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Gleichbehandlung beim Entgelt – Vergleichbarkeit

ArbG Cottbus – Az.: 2 Ca 1541/11 – Urteil vom 29.02.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.579,32 Euro brutto für die Zeit vom 01.01.2009 bis September 2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine ordnungsgemäße Stundenlohn-abrechnung auszufertigen für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 01.01.2012 mit Ausweis des konkret zugrunde gelegten Stundenlohnes, der Sonn- und Feiertagszuschlägen, Urlaubsgeld sowie Krankentagen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 14.179,32 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 30. September 2011 und über Abrechnungsansprüche.

Die am Geburtsdatum geborene Klägerin war bei der beklagten Agrargenossenschaft und deren Rechtsvorgängern seit dem Jahr xxx beschäftigt. Zwischen den Parteien bestehen keine schriftlich festgehaltenen Arbeitsvertragsbestimmungen. Die Klägerin war in der Vergangenheit als Melkerin beschäftigt. Unstreitig arbeitete sie als Melkerin in der Zeit von 1990 bis 1995. Zeitweilig arbeitete die Klägerin danach auch in der Kälberzucht. Zuletzt wurde die Klägerin überwiegend als Treiberin eingesetzt. Vorübergehend übernahm sie jedoch auch andere Tätigkeiten im Melkstall und bei der Kälberzucht.

Bis zum Jahr 2008 gab es bei der Beklagten ein Festgehalt für alle Beschäftigten. Die Arbeitnehmer übernahmen auch wechselnd alle Aufgaben im Betrieb.

Im Jahr 2008 führte der Geschäftsführer der Beklagten einseitig ein neues Entlohnungssystem ein. Nach welchen Kriterien die Beklagten welchen Arbeitnehmer wie bezahlt, ist bis zuletzt offen geblieben. Die Parteien waren sich jedoch nicht über die Änderung etwaiger Arbeitsvertragsbedingungen einig. Eine Änderungskündigung sprach die Beklagtenseite nicht aus.

Die Klägerin leidet derzeit an einer Hauterkrankung an den Händen. Ob die Klägerin wieder als Melkerin beschäftigt werden kann, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin behauptet, die mit ihr vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten erhielten eine monatliche Vergütung von mindestens 2000,00 Euro. Im Betrieb seien alle Beschäftigten vergleichbar, weil ursprünglich alle dieselbe Arbeit verrichtet hätten. Die Klägerin könne auch alle Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten ausüben.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünde aufgrund des arbeitsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung ein Lohn zu, den andere vergleichbare Arbeitnehmer der Beklagten ebenfalls als Lohn erhielten.

Die Klägerin behauptet weiter, sie könne auch ab März 2012 wieder als Melkerin arbeiten. Diese Arbeit sei lediglich in den Wintermonaten schwierig und würde zu Erkrankungen an den Händen führen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.579,32 Euro brutto für die Zeit vom 01.01.2009 bis September 2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine ordnungsgemäße Stundenlohnabrechnung auszufertigen für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 01.01.2012 mit Ausweis des konkret zugrunde gelegten Stundenlohnes, der Sonn- und Feiertagszuschlägen, Urlaubsgeld sowie Krankentagen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, es gebe keinen Festlohn. Der Lohn werde seit dem Jahr 2008 als Leistungslohn gezahlt. Die Klägerin sei mit den Melkern oder dem Herdenmanager und Besamer nicht vergleichbar. Sie sei als Treiberin eingesetzt. Treiber würden weniger Geld verdienen als Melker oder Mitarbeiter in der Kälberzucht.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei gesundheitlich nicht in der Lage als Melkerin zu arbeiten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Differenzlöhnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis einschließlich 30. September 2011. Denn ihr steht aufgrund des arbeitsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung ein Anspruch auf Zahlung von 2000,00 Euro brutto zu. Außerdem hat die Klägerin einen Anspruch auf erneute Abrechnung der Löhne für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 30. September 2011.

I. Die Klägerin hat Anspruch auf Differenzlöhne bis zur Höhe von 2000,00 Euro für den Zeitraum 2009 bis September 2011. Der Anspruch beruht auf dem Grundsatz der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine willkürliche, das heißt sachlich unbegründete Durchbrechung allgemein- oder gruppenbezogener Regelungen zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen, vergleiche BAG vom 05.03.1980, DB 1980, S. 1650. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen aus sachfremden Gründen ungünstiger behandelt als andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage, vergleiche BAG vom 14.02.1984, DB 84, S. 1527. Eine solche vergleichbare Lage bestimmt sich nach folgenden Faktoren:

1. Zunächst muss sich eine Gruppe von Arbeitnehmer bilden lassen, die sich aufgrund bestimmter Umstände oder Merkmale mit der benachteiligten Person in einer im Wesentlichen übereinstimmenden Lage befindet.

Das ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe als Melkerin gearbeitet. Das ist auch unbestritten geblieben. Die beklagte Partei hat lediglich richtig gestellt, dass die Tätigkeit im Melkstall aushilfsweise gedacht sei. Tatsächlich hat die Klägerin in der Vergangenheit auch im Kälberstall gearbeitet, was unbestritten war. Der Beklagtenvertreter hat betont, die Klägerin habe er überall verschiedentlich eingesetzt. Grundsätzlich sei die Klägerin jedoch seit 1995 einer Beschäftigung im Kälberstall nachgegangen.

