitsrecht
(Symbolfoto: fongbeerredhot /Shutterstock.com)

Dies erfolgte nachdem er zuvor insgesamt 12 Anträge eingereicht hatte, darunter die Feststellung dieses Zurückbehaltungsrechts und die Erteilung einer Auskunft über die Wohnanschrift eines Mitarbeiters für die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen. Der Gehaltsanspruch des Klägers gegenüber dem Arbeitgeber belief sich auf 382,20 Euro.

Verfahrensverlauf und rechtliche Bewertung

Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hatte in einem früheren Beschluss den Gegenstandswert der Klage und eines darauf folgenden Vergleichs auf jeweils 18.076,80 Euro festgesetzt. Nach Zustellung dieses Beschlusses legte der Klägervertreter Beschwerde ein, die jedoch erfolglos blieb. Der Klägervertreter argumentierte, dass der Wert des Antrags auf Feststellung des Zurückbehaltungsrechts aufgrund der bereits über vier Monate ausgeübten Zurückbehaltung mit mindestens sechs Gehältern zu bemessen sei.

Gerichtliche Entscheidung über das Zurückbehaltungsrecht

Das Hessische Landesarbeitsgericht wies die Beschwerde des Klägervertreters zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach. Das Gericht urteilte, dass der Anspruch auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts angemessen mit einem Monatsgehalt bemessen wurde. Es betonte, dass dieser Anspruch das Pendant zum Beschäftigungsanspruch darstellt, bei dem es um die tatsächliche Beschäftigung beim Arbeitgeber geht, im Gegensatz zur Nichterbringung der Arbeitsleistung aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts.

Bewertung des Auskunftsantrags und rechtliche Feinheiten

In Bezug auf den Auskunftsantrag, mit dem der Kläger die Wohnanschrift eines Mitarbeiters herausfinden wollte, um Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche geltend zu machen, folgte das Gericht ebenfalls der Bewertung des Arbeitsgerichts und setzte den Wert auf 500,00 Euro fest. Diese Entscheidung basierte auf der Überlegung, dass der Auskunftsanspruch lediglich die Vorbereitung und Erleichterung der Geltendmachung eines Leistungsanspruchs dient und daher erheblich niedriger anzusetzen ist als der daraus resultierende Anspruch.

Schlussfolgerungen und rechtliche Konsequenzen

Trotz der ausführlichen Begründung des Klägervertreters erkannte das Gericht keine Veranlassung, von der etablierten Rechtsprechung abzuweichen, und wies die Beschwerde ab. Die Klägervertreter mussten infolgedessen die Beschwerdegebühr tragen. Das Gericht ließ keine Rechtsbeschwerde zu, was die Endgültigkeit dieser Entscheidung unterstreicht. Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung und die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts im Arbeitsrecht sowie die sorgfältige Abwägung gerichtlicher Bewertungen von Klageanträgen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Zurückbehaltungsrecht im Arbeitsrecht?

Das Zurückbehaltungsrecht im Arbeitsrecht ist ein Recht des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung vorübergehend zu verweigern, wenn der Arbeitgeber seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllt. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer einen fälligen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat, der aus demselben Arbeitsverhältnis stammt.

Typische Fälle, in denen ein Zurückbehaltungsrecht in Betracht kommt, sind die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber, Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften oder Belästigungen und Mobbing am Arbeitsplatz. Der Arbeitnehmer muss vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts den Arbeitgeber aber unter Angabe des Grundes klar und eindeutig informieren.

Übt der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht rechtmäßig aus, behält er den Anspruch auf Arbeitsentgelt, obwohl er nicht arbeitet. Der Arbeitgeber befindet sich dann im Annahmeverzug. Er darf den Arbeitnehmer in diesem Fall auch nicht abmahnen oder kündigen. Der Arbeitnehmer kann sich für die Dauer der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beziehen.

Allerdings unterliegt das Zurückbehaltungsrecht gewissen Grenzen. Es darf nicht wegen geringfügiger Pflichtverletzungen des Arbeitgebers ausgeübt werden. Bei rückständigem Arbeitsentgelt muss es sich um mehr als nur kurzfristige Zahlungsverzögerungen handeln. Auch darf dem Arbeitgeber kein unverhältnismäßig hoher Schaden drohen. Arbeitnehmer sollten daher vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts fachkundige Beratung einholen, um Risiken zu vermeiden.

Unter welchen Bedingungen darf ein Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht ausüben?

