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Anfall der Terminsgebühr setzt keine Besprechung mit der Gegenseite voraus

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Az.: 5 Ta 152/12 – Beschluss vom 17.12.2012

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 27.04.2012 – 3 Ca 273/10 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 19.05.2011 – 3 Ca 273/10 – von der Klägerin an den Beklagten zu 2 zu erstattenden Kosten gemäß § 104 ZPO werden auf 5.197,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.12.2011 festgesetzt.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Festsetzungsverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 2.483,29 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte zu 2 begehrt die Festsetzung einer Terminsgebühr gegen die Klägerin aufgrund eines zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und demjenigen der Klägerin vor Verweisung des Rechtsstreits vom Landgericht an das Arbeitsgericht geführten Gesprächs über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Gesamtschuld zwischen den Beklagten zu 1 und zu 2 und einer Einigungsmöglichkeit mit der Klägerin.

Im Ausgangsverfahren nahm die Klägerin die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 177.610,50 € sowie vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 2.280,70 € in Anspruch. Das angerufene Landgericht wies auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs bezüglich der gegen die Beklagten zu 1 und zu 2 gerichteten Ansprüche hin, trennte das Verfahren gegen den Beklagten zu 3 ab und verwies den Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 1 und zu 2 auf Antrag der Klägerin an das Arbeitsgericht. Dieses wies die Klage ab und erlegte der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb der erstinstanzliche Kostenausspruch – rechtskräftig – unverändert.

Mit Beschluss vom 27.04.2012 (Bl. 569 der Akte) hat das Arbeitsgericht die von der Klägerin an den Beklagten zu 2 zu erstattenden, vor dem Landgericht entstandenen Kosten auf 2.714,03 € festgesetzt. Dieser Betrag beinhaltet eine 1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG, die hälftige Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG sowie anteilige Mehrwertsteuer. Den im Übrigen noch gestellten Antrag auf Erstattung auch einer 1,2-fachen Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer hat es zurückgewiesen. Mit der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt er sein Begehren weiter.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2 ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 567 Abs. 2 ZPO); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Zugunsten des Beklagten zu 2 ist gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG eine 1,2-fache Terminsgebühr angefallen, so dass die ihm von der Klägerin zu erstattenden Kosten aufgrund des insoweit rechtskräftig gewordenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 19.05.2011 (Bl. 496 ff. der Akte) unter Zugrundelegung des Wertfestsetzungsbeschlusses des Arbeitsgerichts vom 29.06.2011 (Bl. 512 der Akte) und des Kostenfestsetzungsantrags des Beklagten zu 2 vom 30.03.2012 (Bl. 558 f. der Akte) auf 5.197,32 € zu erhöhen sind.

1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts setzt das Entstehen der Terminsgebühr nicht eine Besprechung mit der Gegenseite voraus.

a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr. Im Vergleich zu diesen Gebühren ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert worden. Im Interesse der Vereinfachung und insbesondere zur Beseitigung früherer Streitfragen sind durch die Fassung des Gebührentatbestandes die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nichtstreitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder zur Prozess- und Sachleitung entfallen (BT-Drucksache 15/1971 S. 209).

b) Entsprechend der gesetzgeberischen Intention, an das Merkmal einer – auch telefonisch durchführbaren (BGH 03.07.2006 – II ZB 31/05 – Juris) – Besprechung keine besonderen Anforderungen zu stellen, entsteht die Gebühr auch dann, wenn der Gesprächspartner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt.

Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlichen Austausch von Erklärungen die Bereitschaft des Gesprächspartners voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gesprächspartner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zu Stande (BGH 20.11.2006 – II ZB 9/06 – NJW-RR 2007, 286). Nicht ausreichend ist deshalb eine Vorbesprechung, in der lediglich die Bereitschaft für ein Vermeidungs- oder Erledigungsgespräch geklärt oder ein Termin für ein solches verabredet werden soll (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe RVG 19. Aufl. Vorbem. 3 VV RVG Rn 113 mwN). Auch andere Gespräche als solche zur Vermeidung oder Erledigung lösen keine Terminsgebühr aus. Hierzu gehören zum Beispiel mündliche oder fernmündliche Nachfragen nach dem Sachstand, bloße Verfahrensabsprachen oder die Vermittlung eines Gesprächstermins sowie die reine Einholung oder Weitergabe von Informationen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe Vorbem. 3 VV RVG Rn 114 mwN). Denn die Motive machen deutlich, dass es um den Abschluss des Verfahrens durch eine übereinstimmende Regelung gehen muss (vgl. dazu oben a) sowie Gerold/Schmidt-Müller-Rabe Vorbem. 3 VV RVG Rn 1).

Im Unterschied dazu ist von einer Besprechung auszugehen, wenn sich der Gesprächspartner auf das Gespräch einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt (BGH 20.11.2006 – II ZB 9/06 – NJW-RR 2007, 286).

Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft, sind an die mündliche Reaktion des Gesprächspartners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen. Diese Würdigung steht im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/1971 S. 209), wonach die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben werden soll.

c) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alternative VV RVG entsteht die Terminsgebühr bei Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3a.E VV RVG gilt dies nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Nach der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift schließt das Gesetz als Gesprächspartner einer Besprechung nach der 3. Alternative dieser Vorschrift lediglich das Gericht und den Auftraggeber selbst aus. Daraus wird allgemein (vergleiche Gerold/Schmidt-Müller-Rabe Vorbem. 3 VV RVG Rn. 124-129; Bischof JurBüro 2004, 296, 299; Hansens RVGReport 2005, 425, 426) angenommen, dass nur ein Gespräch mit einer im Lager des Auftraggebers befindlichen Person für den Anfall der Terminsgebühr nicht ausreicht, während eine Besprechung mit einem Gesprächspartner aus dem Lager des Gegners oder mit einem Dritten genügt wenn diese mit dem Ziel einer Prozessvermeidung oder Beendigung des Rechtsstreits geführt wurde. Dritter ist dabei jeder, der nicht Auftraggeber oder dessen Bevollmächtigter ist.

d) Im Kostenfestsetzungsverfahren ist es nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der beantragten Gebühren maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebungen aus der Gerichtsakte ergeben oder unstreitig sind (BGH 04.04.2007 – III ZB 79/06 – NJW 2007, 2493). Gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (Zöller/Herget ZPO 29. Auflage § 104 Rn. 8). Zur Glaubhaftmachung können gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden. Die in § 294 Abs. 2 ZPO enthaltene Beschränkung auf präsente Nachweismittel gilt nicht in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern, wie im Fall des § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO, lediglich genügen lässt (Zöller/Greger ZPO 29. Auflage § 294 Rn. 3). Weitere Voraussetzungen für den Nachweis der den Kostenansatz rechtfertigenden tatsächlichen Umstände sind nicht vorgesehen.

2. Daran gemessen ist die Terminsgebühr auf Seiten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 während der Anhängigkeit des Ausgangsrechtsstreits vor dem Landgericht entstanden.

a) Der Beklagte zu 2 hat vorgetragen, zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und demjenigen des Beklagten zu 1 hätten bereits vor der Verweisung des Ausgangsrechtsstreits vom Landgericht an das Arbeitsgericht ausführliche telefonische Besprechungen über die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche stattgefunden. Man habe die Klageschrift vom 20.04.2010 (Bl. 1 ff. der Akte) selbst sowie insbesondere die Anlagen K 2 (Detektivbericht … vom 03.09.2009 betreffend den Zeitraum vom 18.08. bis 02.09.2009) und K 3 (Gedächtnisprotokoll vom 03.09.2009) eingehend besprochen und dabei die Fragen der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs sowie einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten zu 1 und zu 2 erörtert. Abschließend habe man erwogen, der Klägerseite für den Fall des Nachweises einer Beteiligung der Beklagten zu 1 und zu 2 an den ihnen vorgeworfenen strafbaren Handlungen einen Vergleichsvorschlag auf der Grundlage der etwa nachgewiesenen Größenordnung mit entsprechender Kostenquotelung zu unterbreiten. Nach dem später erfolgten Freispruch der Beklagten im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Heilbronn habe dann kein Anlass für einen Vergleichsvorschlag mehr bestanden.

b) Die Klägerin ist diesem im Beschwerdeverfahren auf Veranlassung der erkennenden Kammer präzisierten Sachvortrag des Beklagten zu 2 zuletzt nicht mehr entgegengetreten, indem sie die ihr eingeräumte Stellungnahmefrist fruchtlos verstreichen lassen hat. Deshalb ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO von der inhaltlichen Richtigkeit des Beklagtenvorbringens auszugehen.

c) Danach fanden zwischen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und zu 2 sachbezogene Gespräche statt, die über eine reine Informationserteilung und/oder -verschaffung hinausgingen und letztlich auf einen Abschluss des Verfahrens durch eine übereinstimmende Regelung abzielten. Dass der der Klägerseite zu unterbreitende Vergleichsvorschlag unter der Bedingung der dem Grunde nach erwiesenen Beteiligung der Beklagten an dem ihnen vorgeworfenen Diebstahl stand und letztlich aufgrund des Nichteintritts dieser Bedingung nicht zum Tragen kam, ist im Blick auf die Vorbem. 3 Abs. 3 3. Alt. VV RVG unerheblich. Denn diese knüpft nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung, sondern an den Versuch einer solchen an. Dass dieser der Klägerseite nur für den Fall des Vorliegens bestimmter Voraussetzungen unterbreitet werden sollte, beseitigt jedoch nicht die stattgefundenen Bemühungen um eine gütliche Einigung selbst. Gerade diese sollen aber nach der Vorbem. 3 Abs. 3 3. Alt. VV RVG honoriert werden.

3. Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Terminsgebühr nach Verweisung des Rechtsstreits vom Landgericht an das Arbeitsgericht vor letzterem ebenfalls entstanden ist. Denn nach § 12a Abs. 1 Satz 3, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 ZPO hat der im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren I. Instanz obsiegende Beklagte Anspruch auf Erstattung der ihm vor dem ordentlichen Gericht entstandenen Kosten. Dazu gehören die Rechtsanwaltskosten auch dann, wenn er sich nach der Verweisung weiter von demselben Rechtsanwalt vertreten lässt (BAG 01.11.2004 – 3 AZB 10/04 – AP ArbGG 1979 § 12a Nr. 11).

4. Aufgrund der dem Beklagten zu 2 auch zu erstattenden 1,2-fachen Terminsgebühr ergibt sich folgende Abrechnung: Unter Zugrundelegung eines für die erste Instanz festgesetzten Streitwerts von 179.891,20 € ergibt sich eine Terminsgebühr in Höhe von 2.086,80 €. Zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (396,49 €) sind deshalb zugunsten des Beklagten zu 2 weitere 2.483,29 € festzusetzen. Daraus ergibt sich der im Tenor ausgewiesene Gesamtbetrag von 5.197,32 €.

III.

Die Kosten des Festsetzungsverfahrens waren der Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands entspricht gemäß § 3 ZPO dem Nennwert der Differenz zwischen der vom Arbeitsgericht gewährten und der begehrten Festsetzung.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 78 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

 

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