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Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Altersgrenze – Beendigung des Arbeitsverhältnisses

ArbG Hamburg – Az.: 7 Ca 544/10 – Urteil vom 05.05.2011

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsbereich Nordwest oder in einer vergleichbaren Leitungsposition mit vergleichbaren Aufgaben zu beschäftigen.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgrund der Befristung zum 31.05.2012 endet, sondern über den 31.05.2012 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, durch Herrn Dr. Av. und Herrn Kb. im Intranet an alle Mitarbeiter der A. Deutschland AG nebst Spartengesellschaften im Wege des Widerrufs in Textform zu erklären:

„Am 03.12.2010 teilten wir mit, dass Herr Cm., Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsgebiet Nordwest, zum 31.12.2010 aus dem aktiven Dienst für das Unternehmen ausscheiden wird.

Diese Behauptung war und ist falsch. Wir widerrufen diese Behauptung und stellen richtig, dass Herr Cm. nicht zum 31.12.2010 aus dem aktiven Dienst der A. ausscheiden wird, sondern aktiv als Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsgebiet Nordwest beschäftigt ist.“

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 80/100 und der Kläger zu 20/100 zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 226.256,00 festgesetzt.

Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie die Wirksamkeit einer altersbedingten Beendigung seines Arbeitsvertrages.

I.

Der am … 1951 geborene, verheiratete und gegenüber zwei minderjährlichen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.1983, zuletzt auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 03.01./07.02.2006 (Anlage K 1, Bl. 7 d. A.) bei einem jährlichen Fixgehalt von zuletzt EUR 203.400,00 als Direktor und Leiter „Reorganisation“ im Dienstleistungsgebiet Nordwest beschäftigt. Zuzüglich einer variablen Jahresvergütung und weiteren Vergütungsbestandteilen erzielte der Kläger im Jahr 2010 eine Gesamtbruttovergütung von EUR 452.513,00. Auf den Wortlaut des Arbeitsvertrages, insbesondere auf dessen § 2, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung bei Erreichen des 60. Lebensjahrs vorsieht, wird Bezug genommen. Diese Altersgrenze ist die allgemein für leitende Angestellte im Unternehmen der Beklagte geltende.

Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger als Leiter des Leistungsbereichs Sach/Haft Schaden beschäftigt. Ihm obliegt in dieser Eigenschaft die disziplinarische und fachliche Führung und Leitung einer Unternehmenseinheit von mehr als 400 ganz überwiegend in Hamburg tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vornehmlich des Schadeninnen- und Schadenaußendienstes. Die Stelle des Klägers war hierarchisch unmittelbar unterhalb des Vorstands angesiedelt.

Dem Kläger wurde seit Mitte 2010 wiederholt die Freistellung von der Leistungspflicht angeboten. Diese Angebote lehnte der Kläger am 11.10.2010 auch schriftlich ab.

Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Altersgrenze - Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Symbolfoto: Von SeventyFour/Shutterstock.com

Nochmals am 27.10.2010 bot die Beklagte dem Kläger die vorzeitige Freistellung ab dem 59. Lebensjahr und Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Lebensalter von 60,5 Jahren (zum 31.05.2012) an. Auch dieses Angebot lehnte der Kläger mit Schreiben vom 07.11.2010 (Anlage B 3, Bl. 53) ab. Auf den Wortlaut dieses Schreibens wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 18.11.2010 (Anlage K 2, Bl. 20 d.A.) erklärte die Beklagte den Kläger für unwiderruflich freigestellt. Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30.11.2010 (Anlage K 3, Bl. 22 d.A.), dass er diese Freistellung nicht akzeptiere.

Die Tätigkeit des Klägers übertrug die Beklagte nach der Freistellung des Klägers auf die 40 Jahre alte Frau Ra. Die Beklagte informierte alle Mitarbeiter der A. Deutschlag AG nebst Spartengesellschaften am 03.12.2010 im Intranet, dass der Kläger zum 31.12.2010 aus dem aktiven Dienst ausscheiden werde. Die Mitteilung wurde durch die Herren Dr. V. und B. unterzeichnet (Anlage K 4, Bl. 24 d.A).

