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Elektronische Bereitstellung einer Lohnabrechnung – Zustimmung Arbeitnehmer

Zustimmungspflicht bei elektronischer Lohnabrechnung

Die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt bringt vielfältige Veränderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit sich. Eine dieser Neuerungen ist die Möglichkeit, Lohnabrechnungen elektronisch bereitzustellen. Dies wirft die Frage auf, inwieweit eine solche Umstellung der Übermittlungsart der Lohnabrechnung die Zustimmung des Arbeitnehmers erfordert. Die Zustimmung des Arbeitnehmers ist ein wesentliches Element, das die Wirksamkeit der elektronischen Bereitstellung von Lohnabrechnungen beeinflusst.

Es geht hierbei nicht nur um die praktische Handhabung und den Zugang zu den Dokumenten, sondern auch um rechtliche Aspekte, die aus dem Arbeitsvertrag und dem Tarifrecht resultieren. Die Klärung dieser Frage hat weitreichende Bedeutung für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts, wo die Einhaltung von Formvorschriften und die Gewährleistung des Zugangs zu wichtigen Dokumenten wie der Lohnabrechnung von zentraler Bedeutung sind, ist eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen unerlässlich.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ca 223/16   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die elektronische Bereitstellung einer Lohnabrechnung in ein personifiziertes elektronisches Postfach erfüllt ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht den tariflichen Abrechnungsanspruch.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Elektronische Lohnabrechnung erfordert die Zustimmung des Arbeitnehmers, um den tariflichen Abrechnungsanspruch zu erfüllen.
  2. Die Übermittlung muss so erfolgen, dass die Lohnabrechnung in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt.
  3. Ohne ausdrückliche oder konkludente Zustimmung ist die elektronische Zustellung nicht gültig.
  4. Die Portokosten für die postalische Zusendung der Lohnabrechnung müssen vom Arbeitgeber getragen werden, wenn keine Zustimmung zur elektronischen Zustellung vorliegt.
  5. Eine Verzugspauschale gemäß § 288 BGB ist aufgrund von § 12a Abs. 1 ArbGG nicht anwendbar.
  6. Der Streitwert wurde auf 84,20 EUR festgesetzt.
  7. Die Berufung wurde für beide Parteien zugelassen, was die grundsätzliche Bedeutung des Falles unterstreicht.
  8. Das Urteil betont die Notwendigkeit der Einwilligung des Arbeitnehmers bei der Umstellung auf digitale Prozesse im Arbeitsrecht.

Digitale Lohnabrechnung: Zustimmung erforderlich

Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stand die Frage, ob die elektronische Bereitstellung einer Lohnabrechnung in ein personifiziertes elektronisches Postfach ohne die ausdrückliche oder konkludente Zustimmung der Arbeitnehmerin den tariflichen Abrechnungsanspruch erfüllt. Die Klägerin, eine Reinigungskraft in einem Unternehmen des Gebäudereinigerhandwerks, erhielt ihre Lohnabrechnung zunächst per Post, wobei das Unternehmen die Portokosten übernahm. Nach einer Umstellung auf ein elektronisches System, bei dem die Lohnabrechnungen in eine Online Postbox eingestellt wurden, machte die Klägerin von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und erhielt weiterhin die Abrechnungen in Papierform. Die Klägerin forderte daraufhin die Erstattung der Portokosten für die postalische Zusendung der Lohnabrechnung.

Rechtsprechung im Arbeitsrecht: Der Fall der Lohnabrechnung

Das rechtliche Problem entstand aus der Interpretation des tariflichen Abrechnungsanspruchs und der Frage, ob die elektronische Bereitstellung ohne Zustimmung der Arbeitnehmerin als Erfüllung dieses Anspruchs angesehen werden kann. Die Herausforderung lag in der Abwägung zwischen der Effizienz und Kosteneinsparung durch elektronische Kommunikationsmittel und der Notwendigkeit, die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren, insbesondere in Bezug auf die Art und Weise, wie sie ihre Lohnabrechnungen erhalten.

