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Whistleblowing – Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen Arbeitnehmer

ArbG Berlin, Az.: 31 Ga 11742/14

Urteil vom 02.09.2014

I. Die Anträge werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

III. Der Verfahrenswert beträgt EUR 35.000,00.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen.

Whistleblowing - Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen Arbeitnehmer
Symbolfoto: wsf-b/Bigstock

Die Verfügungsklägerin ist Betreiberin eines privaten Krankentransportdienstes, der den Transport vornehmlich im Großraum Berlin abwickelt. Zum Leistungskatalog der Verfügungsklägerin gehören neben der Absicherung von Veranstaltungen auch Fernfahrten, so beispielsweise Krankentransporte innerhalb des Bundesgebietes oder Rückholtransporte von Patienten aus dem Ausland. Insoweit wird auf die zur Akte gereichten Screenshots von den Internetseiten der Verfügungsklägerin (Anlage Ast 1, Bl. 84 ff. d. A.) sowie auf einen aktuellen Handelsregisterauszug (Anlage Ast 2, Bl. 89 d. A.) verwiesen.

Die Parteien befinden sich in mehreren arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen miteinander. Die Verfügungsklägerin hat mehrere Kündigungen gegenüber dem Verfügungsbeklagten ausgesprochen, unter anderem mit Schreiben vom 24.10. fristlos wegen unwahrer Äußerungen. In dem Kündigungsschutzverfahren zum Aktenzeichen 29 Ca 15670/13 wies das Arbeitsgericht Berlin die Klage mit Urteil vom 19.02.2014 ab. Hiergegen hat sich der Verfügungsbeklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung gewandt.

Am 07.08.2014 hat sich der Verfügungsbeklagte gegenüber dem R.B.B. (R.) sowie gegenüber der R.-T. GmbH erneut über die Verfügungsklägerin sowie über das streitbefangene Arbeitsverhältnis geäußert.

Am 07.08.2014 wurde im Rahmen der Sendung „Punkt 12“ der als Anlage AST 10 beiliegende TV-Beitrag der R.-T. GmbH gesendet. Weiterhin sind im Rahmen der Abendschau um 19:30 Uhr am selben Tag und später auch in der Sendung „R.-Aktuell“ um 21.45 Uhr die auf der Anlage AST 11 enthaltenen TV-Berichte gesendet worden.

Aufgrund der Äußerungen des Verfügungsbeklagten im Rahmen der Sendungen hat die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 08.08. 2014 abgemahnt und zur Abgabe einer umfassenden Unterlassungserklärung bis zum 12.08.2014 aufgefordert (Anlage AST 12, Bl. 114 ff. d. A.). Der Verfügungsbeklagte hat darauf nicht reagiert. Die R.-T. GmbH hat gegenüber der Verfügungsklägerin zwischenzeitlich die als Anlage AST 13 (Bl. 128 ff. d. A.) zur Akte gereichte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen zu. Die Antragstellerin behauptet im Einzelnen: Es habe keine Vorgaben zu einem bestimmten Kontingent täglich zu fahrender Transporte gegeben. Es habe weiterhin keine Einschränkungen der Desinfektionserfordernisse gegeben – weder aus Kostengründen noch zu Gunsten eines täglichen Mindestkontingents zu fahrender Krankentransporte. Es habe eine ausdrückliche Weisung bestanden, sich erst dann für einen neuen Einsatz frei zu melden, wenn die im Einzelfall erforderliche Desinfizierung vorgenommen worden sei. Es habe weder direkte noch indirekte Vorgaben für Desinfektionszeiten gegeben. Diese notwendigen Zeiten seien nicht untersagt worden. Maßgeblich für den Umfang der erforderlichen Desinfektionszeit sei die jeweilige medizinische Notwendigkeit, deren Beurteilung den Arbeitnehmern vor Ort obliege. Die Verfügungsklägerin behauptet zudem, der Verfügungsbeklagte habe sich zu keinem Zeitpunkt wegen angeblicher Missstände an den Chef, das heißt, an die Geschäftsführung, gewandt. Die Geschäftsführung habe von den Vorwürfen erstmals aus den Medien erfahren. Es gebe diese Missstände nicht und schon gar nicht, seitdem der Verfügungsbeklagte dort arbeite. Die Verfügungsklägerin behauptet schließlich, dass ihr kein anderer Mitarbeiter bekannt sei, der sich an die Staatsanwaltschaft gewandt habe. Die Verfügungsklägerin ist schließlich der Ansicht, es bestehe ein Verfügungsgrund. Die Wiederholung drohe. Es handele sich um die Verletzung einer absoluten Rechtsposition. Es sei zu befürchten, dass sich der Verfügungsbeklagte vor dem Landesarbeitsgericht im Rahmen einer Beweisaufnahme erneut derart äußere.

