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Abweichendes Abfindungsangebot des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben

ArbG Erfurt – Az.: 6 Ca 186/21 – Urteil vom 21.10.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 6.395,20 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz ab dem 04.02.2021 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 6.395,20 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Rechtsanspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung gemäß § 1 a KSchG.

Der Kläger war gemäß Arbeitsvertrag vom 16.01.2015 seit dem 05.03.2013 als Mitarbeiter industrielle Produktion/Maschinenbediener CNC im Unternehmen der Beklagten beschäftigt.

Mit Schreiben vom 28.10.2020, dem Kläger am selben Tag persönlich übergeben, wurde das Arbeitsverhältnis von der Beklagten betriebsbedingt ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2020 gekündigt.

Das Kündigungsschreiben lautet u.a.:

„ … Hiermit kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis, begründet durch den Arbeitsvertrag vom 05.03.2013, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2020, höchst hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Für den Fall, dass Sie keine Kündigungsschutzklage nach § 1 a KSchG anstreben, bieten wir Ihnen eine Abfindung von brutto 3.000,00 EUR an, welche sie nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2020 beanspruchen können.“ … (vergl. Bl. 12 der Akte).

Der Kläger hat gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben.

Mit Schreiben vom 10.12.2020 (Bl. 16 der Akte) wandte sich der Klägervertreter an die Beklagte:

„… im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 bieten Sie meinem Mandanten für den Fall der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 1 a KSchG eine Abfindung in Höhe von 3.000,00 EUR brutto an.

Dieser Betrag ist jedoch zu niedrig angesetzt. Gemäß § 1 a Abs. 2 KSchG sieht das Gesetz eine Höhe der Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor. Ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist auf ein volles Jahr aufzurunden.

Somit hat mein Mandant bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage einen Abfindungsanspruch in Höhe von 9.395,20 € brutto.

Da mein Mandant innerhalb der Frist des § 4 KSchG keine Kündigungsschutzklage erhoben hat, ist die Kündigung vom 28.10.2020 mittlerweile rechtswirksam, so dass er nunmehr Anspruch auf die Auszahlung der im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 angekündigten Abfindung gemäß § 1 a KSchG hat, und zwar nicht in der angebotenen, sondern in der geforderten Höhe. …“

Der streitgegenständliche Abfindungsbetrag nach Abzug der bereits gezahlten Abfindung in Höhe von 6.395,20 € ist seitens der Beklagten nicht gezahlt worden.

Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, dass ihm unter Beachtung der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes der Abfindungsbetrag gemäß § 1 a KSchG zustehen würde. Die Beklagte habe im Kündigungsschreiben explizit § 1 a KSchG erwähnt. Auch wenn das Gesetz keine Kündigungsschutzklage nach § 1 a KSchG vorsehen würde (so die Formulierung im Kündigungsschreiben) weise dies doch aus, dass die Beklagte unter Verweis auf § 1 a KSchG bei Verzicht der Erhebung der Kündigungsschutzklage die dort entsprechende Abfindung angeboten habe.

Die gewählte Formulierung der Beklagten schließe eine abweichende einzelvertragliche Abrede zwischen den Parteien aus. Eine solche sei zwar nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes möglich, jedoch im vorliegenden Fall nicht seitens der Beklagten dem Kläger angeboten. Ein unmissverständlicher Hinweis der Beklagten auf eine abweichende einzelvertragliche Regelung sei durch die gewählte Formulierung ebenfalls auszuschließen. Auch durch die „Entgegennahme“ des Geldbetrages von 3.000,00 EUR und Nichtvornahme einer Rücküberweisung dieses Betrages sei eine Annahme eines anderweitigen Angebotes der Beklagten durch den Kläger nicht erfolgt. Der Kläger habe nach Ablauf der gesetzlich geregelten „3-Wochen-Frist“ des § 4 KSchG bereits durch anwaltliches Schreiben vom 10.12.2020 auf seinen Zahlungsanspruch gemäß § 1 a KSchG hingewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 6.395,20 € brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit (04.02.2021) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 abweichend von § 1 a KSchG dem Kläger ein anderweitiges Angebot in Höhe von 3.000,00 € brutto bei Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 4 KSchG angeboten wurde. Dieses Angebot sei vom Kläger auch nach Ablauf der Klagefrist durch „Entgegennahme“ des Geldbetrages von 3.000,00 € brutto und nicht Vornahme einer möglichen Rückzahlung dieses Betrages angenommen worden. Die Beklagte habe damit den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur unmissverständlichen Übermittlung eines anderweitigen Vertragsangebotes, außerhalb des Rahmens des § 1 a KSchG, entsprochen.

Im Übrigen wird verwiesen auf die gegenseitigen Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht ein Rechtsanspruch auf Zahlung der von ihm errechneten Abfindungssumme gemäß § 1 a KSchG zu.

Nach § 1 a Abs. 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt, wenn bis zum Ablauf der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG die Erhebung einer Kündigungsschutzklage unterbleibt und wenn in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen wird, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gestützt sei und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen könne. Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus § 1 a Abs. 2 KSchG. Sie beträgt einen halben Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses; für die Bestimmung des Monatsverdienstes gilt die Regelung § 10 Abs. 3 KSchG entsprechend.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG liegen vor. Im Kündigungsschreiben vom 28.10.2020 hat die Beklagte ihre Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt, d.h. auf einen Grund entsprechend § 1 Abs. 2 KSchG.