Urteilsbegründung und Auslegung des Arbeitsrechts

Das Arbeitsgericht Oldenburg entschied, dass die bloße Bereitstellung der Lohnabrechnung in einem elektronischen Postfach ohne die Zustimmung der Arbeitnehmerin nicht ausreicht, um den tariflichen Abrechnungsanspruch zu erfüllen. Es betonte, dass die Lohnabrechnung so übermittelt werden muss, dass sie in den Machtbereich der Arbeitnehmerin gelangt und diese unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent ihr Einverständnis zur elektronischen Übermittlung erklärt hatte. Daher konnte die Beklagte nicht die Erfüllung ihrer Pflicht zur Erteilung der Lohnabrechnung durch die Einstellung in das elektronische Fach beanspruchen.

Auswirkungen und Fazit des Urteils im Arbeitsrecht

Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der Auslegung des § 126b BGB, der die Anforderungen an eine Erklärung in Textform definiert, sowie auf den Grundsätzen des Zugangs einer Willenserklärung gemäß § 130 BGB. Das Gericht wies darauf hin, dass die elektronische Form der Übermittlung nur dann als zugegangen gilt, wenn der Empfänger zuvor sein Einverständnis zur telekommunikativen Übermittlung solcher Erklärungen gegeben hat.

Weitere wichtige Informationen aus dem Urteil beinhalten die Feststellung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die gesetzliche Verzugspauschale hat, da § 12a Abs. 1 ArbGG dem entgegensteht. Zudem wurde der Streitwert auf 84,20 EUR festgesetzt und die Berufung für beide Parteien zugelassen, was die Bedeutung des Falles für das Arbeitsrecht unterstreicht.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend, da sie die Praxis der elektronischen Bereitstellung von Lohnabrechnungen berühren und die Notwendigkeit der Zustimmung der Arbeitnehmer hervorheben. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass sie die Zustimmung ihrer Arbeitnehmer zur elektronischen Übermittlung von Lohnabrechnungen einholen, um ihren vertraglichen und tariflichen Pflichten nachzukommen.

Das Fazit des Urteils unterstreicht die Bedeutung der Einwilligung der Arbeitnehmer in die Art und Weise der Übermittlung ihrer Lohnabrechnungen. Es zeigt, dass die Digitalisierung von Prozessen im Arbeitsrecht die ausdrückliche Berücksichtigung der Rechte und Präferenzen der Arbeitnehmer erfordert. Dieses Urteil könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen und hat potenziell Einfluss auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und die Implementierung elektronischer Systeme zur Lohnabrechnung in Unternehmen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was definiert § 126b BGB im Kontext der Textform und welche Anforderungen stellt er an elektronische Dokumente?

Der § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert die Textform in Deutschland. Im Gegensatz zur Schriftform nach § 126 BGB und der elektronischen Form nach § 126a BGB, die eine qualifizierte elektronische Signatur erfordern, ermöglicht die Textform die Kommunikation mittels einer lesbaren, unterschriftslosen Erklärung.

Die Textform nach § 126b BGB stellt drei Hauptanforderungen:

1. Die Erklärung muss lesbar sein.
2. Die Person des Erklärenden muss genannt sein.
3. Die Erklärung muss auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.

Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Beispiele für dauerhafte Datenträger sind Papier oder eine Festplatte, während die Darstellung eines Textes auf einem Monitor nicht als dauerhafter Datenträger gilt.

Die Textform erfordert keine Unterschrift, daher können auch E-Mails, SMS oder WhatsApp-Nachrichten die Anforderungen der Textform erfüllen, solange sie die oben genannten Kriterien erfüllen.

