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Zahlungsklage gegen Arbeitgeber für Zeitraum einer coronabedingten Absonderung

Arbeitsgericht nicht zuständig für Entschädigungszahlungen bei Quarantäneanordnung.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat entschieden, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IFSG nicht eröffnet ist. Eine Arbeitnehmerin hatte gegen ihren Arbeitgeber geklagt, nachdem sie während einer behördlich angeordneten Quarantänezeit aufgrund einer COVID-19-Infektion kein Arbeitsentgelt erhalten hatte. Das Gericht erklärte jedoch, dass aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung des § 68 Abs. 1 IFSG allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bestehe nicht. Die Klägerin hatte argumentiert, dass ihr Zahlungsanspruch allein gegen ihren Arbeitgeber gerichtet sei und daher der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sein müsse. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Eine sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss wurde vom Landesarbeitsgericht abgelehnt.

Die Zuständigkeit eines Gerichts hängt von der Art des Streitgegenstands ab. Der Streitgegenstand besteht aus dem Klageantrag und dem Lebenssachverhalt, aus dem sich die Ansprüche der Klägerin ableiten lassen. Wenn der Klageanspruch auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt wird, ist das angerufene Gericht zuständig, wenn nur der Rechtsweg für eine von ihnen gegeben ist. Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung während der Quarantänezeit nach dem Infektionsschutzgesetz die einzige relevante Anspruchsgrundlage. Daher ist das angerufene Gericht für den Streitfall zuständig. In diesem Fall ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig, da § 68 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes eine spezielle Regelung für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche enthält. Der Klagegegner in diesem Fall ist das Land NRW, das gemäß § 66 Absatz 1 IFSG zahlungsverpflichtet ist. Obwohl die Klägerin das falsche Gericht angerufen hat, ändert dies nicht den Streitgegenstand ihrer Klage.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 3 Ta 278/22 – Beschluss vom 10.10.2022

I.Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23.06.2022 gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 02.06.2022 – Az.: 5 Ca 308/22 – wird zurückgewiesen.

II.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

III.Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 111,11 EUR festgesetzt.

IV.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 IFSG für die Zeit der behördlich angeordneten Absonderung (Quarantäne) vom 23.12.2021 bis 06.01.2022 in Höhe von zuletzt noch 333,33 EUR brutto und in diesem Zusammenhang vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.

Die Klägerin, geboren am 17.06.1987, verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, war bei der Beklagten, einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie mit Sitz in S., in der Zeit vom 01.11.2021 bis zum 31.01.2022 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Anstellungsvertrag vom 29.09.2021 (Anlage K4, Blatt 13 ff. der Akte), der unter anderem unter § 9 folgende Regelung enthält:

„§ 9 Arbeitsverhinderung, Arbeitsunfähigkeit

1.[…]

2.Im Falle der persönlichen Verhinderung, gemäß § 616 BGB, erfolgt die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge ausschließlich in folgenden Fällen.

-1 Tag: Eheschließung des Beschäftigten am Ereignistag

-1 Tag: Tod des Ehegatten/Lebenspartners (n.d. LPartG) oder eines Verwandten 1. Grades

-1 Tag: Geburt des eigenen Kindes

3.Im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat die Beschäftigte außerdem auch die hierfür geltenden besonderen gesetzlichen Mitteilungs- und Nachweispflichten ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu erfüllen. […]

[…]“

In der Zeit vom 23.12.2021 bis einschließlich 02.01.2022 hatte die Beklagte Betriebsferien angeordnet und die Klägerin Urlaub genehmigt bekommen. Für den Zeitraum vom 23.12. bis 31.12.2021 hat die Beklagte während des Rechtsstreits nachträglich 666,67 EUR brutto gezahlt (Nachberechnung Anlage B8, Blatt 122 der Akte), der 01. und 02.01.2022 fielen auf das nach § 3 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages arbeitsfreie Wochenende.

Die zu diesem Zeitpunkt nicht geimpfte Klägerin befand sich vom 23.12.2021 bis einschließlich 06.01.2022 aufgrund einer am 23.12.2021 mittels PCR-Test nachgewiesenen Covid-19-Infektion in einer behördlich gemäß § 30 Abs. 1 IFSG angeordneten Absonderung in häuslicher Quarantäne. Die Infektion der Klägerin verlief symptomfrei, eine Arbeitsunfähigkeit wurde dementsprechend parallel nicht festgestellt.

