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Arbeitszeitverringerung und Entgeltreduzierung

Arbeitsentgelthöhe bei Beschäftigungsverbot

ArbG Hamburg – Az.: 9 Ca 333/16 – Urteil vom 13.12.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird auf EUR 7.552,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und um die Höhe des Durchschnittsverdienstes während des Mutterschutzes.

Die Beklagte betreibt Spielbanken.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. August 2001 als Croupier beschäftigt. Die jährliche Arbeitszeit betrug zunächst 1.800 Stunden. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Die Klägerin erhielt im September 2015 ein Gesamtbruttoentgelt in Höhe von Euro 3876,49. Im Oktober 2015 betrug das Gesamtbruttogehalt Euro 3876,68. Im November 2015 betrug das Gesamtbruttogehalt Euro 3866,68. Insoweit wird auf die Anlagen K 2 – 4 zur Klageschrift verwiesen.

Die Klägerin wechselte auf ihren Antrag vom 30. Oktober 2015 mit Vertragsänderung vom 18. November 2015 von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung (Jahresarbeitszeit 1.200 Stunden) bei der Beklagten. Die Reduzierung beschränkt sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016. Insoweit wird auf die Anlagen K 6 – 7 zur Klageschrift verwiesen.

Im Januar 2016 wurde festgestellt, dass bei der Klägerin seit Dezember 2015 eine Schwangerschaft bestand.

Die Beklagte rechnete für den Monat April 2016 € 2596,24 brutto und für den Monat Mai 2016 € 2591,57 brutto ab. Insoweit wird auf die Anlagen K 5 zur Klageschrift verwiesen.

Am 4. April 2016 wurde von der behandelnden Ärztin der Klägerin, Frau Dr. R., ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde der 26. September 2016 ärztlich festgestellt. Insoweit wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen.

Mit Schreiben vom 7. April 2016 ließ die Klägerin die Beklagte darauf hinweisen, dass ausschlaggebend für die Berechnung des Arbeitsentgeltes die Monate September 2015 bis November 2015 seien. Die Beklagte ließ unter dem 20. April 2016 erwidern, dass eine Kürzung des Entgelts aufgrund der Teilzeitvereinbarung zwingend zu erfolgen habe. Insoweit wird auf die Anlagen K 8 – 9 zur Klageschrift verwiesen.

Die Klägerin hat am 11. Juli 2016 die vorliegende Klage erhoben.

Die Klägerin meint, gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 MuSchG seien dauerhafte Verdienstkürzungen zu berücksichtigen, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintreten würden und die nicht auf einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot beruhen.

Die Klägerin meint, es sei zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung der Arbeitszeitverringerung durch die Klägerin in enger Verbindung mit der Schwangerschaft stehe. Zum Zeitpunkt des Herantretens an ihren Arbeitgeber bezüglich der Arbeitszeitverringerung sei die Schwangerschaft von der Klägerin und ihrem Ehemann bereits geplant gewesen. Die Reduzierung der Arbeitszeit sei allein aufgrund der Schwangerschaft und der damit verbundenen Belastungen erbeten worden. Dies habe die Klägerin der Beklagten allerdings aus Angst vor negativen Konsequenzen nicht mitgeteilt.

Die Klägerin meint, aufgrund der Verknüpfung zwischen Schwangerschaft und Arbeitszeitverringerung spreche der Sinn und Zweck des Mutterschutzgesetzes für eine Nichtberücksichtigung der Arbeitszeitreduzierung.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin Euro 2431,05 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf Euro 1149,34 seit dem 6. Mai 2016 und auf Euro 1281,71 seit dem 6. Juni 2016 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der während des Mutterschutzes an die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG zu gewährende Durchschnittsverdienst Euro 3873,28 brutto beträgt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das Wirksamwerden einer arbeitsvertraglichen Verringerung der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit wegen eines Wechsels von Vollzeitarbeit in Teilzeitarbeit für die Dauer von zwölf Monaten sei als dauerhafte Verdienstkürzung anzusehen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie wegen ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Sowohl der Zahlungsantrag als auch der Feststellungsantrag der Klägerin sind unbegründet, da der der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG zu gewährende Durchschnittsverdienst nicht € 3.873,28 brutto beträgt.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG sind der Schwangeren die durch die Beschäftigungsverbote oder das Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot verursachten Verdienstminderungen auszugleichen.

Die Klägerin, die seit dem 1. August 2001 bei der Beklagten als Croupier beschäftigt ist, war seit Dezember 2015 schwanger. Am 4. April 2016 wurde von der behandelnden Ärztin der Klägerin ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde der 26. September 2016 ärztlich festgestellt.

Zur Berechnung des Mutterschutzlohnes bestimmt § 11 Abs. 1 MuSchG, dass vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren ist. Die dieser Berechnung zugrundeliegende Bezugs- oder Referenzmethode ist allerdings im Gesetz dahin modifiziert, dass während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraumes eingetretene Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur zugunsten der Arbeitnehmerin berücksichtigt werden und andererseits im Berechnungszeitraum liegende Verdienstkürzungen zugunsten der Arbeitnehmerin außer Betracht bleiben (§ 11 Abs. 2 MuSchG). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Lebensstandard der Mutter gewährleistet ist und sie tatsächlich mit der Arbeit aussetzt und nicht mit Rücksicht auf etwaige Verdiensterhöhungen weiter arbeitet (BAG, Urteil vom 8. September 1978 – 3 AZR 418/77 – AP Nr. 8 zu § 11 MuSchG 1968; Urteil vom 15. Mai 1983 – 5 AZR 22/81 – juris).