Zwischen den Parteien ist kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorhanden. Nach dem tatsächlich praktizierten Arbeitsverhältnis war die Klägerin jedoch zu jedem anderen Arbeitsplatz im Betrieb versetzbar.

Allein auf Grund langjähriger Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem bestimmten Arbeitsplatz tritt noch keine Konkretisierung ein, das heißt der Arbeitgeber kann auf Grund der im Arbeitsvertrag enthaltenen Versetzungsmöglichkeit dem Arbeitnehmer weiterhin eine andere Tätigkeit zuweisen, vergleiche BAG vom 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP BAG § 307 Nr. 26. Der Arbeitgeber wird aufgrund langjähriger Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz seiner Versetzungsmöglichkeit nicht verlustig. Ist die Klägerin jedoch zu allen Arbeitsplätzen versetzbar, sind die Tätigkeiten auch mit ihrer derzeitigen Tätigkeit vergleichbar und gleichwertig.

Auch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Beklagten im Jahr 2008 einen Leistungslohn einführte, ändert nichts an der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer. Diesen Leistungslohn hat der Geschäftsführer der Beklagten einseitig eingeführt, ohne eine Änderungskündigung auszusprechen. Die Änderung des Lohnes ist jedoch eine wesentliche Vertragsbedingung, die einseitig nur durch Ausspruch einer Änderungskündigung möglich ist. Eine Änderungskündigung muss jedoch – wie jede Kündigung – nach § 623 BGB schriftlich erfolgen. Andernfalls ist sie unwirksam. Die vom Geschäftsführer der Beklagten einseitig eingeführte neue Vergütungsordnung ist mangels Schriftform unwirksam. Vor Einführung dieser neuen Vergütung galt bei der Beklagten das System: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

2. Rechtsfolge der Ungleichbehandlung ist ein Anspruch auf die höhere Leistung. Verstoßen arbeitsvertragliche Regelungen oder einseitig vorgenommene Entlohnungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, haben benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die höhere Leistung, vergleiche Küttner, Personalhandbuch, 17. Auflage, Kania Gleichbehandlung Rn. 16. Vorliegend hat die Klägerin Anspruch auf die Leistungen, die sie und auch die anderen vergleichbaren Arbeitnehmer vor dem Jahr 2008 erhalten hatten. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, die übrigen Arbeitnehmer hätten 2000,00 Euro erhalten und würden auch heute 2000,00 Euro mindestens erhalten. Dazu hat die Beklagtenseite nicht Stellung genommen. Unstreitig war jedoch vor 2008 ein Festlohn für alle Arbeitnehmer vereinbart.

Die Kammer musste deshalb davon ausgehen, dass das Gehalt der Arbeitnehmer vor 2008 bei den Arbeitnehmern über 2000,00 Euro betrug und dass tatsächlich andere Arbeitnehmer der Beklagten 2000,00 Euro erhalten. Inwiefern die Klägerin nicht als Besamerin oder Herdenmanagerin tätig werden kann, ist der Kammer auch nicht einsichtig geworden. Vor dem Jahr 2008 – so die Klägerin – arbeiteten schließlich alle Arbeitnehmer wechselseitig auf verschiedenen Arbeitsstellen und waren alle vergleichbar. Hierzu hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert Stellung genommen.

3. Die Berechnung der Nachzahlungsansprüche war nachvollziehbar. Die Klägerin verlangt monatlich seit dem Januar 2009 die Differenzbeträge.

II. Die Klägerin hat nach § 108 Gewerbeordnung einen Anspruch auf Erteilung einer korrekten Lohnabrechnung. Die Beklagte hat der Klägerin eine Abrechnung erteilt. Diese ist jedoch nicht verständlich und nachvollziehbar. Tatsächlich hat der Geschäftsführer der Beklagten eingestanden, dass die Beschreibung des Lohnes mit Festlohn seiner Ansicht nach nicht korrekt sei. Da die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 2000,00 Euro brutto als Festlohn hat, ist die Lohnabrechnung entsprechend zu korrigieren. Die Beklagte hat der Klägerin für die eingeklagten Monate eine erneute Lohnabrechnung zu erteilen, vergleiche dazu nur LAG Rheinland-Pfalz vom 23.01.2001 -2 Ta 5 /01, ArbuR 2001, S. 197.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO in Verbindung mit § 64 Absatz 6 ArbGG zu tragen. Sie ist im Rechtsstreit vollständig unterlegen. Der zuvor geltend gemachte Feststellungsantrag ist wertmäßig in der Zahlungsklage aufgegangen und deshalb nicht gesondert bei der Kostenentscheidung berücksichtigt worden.

IV. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 61 Absatz 1 ArbGG in Verbindung mit § 42 Absatz 4 Gerichtskostengesetz. Der Streitwert war in Höhe des geltend gemachten Zahlbetrages für den Klageantrag zu 1) festzusetzen. Die Abrechnungen haben den Streitwert jeweils um 100,00 Euro pro Abrechnung erhöht.

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