Im Kontext elektronischer Dokumente bedeutet dies, dass diese Dokumente in lesbarer Form vorliegen und die Person des Erklärenden genannt sein muss. Sie müssen auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert sein, der es dem Empfänger ermöglicht, die Erklärung für einen angemessenen Zeitraum zugänglich zu machen und unverändert wiederzugeben.

Es ist zu beachten, dass im Kontext des Vergaberechts zusätzliche Anforderungen an die elektronische Kommunikation gestellt werden können, insbesondere wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen.

Wenn ein Rechtsgeschäft der durch Gesetz vorgeschriebenen Textform ermangelt, ist es nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Es besteht jedoch in besonderen Ausnahmefällen die Möglichkeit, einen solchen Formfehler über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu heilen.

Inwiefern ist die Zustimmung des Arbeitnehmers zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten rechtlich relevant?

Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten ist in verschiedenen Situationen rechtlich relevant. In einigen Fällen ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich, um die elektronische Kommunikation rechtsverbindlich zu gestalten. Beispielsweise dürfen Arbeitgeber gemäß § 14 Abs. 1 Satz 7 UStG Rechnungen auf Papier oder, vorbehaltlich der Zustimmung des Rechnungsempfängers, elektronisch übermitteln.

Im Kontext von Arbeitsverträgen ist die elektronische Signatur grundsätzlich rechtswirksam, jedoch gibt es bestimmte Anforderungen, die erfüllt sein müssen, wie z.B. das Nachweisgesetz. Das Nachweisgesetz verlangt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bestimmte Details zu Arbeitsbedingungen und Arbeitsdauer schriftlich mitteilt. Die EU-Richtlinie erlaubt diese Mitteilungen im elektronischen und Papierformat, überlässt jedoch den EU-Mitgliedstaaten das Recht, die Formalitäten der Richtlinie selbst festzulegen.

In Bezug auf den Datenschutz und die elektronische Kommunikation am Arbeitsplatz ist die Zustimmung des Arbeitnehmers ebenfalls relevant. Die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (auch ePrivacy-Richtlinie genannt) regelt seit 2002 verbindliche Mindestvorgaben für den Datenschutz in der Telekommunikation. Die Einhaltung dieser Richtlinie und die Zustimmung des Arbeitnehmers zur elektronischen Kommunikation sind entscheidend, um den Schutz der Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Insgesamt ist die Zustimmung des Arbeitnehmers zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten in verschiedenen rechtlichen Kontexten von Bedeutung, um die Rechtsverbindlichkeit und den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation sicherzustellen.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Oldenburg – Az.: 3 Ca 223/16 – Urteil vom 02.11.2016

Leitsatz

Eine in Textform (§ 126b BGB) in ein personifiziertes elektronisches Postfach eingestellte Lohnabrechnung erfüllt einen tariflichen Abrechnungsanspruch nicht bereits durch die bloße Bereitstellung zum anschließenden Abruf durch den Arbeitnehmer.

Es gelten die für den Zugang einer Willenserklärung nach § 130 BGB bestehenden Erfordernisse entsprechend.

Der Arbeitgeber muss die Erklärung so auf den Weg zu dem Arbeitnehmer bringen, dass sie in dessen Machtbereich gelangt und er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann.

Eine auf elektronischem Weg übermittelte Entgeltabrechnung geht dem Arbeitnehmer nur zu, wenn er sich zuvor ausdrücklich oder konkludent mit der elektronischen Übermittlung derartiger Erklärungen durch den Arbeitgeber einverstanden erklärt hat.

Die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt eine Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB aus.


I. Das Versäumnisurteil vom 6. Juli 2016 bleibt aufrechterhalten.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1. 0,70 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit  10.08.2016

2.  0,70 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit  16.09.2016

3)3.  0,70 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit  26.10.2016

4. 0,70 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit  01.11.2016

zu zahlen.

III. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten im Termin vom 06.07.2016; diese trägt die Beklagte.

V. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 84,20 EUR festgesetzt.