Die Beklagte hat der Klägerin zunächst für den gesamten Absonderungszeitraum und zuletzt noch für die Zeit vom 03. bis 06.01.2022 kein Arbeitsentgelt und auch keine Entschädigung gezahlt. Sie beruft sich insoweit auf den Ausschlusstatbestand des § 56 Abs. 1 Satz 4 IFSG.

Mit ihrer am 11.02.2022 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen und der Beklagten am 23.02.2022 zugestellten Klage hat die Klägerin ursprünglich für den gesamten Absonderungszeitraum Lohnfortzahlung bzw. Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 5 Satz 1 IFSG in Höhe von 1.000,- EUR brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Die Forderung hat sie mit Schriftsatz vom 25.05.2022 infolge der erfolgten Teilzahlung auf 333,33 EUR brutto nebst Zinsen reduziert. Sie behauptet, die Absonderung hätte sich auch mit einer Schutzimpfung nicht vermeiden lassen. Sie ist der Ansicht, ihr stehe damit in der noch aufrechterhaltenen Höhe eine Entschädigungszahlung zu, die sie gegenüber der Beklagten als Arbeitgeberin geltend zu machen habe. Hierfür sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Die Regelungen der §§ 66, 68 IFSG fänden auf den Anspruch der Klägerin gegen ihren Arbeitgeber, der nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IFSG insoweit als Zahlstelle des Staates fungiere, keine Anwendung.

Die Beklagte hat Rechtswegrüge erhoben. Sie ist der Ansicht, nach § 66 IFSG sei sie schon nicht passivlegitimiert. Jedenfalls sei nach § 68 IFSG aber allein der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Mit Schriftsatz vom 04.05.2022, dem Land zugestellt am 10.05.2022, hat die Beklagte dem Land NRW den Streit verkündet. Das Land ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Mit Beschluss vom 02.06.2022, wegen dessen Inhalts auf Blatt 194 ff. der Akte Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Wuppertal den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.

Der Beschluss ist der Klägerin am 14.06.2022 zugestellt worden. Mit am 23.06.2022 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingegangener Beschwerdeschrift vom gleichen Tage hat sie „Beschwerde“ gegen den Beschluss eingelegt.

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe seine Unzuständigkeit rechtsirrig angenommen. So hätten die Verwaltungsgerichte Bayreuth und Würzburg zwischenzeitlich entschieden, dass allein der Arbeitgeber, nicht aber sie als Arbeitnehmerin einen Erstattungsanspruch gegen den Staat stellen und auf dem Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten weiterverfolgen könne. Ihr Zahlungsanspruch richte sich allein gegen die Beklagte als ihren Arbeitgeber und damit sei das Arbeitsgericht zuständig.

Die Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Mit Beschluss vom 22.08.2022, wegen dessen Begründung auf Blatt 231 ff. der Akte Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die – wie schon das Arbeitsgericht zutreffend im Nichtabhilfebeschluss festgestellt hat – als sofortige Beschwerde der Klägerin auszulegende „Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.06.2022“ ist gemäß §§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff ZPO statthaft und ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach der am 14.06.2022 erfolgten Zustellung des Beschlusses vom 02.06.2022 am 23.06.2022 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde ist allerdings nicht begründet. Das Arbeitsgericht Wuppertal hat seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Für die von der Klägerin hier geltend gemachte Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IFSG ist aufgrund der spezialgesetzlichen Sonderzuweisungsregelung des § 68 Abs. 1 IFSG allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Eine Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 ArbGG ist daneben nicht begründbar.

Im Einzelnen:

a.Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtsweges ist die Rechtsnatur des Streitgegenstandes. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klägerin in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die Klägerin die Rechtsfolge herleitet, bestimmt. Erfasst werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche bzw. Anspruchsgrundlagen, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten lassen (BVerwG vom 01.06.2022 – 3 B 29/21, juris, Rz. 7 m.w.N.). Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. In Fällen, in denen der Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt ist, ist das angerufene Gericht daher zuständig, sofern nur der Rechtsweg für eine von ihnen gegeben ist. Erforderlich und ausreichend ist, dass zumindest für einen der nach dem Klagevorbringen bei objektiver Würdigung in Betracht kommenden Klagegründe der beschrittene Rechtsweg eröffnet ist. Dabei nicht zu berücksichtigen sind Anspruchsgrundlagen, die offensichtlich nicht einschlägig sind (BVerwG vom 01.06.2022 – 3 B 29/21, juris, Rz. 7 m.w.N. zur ständigen Rspr aller Gerichtsbarkeiten).

b.Danach kommt hier für die noch anhängige, auf den Absonderungszeitraum vom 03.-06.01.2022 bezogene Zahlungsklage in Höhe von 333,33 EUR brutto nebst Zinsen als relevante Anspruchsgrundlage in der Tat allein die von der Klägerin auch geltend gemachte Norm des § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 IFSG in Betracht.

