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Zahlung Arbeitsentgelt – Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und Werksarzt

ArbG Iserlohn – Az.: 4 Ca 1444/10 – Urteil vom 24.03.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits auf der Basis eines Kostenstreitwertes von 33.261,76 Euro.

Der Streitwert wird auf 17.897,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Arbeitsentgelt in Anspruch.

Der am 03.04.1954 geborene, verheiratete Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Erwerbsminderung von 50%. Er erzielte zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.121,12 Euro als Kommissionierer. Im Rahmen der Tätigkeit ist es erforderlich, dass der Kläger einen Stapler führt.

Ende 2007 erkrankte der Kläger. Im Jahr 2008 – vermutlich im Oktober – meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten und erklärte, er könne wieder arbeiten. Die Beklagte verwies darauf, dass er sich vor einer Wiederaufnahme der Tätigkeit dem Werksarzt vorstellen müsse. Dieser kam aufgrund der durchgeführten Untersuchungen zu dem Ergebnis, der Kläger sei nach wie vor arbeitsunfähig. In der Folgezeit bezog der Kläger weiter Krankengeld. Seit dem 01.07.2009 bezieht der Kläger Leistungen der ARGE (wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide verwiesen, die im Kammertermin vom 13.01.2011 überreicht wurden). Im Herbst 2009 wurde nach einer Rehabilitationsmaßnahme eine Wiedereingliederung angeregt. In diesem Zusammenhang erfolgte wieder eine Vorstellung des Klägers beim Werksarzt, wobei der genaue Zeitpunkt nicht feststeht. Anlässlich der Untersuchung kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Werksarzt, der niedergelassener Arzt ist, über die Notwendigkeit einer Blutuntersuchung (wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten des Klägers vom 04.02.2011 verwiesen).

Unter dem 11.11.2009 schrieb der Kläger die Beklagte wie folgt an:

Bekanntlich empfahl der Arzt der Rehabilitationseinrichtung eine stufenweise Wiedereingliederung vom 09.11.2009 bis zum 06.12.2009. Die Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit ist absehbar. Namens und im Auftrag unserer Mandantschaft bieten wir deren Arbeitskraft an (wörtliches Angebot, § 295 BGB). Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantschaft ihre Arbeit aufnehmen kann.

Diese reagierte mit Schreiben vom 16.11.2009:

Herr … hat uns den Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung ab 09.11.2009 vorgelegt. Wie im Hause … üblich, wird dieser Antrag als erstes mit unserem Betriebsarzt Dr. … besprochen und der Betriebsarzt führt eine arbeitsmedizinische Untersuchung durch. Das Ergebnis dieser Untersuchung lautet: „Herr … ließ die Untersuchung nicht vollständig durchführen, die erhobenen Befunde sprechen gegen eine Fahrtauglichkeit“. Bei einem Wiedereingliederungsversuch ist es aus unserer Sicht unbedingt notwendig, dass der Mitarbeiter sein vollständiges Arbeitsumfeld erprobt, um für sich selbst die Gewissheit zu haben, dass die Wiederaufnahme der Tätigkeit gesundheitlich erträglich ist und die volle Arbeitskraft wieder eingesetzt werden kann.

Aus dem o.g. Grund „“Fahrtauglichkeit“ haben wir der Wiedereingliederung nicht zugestimmt.

Mit seiner am 23.06.2010 bei Gericht eingegangenen und mehrfach erweiterten Klage begehrt der Kläger die Zahlung der Vergütung für die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.12.2010.

Er ist der Auffassung, eine Blutuntersuchung zur Feststellung der Fahrtauglichkeit wäre nicht erforderlich. Er habe anlässlich der letzten Untersuchung die Dokumentation seiner Hausärztin über den Blutzuckerspiegel vorgelegt. Der Werksarzt habe erklärt, er traue diesen Werten nicht. In diesem Gespräch habe er ausdrücklich seine Arbeitskraft angeboten.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (11/2009) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2009 an ihn zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (12/2009) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2010 an ihn zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (01/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.02.2010 an ihn zu zahlen.

4. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (02/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.03.2010 an ihn zu zahlen.

5. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (03/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.04.2010 an ihn zu zahlen.

6. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (04/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.05.2010 an ihn zu zahlen.

7. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (05/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.06.2010 an ihn zu zahlen.

8. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (06/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2010 an ihn zu zahlen.

9. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (07/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.08.2010 an ihn zu zahlen.

10. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (08/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2010 an ihn zu zahlen.

11. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (09/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2010 an ihn zu zahlen.

12. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (10/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2010 an ihn zu zahlen.

13. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (11/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2010 an ihn zu zahlen.