VI. Die Berufung wird sowohl für die Klägerin als auch für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten die Portokosten für die Übersendung der monatlichen Lohnabrechnung zu erstatten.

Die Beklagte, ein Unternehmen des Gebäudereinigerhandwerks, beschäftigt die Klägerin als Reinigungskraft. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung – im Folgenden: RTV -.

Die Beklagte übersandte der Klägerin monatlich per Post eine Lohnabrechnung. Die Portokosten trug die Beklagte.

Ab dem 1. Januar 2015 stellte die Beklagte auf eine elektronische Lohnabrechnung um. Hierzu richtete sie eine „Paperless Online Postbox“ (POP) ein. Darin stellte sie monatlich für jeden einzelnen Arbeitnehmer dessen Lohnabrechnung ein. Mittels individuellen Zugangsdaten, welche die Beklagte jedem Arbeitnehmer zur Verfügung stellte, können die Arbeitnehmer die in der Postbox hinterlegten Lohnabrechnungen aufrufen, abspeichern und / oder ausdrucken.

Die Klägerin macht davon keinen Gebrauch. Die Beklagte übersandte ihr deshalb weiterhin Lohnabrechnungen in Papierform. Für eine Übergangszeit trug sie die dadurch entstehenden Portokosten. Spätestens ab März 2016 behielt die Beklagte vom abgerechneten monatlichen Nettoentgelt der Klägerin 0,70 EUR für die Postzusendung der Lohnabrechnung ein (beispielhaft die Lohnabrechnung für die Zeit vom 1.-31. März 2016, Bl. 4 d.A.).

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Auszahlung der einbehaltenen Beträge der Monate März bis August 2016 zur Gesamthöhe von 4,20 EUR sowie in Bezug auf die in den Monaten Juli und August 2016 rückständig gebliebenen Beträge eine Verzugspauschale von jeweils 40,– EUR.

Im Termin vom 6. Juli 2016 im Ausgangsverfahren 3 Ca 223/16 war die Beklagte säumig. Es erging ein klagestattgebendes Versäumnisurteil, mit dem der Klägerin 1,40 EUR (aus März und April 2016) nebst Zinsen zugesprochen wurden.

Gegen das am 21. Juli 2016 zugestellte Versäumnisurteil erhob die Beklagte mit dem am 25. Juli 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 21. Juli 2016 Einspruch.

Mit Beschluss vom 2. November 2016 hat die Kammer die die Folgemonate Mai bis August 2016 betreffenden Klagen 3 Ca 431/16, 3 Ca 445/16, 3 Ca 302/16 und 3 Ca 441/16 mit dem Ausgangsverfahren 3 Ca 223/16 verbunden.

Die Klägerin behauptet, über die erforderliche Hardware, um die elektronische Lohnabrechnung abrufen zu können, verfüge sie nicht. Zudem sei, so meint die Klägerin, die Beklagte nach den tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet, ihr monatlich eine Lohnabrechnung kostenfrei zu übersenden.

Die Klägerin beantragt,

I. das Versäumnisurteil vom 6. Juli 2016 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 0,70 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit   10.08.2016

2. 0,70 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit  16.09.2016

3. 0,70 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit  26.10.2016 sowie als Verzugskostenpauschale 40,– EUR

4. 0,70 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit  01.11.2016 sowie als Verzugskostenpauschale 40,– EUR

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 06.07.2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie meint, weil die Klägerin von der Möglichkeit des Online-Aufrufs der Lohnabrechnungen keinen Gebrauch gemacht habe, habe sie sich in Erfüllung der Verpflichtung zur Erteilung einer Abrechnung veranlasst gesehen, die Lohnabrechnungen der Klägerin per Post zu übersenden. Daraus folge indes nicht die Pflicht, auch die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen. Vielmehr habe die Klägerin den Aufwand zu erstatten, woraus sich auch die Berechtigung ergäbe, die angefallenen Portokosten vom Nettolohn der Klägerin abzuziehen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

A.