Die Verfügungsklägerin beantragt, es dem Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen, wöR.ich oder sinngemäß in Bezug auf die Verfügungsklägerin zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen,

a) dass er von Seiten der Verfügungsklägerin dazu verpflichtet worden sei, sieben, acht und mehr Krankentransporte pro Tag zu schaffen;

b) dass es während seiner Tätigkeit für die Antragstellerin unmöglich gewesen sei, sich wie vorgeschrieben um die Hygiene in den Autos zu kümmern;

c) dass er der Verfügungsklägerin mehrfach gesagt habe, dass sich in Sachen Hygiene etwas ändern müsse;

d) in Bezug auf angebliche Missstände:

„Ja, das Gespräch haben wir des Öfteren gesucht, also mit meinem festen Arbeitskollegen damals, in Nachtschichten mit dem Chef darüber gesprochen, auch so im privaten Bereich mit dem Chef darüber gesprochen (…).“

e) „(…) die Missstände gabs ja im Endeffekt seit ich da arbeite.“

f) „Irgendwann war das Maß dann so voll, dass da halt andere Kollegen, mit denen ich nicht so viel zu tun hatte, an die Staatsanwaltschaft gegangen sind.“

g) „Wir haben den Chef sehr oft angesprochen auf die ganzen Missstände, der war dabei, in den Nachtschichten, wenn er Bürozeiten hatte, der Chef, haben wir ihn angesprochen, Gespräche gesucht, auf die Missstände hingewiesen (…).“,

insbesondere wenn dies hinsichtlich der Äußerungen zu a)-f) geschieht, wie gegenüber der R.-T. GmbH in dem am 07.08.2014 im Rahmen der Sendung „Punkt 12“ ausgestrahlten TV-Beitrag und/oder hinsichtlich der Äußerung zu g) wie gegenüber dem R.B.B. (R.) in dem am 07.08.2014 im Rahmen der Abendschau um 19:30 Uhr und im Rahmen von „R. Aktuell“ um 21:45 Uhr ausgestrahlten TV-Beitrag.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte behauptet, er habe sich gegenüber R. nicht derart erklärt, wie er in dem TV-Beitrag zitiert werde. Er habe nicht gesagt: „Sieben, acht und mehr Krankentransporte sollte er nach eigenen Angaben pro Tag schaffen.“ Der Verfügungsbeklagte behauptet weiterhin, die übrigen Äußerungen entsprächen der Wahrheit. Im Übrigen spreche für das Recht auf diese Äußerungen, dass die Verfügungsklägerin in einem sehr sensiblen Bereich, nämlich dem gewerblichen Transport von Kranken, tätig sei, woraus sich ein öffentliches Interesse ergebe.

Für das weitere Parteivorbringen wird auf die Antragsschrift vom 20.08.2014 (Bl. 69 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 01.09.2014 (Bl. 156 ff. d. A.) verwiesen, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Es ist Beweis erhoben worden, über die Behauptung der Verfügungsklägerin, in dem TV-Beitrag werde der Verfügungsbeklagte wie folgt zitiert: „Sieben, acht und mehr Krankentransporte sollte er nach eigenen Angaben pro Tag schaffen.“ durch Inaugenscheinnahme des Mitschnitts des TV-Beitrages.

Entscheidungsgründe

A.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch. Der Verfügungsklägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen zu, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 186 StGB. Die streitgegenständlichen Äußerungen des Verfügungsbeklagten sind durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt.

I.

Juristische Personen des Privatrechts können sich nicht nur auf die Beeinträchtigung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sondern auch auf das ihnen als juristische Person des Privatrechts zukommende Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG berufen. Auch juristische Personen genießen in ihrer Rechtspersönlichkeit Ehrenschutz gegenüber Angriffen, durch die ihr Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine „persönliche Ehre“ noch sind sie Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 i. V. m. § 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (OLG Düsseldorf, 08.11.2006, 15 U 100/06, BeckRS 2007, 96187; BGH, 30.05.2000, VI ZR 276/99, NJW 2000, 3421). Der Bundesgerichtshof hat den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die juristische Person ausgedehnt, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (vgl. BGH, 19.05.2005, X ZR 15/04, NJW 2005, 2766; BGH, 03.02.2009, VI ZR 36/07, NJW 2009, 555). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Unternehmensinterna gelenkt wird, die zu kritischen Wertungen Anlass geben können (LAG Rheinland-Pfalz, 06.12.2012, 10 SaGA 11/12, BeckRS, 65583).

Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei sind Meinungen im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Insoweit kann die Frage nur sein, ob und wie sich aus Art. 5 Abs. 2 GG im Einzelfall Grenzen ergeben.

Die Mitteilung einer Tatsache ist dagegen im strengen Sinne keine Äußerung einer Meinung, weil ihr die für eine Meinungsäußerung charakteristischen Merkmale fehlen. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Sie sind vielmehr durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, weil sie Voraussetzung der Bildung der Meinung sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet. Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, dass die erwiesene oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werde, das darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet.

Die Abgrenzung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung kann im Einzelfall schwierig sein, vor allem deswegen, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinung im Interesse des wirksamen Grundrechtschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Jedoch sind grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts wiederum im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit dessen wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (vgl. BVerfG, 15.01.1958, 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257-Lüth). Das führt im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der einfach rechtlichen Vorschriften regelmäßig zu einer fallbezogen Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch die Meinungsäußerung beeinträchtigten Rechtsgutes, dass das einfache Recht schützen will.

Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen ihres Fallbezuges nicht generell und abstrakt vorwegnehmen. Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch davon aus, das scharfe und überspitzte Formulierungen für sich genommen eine schädigende Äußerung noch nicht unzulässig machen. Vielmehr spricht gerade, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer der Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht, die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Das ist eine Folge der fundamentalen Bedeutung, die die Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung hat. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht der Person zurückzutreten.

Für Tatsachenbehauptungen gilt dagegen der Grundsatz, dass die Vermutung zu Gunsten der freien Rede spreche, nur eingeschränkt. Soweit Tatsachenbehauptungen nicht von vornherein außerhalb des Schutzes von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bleiben, sind sie Einschränkungen im Interesse anderer Rechtsgüter leichter zugänglich als Meinungsäußerungen. Das gilt auch, wenn sich wertende und tatsächliche Elemente in einer Äußerung so vermengen, dass diese insgesamt als Werturteil anzusehen sind. Die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile kann im Rahmen der Abwägung eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem durch das grundrechtsbeschränkende Gesetz geschützte Rechtsgut zurücktreten. (BVerfG, 09.10.1991, 1BvR 1555/88, NJW 1992, 1439 m.w.N.).

II.

Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann sich der Verfügungsbeklagte entsprechend der vorgenannten Grundsätze auf das Grundrecht auf Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG berufen.

1.

Die Äußerung unter 1b), dass es während der Tätigkeit für die Verfügungsklägerin unmöglich gewesen sei, sich wie vorgeschrieben um die Hygiene in den Autos zu kümmern, ist nach Ansicht der erkennenden Kammer ein Werturteil.

Ob etwas Möglich oder Unmöglich ist, hängt von verschiedenen äußeren Faktoren ab, denen entsprechend der subjektiven Einschätzung ein unterschiedliches Gewicht zukommen kann. Ob ein Kümmern um die Hygiene möglich ist, kann u.a. von der zur Verfügung stehenden Zeit oder den zur Verfügung stehenden Mitteln abhängen. Zudem ist zu beachten, dass das Wort Hygiene im engeren Sinn Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten, insbesondere Reinigung, Desinfektion und Sterilisation umfasst. In der Alltagssprache wird es jedoch häufig fälschlicherweise an Stelle von Sauberkeit verwendet. Aus der Äußerung des Verfügungsbeklagten wird nicht deutlich, welche Maßstäbe er dieser Wertung selbst zugrunde gelegt hat. Es handelt sich um seine Wertung zum Hygienestandard, die dem Beweis nicht zugänglich ist.

2.

Gleiches gilt für die Äußerung unter 1c), dass der Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mehrfach gesagt habe, dass sich in Sachen Hygiene etwas ändern müsse.

Nach Ansicht der erkennenden Kammer liegt der Schwerpunkt der Aussage auf der Forderung seitens des Verfügungsbeklagten, dass sich etwas ändern müsse. Hier hat der Verfügungsbeklagte nicht genau bezeichnet, was sich ändern müsse. Die Äußerung bleibt in der pauschalen Bezeichnung des „etwas“ stecken. Es handelt sich damit nach Ansicht der erkennenden Kammer um eine Wertung, das die Gegebenheiten bei der Verfügungsklägerin eine Änderung erfahren müssen, ohne dass deutlich wird, welche konkreten Änderungen dies sein sollten. Es ist daher die Äußerung der Meinung, dass es so nicht bleiben könne, dass sich am Status Quo etwas ändern müsse.

3.