Darüber hinaus hat sie folgenden Wortlaut gewählt:

„Für den Fall, dass sie keine Kündigungsschutzklage nach § 1 a KSchG anstreben, bieten wir Ihnen eine Abfindung von brutto 3.000,00 € an, welche sie nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2020 beanspruchen können.“

Die Beklagte hat dementsprechend im Sinne von § 1 a KSchG darauf hingewiesen, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird und der Kläger bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

Der Kläger hat innerhalb der gesetzlich geregelten Frist keine Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Hinweis der Beklagten auf das Kündigungsschutzgesetz ist erfolgt.

Die von der Beklagten gewählte Formulierung im Kündigungsschreiben führt im Ergebnis dazu, dass auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dem Kläger der Rechtsanspruch auf die Abfindungshöhe, errechnet nach § 1 a KSchG, zusteht.

Das erkennende Gericht orientiert sich dabei an den Urteilen des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.06.2007; 1 AZR 340/06; Urteil vom 13.12.2007; 2 AZR 807/06 und an dem Urteil vom 10.07.2008; 2 AZR 209/07.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger durch die gewählte Formulierung im Kündigungsschreiben kein abweichendes Angebot auf Abfindungszahlung durch eine einzelvertragliche Abrede übermittelt hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 19.06.2007 folgendes zum Ausdruck gebracht:

„Allerdings schließt die Vorschrift des § 1 a KSchG andere Abfindungsvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, Hinweise nach § 1 a Abs. 1 S. 2 können KSchG zu unterlassen, und dem Arbeitnehmer stattdessen einen – beliebigen – Betrag als Abfindung in Aussicht zu stellen, falls er eine Klage gegen die ausgesprochene Kündigung nicht erhebt (ErfK/Ascheid/ Oetker 7. Auflage § 1 a KSchG Rn. 2; Däubler NZA 2004,177, 178 m.w.N.; v. Hoyningen-Huene-Linck KSchG 14. Auflage, § 1 a Rn. 18 m.w.N.; vergleiche auch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 a KSchG, BT-Drucks-15/1204 S. 12).

Will der Arbeitgeber die gesetzliche Folge des § 1 a Abs. 2 KSchG vermeiden, muss er dabei aber deutlich machen, dass er sich gerade nicht nach § 1 a Abs. 1 KSchG binden will. Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass er lediglich deklaratorisch auf kollektivrechtliche Bestimmungen verweist, aus denen ein Abfindungsanspruch bei Verlust des Arbeitsplatzes folge. Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung sind die Erklärungen des Arbeitgebers.“

Im Urteil vom 10.07.2008 hat das Bundesarbeitsgericht Folgendes ausgeführt:

„Will ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung ein Angebot auf Abschluss eines Beendigungsvertrages unterbreiten, ohne jedoch die gesetzliche Abfindung nach § 1 a KSchG anbieten zu wollen, so ist er aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Beweissicherung gehalten, dies in der schriftlichen Kündigungserklärung eindeutig und unmissverständlich zu formulieren, insbesondere welche Abfindung er unter welchen Voraussetzungen anbietet. Der Arbeitnehmer muss nach Erhalt des Kündigungsschreibens innerhalb von drei Wochen nämlich entscheiden, ob er gegen die Zahlung der angebotenen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, oder ob er eine Kündigungsschutzklage erheben will. Zusätzlich muss er bei Zugang der Kündigung klar erkennen können, ob der Arbeitgeber ihm ein Angebot nach § 1 a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat. Er muss wissen, worauf er sich einlässt. Anderenfalls könnte sich erst bei Zahlung der Abfindung nach Ablauf der Kündigungsfrist herausstellen, dass der Arbeitgeber ein von § 1 a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot unterbreiten wollte. Der Arbeitnehmer hätte dann wegen § 4 KSchG häufig keine oder eine nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen.“

Im Urteil vom 13.12.2007 hat das Bundesarbeitsgericht bereits diesen Denkansatz ausgeführt:

„Aus dem Kündigungsschreiben muss sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben.“

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist ein von § 1 a KSchG abweichendes Angebot der Beklagten im Kündigungsschreiben nicht zum Ausdruck gekommen.

Der Kläger konnte entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten durch die Erwähnung von § 1 a KSchG davon ausgehen, dass entsprechend dieser Regelung bei Verzicht der Klageerhebung der Abfindungsbetrag errechnet und gezahlt wird.

Unerheblich ist bei dieser rechtlichen Bewertung, dass die Beklagte die Formulierung „Für den Fall dass sie keine Kündigungsschutzklage nach § 1 a KSchG anstreben“, gewählt hat. Allein der Hinweis auf den Verzicht der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und der expliziten Nennung des § 1 a KSchG sind vom Empfängerhorizont des Klägers nicht anders zu werten, als dass der entsprechende Abfindungsbetrag gezahlt wird.

Die „zwangsläufige“ Entgegennahme des Geldbetrages durch Überweisung und nicht Rückzahlung dieses Betrages ist rechtlich unbeachtlich. Durch anwaltliches Schreiben vom 10.12.2020 nach „Verstreichenlassen der Klagefrist“ wurde seitens des Klägers ausdrücklich auf den hier verfolgten Rechtsanspruch hingewiesen.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Als unterlegene Partei des Rechtsstreites hat die Beklagte gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und richtete sich nach der bezifferten Klageforderung.

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