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Einseitige Anpassung einer Vergütungsabrede durch Arbeitgeber

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 19 Sa 748/11 – Urteil vom 23.08.2011

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 22.03.2011 – 2 Ca 827/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus Vergütungsdifferenzen für die Zeit von August bis November 2010, die daraus entstanden sind, dass die Beklagte nicht den im Arbeitsvertrag der Parteien vom 11.04.2002 vereinbarten Bruttolohn von monatlich 2.045,17 EUR nebst Zuschlägen zugrunde gelegt hat, sondern ab August 2010 nach einem dem Kläger vorgelegten neuen Arbeitsvertragsentwurf mit einem monatlichen Festgehalt in Höhe von 1.363,08 EUR brutto nebst Zuschlägen, den der Kläger nicht angenommen hat, abrechnet.

Mit Urteil vom 22.03.2011 – 2 Ca 827/10 – hat das Arbeitsgericht Eberswalde die Beklagte verurteilt, an den Kläger 477,30 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen und hat die Berufung zugelassen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Tatbestandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 170-178 d. A.).

Gegen das der Beklagten am 28.03.2011 zugestellte Urteil hat sie am 30.03.2011 Berufung eingelegt und diese am 26.05.2011 begründet.

Sie wendet sich überwiegend aus Rechtsgründen gegen die angefochtene Entscheidung, vertieft und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint, die Arbeitszeitvereinbarung zwischen den Parteien im ursprünglichen Arbeitsvertrag sei unwirksam, an ihre Stelle würden tarifvertragliche bzw. gesetzliche Regelungen treten. Wegen der synallagmatischen Verknüpfung der unwirksamen Arbeitszeit mit der Vergütung müsse diese im Wege der ergänzenden Vertragauslegung entsprechend angepasst werden, was die Beklagte habe einseitig durchführen können. Die bisherigen Fahrervergütungen seien überhöht, gemessen am Branchendurchschnitt, die Beklagte schreibe seit 2009 rote Zahlen und die Geschäftsführung habe sich entschlossen, die arbeitsvertragliche Situation ihrer Beschäftigten neu zu regeln.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde – 2 Ca 827/10 – vom 22.03.2011 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil überwiegend mit Rechtsausführungen.

Wegen des weiteren Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Erklärungen im mündlichen Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, die wegen der Zulassung der Berufung im angefochtenen Urteil auch statthaft war, blieb unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte im tenorierten Umfang zur Zahlung verurteilt.

1. Die Beklagte ist zur Zahlung der in der Höhe unstreitigen Differenzvergütungen für die streitgegenständlichen Monate gemäß § 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag vom 11.04.2002 gem. Ziffer 7 b zur Zahlung an den Kläger verpflichtet.

In diesem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:

„1. Vertragsgrundlagen

sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber – und Arbeitnehmer-Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge.

6. Tätigkeit

Der Mitarbeiter wird als Kraftfahrer für alle Verkehre der R. GmbH (u.a. Bundesrepublik Deutschland, Europa, mit Abwesenheit vom Standort Bochum) eingestellt, das schließt auch eine flexible Arbeitszeit ein.

7. Arbeitsentgelt

a) für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause.

b) der monatliche Brutto-Lohn beträgt E 2.045,17.

c) Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet.

d) Sonderzeiten (z.B. Sonn- und Feiertage von 0 bis 22 Uhr) werden gesondert bezahlt mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen.“

Dieser Arbeitsvertrag ist nicht durch den von der Beklagten dem Kläger am 06.07.2010 angebotenen Arbeitsvertragsentwurf (vgl. Bl. 15-20 d. A.) ersetzt worden, da der Kläger diesen Arbeitsvertragsentwurf nicht angenommen hat.

Es kann dahinstehen, ob die Vereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag vom 11.04.2002 in Ziffer 7 a) unwirksam ist, wie die Beklagte meint, ebenso kann dahingestellt bleiben zu entscheiden, ob die Entgeltvereinbarungen zwischen den Parteien aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme durch einen Tarifvertrag geregelt werden und wenn ja, durch welchen Tarifvertrag. Denn die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 11.04.2002 in Ziffer 7 b) eine monatliche Festgeldvereinbarung getroffen, die entsprechend dem Günstigkeitsprinzip gem. § 4 Abs. 3 TVG nicht durch eine niedrigere tarifliche Vergütung, wie sie die Beklagte seit August 2010 zugrunde gelegt hat, verdrängt werden kann und die auch nicht, auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen, einseitig von der Beklagten ohne Ausspruch einer Änderungskündigung reduziert werden kann.

2. Die Vereinbarung einer monatlichen Festgeldabrede in Ziffer 7 b) des Arbeitsvertrages vom 11.04.2002 ergibt seine Auslegung.

Die Parteien haben vorliegend allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 BGB vereinbart, was sich vor allem aus dem äußeren Erscheinungsbild und den Gepflogenheiten im Arbeitsleben ohne weiteres ergibt. Solche Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragpartnern unter Abwägung der Interessen der normalen beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind ( BAG, vom 23.03.2011, 5 AZR 112/10, Rdnr. 15 mit weiterem Nachweis, juris). Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, vom 09.06.2010, 5 AZR 122/09, Rdnr. 13 mit weiterem Nachweis, juris).

3. Diesen Grundsätzen entsprechend enthält die Regelung in Ziffer 7 b) des Arbeitsvertrages vom 11.04.2002 die Vereinbarung eines monatlichen Festgehalts.