Nach Eintritt des Versorgungsfalls, der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Altersrente zusammenfällt, wird dem Kläger eine Betriebsrente von ca. EUR 92.000,00 p.a. sowie (für drei Jahre) weitere Leistungen gewährt werden.

Der Kläger behauptet, dass ab dem 01.01.2010 der „Ruhestand für Leitende“ durch die Beklagte vom 60. auf das 62. Lebensjahr erhöht worden sei, wie sich dies aus einer. Dies ergebe sich aus einer Mitteilung der Beklagten an die leitenden Angestellten vom 21.01.2010. Auf den zitierten Wortlaut der Mitteilung im Schriftsatz des Klägers vom 23.03.2011 (Bl. 70ff. [75] d.A.) wird Bezug genommen.

Mit der am 29.12.2010 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und zuletzt in der Sitzung vom 07.04.2011 (Bl. 82 d.A.). geänderten Klage beantragt der Kläger,

1. festzustellen, dass die Freistellung des Klägers vom 26.11.2010 unwirksam war;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsgebiet Nordwest oder in einer vergleichbaren Leitungsposition mit vergleichbaren Aufgaben zu beschäftigen;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgrund der Befristung zum 31.05.2012 endet, sondern über den 31.05.2012 hinaus fortbesteht;

4. die Beklagte zu verurteilen, durch Herrn Dr. Av. und Herrn Kb. im Intranet an alle Mitarbeiter der A. Deutschland AG nebst Spartengesellschaften im Wege des Widerrufs in Textform zu erklären:

„Am 03.12.2010 teilten wir mit, dass Herr Cm., Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsgebiet Nordwest, zum 31.12.2010 aus dem aktiven Dienst für das Unternehmen ausscheiden wird.

Diese Behauptung war und ist falsch. Wir widerrufen diese Behauptung und stellen richtig, dass Herr Cm. nicht zum 31.12.2010 aus dem aktiven Dienst der A. ausscheiden wird, sondern aktiv als Leiter des Leitungsbereichs Sach-/Haft-Schaden im Dienstleistungsgebiet Nordwest beschäftigt ist.“

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte entgegnet, dass sie zur Freistellung des Klägers berechtigt sei, da dieser nicht mehr willens oder in der Lage sei, im Rahmen einer herausgehobenen, leitenden Stellung die Interessen des Unternehmens zu vertreten. Er zeige nicht mehr das für eine Führungstätigkeit notwendige Maß an Identifikation mit den Interessen und Wertungen der Beklagten. Dieses ergebe sich aus den Äußerungen des Klägers in seinem Schreiben vom 07.11.2010 und ähnlichen Aussagen. Aufgrund der anderweiten Besetzung des Arbeitsplatzes des Klägers habe die Beklagte zudem gar nicht mehr die Möglichkeit, den Kläger vertragsgemäß zu beschäftigen.

Der Kläger habe das Recht, Entscheidungen über Einstellungen und Entlassungen zu treffen, wie es sich aus der Stellenbeschreibung (Anlage B 1, Bl. 50 d.A.) ergebe.

Die Altersregelung in § 2 des Arbeitsvertrages diene der Sicherstellung einer ausgewogenen Altersstruktur und sei Ausdruck der Erwartung der Beklagten, dass typischerweise die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter nach Vollendung des 60. Lebensjahres nachlasse. Die Arbeitsbelastung der leitenden Angestellten der Beklagten sei überdurchschnittlich. Auf der Ebene, in der der Kläger zuletzt beschäftigt wurde, betrüge die durchschnittliche Arbeitsbelastung regelmäßig deutlich über 50 Stunden in der Woche. Dem sei ein Arbeitnehmer nach Vollendung des 60. Lebensjahres regelmäßig nicht mehr gewachsen.

Das Austrittsalter leitender Angestellter sei nicht generell um 2 Jahre angehoben worden, vielmehr hänge die Dauer der angebotenen Verlängerung von der Verschiebung des Eintrittsalters in die gesetzliche Rentenversicherung im Einzelfall ab.

