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Fristlose Kündigung wegen Verstoß gegen betrieblich anordnete Corona-Maskenpflicht

Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 13 Sa 275/21 – Urteil vom 22.12.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.03.2021 (1 Ca 467/20) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sowie die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

Der am 00.00.1985 geborene, verheiratete und 2 Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger trat Anfang 2019 als vollzeitbeschäftigter Lagermitarbeiter/Fachkraft für Lagerlogistik in die Dienste der Beklagten, die mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern Windkraftanlagen herstellt.

Anfang 2020 kam es zu einem globalen Infektionsgeschehen aufgrund des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2), das die Atemwegserkrankung Covid19 auslöst. Im Anschluss an den ersten sogen. Lockdown im Frühjahr 2020 teilte die Beklagte in Abstimmung mit dem Betriebsrat ihren Mitarbeitern einschließlich des Klägers, per E-Mail vom 06.05.2020 (Bl. 78 ff. d.A.) u.a. Folgendes mit:

„Maskenpflicht“ an unseren Standorten und Büros

An unseren Standorten und Büros muss ab sofort ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden (…). Die Maske ist immer beim Betreten und Verlassen des Standortes zu tragen. Während der Arbeit bzw. des Aufenthalts auf dem Gelände und im Gebäude darf sie immer dann abgenommen werden, wenn dauerhaft der Mindestabstand von 1,5-2 m eingehalten werden kann und mit einer plötzlichen Unterschreitung der Distanzregel von 1,5-2 m nicht zu rechnen ist.

(…)

Es ist auch möglich, dass ihr selbst gefertigte Baumwollmasken als Ersatz für den Mund-Nasen-Schutz verwendet. Das Tragen von Schals, Stofftüchern etc. reicht dagegen nicht aus.

(…)“

Die erforderlichen Masken stellte die Beklagte den Beschäftigten in ausreichender Menge zur Verfügung.

Am Tag der Bekanntmachung befolgte der Kläger die Maskenregelung nicht, worauf ihn der Arbeitssicherheitsbeauftragte G. sowie sein Vorgesetzter K. zur Einhaltung der Regeln und zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aufforderten.

Die Beklagte stellte dem Kläger in der Folgezeit auch ein sogen. Face-Shield (Foto Bl. 98 d. A.), ein Gesichtsvisier aus Plexiglas, als Alternative zu einer Mund-Nase-Bedeckung zur Verfügung.

Am 16.07.2020 betrat der Kläger die Räumlichkeiten am Standort S-Stadt ohne Mund-Nasen-Bedeckung. In der ihm deswegen am 20.07.2020 überreichten Abmahnung vom 17.07.2020 (Bl. 80 f. d.A.) heißt es unter anderem:

„.. Am 16.07.2020 haben Sie erneut das GE-Gebäude ohne die vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung betreten. Zwei Mitarbeiter haben beobachtet, wie Sie das Gebäude ohne Maske betraten und informierten daraufhin EHS Koordinator G., welcher Sie daraufhin erneut darauf hinwies, dass Sie verpflichtet sind, innerhalb des Gebäudes einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Da Sie sich weigerten, suchte auch Ihr Vorgesetzter Herr K. erneut das Gespräch mit Ihnen, um Sie zu bitten, die Mund-Nasen-Bedeckung, wie vom Arbeitgeber vorgeschrieben, zu tragen. Sie weigerten sich trotz mehrfacher Hinweise und Aufforderungen den Mund-Nasen-Schutz zu tragen und liefen weiterhin ohne Mund-Nasenschutz durch das Gebäude.

..

Sollten Sie erneut in der geschilderten oder in ähnlicher Weise Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen, sehen wir uns gezwungen, arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen, die insbesondere auch den Ausspruch einer Kündigung – möglicherweise auch fristlos – umfassen.“

Am 24.07.2020 trug der Kläger in den Räumlichkeiten der Beklagten erneut keine Mund-Nasen-Bedeckung. In der deswegen erteilten Abmahnung vom 30.07.2020 (Blatt 82 f. d.A.) heißt es unter anderem:

„.. Am 20.07.2020 erhielten sie aufgrund der zuvor genannten Pflichtverletzungen eine schriftliche Abmahnung. (…) In dem gemeinsamen Gespräch wurden sie nochmals aufgefordert, den Anweisungen des Arbeitgebers nachzugehen und zur Vermeidung der Ausbreitung des Corona-Virus einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Sie zeigten in dem Gespräch keine Einsicht und entgegneten auf die Aufforderung lediglich, dass es Corona gar nicht gäbe.