Ein Arbeitnehmer darf sein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung unter folgenden Bedingungen ausüben:

  1. Der Arbeitgeber erfüllt seine vertraglichen Pflichten nicht, insbesondere:
    • Der Arbeitgeber zahlt den fälligen Lohn nicht oder nur teilweise. Hier muss es sich um mehr als nur kurzfristige Zahlungsverzögerungen handeln, in der Regel mindestens um einen Rückstand von 2-3 Monatslöhnen.
    • Der Arbeitgeber verstößt gegen Arbeitsschutzvorschriften und gefährdet dadurch die Gesundheit des Arbeitnehmers.
    • Der Arbeitnehmer wird am Arbeitsplatz belästigt, gemobbt oder sexuell belästigt und der Arbeitgeber ergreift keine geeigneten Gegenmaßnahmen.
  2. Der Anspruch des Arbeitnehmers muss fällig sein und aus demselben Arbeitsverhältnis stammen wie die zurückbehaltene Arbeitsleistung.
  3. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unter Angabe des konkreten Grundes auffordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
  4. Dem Arbeitgeber darf durch die Arbeitsverweigerung kein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen.
  5. Der Anspruch des Arbeitnehmers darf nicht bereits auf andere Weise, z.B. durch Sicherheiten, gesichert sein.
  6. Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen sein.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Arbeitnehmer die Arbeit verweigern, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Er behält den Lohnanspruch und der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer kann sich für die Dauer der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beziehen.

Welche rechtlichen Schritte muss ein Arbeitnehmer vor der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts beachten?

Bevor ein Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht ausübt, muss er folgende rechtliche Schritte beachten:

  1. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, dass er sein Zurückbehaltungsrecht aufgrund einer ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung ausübt. Nur so kann der Arbeitgeber den geltend gemachten Anspruch überprüfen und ggf. erfüllen.
  2. Diese Mitteilung an den Arbeitgeber sollte am besten schriftlich erfolgen, um später einen Nachweis zu haben. In dem Schreiben sollte genau aufgeschlüsselt sein, mit welchen Zahlungen der Arbeitgeber in Rückstand ist und dass der Arbeitnehmer deswegen bis zur Bezahlung nicht arbeiten wird.
  3. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber eine angemessene Frist zur Erfüllung seiner Verpflichtungen setzen, bevor er die Arbeit niederlegt. Eine sofortige Arbeitsniederlegung ist in der Regel nicht zulässig.
  4. Der Arbeitnehmer muss prüfen, ob das Zurückbehaltungsrecht vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist. Ist dies der Fall, darf er es nicht ausüben.
  5. Der Arbeitnehmer muss sicherstellen, dass sein Zurückbehaltungsrecht nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Dies wäre z.B. der Fall, wenn dem Arbeitgeber durch die Arbeitsverweigerung ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen würde.
  6. Der Arbeitnehmer sollte prüfen, ob der Zahlungsrückstand des Arbeitgebers erheblich genug ist. In der Regel muss der Rückstand mindestens 2-3 Monatslöhne betragen. Bei geringeren Rückständen besteht kein Zurückbehaltungsrecht.
  7. Der Arbeitnehmer muss bei der Arbeitsagentur vorsprechen und nachweisen, dass er wegen eines nicht unerheblichen Zahlungsverzugs die Arbeit verweigert, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.

Es empfiehlt sich für Arbeitnehmer in jedem Fall, vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts rechtlichen Rat einzuholen, um Fehler zu vermeiden und keine unnötigen Risiken einzugehen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann die Erfolgsaussichten und mögliche Konsequenzen am besten einschätzen.

Wie wird der Wert eines Zurückbehaltungsrechts vor Gericht bewertet?

Der Wert eines Zurückbehaltungsrechts wird vor Gericht in der Regel wie folgt bewertet:

  1. Bei Mängelbeseitigungsbegehren richtet sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG. Danach ist der Wert des Gegenstands maßgeblich, auf den sich das Zurückbehaltungsrecht bezieht. Geht es beispielsweise um die Beseitigung von Mängeln an einer Mietsache, ist der Wert der Mietsache entscheidend.
  2. Bei einer Klage des Mieters auf Feststellung einer Mietminderung wegen eines Zurückbehaltungsrechts ist der Streitwert nicht analog § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG mit dem Jahresbetrag der geminderten Miete anzusetzen. Stattdessen ist der Wert des Feststellungsbegehrens nach § 3 ZPO zu schätzen.
  3. Im Erbrecht gilt: Teilt der Pflichtteilsberechtigte dem Erben die wertbildenden Faktoren für seinen Pflichtteilsanspruch nicht mit, kann sich der Erbe auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gegenüber den Pflichtteilszahlungsansprüchen berufen. Der Wert richtet sich dann nach der Höhe des Pflichtteilsanspruchs.
  4. Allgemein wird der Streitwert im Gerichtskostengesetz und in der ZPO als „Streitwert“ (§ 3 Abs. 1 GKG, § 2 ZPO) und im FamGKG als „Verfahrenswert“ (§ 3 Abs. 1 FamGKG) bezeichnet.
  5. In einem konkreten Fall vor dem OLG Hamburg wurde der Wert eines Zurückbehaltungsrechts bei einem Saldobetrag aus einem Vertragsverhältnis auf den vollen Betrag von 122.595,49 € festgesetzt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Bewertung des Wertes eines Zurückbehaltungsrechts von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Maßgebliche Faktoren sind insbesondere der Wert des zurückbehaltenen Gegenstands bzw. der Höhe des Anspruchs, wegen dem das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird. Im Zweifel sollten Arbeitnehmer fachkundigen Rechtsrat einholen, um die finanziellen Folgen abschätzen zu können.

Kann der Arbeitgeber gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Arbeitnehmer vorgehen?

Ja, der Arbeitgeber kann gegen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Arbeitnehmer vorgehen, wenn er der Ansicht ist, dass dieses unberechtigt ausgeübt wird. Dafür stehen ihm folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer zunächst eine Abmahnung erteilen, in der er ihn auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen und darauf hinweist, dass er die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts für unberechtigt hält. In der Abmahnung sollte er dem Arbeitnehmer auch die Gründe darlegen, warum er das Zurückbehaltungsrecht für unberechtigt hält, z.B. weil die Lohnrückstände nur geringfügig sind oder weil er den geltend gemachten Mangel bereits beseitigt hat.

Kommt der Arbeitnehmer der Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitgeber als nächsten Schritt eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Dabei muss er aber die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes beachten und insbesondere eine Interessenabwägung vornehmen. Er muss darlegen, warum die Weigerung des Arbeitnehmers die Kündigung rechtfertigt.

Der Arbeitgeber kann auch eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht beantragen, mit der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung der Arbeit aufgegeben wird. Dafür muss er die Voraussetzungen für den Verfügungsgrund, also die besondere Eilbedürftigkeit, und den Verfügungsanspruch, also den Anspruch auf Arbeitsleistung, darlegen und glaubhaft machen.

Schließlich bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer Klage auf Leistung der Arbeit. Im Prozess muss dann geklärt werden, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts tatsächlich vorliegen oder nicht. Insbesondere muss geprüft werden, ob der geltend gemachte Gegenanspruch des Arbeitnehmers fällig und durchsetzbar ist.

Erweist sich das Zurückbehaltungsrecht im Nachhinein als unberechtigt, muss der Arbeitnehmer die Arbeit nachholen. Der Arbeitgeber kann auch Schadensersatz verlangen, wenn ihm durch die Arbeitsverweigerung ein Schaden entstanden ist.

Insgesamt sollte der Arbeitgeber aber bedenken, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ein starkes Indiz für eine Vertragsverletzung durch ihn selbst ist. Bevor er gegen den Arbeitnehmer vorgeht, sollte er daher prüfen, ob die Gründe für die Ausübung berechtigt sind und seiner eigenen Vertragspflicht zur Lohnzahlung nachkommen. Oft lässt sich der Konflikt durch Gespräche und Verhandlungen schneller lösen als durch juristische Schritte.

Welche Konsequenzen hat die ungerechtfertigte Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Arbeitnehmer?