Da leitende Angestellte ohnehin wegen § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG keinen Kündigungsschutz genießen, könne durch die streitgegenständliche Befristung auch keine Umgehung des Kündigungsschutzes vorliegen.

Schließlich sei der Kläger durch die hohen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bereits ab dem 60. Lebensjahr hinreichend abgesichert.

Schließlich sei die Altersregelung auch deswegen gerechtfertigt, weil der Sprecherausschuss die Altersgrenze 60 ausdrücklich gebilligt habe. Damit liege ein Einverständnis der leitenden Angestellten, wenn auch in genereller Form, vor.

Der Kläger erwidert, dass der Kläger keine selbstständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis habe, vielmehr sei hierfür die Zustimmung zweier Vorstandsmitglieder erforderlich. Eine solche Befugnis ergebe sich auch nicht aus der Stellenbeschreibung, die der Kläger zudem vor deren Einführung im Rahmen dieses Verfahrens auch gar nicht kannte.

Auf den Tatsachenvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen sowie in ihren protokollierten Erklärungen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist mit Ausnahme des Antrags zu 1. zulässig und begründet.

1. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen, weil die Freistellung vom 26.11.2010 unwirksam war.

a. Jeder Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (so grundlegend schon BAG 10.11.1955 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2 = EzA BGB § 611 Nr. 1, zu II der Gründe). Rechtsgrundlage dieses allgemeinen Beschäftigungsanspruchs ist eine entsprechende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf der Grundlage von § 242 BGB iVm. Art. 1, 2 GG.

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann demnach, insbesondere mit Rücksicht auf seinen Rechtsgrund und Zweck, gemäß Art. 1, 2 GG die Persönlichkeit des Arbeitnehmers vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung zu schützen, nur ausnahmsweise durch die so genannte Freistellung oder Suspendierung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden. Die Freistellung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist „nur bei einem besonders schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers, an dessen Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind, zulässig“ (so BAG 15.06.1972 AP BGB § 628 Nr. 7, zu 2 b der Gründe). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers – trotz des Schutzes der Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers durch Art. 12 Abs. 1 GG schon mit Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers durch Art. 1, 2 GG – nur ausnahmsweise durch die Freistellung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden kann, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers geltend machen (vgl. BAG 27.02.2002 AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 36 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 23, zu B II 4 der Gründe).

Den Ausnahmetatbestand dieses Freistellungsrechts muss – mit Rücksicht auf die grundsätzliche Anerkennung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs und die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast – der Arbeitgeber darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen (LAG München 18.09.2002 NZA-RR 2003, 269 = LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 45 mwN; ebenso LAG München 06.05.1999 – 4 Sa 227/99 -; ferner MünchArbR/Blomeyer 2. Aufl. § 95 Rn. 19; Küttner/Kania aaO Rn. 7; Erman/Hanau BGB 10. Aufl. § 611 Rn. 355; HdBVR-Baur 3. Aufl. B Rn. 97). Der Arbeitnehmer muss also nicht etwa erst sein allgemeines ideelles Beschäftigungsinteresse darlegen. Denn dieses allgemeine Beschäftigungsinteresse ist – insbesondere nach der typisierenden Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts (aaO) – integraler Bestandteil der durch Art. 1, 2 GG geschützten Persönlichkeit jedes Arbeitnehmers und deswegen Grundlage und Legitimation, aber nicht Tatbestandsmerkmal des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs. Dementsprechend muss der Arbeitgeber den Ausnahmetatbestand, dass sein Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das – mit dem Beschäftigungsanspruch grundsätzlich anerkannte – allgemeine Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt, darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen.

b. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Kläger Anspruch auf arbeitsver-tragsgemäße Beschäftigung, weil die Beklagte kein berechtigtes Interesse an der Freistellung des Klägers dargelegt hat. Die Beklagte rechtfertigt die Freistellung mit dem illoyalen Verhalten, welches im Schreiben vom 07.11.2010 seinen Ausdruck gefunden haben soll. Dieses Schreiben stammt jedoch bereits aus der Zeit nach der Freistellung und kann diese schon aus diesem Grunde nicht rechtfertigen.