14. Die Beklagte zu verurteilen, 2.375,84 Euro brutto (12/2010) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2011 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitskraft ordnungsgemäß angeboten. Das Schreiben vom 11.11.2009 beziehe sich nur auf die Wiedereingliederung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte ist mit der Annahme der Dienste des Klägers nicht in Verzug geraten.

1.

Zahlung Arbeitsentgelt - Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer und Werksarzt
Symbolfoto: Von Dragana Gordic/Shutterstock.com

Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich auch im Arbeitsverhältnis nach den §§ 293ff. BGB. Gemäß § 294 BGB ist grundsätzlich ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers erforderlich, um den Annahmeverzug des Arbeitgebers auszulösen. Ein ordnungsgemäßes, tatsächliches Angebot liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft in eigener Person am rechten Ort zur rechten Zeit und in der rechten Weise anbietet (vgl. BAG vom 29.10.1992 – 2 AZR 250/92 -). Ein wörtliches Angebot genügt, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er nehme die Dienste nicht an oder eine notwendige Mitwirkungshandlung unterlässt. Nach Ausspruch einer Kündigung ist für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist selbst ein wörtliches Angebot entbehrlich, weil für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist in der Kündigung die Weigerung zu sehen ist, die erforderliche Mitwirkungshandlung zu erbringen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG vom 19.01.1999 – 9 AZR 679/97 -).

Schließlich muss der Arbeitnehmer objektiv leistungsfähig sein. Der Arbeitgeber kommt gemäß § 297 BGB nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebotes außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers sondern nur auf die objektiven Umstände der Leistungsfähigkeit an. Ist ein Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die vereinbarte Leistung zu erbringen, so kann das fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt werden, trotz objektiver Leistungsunfähigkeit einen Arbeitsversuch zu unternehmen (vgl. BAG vom 29.10.1998 – 2 AZR 666/97 -). Die Darlegungs- und Beweislast für das Unvermögen des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber. Da er über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers im Annahmeverzugsraum regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, können an seinem Vortrag zum Leistungsunvermögen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn er Indizien vorträgt, aus denen auf Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern (vgl. BAG vom 05.11.2003 – 5 AZR 562/02 -).

2.

Bei Anlegung dieser Grundsätze liegt kein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot des Klägers vor.

a)

Der Kläger hat seine Arbeitsleistung nicht in Person zur rechten Zeit am rechten Ort angeboten. Zur rechten Zeit und am rechten Ort bedeutet am konkreten Arbeitsplatz zur vereinbarten Arbeitszeit. Soweit der Kläger behauptet, gegenüber dem Werksarzt seine Arbeitskraft anlässlich der letzten Untersuchung – wann auch immer diese stattgefunden haben mag – angeboten zu haben, sind die vorstehenden Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Werksarzt, der als niedergelassener Arzt noch nicht einmal Arbeitnehmer der Beklagten ist, ist nicht der richtige Erklärungsempfänger für ein solches Arbeitsangebot. Darüber hinaus fehlt jeglicher Vortrag zum Ort des Angebotes.

b.

Der Kläger hat auch kein wörtliches Angebot abgegeben, so denn ein solches ausreichend sein sollte. Das Schreiben vom 11.11.2009 bietet die Arbeitskraft allenfalls im Rahmen einer Wiedereingliederung an, die denknotwendig eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit voraussetzt. So formuliert der Kläger auch folgerichtig, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei absehbar. Wann diese wiederhergestellt worden ist und auf welche Weise nach der Genesung die Arbeitskraft angeboten wurde, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch die Klageschrift enthält keinen Hinweis darauf, dass der Kläger wieder arbeitsfähig ist und seine Arbeitskraft anbietet.

c.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig war. Dabei kann dahinstehen, ob eine Blutuntersuchung zur Feststellung der Fahrdiensttauglichkeit erforderlich war. Die Beklagte hat hinreichend Indizien vorgetragen, die gegen die Leistungsfähigkeit sprechen. Der Kläger hat im Herbst 2009 eine Rehabilitationsmaßnahme durchlaufen, die zum Vorschlag der Wiedereingliederung führte. Die vom Werksarzt daraufhin – offensichtlich im Oktober 2009 – erhobenen Befunde, sprechen gegen eine Fahrtauglichkeit. Diese ist zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung jedoch erforderlich. Der Kläger hat keine Tatsachen dargelegt, die die Indizwirkung dieser Umstände zu erschüttern vermögen.

II.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1, 269 ZPO. Der Kläger hat als unterlegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dabei ist für die Kostenberechnung von der ursprünglichen Klageforderung auszugehen. Die teilweise Klagerücknahme ist kostenrechtlich nicht privilegiert. Auch insoweit trifft den Kläger die Kostenlast, § 269 Abs.3 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe der zur Entscheidung gestellten Beträge festgesetzt.

 

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