Andere Anspruchsgrundlagen, speziell solche bürgerlichen Rechts, die die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG begründen könnten, kommen für den hier geltend gemachten Anspruch und Zeitraum auf der Grundlage des vorgetragenen Lebenssachverhalts offensichtlich nicht in Betracht – und werden von der Klägerin dementsprechend auch gar nicht erst geltend gemacht. So scheiden Entgeltansprüche aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag für die Zeit der behördlich angeordneten Absonderung auf den ersten Blick erkennbar mangels erbrachter Arbeitsleistung aus. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG scheitert an der unstreitig fehlenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Ein Anspruch auf Urlaubsentgelt scheitert hinsichtlich des hier noch anhängigen Streitteils offensichtlich an der fehlenden Urlaubserteilung und -inanspruchnahme. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 Satz 1 BGB scheidet gleichfalls offensichtlich aus. Zwar wird zu dieser Norm durchaus diskutiert und ist umstritten, ob sie einen gegenüber § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 IFSG vorrangigen Anspruch begründet und ob gerade im Zusammenhang mit den coronabedingten Quarantänefällen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit des Arbeitsausfalls ggfs. bis zu 14 Tage oder sogar noch darüber hinausgehende Zeiträume umfassen kann (vgl. hierzu OVG Lüneburg vom 02.07.2021 – 13 LA 258/21, juris, Rz. 11 m.w.N. zum Streitstand; VG Koblenz vom 10.05.2021 – 3 K 108/21.KO, ArbRAktuell 2021, 427 f. mit Anm. Plagemann; ErfK/Preis, 22. Auflage, § 616 BGB Rn. 10b; HWK/Krause, 10. Auflage, § 616 BGB Rn. 41, jeweils ebenfalls m.w.N. zum Streitstand). Im Hinblick auf umstrittene Rechtsanwendungsfragen kann keine Offensichtlichkeit angenommen werden.

Anders verhält es sich allerdings mit der Dispositivität der Anspruchsgrundlage des § 616 BGB. Wie sich bereits im Umkehrschluss aus § 619 BGB ergibt, ist die Norm dispositiv und kann mithin durch arbeitsvertragliche Regelung abbedungen und modifiziert werden (BAG – Großer Senat – vom 17.12.1959 – GS 2/59, juris, Rz. 27; BAG vom 04.09.1985 – 7 AZR 249/83, juris, Rz. 26; ErfK/Preis, 22. Auflage, § 616 BGB Rn. 13, § 611a BGB Rn. 690e; HWK/Krause, 10. Auflage, § 616 BGB Rn. 49 f.; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Auflage, § 616 Rn. 3; Noack, NZA 2021, 251, 253). Hier haben die Parteien in § 9 Ziffer 2 des Anstellungsvertrages eine – rechtlich nicht zu beanstandende – Modifikation dergestalt vorgenommen, dass § 616 BGB „ausschließlich“ in den dort genannten Fällen Anwendung finden soll. Die Absonderung nach § 30 Abs. 1 IFSG wird dort nicht genannt, so dass § 616 BGB (unter anderem) für diesen Fall vertraglich abbedungen ist. Die Norm scheidet offensichtlich als Anspruchsgrundlage im vorliegenden Fall aus.

c.Hinsichtlich der für den hier geltend gemachten Anspruch mithin einzig ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage aus § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 IFSG sieht § 68 Abs. 1 IFSG zwingend und spezialgesetzlich die Zuweisung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit vor.