Die von der Beklagten monierten Äußerungen im Schreiben vom 07.11.2010 stellen eine Reaktion auf eine bis dahin ohne nachvollziehbares Schutzinteresse der Beklagten ausgesprochene Freistellung dar. Dass der Kläger sich diese Rechtsauffassung nicht zu eigen machen will und insoweit einen Interessenskonflikt befürchtet, ist nachvollziehbar und vermag kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten zu begründen. In anderer Stelle des benannten Schreibens betont der Kläger seine Verbundenheit mit der Beklagten, in dem er etwa ausführt, dass er sich bei der A. stets sehr wohl gefühlt habe. Schließlich erläutert die Beklagte auch nicht, welche Auswirkungen dieser Interessenskonflikt auf Dritte oder auf Belange der Beklagten, die über die Beziehung der Parteien untereinander hinausgehen, haben könnte.

Auf andere Gründe beruft sich die Beklagte in nachvollziehbarer Weise nicht: Die Beklagte präzisiert nicht, welche „ähnlichen Äußerungen“ der Kläger denn getätigt haben soll. Dieser Vortrag der Beklagten ist inhaltlich so unbestimmt, dass er einer Würdigung durch das Gericht nicht zugänglich ist.

Soweit die Beklagte argumentiert, dass die Beklagte das Recht habe, den Kläger als leitenden Angestellten unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen (und insoweit auf die Entscheidung des BAG vom 11.03.1999 zum Az. 2 AZR 507/98 verweist), vermag die Kammer sich dieser Argumentation ebenfalls nicht anzuschließen. Der von der Beklagten bezeichnete Rechtssatz ergibt sich aus der zitierten Entscheidung nicht und wird – soweit ersichtlich – auch an anderer Stelle in Rechtsprechung oder Literatur nicht vertreten. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass das dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entspringende Beschäftigungsinteresse eines leitenden Angestellten vom Arbeitgeber allein aufgrund der herausgehobenen Position des Arbeitnehmers unberücksichtigt bleiben kann.

Auch die Argumentation der Beklagten, dass der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund der Neuvergabe der Position an Frau A. weggefallen sei, verfängt nicht. Ein Arbeitnehmer, der nicht freigestellt werden darf, ist im Grundsatz zu beschäftigen. Dem kann sich ein Arbeitgeber nicht dadurch entziehen, dass er den Arbeitsplatz des rechtswidrig Freigestellten anderweitig vergibt. Andernfalls hätte ein Arbeitgeber es in der Hand, durch eigene Maßnahmen die Beschäftigungspflicht eines Arbeitnehmers leerlaufen zu lassen.

2. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2012 wird das Arbeitsverhältnis nicht beenden.

a. Der Feststellungsantrag kann bereits jetzt gestellt werden. Für die Befristungskontrollklage besteht nach § 17 S. 1 TzBfG das erforderliche Feststellungsinteresse. Dem steht nicht entgegen, dass die Klage bereits nahezu eineinhalb Jahre vor dem Erreichen der Altersgrenze erhoben wurde. An der alsbaldigen Klärung der Frage, ob eine Befristung wirksam ist, besteht in der Regel bereits vor dem vereinbarten Vertragsende ein rechtliches Interesse der Parteien. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber – wie im Streitfall – auf die Wirksamkeit der Befristung beruft. Dementsprechend wird die materiell-rechtliche Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt (vgl. BAG, Urt. v. 23.06.2010 – 7 AZR 1021/08 – m.w.N. aus der Rspr.).

bb. Die Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitpunkt der Vollendung eines bestimmten Lebensalters vor und stellt damit eine Höchstbefristung dar (vgl. BAG, Urt. v. 18.06.2008, NZA 2008, S. 1302).

cc. Die vertraglich zwischen den Parteien vereinbarte Altersgrenze unterliegt der Rechtskontrolle nach § 14 TzBfG, hält dieser Regelung jedoch nicht stand, da ein sachlicher Grund für die Befristung (namentlich § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG) nicht gegeben ist.