Bedauerlicherweise mussten wir am Freitag, den 24.07.2020 feststellen, dass sie trotz Abmahnung vom 20.07.2020 und mehrfacher Aufforderungen durch ihren Vorgesetzten, am Vormittag gegen ca. 8:00 Uhr erneut keinen Mund-Nasen-Schutz auf dem Flur trugen. Damit haben sie zum wiederholten Male eine Pflichtverletzung begangen.

..

Fristlose Kündigung wegen Verstoß gegen betrieblich anordnete Corona-Maskenpflicht
(Symbolfoto: I AM NIKOM/Shutterstock.com)

Sollten Sie erneut in der geschilderten oder in ähnlicher Weise Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen, sehen wir uns gezwungen, arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen, die insbesondere auch den Ausspruch einer Kündigung – möglicherweise auch fristlos – umfassen.“

Am 01.09.2020 fand am Standort in S-Stadt ein verpflichtendes Covid19-Training statt, in dessen Rahmen die Mitarbeiter erneut bezüglich des Umgangs mit dem Virus und den zu ergreifenden Schutzmaßnahmen geschult wurden. Der Kläger äußerte in diesem Zusammenhang u.a. die Worte „Berlin, Berlin“. Einzelheiten sind streitig. Nachdem der Kläger wieder an seinem Arbeitsplatz angekommen war, fuhr er ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen den sogenannten Maschinenkopf von der Produktionslinie in den Außenbereich. Bei dieser Tätigkeit kann nicht gewährleistet werden, dass der Mindestabstand von 1,5-2 m dauerhaft eingehalten wird. Der Mitarbeiter G., sprach den Kläger daraufhin an und forderte ihn zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes auf. Der Kläger lehnte dies ab und setzte seine Arbeit fort.

Kurze Zeit später forderte auch der Mitarbeiter K. den Kläger erfolglos auf, seinen fehlenden Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Mit Schreiben vom 03.09.2020 (Bl. 85 ff. d. A.) hörte die Beklagte daraufhin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an.

Mit Schreiben vom 11.09.2020 (Bl. 4 d.A.), dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.10.2020.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 18.09.2020 bei Gericht eingegangenen Klage gewendet.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Er leide unter Asthma sowie einer Schlafapnoe, die aus Atmungsbeschwerden herrühre. Diese gesundheitliche Beeinträchtigung ermögliche es ihm nur unter großen Problemen eine Maske zu tragen, wie sich aus dem aus Mai 2020 stammenden Attest der Ärzte M. (Bl. 99 d.A.) sowie dem Attest des Dr. I. vom 18.03.2021 (Bl. 112 d.A.) ergebe.

Aufgrund seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer, die er im Wesentlichen im Freien verrichte, setze er keine bedeutsame Gefahr.

Er habe im Zusammenhang mit den beiden Abmahnungen auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen hingewiesen und darum gebeten, gegebenenfalls so eingesetzt zu werden, dass er ohne die Maske tätig sein könne.

Als er am 24.07.2020 keine Maske getragen habe, hätten sich keine weiteren Beschäftigten in der Nähe befunden, die er hätte gefährden können. Er habe zu diesem Zeitpunkt unter Atemnot gelitten, da er die Maske weisungsgemäß über längeren Zeitraum getragen habe, jedoch habe er es nicht weiter ausgehalten.

Das sogen. Face-Shield habe er zwar getragen. Es handele sich dabei aber um einen schweren Helm, der ihn bei der Arbeit behindert und ihm Druckstellen am Kopf verursacht habe, da die Halterung nicht gepolstert sei.

Deshalb seien auch die beiden Abmahnungen aus seiner Personalakte zu entfernen.

Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestreite er mit Nichtwissen.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.09.2020 nicht aufgelöst ist, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch sonstige Beendigungsgründe nicht endet. die Abmahnungen vom 17.07.2020 und 30.07.2020 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, Kündigung und Abmahnungen seien wirksam, weil der Kläger mehrfach gegen die im Betrieb bestehende Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verstoßen habe.