Es handelt sich bei § 68 Abs. 1 IFSG um eine sogenannte aufdrängende Sonderzuweisung (Kümper in: Kießling, IFSG, 3. Auflage, § 68 Rn. 8; BeckOK InfSchR/Kruse, 12. Edition (Stand: 01.07.2022), § 68 Rn. 2); diese führt als spezialgesetzliche Regelung vorrangig zur Zuweisung einer Streitigkeit zur Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Unruh in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage, § 40 VwGO Rn. 26; Ehlers/Schneider in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 42. EL 2022, § 40 VwGO Rn. 28; Kümper, NVwZ 2021, 1254, 1256; siehe auch zur aufdrängenden Sonderzuweisung allgemein BVerwG vom 17.03.2021 – 2 B 3/21, juris, Rz. 10 m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 68 IFSG sind entgegen der Ansicht der Klägerin gegeben: Die Norm bezieht alle Streitigkeiten über Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 und 65 IFSG ausnahmslos ein. Schon der klare Wortlaut spricht demgemäß eindeutig dafür, dass hierzu auch die Streitigkeit über die von der Arbeitnehmerin geltend gemachte Berechtigung eines Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 IFSG zählt. Denn auch das ist eine von der Rechtswegzuweisung erfasste Streitigkeit nach § 56 IFSG (so auch Kümper in: Kießling, IFSG, 3. Auflage, § 68 Rn. 8; Kümper, NVwZ 2021, 1254, 1256; Noack, NZA 2021, 251, 256). Es wäre zudem sinnwidrig, zwar die Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche nach § 56 Abs. 5 Satz 3 und 4 IFSG – zweifelsfrei – der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuzuweisen, nicht aber die den Entschädigungsanspruch der Arbeitnehmerin in den ersten sechs Wochen betreffende Streitigkeit, wenn sie selbst den Anspruch geltend macht. Die zugrundeliegenden Sach- und Rechtsfragen sind dieselben und sollen nach dem Willen des Gesetzgebers einheitlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen werden. Im vorliegenden Fall wird neben der Klagebefugnis der Klägerin (vgl. hierzu Noack, NZA 2020, 251, 254 ff. m.w.N.) streitentscheidend sein, ob der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die Absonderungszeit vom 03.-06.01.2022 nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IFSG ausscheidet. Wäre die Beklagte in Vorleistung getreten und würde nunmehr einen Erstattungsstreit mit dem Land NRW nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IFSG führen, bestünde nicht der geringste Zweifel an der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 68 Abs. 1 IFSG. Hätte die Absonderung länger als sechs Wochen angedauert, wäre auch ein Streit der Klägerin mit dem Land NRW nach § 56 Abs. 5 Satz 4 IFSG zweifelsfrei nach § 68 IFSG den Verwaltungsgerichten zugewiesen. Weder mit dem Wortlaut der Norm noch mit dem erkennbaren Sinn und Zweck der Zuständigkeitsbündelung und einheitlichen Zuweisung der Streitigkeiten nach § 56 IFSG zu den Verwaltungsgerichten wäre es nun vereinbar, die vorliegende Streitigkeit der Klägerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 5 Satz 1 IFSG nicht als von § 68 Abs. 1 IFSG erfasst anzusehen, was zur Entscheidung über dieselben Rechtsfragen durch unterschiedliche Gerichtsbarkeiten führen würde. Eine solche Rechtswegspaltung wäre das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber mit § 68 Abs. 1 IFSG bezweckt hat.

Dass die Klägerin ihren Arbeitgeber und nicht das Land NRW verklagt, steht der Anwendung von § 68 Abs. 1 IFSG nicht entgegen. Denn zwar erfasst die Norm nur die Streitigkeiten nach §§ 56 – 58 und 65 IFSG „gegen das nach § 66 Abs. 1 zur Zahlung verpflichtete Land“. Das beruht aber allein darauf, dass nach der klaren Regelung des § 66 Abs. 1 IFSG eben passivlegitimiert in allen Fällen des § 56 IFSG und mithin auch hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Forderung allein das Land NRW sein kann. Die Beklagte ist lediglich „Zahlstelle“ und zahlt die Entschädigung gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 IFSG „für die zuständige Behörde“ aus. Als „Zahlstelle“ ist die Beklagte nicht selbst Zahlungsverpflichtete und kann sich konsequenterweise auch die Forderung auf Entschädigungszahlung der Klägerin nicht gegen sie richten. Zu verklagen ist das Land NRW. Dass die Klägerin dies trotz des bereits durch das Arbeitsgericht deutlich und zutreffend in dem angefochtenen Rechtswegbeschluss erfolgten Hinweises auf die Rechtslage anders sieht, betrifft die Frage der (Un-)Begründetheit ihrer Klage, nicht aber den Rechtsweg. Richtet die Klägerin ihre Klage zu dem allein auf der Grundlage des § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 IFSG begründbaren Entschädigungsanspruch gegen den falschen Anspruchsgegner, nämlich gegen die Zahlstelle anstelle des kraft gesetzlicher Regelung allein verpflichteten Landes, ändert dies nicht den Streitgegenstand ihrer Klage. Infektionsschutzrechtliche Entschädigungsansprüche der von Absonderungsanordnungen betroffenen Arbeitnehmer werden der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Entscheidung zugewiesen. Insoweit ist der Passus „gegen das nach § 66 Abs. 1 zur Zahlung verpflichtete Land“ nicht als selbständige Tatbestandsvoraussetzung der Rechtswegzuweisung zu verstehen. Denn diese knüpft allein an die Streitigkeit über den Entschädigungsanspruch nach § 56 IFSG an. Diese Streitigkeit ist nach dem gesetzlichen Konzept der §§ 56, 66 Abs. 1 IFSG immer eine solche gegen das zur Zahlung verpflichtete Land. Klagt eine Arbeitnehmerin also fehlerhaft nicht gegen das Land, sondern gegen ihren Arbeitgeber die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 IFSG ein, ist die Klage unbegründet mangels Passivlegitimation des Arbeitgebers. Auch diese Entscheidung zu treffen, obliegt jedoch nach § 68 Abs. 1 IFSG den Verwaltungsgerichten. Die Klage unzutreffend gegen den falschen Anspruchsgegner zu richten, beeinflusst den Rechtsweg nicht. Denn der geltend gemachte Anspruch selbst, der Grundlage der Sonderzuweisung ist, ändert dadurch seinen Charakter nicht. Dass damit ein Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber vor den Verwaltungsgerichten zu entscheiden ist, mag zwar ungewöhnlich anmuten, ist aber der umfassenden Rechtswegzuweisung in § 68 Abs. 1 IFSG sowie der Indienstnahme des Arbeitgebers durch § 56 Abs. 5 Satz 1 IFSG geschuldet und durch die VwGO nicht ausgeschlossen (Kümper in: Kießling, IFSG, 3. Auflage, § 68 Rn. 8; Kümper, NVwZ 2021, 1254, 1256).