Übt ein Arbeitnehmer das Zurückbehaltungsrecht ungerechtfertigt aus, kann dies folgende Konsequenzen haben:

  1. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer zunächst eine Abmahnung erteilen, in der er ihn auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen und darauf hinweist, dass er die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts für unberechtigt hält. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, drohen weitere Konsequenzen.
  2. Der Arbeitnehmer verliert für die Zeit der ungerechtfertigten Arbeitsverweigerung seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, selbst wenn er nachträglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. Der Arbeitgeber muss ihn dann bei der Sozialversicherung abmelden.
  3. Im Wiederholungsfall oder in schwerwiegenden Fällen kann der Arbeitgeber nach vorheriger Abmahnung auch eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Er muss dabei aber die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes beachten und eine Interessenabwägung vornehmen.
  4. In besonders gravierenden Fällen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung ist sogar eine fristlose außerordentliche Kündigung möglich, wenn der Arbeitnehmer sich einer eindeutigen Arbeitsaufforderung widersetzt und ihm kein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Eine vorherige Abmahnung ist dann entbehrlich.
  5. Entsteht dem Arbeitgeber durch die ungerechtfertigte Arbeitsverweigerung ein Schaden, kann er vom Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen. Der Arbeitnehmer muss dann für die ausgefallene Arbeitszeit nacharbeiten.
  6. Erweist sich das Zurückbehaltungsrecht im Nachhinein als unberechtigt, trägt der Arbeitnehmer das Risiko einer Fehleinschätzung. Er setzt sich mit der Arbeitsverweigerung ins Unrecht, wenn die Arbeitsanweisung rechtens war und ihm kein Zurückbehaltungsrecht zustand.

Arbeitnehmer sollten daher sehr sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht tatsächlich vorliegen, bevor sie die Arbeit niederlegen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, vorher rechtlichen Rat einzuholen, um die Konsequenzen einer Fehleinschätzung zu vermeiden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

§ 273 BGB – Zurückbehaltungsrecht
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt im § 273 das Zurückbehaltungsrecht, welches es einem Schuldner erlaubt, seine Leistung zu verweigern, bis die ihm zustehende Gegenleistung erbracht wird. Im Kontext des Arbeitsrechts ermöglicht dies einem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, bis z.B. ausstehende Löhne gezahlt werden.

§ 615 BGB – Vergütung bei Annahmeverzug und Betriebsrisiko
Dieser Paragraph behandelt die Fortzahlung der Vergütung eines Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt, obwohl der Arbeitnehmer sie angeboten hat. Im Fall eines Zurückbehaltungsrechts ist dies relevant, da der Arbeitnehmer bereit ist zu arbeiten, jedoch unter bestimmten Bedingungen nicht arbeitet.

§ 242 BGB – Treu und Glauben
Der Grundsatz von Treu und Glauben spielt eine wesentliche Rolle bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts, da von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er sein Recht in einer Weise ausübt, die den Interessen des Arbeitgebers nicht unangemessen schadet.

Art. 12 GG – Berufsfreiheit
Das Grundgesetz schützt die Berufsfreiheit, was indirekt mit dem Zurückbehaltungsrecht verbunden ist, da ein Arbeitnehmer unter Umständen seine Arbeitsleistung verweigern kann, ohne dass dies als Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten gewertet wird.

§ 611 BGB – Arbeitsvertrag
Dieser Paragraph definiert den Arbeitsvertrag und ist grundlegend für die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Er bildet die rechtliche Grundlage für jegliche Ansprüche, die aus dem Arbeitsverhältnis entstehen, einschließlich des Zurückbehaltungsrechts.

§ 626 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
In Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht könnte ein anhaltender Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber unter Umständen einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer darstellen.


Das vorliegende Urteil

Hessisches Landesarbeitsgericht – Az.: 1 Ta 240/13 – Beschluss vom 30.01.2014

Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 10. Juni 2013 – 4 Ca 122/13 – wird zurückgewiesen.

Der Klägervertreter hat die Beschwerdegebühr zu tragen.

Gründe

I.

Die Beschwerde des Klägervertreters hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat mit insgesamt 12 Anträgen Klage gegenüber der Beklagten erhoben, wobei hinsichtlich des Inhalts der einzelnen Anträge auf Bl. 1 f., 29 und 33 d.A. Bezug genommen wird. Mit dem Antrag zu 4. hat er die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts an seiner Arbeitsleistung und mit dem Antrag zu 6. die Erteilung einer Auskunft über die Wohnanschrift eines Mitarbeiters der Beklagten begehrt, gegen den er Schmerzensgeldansprüche geltend machen wollte. Das Gehalt des Klägers bei der Beklagten betrug € 382,20.

Durch Beschluss vom 17. Mai 2013 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, dessen Inhalt sich aus Bl. 46 d.A. ergibt. Das Arbeitsgericht hat – nach vorheriger Anhörung – den Gegenstandswert durch Beschluss vom 10. Juni 2013 für die Klage und den Vergleich auf jeweils € 18.076,80 festgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Zusammensetzung dieses Betrages wird auf die Aufstellung Bl. 51 d.A. verwiesen.