Bei allen genannten Pflichtverstößen habe es jederzeit zu einem unvorhergesehenen Kontakt mit weiteren Mitarbeitern kommen können.

Der Kläger habe in den geschilderten Situationen auch weder das sogen. Face-Shield getragen noch sei ersichtlich, dass er aus medizinischen Gründen ein solches nicht habe tragen können.

Der Kläger sei von vorneherein nicht bereit gewesen, einen Mund-Nasen-Schutz bzw. das sogen. Face-Shield zu tragen. Anlässlich der Veranstaltung vom 01.09.2020 habe er bereits während des Trainings den Schulungsinhalt ins Lächerliche gezogen und kundgetan, dass die Inhalte nur „Quatsch“ seien. Zudem habe er, während er sich vom Trainingsort entfernt habe, das Lied „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ gesungen, als Anspielung auf die Querdenken-Demonstrationen am 29.08.2020 in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und gegen die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit, an der er selbst teilgenommen habe.

Gegenüber Herrn K. habe er am 01.09.2020 angegeben, gar keinen Mund-Nase-Schutz mit sich zu führen.

Mehrere Mitarbeiter hätten sich – auch aus Sorge um die eigene Gesundheit – bei ihr über das Verhalten des Klägers beschwert.

Aufgrund der Art seiner Tätigkeit habe sie den Kläger nicht im Home-Office einsetzen können.

Das Arbeitsgericht hat mit einem dem Kläger am 07.04.2021 zugestellten Urteil vom 19.03.2021 (Bl. 114 – 124 d.A.), auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 08.04.2021 eingelegte und am 21.05.2021 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger macht geltend, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Die Regelung des Mund-Nase-Schutzes sei im gesamten Betrieb, insbesondere im Außenbereich, nachlässig gehandhabt worden. Es seien kaum Kontrollen durchgeführt worden. Sofern überhaupt eine generelle Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes herleitbar sei, handele es sich lediglich um eine vertragliche Nebenpflicht.

Abgesehen davon sei er entsprechend dem kurz nach Anordnung der Maskenpflicht im Mai 2020 hereingereichten Attest der Ärzte M. aufgrund von Asthma und Allergie nicht imstande, über längere Zeit eine Maske zu tragen. Hierüber hätte Beweis erhoben werden müssen. Gerade vor dem Hintergrund des hereingereichten Attestes sei die Einigung getroffen worden, dass er den Helm mit Visier trage. Deshalb seien auch die Abmahnungen unwirksam.

Die Abmahnung vom 17.07.2020 scheitere auch daran, dass sie nicht hinreichend konkret sei.

Er habe das Gebäude betreten, aber mit dem Visier ausgestattet.

Auch am 24.07.2020 habe er den Helm getragen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.03.2021 (1 Ca 467/20) abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11.09.2020 aufgelöst ist,

2. die Abmahnungen vom 17.07. und 30.07.2020 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils.

Bei dem Vorfall am 16.07.2020 zum Zeitpunkt des Schichtwechsels um ca. 15:25 Uhr habe der Kläger ohne Maske mit einer Gruppe weiterer Mitarbeiter das Gebäude via Seiteneingangstür betreten und keine ihm gereichte Maske (Mund-Nasen-Schutz) angenommen. Er habe gegenüber der Mitarbeiterin Winter geäußert: „Nö, ich trage keine Maske, ich glaube nicht an den ganzen Mist“. Die ihm gereichte Maske habe er zurückgeworfen und sei ohne Gesichtsbedeckung weiter durch den Flur gelaufen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kündigung vom 11.09.2020 durch verhaltensbedingte Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist und infolgedessen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.10.2020 geendet hat.

a)

Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (vgl. BAG 07.05.2020 – 2 AZR 619/19 –Rn. 15, juris). Damit ist auch der von der Beklagten behauptete Verstoß gegen die betrieblich angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn durch die entsprechende Anordnung in zulässiger Weise Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung bestimmt worden ist. Ob die Kündigung im Einzelfall gerechtfertigt ist hängt von den jeweiligen Begleitumständen, insbesondere dem Grad des Verschuldens, Häufigkeit, Dauer und Folgen des Pflichtenverstoßes, einer bestehenden Wiederholungsgefahr etc. ab.

b)

Im Streitfall hat der Kläger am 01.09.2020 gegen die wirksame Anordnung der Beklagten zur Einführung der „Maskenpflicht“ im Betrieb vom 06.05.2020 verstoßen.

aa)

Die Anordnung vom 06.05.2020 war nach § 106 Abs. 1 GewO grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst und entsprach im Streitfall auch billigem Ermessen.