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 6. Juli 2016 ist statthaft und auch form- und fristgerecht (§§ 59, 46 Abs. 2 ArbGG, 340 ZPO) eingelegt.

Die weitergehende Klage ist zulässig.

B.

Das Versäumnisurteil ist aufrecht zu erhalten; der weitergehenden Klage ist stattzugeben.

Der Klägerin stehen die erhobenen Vergütungsforderungen zu. Insbesondere sind sie nicht erloschen. Denn den im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Portokosten für die Übersendung der monatlichen Lohnabrechnung hat die Beklagte nicht. Die erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Aufwendungsersatzanspruches sind nicht erfüllt.

Nicht begründet ist die Klage, soweit die Klägerin die gesetzliche Verzugspauschale verlangt. Die Vorschrift des § 12 a Abs. 1 ArbGG steht dem entgegen.

I.

In den hier streitgegenständlichen Monaten hat die Klägerin den in den einzelnen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Netto-Lohnanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien erworben.

II.

Bis auf einen Teilbetrag von 0,70 EUR je Monat ist die jeweilige Lohnforderungen der Klägerin durch Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

Hinsichtlich dieses verbleibenden Teils des Lohnanspruches ist – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – Erfüllung nicht eingetreten. Die erklärte Aufrechnung konnte diese Rechtsfolge nicht bewirken. Der zur Aufrechnung gestellte Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Erstattung des Briefportos für die Übersendung der Lohnabrechnung besteht nicht.

1. Eine vertragliche Grundlage für die Erstattung der aufgewendeten Portokosten findet sich nicht.

a. Der seitens der Beklagten angeführte Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) ist nicht zustande gekommen. Entsprechende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) liegen nicht vor. Einen „Auftrag“, die monatliche Lohnabrechnung per Post zu übersenden, hat die Klägerin zu keiner Zeit, weder ausdrücklich noch konkludent, der Beklagten erteilt. Umgekehrt kommt der bloßen Entgegennahme der von der Beklagten ausgehenden Übersendung der Lohnabrechnungen per Post keinerlei rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Hinblick auf die Kostentragung der Übersendung zu.

b. Auch aus dem die Parteien verbindenden Arbeitsvertrag folgt eine entsprechende Nebenpflicht zur Tragung der Portokosten der per Post übersandten Lohnabrechnung für den Arbeitnehmer nicht.

2. Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage besteht ebenfalls nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Geschäftsführung ohne Auftrag sind nicht erfüllt.

a. Grundsätzlich kann zwar nach § 683 BGB derjenige, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dass dafür ein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung gegeben ist (§ 677 BGB), die Aufwendungen ersetzt verlangen, die er im Interesse des anderen zur Durchführung der Geschäftsführung für erforderlich halten durfte.

b. Diese Voraussetzungen könnten vorliegen, wenn die Beklagte ihre Verpflichtung zur Erteilung einer monatlichen Lohnabrechnung bereits durch die Einstellung in das eingerichtete elektronische Fach erfüllt hätte. Denn dann könnte die Übersendung einer zusätzlichen Abrechnung in Papierform allein im Interesse der Klägerin liegen. Weil sie die technischen Voraussetzungen für den elektronischen Aufruf nicht vorhält, würde auf diesem Weg das Interesse der Klägerin, die Zusammensetzung des monatlichen Entgelts nachzuvollziehen und zu prüfen, befriedigt.

c. Indes fehlt es hier bereits an den tatbestandlichen Erfordernissen eines solchen fremdnützigen Tätigwerdens. Mit der Einstellung in das elektronische Fach erfüllt die Beklagte nämlich ihre Pflicht zur Erteilung einer Abrechnung nicht. Die Übersendung der monatlichen Lohnabrechnung in Papierform bleibt ein zum Rechtskreis der Beklagten zugehöriges Geschäft. Entsprechend ist sie auch zur Tragung der Kosten verpflichtet.