Die Regelung des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags (Anlage K 1, Bl. 7 d.A.) stellt eine starre Altersbefristung dar, die allein vom Alter des Klägers abhängig ist. Die Verlängerungsmöglichkeiten des § 2 Abs. 2 sind von der beiderseitigen Zustimmung der Parteien abhängig und geben der Regelung damit keinen anderen Charakter.

(1.) Als sachlicher Grund iSd. TzBfG sind solche starren Altersgrenzen anerkannt, die das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt auflösen, zu dem der Arbeitnehmer eine gesetzliche Altersrente beantragen kann. Sie sind zudem zulässig, wenn sie an das Erreichen der Regelaltersgrenze anknüpfen (die am 01.01.2008 vom 65. auf das 67 Lebensjahr angehoben wurde) und der Arbeitnehmer durch Bezug einer gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert ist (BAG 18.06.2008, NZA 2008, S. 1302). Der Kläger hat zum vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ablauf des Kalendervierteljahres, an dem dieser das 60. Lebensjahr vollendet) jedoch keinen Anspruch auf gesetzliche Altersrente.

(2.) Zulässig sind ferner berufsadäquate Altersgrenzen, die das Arbeitsverhältnis beenden, bevor der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn ihnen vernünftige und nachvollziehbare Überlegungen zugrunde liegen. Dies kann sich zum einen daraus ergeben, dass einzelfallbezogen festgestellt wird, dass der Arbeitnehmer nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr mit ausreichender Zuverlässigkeit erbringen kann. So ist es beispielsweise unbedenklich, wenn das Arbeitsverhältnis eines Mitgliedes des Bordpersonals eines Flugzeuges endet, sobald dieses von der fliegerärztlichen Untersuchungsstelle als fluguntauglich eingestuft wird (BAG, Urt. v. 16.10.2008, NZA 2009, S. 378).

Die Regelung des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist aber nicht für einzelfallbezogene Leistungseinschränkungen gedacht, da diese Regelung grundsätzlich bei Erreichen der Altersgrenze Anwendung finden soll und auf konkrete Leistungseinschränkungen des Klägers keinerlei Bezug nimmt. Eine Rechtfertigung der streitgegenständlichen Regelung nach den dargestellten Grundsätzen ist mithin ausgeschlossen.

(3.) Berufsadäquate Altersgrenzen können darüber hinaus auch starr und pauschalisierend an das Erreichen eines bestimmten Alters anknüpfen, soweit mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers ein erhebliches Sicherheitsrisiko verbunden ist und auf Grund rechtstatsächlicher Erkenntnisse allgemein anzunehmen ist, dass ab einem bestimmten Alter das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Auf eine Prüfung der individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers kommt es in diesem Fall nicht an. Als Beispiele der Rechtsprechung seien aufgeführt: Altersgrenze von 60 Jahren für Verkehrspiloten (BAG, Urt. v. 21.07.2004 (nunmehr aber dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt: Beschl. v. 17.06.2009) sowie Zulassung als Notar bis zum 70 Lebensjahr (OLG Frankfurt 28.11.2006). Umgekehrt reicht alleine die Möglichkeit des allgemeinen Leistungsvermögens mit zunehmendem Alter nicht als Grund für eine Zwangsversetzung in den Ruhestand aus. Dies gilt erst recht für die Ausübung gewöhnlicher Tätigkeiten, mit denen kein besonderes Gefährdungspotential für die Allgemeinheit einhergeht (Bayreuther, in: Beck OK TzBfG, § 14, Rdnr. 71).

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes: Die Tätigkeit des Klägers mag verantwortungsvoll und von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Beklagte sein. Ein besonderes Gefährdungspotential für die Allgemeinheit birgt sie jedoch nicht im Ansatz – anders als bei den aufgeführten Notaren oder Verkehrspiloten. Bereits aus diesem Grund scheidet eine Rechtsfertigung der starren Altersgrenze nach den dargestellten Grundsätzen aus.

Darüber hinaus – ohne dass dies noch entscheidungserheblich wäre – ist es aber auch höchst zweifelhaft, ob die Beklagte in substantiierter Weise dargelegt hat, dass altersbedingte Ausfallrisiken für leitende Angestellte wie den Kläger in seiner Tätigkeit bestehen. Angesichts dessen, dass die Beklagte selbst das Vertragsendalter angehoben hat (auf welche Weise auch immer), ist nicht recht nachvollziehbar, warum vorliegend anderes gelten soll.