(1)

Gegenstand des dem Arbeitgeber zukommenden Direktionsrechts ist nicht allein die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Ihm unterliegen gleichfalls solche Verhaltenspflichten, die darauf zielen, den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (vgl. BAG 19.01.2016 – 2 AZR 449/15 –, Rn. 41, juris). Zu diesen Verhaltenspflichten gehörte angesichts des unstreitig am 06.05.2020 gegebenen SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens die Anordnung, an den Standorten der Beklagten ab sofort einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wenn nicht dauerhaft der Mindestabstand von 1,5-2 m eingehalten werden kann bzw. eine plötzliche Unterschreitung der Distanzregel von 1,5-2 m nicht auszuschließen ist. Denn infolge von SARS-CoV-2-Infektionen kann es zu schweren und tödlichen Krankheitsverläufen kommen. Der Arbeitgeber hat seine Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer betrieblichen Tätigkeit nach Möglichkeit und wissenschaftlicher Erkenntnis vor solchen gesundheitlichen Gefahren zu schützen, insbesondere, wenn diese aufgrund der betriebsräumlichen Verhältnisse begünstigt werden können. Ob diese Verpflichtung aus § 618 Abs. 1 BGB oder aus § 241 Abs. 2 BGB resultiert kann dabei letztlich offenbleiben.

(2)

Die Anordnung einer „Maskenpflicht“ ist ein geeignetes Mittel der Infektionsgefahr zu begegnen, denn das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dient dem wechselseitigen Infektionsschutz. Die Maske verringert die Anzahl der eigenen abgegebenen Aerosole des Maskenträgers bzw. verändert deren Ausbreitungsverhalten und schützt damit andere Mitarbeiter. Umgekehrt können so Infektionen durch das Einatmen von Aerosolen anderer Mitarbeiter vermieden werden. Die entsprechende Anordnung dient zugleich einer möglichst umfassenden Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit in Pandemiezeiten. Dies liegt gleichermaßen im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

(3)

Der mit der Anordnung verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist als gering anzusehen und im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte die Verpflichtung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, nicht undifferenziert ausgesprochen, sondern insbesondere auf die kritischen Begegnungssituationen, etwa an den Eingängen und den Fluren im Innenbereich beschränkt und eine Befreiung dort ermöglicht hat, wo dauerhaft der Mindestabstand von 1,5-2 m eingehalten werden kann und mit einer plötzlichen Unterschreitung der Distanzregel von 1,5-2 m nicht zu rechnen ist.

(4)

Schließlich ist eine – wie hier – betriebsbezogene, abstrakt-generelle Regelung schon aus Gründen der Einheitlichkeit und des Betriebsfriedens ein sachgerechtes Mittel. Inhaltlich halten sich die Regelungen im Rahmen der nachfolgend zum 10.08.2020 in Kraft getretenen SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (GMBl. Nr. 24/2020 v. 20.8.2020, S. 484-495).

Sonstige Gesichtspunkte, die am 06.05.2020 die Ausübung des Direktionsrechtes durch die Beklagte als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen, sind weder ersichtlich, noch vom Kläger vorgetragen.

bb)

Der Kläger hat am 01.09.2020 gegen die wirksame Anordnung der Beklagten vom 06.05.2020 verstoßen.

(1)

Der Kläger hat unstreitig am 01.09.2020 ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen den sogenannten Maschinenkopf von der Produktionslinie in den Außenbereich gefahren, obwohl bei dieser Tätigkeit nicht gewährleistet werden konnte, dass der Mindestabstand von 1,5-2 m dauerhaft eingehalten wird. Die entsprechende Feststellung im Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger weder mit einem Tatbestandberichtigungsantrag noch im Berufungsverfahren mit Rügen angegriffen. Da auch nach dem Akteninhalt keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung bestehen – der Kläger hatte den entsprechenden Vortrag der Beklagten (S. 6 im Schriftsatz vom 13.11.2020) nicht bestritten – war diese gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch der Entscheidung der Berufungskammer zugrunde zu legen. Der Kläger hat auch nicht bestritten, am 01.09.2020 in der fraglichen Situation das Gesichtsvisier nicht getragen zu haben.