Der Gesetzgeber hat dies im Übrigen durch die zum 17.09.2022 in Kraft getretene Neufassung des § 68 IFSG und die Einfügung des neuen Satzes 2 in § 68 Abs. 1 IFSG offenbar ebenso gesehen und nachvollzogen. Denn nunmehr ist klargestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg „auch gegeben“ ist, „soweit andere Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht werden“. Dass die Neuregelung auf den vorliegenden Fall, da er bereits vor deren Inkrafttreten rechtshängig geworden ist, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG keine Anwendung findet (vgl. dazu Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage, § 17 Rn. 10), ändert nichts daran, dass sich aus der klarstellenden gesetzlichen Neuregelung Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen und das Verständnis auch bzgl. der ursprünglichen und insoweit unveränderten Regelung des § 68 Abs. 1 (in der Neufassung: Satz 1) IFSG ziehen lassen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die Einfügung des zitierten Satzes 2 lediglich der Klarstellung dienen soll (BT-Drs. 20/2573, S. 25 zu Nr. 21), mithin eine inhaltliche Änderung zur Rechtslage damit gar nicht bezweckt ist. Damit wird eben klargestellt, dass die infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsansprüche ausnahmslos den Verwaltungsgerichten zur Entscheidung zugewiesen sein sollen. Auf die Frage, ob der richtige Anspruchsgegner verklagt wird, kommt es bei der Rechtswegentscheidung mithin ebenso wenig an wie auf die übrigen die Zulässigkeit und Begründetheit des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs betreffenden Fragen.

d.Aufgrund der spezialgesetzlichen und damit vorrangigen Sonderzuweisung der Streitigkeit nach § 68 Abs. 1 IFSG zur Verwaltungsgerichtsbarkeit lässt sich weder über § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG, § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) ArbGG noch über § 2 Abs. 3 ArbGG parallel eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit begründen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos betriebenen Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV.

Der Streitwert beträgt für das Beschwerdeverfahren nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer 1/3 des Hauptsachestreitwertes, beruhend auf den klägerseits gemachten Angaben. Der Hauptsachestreitwert beträgt nach Maßgabe der zuletzt noch verfolgten Klageforderung 333,33 EUR. Daraus folgt die Wertfestsetzung in Höhe von 111,11 EUR für das Beschwerdeverfahren.

V.

Die Rechtsbeschwerde wird mangels dies nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG rechtfertigender Gründe nicht zugelassen. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn die maßgeblichen Grundsätze zur Rechtswegabgrenzung sind höchstrichterlich geklärt und werden hier lediglich auf den Einzelfall der Parteien angewandt, der durch die vertragliche Abbedingung von Ansprüchen aus § 616 BGB und die Inanspruchnahme des Arbeitgebers statt des Landes NRW zudem besonders gelagert ist.

 

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