In den drei Monaten vor Beginn der Schwangerschaft betrug das Durchschnittsentgelt der Klägerin € 3.873,28 brutto.

Die Klägerin hatte allerdings unter dem 30. Oktober 2015 beantragt, für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln. Mit Vertragsänderung vom 18. November 2015 vereinbarten die Parteien für das Jahr 2016 eine Teilzeitbeschäftigung mit 1.200 Stunden im Jahr.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 MuSchG bleiben Verdienstkürzungen für die Berechnung außer Betracht, wenn sie auf Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis beruhen. Rechnerisch ist also so zu verfahren, als habe die Arbeitnehmerin in der fraglichen Zeit die genannten Verdienstausfälle nicht erlitten; damit können sie sich auf das für § 11 Abs. 1 MuSchG maßgebliche Durchschnitteinkommen nicht auswirken, auch wenn die Arbeitnehmerin im Berechnungszeitraum real weniger verdient hatte.

Im vorliegenden Fall beruht die Verdienstkürzung der Klägerin weder auf Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis, sondern aufgrund des begehrten Teilzeitbegehrens der Klägerin.

Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2 Satz 2 MuSchG erfordern, vereinbarte Änderungen des Arbeitsvertrages zu berücksichtigen, durch die die Arbeitszeit in der Zeit der Beschäftigungsverbote verkürzt und damit einhergehend die Vergütung gemindert wird (vgl. BAG, Urteil vom 11. Juni 1986 – 5 AZR 165/85 – AP Nr. 3 zu § 14 MuSchG 1968).

§ 11 Abs. 1 MuSchG will für die Dauer der dem Gesundheitsschutz dienenden Beschäftigungsverbote vor und nach der Niederkunft die im Arbeitsverhältnis stehenden Frauen vor wirtschaftlichen Nachteilen bewahren; Ihr Nettoarbeitsverdienst soll sich durch die schwangerschaftsbedingten Arbeitsausfälle nicht vermindern. Damit soll zugleich jeder Anreiz entfallen, entgegen den gesetzlichen Verboten die Arbeit zu ihrem und des Kindes Schaden fortzusetzen. (BAG, Urteil vom 11. Juni 1986 – 6 AZR 365/85 – AP Nr. 3 zu § 14 MuSchG 1968). Dauerhafte Verdienstkürzungen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 MuSchG), z. B. Verminderung der zuvor vereinbarten Vergütung wirken sich zu Lasten der Arbeitnehmerin aus (BAG, Urteil vom 20. September 2000 – 5 AZR 924/98 – NZA 2001, 657), selbst wenn sie erst nach Ablauf des Berechnungszeitraumes eintreten. Die Berücksichtigung solcher Kürzungen ist vereinbar mit dem Normzweck, die Arbeitnehmerin nicht wegen des Aussetzens mit der Arbeit finanziell schlechter zu stellen, als weiterhin tätige Arbeitnehmerinnen; ihre bei Außerachtlassung dauerhafter Verdienstminderungen zu erwartende Besserstellung im Vergleich zu weiterhin tätigen Arbeitnehmerinnen ist vom Normzweck des § 11 MuSchG nämlich nicht geboten. Tritt die dauerhafte Verdienstkürzung während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraumes ein, ist in beiden Fällen für den gesamten Zeitraum der verringerte Betrag zugrunde zu legen.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien zwar keine dauerhafte Verdienstkürzung vereinbart, vielmehr hat die Klägerin für den Zeitraum von einem Jahr eine Arbeitszeitreduzierung beantragt und diese wurde vertraglich zwischen den Parteien unter dem 18. November 2015 vereinbart. Nach dem Schutzzweck des § 11 MuSchG ist nach Auffassung der Kammer jedoch auch diese – wenn auch nur vorübergehende Verdienstminderung – zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen. Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht um eine Verdienstkürzung infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis, auf die die Klägerin selbst keinen Einfluss gehabt hätte. Vielmehr ging die Vereinbarung der Arbeitszeitreduzierung und der damit verbundenen Verdienstminderung allein von der Klägerin aus, die eine Arbeitszeitreduzierung beantragt hatte. Wenn die die Klägerin behandelnde Ärztin kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hätte, hätte die Klägerin bis zum Beginn der gesetzlichen Mutterschutzfrist vermindert gearbeitet und dementsprechend das geringere Entgelt erhalten. Die Klägerin würde also, würde man im vorliegenden Fall als Berechnungszeitraum die Monate September 2015 bis November 2015 zugrunde legen, aufgrund des ausgesprochenen Beschäftigungsverbots bevorteilt.

Insoweit hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis für die Monate April und Mai 2016, nachdem das Beschäftigungsverbot ausgesprochen war, konkret nach der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung abgerechnet und die Klägerin hat keinen Anspruch während des Mutterschutzes einen Durchschnittsverdienst von € 3.873.28 brutto zu erhalten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

3. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes richtet sich nach § 61 Abs. 1 ArbGG i. v. m. § 3 ZPO.

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