(4.) Die vereinbarte Altersgrenze von 60 Jahren ist auch nicht deshalb sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Betriebsrente gezahlt wird. Eine solche Übergangsversorgung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG allenfalls geeignet, eine an sich sachlich gerechtfertigte Altersgrenze als „noch eher zumutbar” erscheinen zu lassen (BAG, Urt. v. 23.06.2010 – 7 AZR 1021/08).

(5.) Selbst wenn der Kläger leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG sein sollte, wie die Beklagte behauptet, enthebt dies nicht von der Notwendigkeit eines sachlichen Grundes für die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Zwar konnte nach alter Rechtslage mit leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG eine Höchstbefristung auf das 60. oder 63. Lebensjahr vereinbart werden, wenn deren finanzielle Interessen bereits bei der Vertragsgestaltung in Form einer Abfindung berücksichtigt wurden (BAG, Urt. v. 26.04.1979, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47). Unter dem TzBfG bedarf es hierfür jedoch eines sachlichen Grundes (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 11. Auflage, § 14 TzBfG Rdnr. 59.)

(5.) Der Wunsch des Arbeitnehmers an eine Befristung der Beschäftigung kann eine solche zwar grundsätzlich rechtfertigen. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer ein Interesse gerade an einer befristeten Beschäftigung hat (BAG, Urt. v. 06.11.1996 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 188), wobei dieser Wunsch nicht generell, sondern individuell festzustellen ist (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 11. Auflage, § 14 TzBfG Rdnr. 62). Hierzu trägt die Beklagte nichts vor. Eine entsprechende Äußerung des Sprecherausschusses wäre belanglos, dieser kann weder für den Kläger sprechen noch dessen Entscheidung ersetzen.

b. Da sich die Befristung des Arbeitsvertrages bereits nach dem TzBfG als unwirksam erweist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die arbeitsvertraglichen Regelungen mit dem AGG vereinbar sind.

3. Die Beklagte ist zum Widerruf der Erklärung vom 03.12.2010 verpflichtet, weil diese Erklärung unwahr war. Der Anspruch folgt aus §§ 1004, 823 BGB und hat in der gleichen Weise zu erfolgen, wie die Erklärung vom 03.12.2010 erfolgt ist.

4. Für die mit dem Antrag zu 1. begehrte Feststellung ist kein Feststellungsinteresse gegeben, der Antrag ist damit unzulässig. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist dann nicht gegeben, wenn es diesem möglich und zumutbar ist, statt der Feststellungsklage einen vollstreckbaren Leistungsantrag zu stellen (BGHZ 134, 201 [208]).

Der Kläger hat solche Anträge gestellt, und zwar in Form des Beschäftigungsantrags (Antrag Nr. 2) und des Widerrufs (Antrag Nr. 4). Ein über diese Leistungsanträge weitergehendes Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht ersichtlich.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits haben beide Parteien in Höhe ihres jeweiligen Unterliegens verhältnismäßig zu tragen (§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

Der gemäß § 61 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes beträgt für den Antrag zu 1. (Feststellung), für den Antrag zu 2. (Beschäftigung) und für den Antrag zu 4. (Widerruf) jeweils ein Bruttomonatsgehalt, für den Antrag zu 2. (Entfristung) drei Bruttomonatsgehälter (§ 42 Abs. 3 GKG) von jeweils EUR 37.709,42 (EUR 452.513 / 12).

Einer Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung der Berufung bedarf es hinsichtlich des Antrags zu 3. (Entfristung) nicht (§ 64 Abs. 2 ArbGG).

Im Übrigen hat die Kammer die Berufung gegen dieses Urteil gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG nicht gesondert zugelassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 64 Abs. 3 ArbGG). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch betrifft sie Rechtsstreitigkeiten aus Tarifverträgen oder aus unerlaubten Handlungen, bei denen es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit handelt, noch ist die Kammer in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihr im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abgewichen.

 

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