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Wirksamkeit einer Kündigung – Darlegungslast für die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung

ArbG Köln – Az.: 16 Ca 1772/11 – Urteil vom 15.07.2011

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.02.2011 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Reinigungskraft weiterzubeschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

5. Streitwert: 2.848,80 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung und dabei insbesondere über die Betriebsratsanhörung.

Die am 14.01.1965 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist bei der Beklagten seit 04.01.2001 als Reinigungskraft mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden zu einem Stundenlohn von zuletzt 8,40 € brutto beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten arbeiten regelmäßig weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2011, das der Klägerin am selben Tag zuging, zum 31.03.2011 mit der Begründung, die Kundin habe den Dienstleistungsvertrag für das Reinigungsobjekt gekündigt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 04.03.2011 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, in der sie bereits in der Klageschrift die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten hat.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.02.2011 nicht beendet wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Reinigungskraft zu den bis auf die Bezeichnung des Reinigungsobjekts unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Personalausschuss, den der in ihrem Betrieb gewählte Betriebsrat eingerichtet habe, habe der streitgegenständlichen Kündigung vor deren Ausspruch ausdrücklich zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klageantrag zu 2. ist unzulässig. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 28.02.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31.03.2011 beendet. Sie ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch dieser Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört hat. Dies ist der Entscheidung jedenfalls zu Grunde zu legen, denn die Klägerin hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bereits in ihrer Klageschrift bestritten und die daraufhin darlegungsbelastete Beklagte hat die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht vorgetragen.

Die Darlegungslast für die Tatsachen, aus denen auf die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung geschlossen werden kann, trägt im Kündigungsschutzprozess – jedenfalls nach einem entsprechenden Bestreiten des Arbeitnehmers – der Arbeitgeber, weil es sich bei dieser Anhörung um eine Wirksamkeitsvoraussetzung des von ihm ausgeübten Gestaltungsrechts handelt (BAG, Urteil vom 19.08.1975, AP Nr. 5 zu § 102 BetrVG 1972 unter I 6. der Gründe; LAG Köln, Urteil vom 31.01.1994, LAGE § 102 BetrVG Nr. 38 Seite 1 m.w.N.). Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung in Zweifel gezogen hat, hat der Arbeitgeber im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ergeben soll (BAG, Urteil vom 16.03.2000, AP Nr. 114 zu § 102 BetrVG 1972 unter II 2. der Gründe m.w.N.).

Die Beklagte hat trotz des Bestreitens der Klägerin überhaupt keine Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung angehört. Sie hat sich lediglich darauf berufen, dass der vom Betriebsrat gebildete Personalausschuss dieser Kündigung ausdrücklich zugestimmt habe. Dies ist unerheblich, weil aus der Zustimmung des Betriebsrats nichts für die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung hergeleitet werden kann. Dies gilt insbesondere für die vor der Beschlussfassung des Betriebsrats erforderliche substantiierte Mitteilung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsgründe. Erfüllt der Arbeitgeber seine Anhörungs- und Mitteilungspflichten gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 und 2 BetrVG nicht oder nicht ausreichend, ist die Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob und wie der Betriebsrat auf die beabsichtigte Kündigung reagiert (BAG, Urteil vom 02.11.1983, AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972 unter A I 2 d) der Gründe). Die fehlerhafte Anhörung wird auch nicht durch eine Zustimmung des Betriebsrats geheilt, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stellungnahme des Betriebsrats bei einer fehlerfreien und vollständigen Unterrichtung anders ausgefallen wäre, er insbesondere die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt und den Arbeitgeber von der Kündigung abgehalten oder durch einen Widerspruch einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG begründet hätte (BAG, Urteil vom 09.10.1986 – 2 AZR 649/85 – unter III 1 a) der Gründe; KR/Etzel, 9. Auflage Köln 2009, § 102 BetrVG Rz 112 m.w.N.).

Der Klageantrag zu 2), bei dem es sich nach der ausdrücklichen Klarstellung auf Seite 2 der Klageschrift um einen allgemeinen Feststellungsantrag handelt, ist wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Die allgemeine Feststellungsklage setzt auch im Kündigungsschutzprozess ein besonderes Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO voraus. Dieses besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmt bezeichnete Kündigung ausgesprochen worden und wegen dieser ein Kündigungsschutzrechtsstreit anhängig ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass der klagende Arbeitnehmer durch Tatsachenvortrag weitere streitige Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstellt und damit belegt, warum dieser, die Klage nach § 4 KSchG erweiternde Antrag zulässig sei, d.h., warum an der – noch dazu alsbaldigen – Feststellung ein rechtliches Interesse bestehen soll (BAG, Urteil vom 13.07.1997, AP Nr. 38 zu § 4 KSchG 1969 unter II 1 b) der Gründe m.w.N.). Die Klägerin hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen das erforderliche Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 2. hergeleitet werden kann. Der Klageantrag zu 3. ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund der erstinstanzlich festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach den vom Großen Senat des BAG (Beschluss vom 27.02.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB „Beschäftigungspflicht“ unter C II. der Gründe) entwickelten Grundsätzen, denn die Beklagte hat keine besonderen Umstände vorgetragen, die ihr ausnahmsweise die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung unzumutbar machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 42 Abs. 3 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

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