aa. Die Pflicht zur Lohnabrechnung ergibt sich aus § 9 RTV. Danach erfolgt die Lohnabrechnung monatlich, spätestens bis zum 15. des nächsten Monats. Weiter heißt es in Ziff.1 S. 1 der tariflichen Vorschrift:

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem/der Beschäftigten bei jeder Lohnabrechnung eine genaue schriftliche Abrechnung über Gesamtlohn, Stundenlohn, Zulagen und Abzüge zu geben.“

bb. Nicht geregelt ist, wie die Abrechnungspflicht zu erfüllen ist. Die Auffassung der Klägerin, der Tarifvertrag verlange die Übergabe einer Abrechnung in Papierform, findet in dem Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Denn danach hat der Arbeitgeber „bei“ jeder Lohnabrechnung eine genaue Abrechnung der Lohnbestandteile zu geben. Die Tarifvertragsparteien benutzen das Wort „geben“ nicht im Sinne von „übergeben“ – wie die Klägerin meint -, sondern im Sinne von „Auskunft geben“. Auch aus dem Erfordernis, die Abrechnung müsse „schriftlich“ sein, ergeben sich keine weiteren Anforderungen. Unschwer ist damit nicht Schriftform im Sinne von § 126 BGB gemeint. Schriftlich meint letztlich nur verkörpert im Gegensatz zur bloßen mündlichen Erläuterung.

cc. Zurückgegriffen werden kann auf die gesetzliche Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Gesetzlich geregelt ist damit, in welcher Form der Arbeitgeber die Lohnabrechnung erteilen muss, um seine Abrechnungspflicht zu erfüllen. Welche Erfordernisse bestehen, um der geforderten Textform zu entsprechen, ergibt sich aus § 126 b BGB. Danach muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist nach § 126 b Satz 2 BGB jedes Medium, „das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraum zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben“.

aaa. Letztlich offen bleiben kann – wofür allerdings sehr viel spricht – ob die Handhabung der Beklagten mit dem personifizierten Zugang und der eingerichteten „Paperless Online Postbox“ die genannten gesetzlichen Anforderungen erfüllt (vgl. hierzu Kremer/A., Übermittlung elektronischer Entgeltabrechnungen an Arbeitnehmer, CR 2014, 228-236).

bbb. Denn es fehlt bereits an dem erforderlichen Einverständnis der Klägerin mit der Übersendung der Lohnabrechnung in elektronischer Form.

Das Erteilen einer Erklärung in Textform meint nicht die bloße Bereitstellung zum Abruf durch ein aktives Tun des Erklärungsempfängers, sondern die Aufgabe der jeweiligen Erklärung zur Übermittlung an deren Empfänger (Erman/Westermann, BGB, 14. Auflage, § 126 b BGB, Rn. 7 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/12637, 44; ebenso EuGH, Urteil vom 05.07.2012 – Rs.C-49/11 – Rn. 33 – juris -). Entsprechend müssen die für den Zugang einer Willenserklärung geltenden Erfordernisse des § 130 BGB erfüllt sein (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Auflage, § 126 b Rdnr. 3, § 130 BGB, Rdnr. 7 a; Erman/Westermann, aaO., Rn. 9). Zwar handelt es sich bei der Lohnabrechnung um eine Wissenserklärung des Arbeitgebers. Auf diese sind jedoch die Regelungen über die Abgabe und Zugang von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden (Kremer/A., aaO. unter Ziffer I. mit weiteren Nachweisen). Die in Textform erfolgte Entgeltabrechnung muss entsprechend den Anforderungen für den Zugang einer Willenserklärung deshalb durch den Arbeitgeber so auf den Weg zum Arbeitnehmer gebracht werden, dass sie in dessen Machtbereich gelangt und der Arbeitnehmer sodann unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann (Kremer/A., aaO. unter Ziffer I. 2.). Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger jedoch nur dann zu, wenn der Empfänger zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, er sei mit der telekommunikativen Übermittlung derartiger Erklärungen einverstanden (ErfK/Preis, 17. Aufl., §§ 125-127 BGB, Rn. 40; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 126 b, Rdnr. 3; Erman/Westermann, a.a.O., § 126 b BGB, Rdnr. 9; Kremer/A., a.a.O. unter Ziffer II. 1 mit weiteren Nachweisen).