Gegen diesen, ihm am 12. Juni 2013 zugestellten Beschluss hat der Klägervertreter mit einem am 25. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 56 f. d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom selben Tag (Leseabschrift Bl. 57 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 19. August 2013 (Bl. 61 f d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägervertreters ist nicht begründet. Sie wendet sich gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Festsetzung für die Klageanträge zu 4. und 6. mit der Begründung, der Wert für die Klage auf Feststellung des Zurückbehaltungsrechts (Antrag zu 4.), die das Arbeitsgericht mit einem Monatsgehalt bemessen hat, müsse mit mindestens 6 Gehältern angesetzt werden. Auch sei der Auskunftsantrag, mit dem der Kläger die Angabe der Wohnanschrift habe erreichen wollen, mit € 500,00 zu niedrig bemessen. Er müsse sich vielmehr auf € 1.000,00 belaufen, da der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch von € 8.000,00 und weitergehende Schadenersatzansprüche habe geltend machen wollen.

Das Arbeitsgericht hat den Anspruch auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf die Arbeitsleistung des Klägers gegenüber der Beklagten zutreffend mit einem Monatsgehalt bemessen.

Ein solcher Anspruch stellt sich als Pendant zum sogenannten Beschäftigungsanspruch dar, mit dem der Arbeitnehmer seine tatsächliche Beschäftigung beim Arbeitgeber begehrt. Der Kläger im vorliegenden Verfahren erstrebt hingegen die gerichtliche Feststellung, dass er aufgrund der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts bis zur Sicherstellung konkret genannter Maßnahmen seine Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten gerade nicht erbringen muss. Dieser Antrag stellt mithin das Gegenteil zur tatsächlichen Beschäftigung dar.

Der Beschäftigungsanspruch bemisst sich nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Höhe eines Bruttomonatsgehalts (vgl. Hess. LAG vom 25. Februar 2011 – 1 Ta 483/10, dokumentiert in juris und vom 23. April 1999 – 15/6 Ta 28/98, NZA-RR 1999, 434).

Die Auffassung des Klägervertreters, nach der der Antrag mit mindestens 6 Monatsgehältern zu bemessen sei, weil der Kläger bereits seit über 4 Monaten sein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt hat, vermag an der bisher vertretenen Auffassung der Beschwerdekammer nichts ändern. Auch der Beschäftigungsanspruch ist auf einen längeren Zeitraum ausgelegt, in der Regel sogar auf unbestimmte Zeit und wird gleichwohl mit einem Monatsgehalt als angemessen bewertet angesehen.

Auch in Bezug auf die Ermittlung des Wertes für den Auskunftsantrag vermag das Beschwerdegericht nicht der Auffassung des Klägervertreters folgen. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag mit einem Betrag von € 500,00 bewertet und damit bereits mehr als ein Gehalt des Klägers hierfür angesetzt.

Grundsätzlich ist der Wert eines Auskunftsanspruchs erheblich niedriger anzusetzen als der im Ergebnis mit der Auskunft verfolgte Anspruch, da mittels des Auskunftsanspruch lediglich die Geltendmachung eines Leistungsbegehrens vorbereitet und erleichtert werden soll. Mit der Übermittlung der Wohnanschrift eines ihrer Mitarbeiter vermittelt die Beklagte lediglich eine Information, die nicht – auch nicht mit einem erheblichen Anteil – gleichzusetzen ist mit dem gegen diesen Mitarbeiter vom Kläger verfolgten Klageziel. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Klägers nicht von der

Auskunftserteilung abhängt, sondern für ihn lediglich einen unkomplizierten Weg zur Erlangung einer – ansonsten aufwändiger zu beschaffenden – Information darstellt, besteht keine Veranlassung, den vom Arbeitsgericht bereits angesetzten Wert von € 500,00 zu erhöhen.

Weil im Verfahren nach § 33 RVG das Verschlechterungsverbot (Verbot der „reformatio in peius“) gilt (vgl. Hess. LAG vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98, NZA-RR 1999, 156; Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Rn A 688) und eine Wertminderung damit ausscheidet, hat es bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswert für die Klage und den Vergleich zu verbleiben.

Die Klägervertreter haben wegen der Erfolglosigkeit ihrer Beschwerde die Beschwerdegebühr zu tragen (Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Einer weitergehenden Kostenentscheidung bedarf es nicht, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

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