(2)

Der Kläger hat keine hinreichenden Anknüpfungspunkte dafür vorgetragen, dass er in der Zeit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung aus medizinischen Gründen von der Maskenpflicht befreit war.

(a)

Derjenige, der eine Kündigung ausgesprochen hat, ist zwar darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als Grund geeignet sein können. Dazu gehört auch das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen. Der Arbeitnehmer ist jedoch im Rechtsstreit nach § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung seines Handelns herleitet – zumal wenn sie in seiner Person liegen –, aus Gründen der Sachnähe ausführlich und schlüssig vorzutragen. Erst dann ist es Aufgabe des Arbeitgebers, diese Gründe gegebenenfalls zu widerlegen.

(b)

Dieser Vortragslast hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht genügt. Soweit er sich durch Asthma und eine bestehende Schlafapnoe am Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung gehindert sieht, fehlt schon ein hinreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkt für das Bestehen dieser Erkrankungen bei ihm. Die von ihm vorgelegten Atteste gehen vom Vorliegen einer Allergie bzw. einer allergischen Rhinitis aus.

Legt man die letztgenannten Erkrankungen bei dem Kläger zugrunde, war sein Verhalten gleichfalls nicht gerechtfertigt. Dabei bedarf es im Streitfall keiner abschließenden Bestimmung, welche Anforderungen ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht im Arbeitsverhältnis erfüllen muss. Insbesondere kann offenbleiben, ob insoweit die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Befreiung von der Maskenpflicht in der Schule (hierzu etwa OVG Lüneburg 05.05.2021 – 2 ME 75/21 –, Rn. 10, juris; OVG Nordrhein-Westfalen 07.10.2020 – 13 B 1370/20 –, Rn. 7, juris) uneingeschränkt herangezogen werden kann. Mindestvoraussetzung eines Attests ist jedenfalls dessen Nachvollziehbarkeit (vgl. BAG 26.07.2012 – 6 AZR 52/11 –, Rn. 40, juris).

Danach hat der Kläger mit der Vorlage des Attests der Ärzte M. im Streitfall keine nachvollziehbaren Tatsachen für eine Befreiung von der Maskenpflicht vorgetragen. Das Attest ist weder datiert noch lässt es eine Unterschrift erkennen. Ob einer und ggf. welcher der drei im aufgedrückten Praxisstempel angegebenen Ärzte hierfür verantwortlich ist, bleibt daher unklar. Ungeachtet dessen ist inhaltlich im Attest lediglich ausgeführt, dass der Kläger sehr stark beim Tragen einer Mund-Gesichtsmaske leidet, nicht jedoch eine medizinische Notwendigkeit, das Tragen einer Maske zu unterlassen. Es wird lediglich angefragt, ob es „vielleicht (…) möglich“ ist, eine Ausnahme von der Maskenpflicht zu machen. Damit ist schon nicht zu erkennen, dass das Tragen einer Maske über die von allen hierzu Verpflichteten mehr oder weniger stark empfundene Unbequemlichkeit hinaus nachteilige gesundheitliche Folgen für den Kläger hätte. Im Übrigen lässt das Attest auch nicht erkennen, auf welcher Grundlage es erstellt worden ist, etwa einer an einem bestimmten Tag erfolgten ärztlichen Untersuchung.

Letztlich nichts anderes gilt hinsichtlich des Attests des Dr. I. vom 18.03.2021, dessen Aussage sich der Kläger nunmehr zu eigen machen will. Dieses verhält sich zunächst lediglich zu dem Zustand des Klägers mehr als 6 Monate nach Ausspruch der Kündigung, wie insbesondere die mehrfache Verwendung des Begriffs „aktuell“ im Kontext mit der Formulierung „Bei dieser Konstellation …“ verdeutlicht. Dies ist deshalb bedeutsam, weil die beschriebene Erkrankung des Klägers nach dem Inhalt des Attests ersichtlich (auch) saisonal beeinflusst ist (Birkenpollen). Darüber hinaus lässt die Aussage, dass das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes bei dieser Konstellation „schwierig“ sein „kann“ ebenfalls keine greifbaren nachteiligen gesundheitlichen Folgen für den Kläger bei Befolgung der Maskenpflicht erkennen. Schließlich lässt auch dieses Attest nicht erkennen, auf welcher Grundlage es erstellt worden ist.

Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu (S. 9f Urteil) verwiesen. Damit fehlt es auch im Berufungsverfahren an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten für die vom Kläger beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Erst recht ist aufgrund der Atteste nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger bei der angegebenen Erkrankung selbst das Tragen des ihm unstreitig von der Beklagten zur Verfügung gestellten Gesichtsvisiers aus medizinischen Gründen unzumutbar gewesen sein soll. Die Behauptung des Klägers, dieses verursache ihm Druckstellen am Kopf ist ersichtlich streitig und substanzlos geblieben.

c)

Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus.

aa)

Der Kläger hat seine Pflicht am 01.09.2020 angesichts der äußeren Umstände vorsätzlich verletzt. Unstreitig ist er unmittelbar vor der Feststellung des Verstoßes an diesem Tag bezüglich des Umgangs mit dem Virus und den zu ergreifenden Schutzmaßnahmen innerbetrieblich geschult worden. Darüber hinaus haben ihn unbestritten sowohl der Mitarbeiter G. als auch der Mitarbeiter K. – nacheinander – auf sein Verhalten angesprochen und erfolglos zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes aufgefordert.

Der Kläger konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht subjektiv von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgehen. Seine Behauptung, er habe der Beklagten das undatierte Attest der Ärzte M. „kurz nach Aufnahme der Maskenpflicht im Mai 2020 vorgelegt“, ist streitig geblieben und von ihm nicht näher substantiiert worden. Welchem Mitarbeiter der Beklagten bei welcher Gelegenheit er dies ausgehändigt haben will, hat er auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Jedenfalls aber musste er aufgrund der nachfolgenden Abmahnungen und Gespräche davon ausgehen, dass dies von der Beklagten nicht als Berechtigungsgrund anerkannt wird.

bb)

Am 11.09.2020 war zudem von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Der Kläger hatte in den davorliegenden rund vier Monaten bereits mehrfach – auch vorsätzlich – gegen die betriebliche Maskentragungspflicht verstoßen.

(1)

Der Verstoß am 06.05.2020 ist unstreitig, wobei hier noch angesichts der gerade erst an diesem Tag erfolgten Anordnung zugunsten des Klägers lediglich von fahrlässigem Verhalten ausgegangen werden mag.

(2)

Auch am 16.07.2020 hat der Kläger gegen die betriebliche Maskentragungspflicht verstoßen.

Unstreitig hat er an diesem Tag beim Betreten des Betriebsgebäudes keinen Mund-Nasen-Schutz getragen. Die Beklagte hatte bereits erstinstanzlich klargestellt, dass der Kläger in dieser Situation auch das ihm zur Verfügung gestellte Face-Shield nicht getragen hat. Dies hatte der Kläger erstinstanzlich nicht bestritten.

Soweit der Kläger zweitinstanzlich erstmals behaupten will, an diesem Tag das Gebäude „mit dem Visier ausgestattet“ betreten zu haben, stellt dies kein ausreichendes Bestreiten der von der Beklagten schlüssig behaupteten Pflichtverletzung dar. Die Verwendung des Begriffs „ausgestattet“ lässt schon Interpretationsspielraum offen. Die Berufungskammer hat dem Kläger mit Beschluss vom 13.09.2021 deshalb ausdrücklich anheimgestellt, diesen Vortrag näher zu präzisieren. Hiervon hat er keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger hat nachfolgend vielmehr selbst eingeräumt, den Helm nicht immer getragen zu haben. Wollte er mit der Formulierung gleichwohl ausgedrückt haben, dass er das Face-Shield in der fraglichen Situation bestimmungsgemäß auf dem Kopf getragen hat, wäre sein Vortrag widersprüchlich. Insbesondere wäre unverständlich, weshalb ihn die Mitarbeiter G. und K. – unstreitig (eigener Vortrag des Klägers S. 2 im Schriftsatz vom 17.12.2020, Bl. 96 d. A.) – auf die Maskenpflicht hätten hinweisen sollen, wenn er in der Situation tatsächlich das alternativ zur Verfügung gestellte Face-Shield bestimmungsgemäß vor dem Gesicht getragen hätte. Auch hätte sich der Kläger nach Überzeugung der Kammer bei der von ihm selbst geschilderten Erörterung der Abmahnung naheliegenderweise damit verteidigt, bestimmungsgemäß das Face-Shield statt der Maske getragen zu haben. Stattdessen will er jedoch darum gebeten haben, aus gesundheitlichen Gründen ohne Maske eingesetzt zu werden. Auch dies spricht dafür, dass er zum Vorfallzeitpunkt weder das eine noch das andere getragen hat. Auch auf diese Widersprüchlichkeit hatte die Berufungskammer mit Beschluss vom 13.09.2021 hingewiesen, ohne dass der Kläger sein Vorbringen präzisiert bzw. klargestellt hätte.