ccc. Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat weder ausdrücklich noch konkludent ein solches Einverständnis erklärt. Auch im Zuge der Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ist die Klägerin nicht von der Beklagten mit den technischen Möglichkeiten zum Empfang der elektronischen Lohnabrechnung ausgestattet worden. Die Beklagte verlangt den Zugriff mit privat vorgehaltener Ausstattung. Offen bleiben kann deshalb, ob in der Nutzung arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellter Arbeitsmittel das Einverständnis mit entsprechender elektronischer Übermittlung liegen könnte.

3. Stellt nach alledem die Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form, wie sie die Beklagte praktiziert, eine Erfüllung der gegenüber der Klägerin bestehenden Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung nicht dar, tritt die Erfüllung erst mit der Erteilung der Abrechnung in Papierform ein. Offen bleiben kann, wie die Übergabe zu bewirken ist. Denn wenn sich die Beklagte dafür entscheidet, ihre Abrechnungspflicht durch Übersendung per Post an den Empfänger zu erfüllen, so hat sie auch die damit verbundenen Kosten zu tragen. Eine Abwälzung dieser Kosten auf den Arbeitnehmer kommt dann nicht in Betracht.

4. Offen bleiben kann letztlich auch die Frage, ob eine Aufrechnung mit einem Aufwendungsersatzanspruch, der aus einer ausschließlich im Interesse des Aufrechnungsgegners liegenden Geschäftsführung erwachsen ist, bereits am Aufrechnungsverbot der §§ 394 BGB, 850 c ZPO scheitert.

5. Die der Klägerin zuerkannten Forderungen sind gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.

III.

Eine Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB kann die Klägerin nicht verlangen. Dem steht die Regelung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 17. Mai 2016 der Kammer 7 des Arbeitsgerichts Oldenburg – AZ. 7 Ca 130/16 – hat sich die Kammer am 21. Oktober 2016 in dem Verfahren 3 Ca 466/15 der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, die Regelung in § 12 a ArbGG verdränge als Spezialnorm die Vorschrift des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, angeschlossen. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 12.05.2016 – 2 Ca 5416/15 – juris sowie bei Diller, NZA 2015, 1095 ff verwiesen werden. Letztlich bedarf diese Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Klärung. Den Weg hierzu hat die Kammer durch die Zulassung der Berufung geebnet.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Kammer erachtet den verlangten pauschalierten Verzugsschaden als streitwerterhöhenden Schadenersatzanspruch. Das Obsiegen der Klägerin ist verhältnismäßig gering und hat auch keinerlei Mehrkosten ausgelöst, sodass ihr die gesamten Kosten des Re3chtsstreites aufzuerlegen waren. Ausgenommen davon sind die Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten entstanden sind. Diese hat die Beklagte zu tragen.

Nach § 61 a ArbGG ist im Urteil der Wert des Streitgegenstandes festzusetzen. Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff ZPO. Der festgesetzte Wert entspricht der Summe der erhobenen Forderungen.

Die Berufungszulassung beruht auf den §§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Nicht nur die bereits erwähnte Frage der Geltung des § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsverhältnis hat grundsätzliche Bedeutung, sondern auch die Frage der Erforderlichkeit des Einverständnisses des Arbeitnehmers in die Übersendung der monatlichen Abrechnung in elektronischer Form gilt über den Einzelfall hinaus und ist von allgemeinem Interesse.

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