Nach dem Wortlaut dieser Klausel sowie ihrer Überschrift ergibt sich zwanglos, dass die Parteien eine nicht flexible und nicht variable Monatsvergütung für die Arbeitsleistung des Klägers vereinbart haben. Sie haben nämlich einen monatlichen Bruttolohn mit einer entsprechenden Festsumme (2.045,17 €) vereinbart. Diese Vereinbarung gilt erkennbar für alle Vertragsmonate, für die der Kläger für die Beklagte tätig ist. Mangels abweichender Vereinbarungen handelt es sich auch um einen Festbetrag, da sich aus der Regelung weder eine Variabilität der Vergütung noch eine an sonstige Leistungserbringungen des Klägers gebundene Flexibilität ergibt. Ob diese Regelung unüblich, überhöht oder aus sonstigen Gründen für die Beklagte nachteilig ist, kann dahingestellt bleiben, weil solche Erwägungen keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit einer solchen Festlohnvereinbarung haben. Ein Fall der Verletzung von §§ 134, 138 BGB ist von beiden Seiten nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.

Selbstverständlich steht diese Festlohnvereinbarung mit der Erbringung der Tätigkeit durch den Kläger in einem synallagmatischen Verhältnis, wie schon Ziffer 6) des Arbeitsvertrages zeigt. Danach wird der Kläger nämlich als Kraftfahrer für die Beklagte eingestellt, was auch eine flexible Arbeitszeit einschließt. Störungen dieser gegenseitigen Abhängigkeit werden durch die gesetzlichen Annahmeverzugslohnvorschriften geregelt, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen.

4. Wie sich aus Ziffer 6), Ziffer 7 a) und Ziffer 7 c) sowie d) ergibt, hat die Beklagte sich verpflichtet, die monatliche Festvergütung in Ziffer 7 b) des Arbeitsvertrages für die Arbeitsleistung des Klägers zu zahlen, die flexibel ist. Wegen der Festlohnvereinbarung war daher eine Regelung angezeigt, die erkennen lässt, bis zu welcher monatlichen Arbeitszeit der Kläger einen Anspruch auf diese Festlohnvereinbarung hat und ab welcher monatlichen Arbeitszeit er Anspruch auf gesetzliche und/oder tarifliche Zuschläge sowie Aufschläge für Sonderzeiten hat. Genau diese Regelung findet sich in Ziffer 7 a), c) und d) des Arbeitsvertrages. Daraus erschließt sich ebenfalls völlig zwanglos, dass der Kläger, wie es dem Wortlaut der Regelung in Ziffer 7 a) des Arbeitsvertrages vollständig entspricht, für „eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden“ den monatlichen Festlohn erhalten soll. Für alle darüber liegenden Zeiten, mag dies auch arbeitsgesetzlich, tarifrechtlich oder sonst wie rechtsunwirksam sein, erhält der Kläger zusätzliche Vergütung gem. Ziffer 7 c) bzw. d) des Arbeitsvertrages.

Mit anderen Worten: Die Parteien haben klar und unmissverständlich geregelt, dass der Kläger für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden das monatliche Festgehalt erhält und nicht etwa, wie die Beklagte zu meinen scheint, dieses Festgehalt nur für den Fall, dass der Kläger 260 Stunden im Monat leistet. Eine solche Auslegung widerspricht schon dem klaren Wortlaut von Ziffer 7 a) des Arbeitsvertrages und würde sodann die Frage aufwerfen, die die Beklagte auch zum Anlass für das Änderungsangebot an den Kläger gemacht hat, ob eine solche Regelung arbeitszeitrechtlich  zulässig und wirksam ist und welche Folgen daraus für eine etwaige Anpassung der Vergütung resultieren. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien in ihrer Regelung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages vom 11.04.2002 eine Regelung getroffen haben, die gegebenenfalls gesetzwidrig, vertragswidrig oder sonst unwirksam wäre, was zu einer möglichen Anpassung der Vergütung führen könnte.

Die Parteien streiten vorliegend um die Höhe der für die Vergütungsdifferenzen in den streitigen Monaten zugrunde zu legende Vergütungsvereinbarung. Nicht Streitgegenstand ist die vertragliche Regelung der Arbeitszeit des Klägers. Daher kann es auch vorliegend dahinstehen zu entscheiden, welchen arbeitzeitlichen Verpflichtungen der Kläger arbeitsvertraglich, regelmäßig oder im Durchschnitt unterliegt. Der Kläger hat für die streitigen Monate seine Arbeitsleistung erbracht, dies ist unstreitig. Lediglich die Berechnung der Vergütung ist zwischen den Parteien im Streit.

5. Da die Parteien in Ziffer 7 b) des Arbeitsvertrages vom 11.04.2002 eine Festlohnvereinbarung getroffen haben, verbiete sich schon im Grundsatz eine einseitige Reduzierung der Vergütungshöhe durch die Beklagte. Es gelten die Grundsätze „do ut des“ und „pacta sunt servanda“. Weder liegen die Anwendungsvoraussetzungen von § 315 Abs. 3 BGB vor, noch bedarf es einer sogenannten ergänzenden Vertragsauslegung, weil die Parteien eine nicht anpassungsbedürftige, klare und eindeutige Vergütungsregelung in ihrem Arbeitsvertrag getroffen haben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den gesetzlichen Voraussetzungen hierfür fehlte.

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