Für die Aussagen unter 1d) in Bezug auf angebliche Missstände habe der Verfügungsbeklagte geäußert „ja, das Gespräch haben wir des Öfteren gesucht, also mit meinem festen Arbeitskollegen damals, in Nachtschicht mit meinem Chef darüber gesprochen, auch so im privaten Bereich (…)“ und 1g) „wir haben den Chef sehr oft angesprochen auf die ganzen Missstände, der war dabei, in den Nachtschichten, wenn er Bürozeiten hatte, der Chef, haben wir ihn angesprochen, Gespräch gesucht, auf die Missstände hingewiesen (…)“ gilt nichts anderes.

Zwar kommt es der Verfügungsklägerin mit dem vorliegenden Verfahren auch darauf an zu klären, ob der Verfügungsbeklagte auf die behaupteten Missstände gegenüber der Verfügungsklägerin hingewiesen habe, bevor er sich gegenüber den Medien geäußert hat, so dass der Schwerpunkt der Äußerung bzw. des Interesses der Verfügungsklägerin an der Untersagung der Wiederholung der Äußerung hauptsächlich auf dem jeweiligen zweiten Teil der Aussage liegen dürfte. Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann dieses Ansprechen jedoch nicht isoliert von der Behauptung, dass sich das Ansprechen auf Missstände bezogen haben soll, betrachtet werden. Die Behauptung von Missständen wiederum stellt ein Werturteil da. Missstand bedeutet, ein schlimmer, nicht der Ordnung, den Vorschriften oder Ähnlichem entsprechender Zustand. Synonyme sind beispielsweise katastrophale/unerträgliche Situationen, Mängel, Notlage, schlimmer Zustand oder Misere. Aus der streitgegenständlichen Äußerung wird weder klar, welcher Natur der Missstand sein soll noch aus welchen Gründen dieser bestehen soll. Aus diesen Gründen ist auch diese Äußerung einem konkreten Beweis nicht zugänglich. Die Missstände könnten vielfältiger Art sein. So hat der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Autos teilweise kaputt gewesen seien, dass Bettlaken fehlten, dass sie unpünktlich gewesen seien, dass Desinfektionsmittel fehlten. Daraus wird ersichtlich, dass die behaupteten Missstände vielfältiger Natur sein können.

4.

Gleiches gilt für die Aussage unter 1e), dass es die Missstände im Endeffekt ja gegeben habe, seitdem er dort arbeite.

Auch hier ist die erkennende Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um eine wertende Gesamtaussage handelt. Es wird nicht hinreichend deutlich, welche konkreten Missstände der Verfügungsbeklagte seiner Aussage zugrunde legt.

5.

Gleiches gilt für die Äußerung unter 1f), dass Kollegen an die Staatsanwaltschaft gegangen seien.

Auch bei dieser Aussage wird nicht deutlich, zu welchen Themen und in welcher Art und Weise sich Kollegen an die Staatsanwaltschaft gewandt haben sollen. Der tatsächliche Inhalt der Äußerung ist derart substanzarm, dass eine Erhebung eines Beweises nicht möglich ist.

6.

Hinsichtlich der Äußerung unter 1a), dass der Verfügungsbeklagte von Seiten der Verfügungsklägerin dazu verpflichtet worden sei, sieben, acht und mehr Krankentransporte pro Tag zu schaffen, ist bis zum Schluss streitig geblieben, ob der Verfügungsbeklagte tatsächlich gegenüber R. diese Äußerung abgegeben hat, so dass der Sender sich auf ihn berufen konnte. Das geht vorliegend zu Lasten der Verfügungsklägerin. Diese hat als Antragstellerin, die die Unterlassung von Äußerungen begehrt, dazulegen, dass diese auch vom Gegner erklärt worden sind.

Die Beweisaufnahme durch in Augenscheinnahme des TV-Beitrages hat ergeben, dass sich der TV-Sender R. tatsächlich mit dieser Aussage auf den Verfügungsbeklagten bezieht. Der Verfügungsbeklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung behauptet, diese Äußerung nicht gegenüber R. getätigt zu haben. Vielmehr habe er gesagt, dass sich ein Krankentransportwagen erst bei sieben bis neun Krankentransporten pro Tag wirtschaftlich rentiere. Er habe sich dabei auf eine Äußerung des Geschäftsführers des D. R. K. in einem Zeitungsartikel bezogen. Dieser Behauptung ist die Verfügungsklägerin nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, wem gegenüber der Verfügungsbeklagte diese Äußerung bei R. gemacht haben soll, so dass sich der TV-Sender berechtigterweise auf den Verfügungsbeklagten bezieht.

B.

Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen, da sie im vollem Umfang unterliegt, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

C.

Der Wert des Streitgegenstandes war im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. 1 ArbGG. Er war mit 5.000,00 EUR je behaupteter Äußerung zu bemessen.

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