Ungeachtet dessen ist der weitere Vortrag der Beklagten unbestritten geblieben, wonach der Kläger am 16.07.2020 nicht nur beim Betreten des Gebäudes, sondern auch nach Erteilung von Hinweisen und Aufforderungen ohne Mund-Nasen-Schutz bzw. Face-Shield zu tragen durch das Gebäude gelaufen sei. Den dezidierten Vortrag aus dem Schriftsatz vom 25.10.2021 in Verbindung mit der Anlage B4 (E-Mail der Frau W. vom 17.07.2020) zu diesem Vorfall hat der Kläger nicht bestritten. Nach alledem gilt der Vortrag der Beklagten hierzu als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Auf diese Rechtsnorm hatte bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen.

Aufgrund der Umstände hat der Kläger vorsätzlich gegen seine Verpflichtung verstoßen, da er sich trotz Ansprache von Herrn G. und Herrn K. geweigert hat, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen.

(3)

Die vorstehenden Ausführungen zu (2) gelten für den Vorfall vom 24.07.2020 entsprechend. Unstreitig hat der Kläger am 24.07.2020 im Flur des Betriebsgebäudes keinen Mund-Nasen-Bedeckung (Maske) getragen. Er selbst (S. 2 im Schriftsatz vom 17.12.2020, Bl. 96 d. A.) hatte erstinstanzlich vorgetragen: „Der Kläger konnte dann am 24.07. tatsächlich die Maske erneut nicht tragen.“

Soweit der Kläger für den 24.07.2020 zweitinstanzlich nunmehr erstmals pauschal behaupten will, den Helm „wie dargelegt“ getragen zu haben, ist auch dies kein ausreichendes Bestreiten. Der Kläger hatte zuvor entsprechendes nicht behauptet. Vielmehr hatte die Beklagte bereits erstinstanzlich klargestellt, dass der Kläger auch das ihm zur Verfügung gestellte Face-Shield in der betreffenden Situation nicht getragen habe. Dies hatte der Kläger erstinstanzlich nicht bestritten. Die Kammer hat dem Kläger in Anbetracht dieser Umstände mit Beschluss vom 13.09.2021 insoweit ausdrücklich auch anheimgestellt, den im Zusammenhang mit dem Helm verwendeten Begriff „getragen“ zu präzisieren. Hiervon hat er keinen Gebrauch gemacht. Auf den diesbezüglichen Hinweis des Gerichts vom 13.09.2021 hat der Kläger zwar dargelegt, in welchen allgemeinen Situationen er den Helm nicht getragen hat. Positiv formuliert hat er aber lediglich, dass er den Helm „regelmäßig“ bei Betreten des Gebäudes „getragen“ haben will, ansonsten habe er keine genaue Erinnerung.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er habe mit dem Wort „getragen“ das bestimmungsgemäße Tragen des Visiers vor dem Gesicht gemeint, ist sein Vorbringen zu unkonkret. Denn es geht bei dem Vorwurf bzgl. des 24.07.2020 nicht um das Betreten des Gebäudes, wie am 16.07.2020. Gegenstand ist ein Vorgang gegen ca. 8:00 Uhr auf dem Flur.

Aufgrund der äußeren Umstände hat der Kläger auch hier vorsätzlich gegen seine Verpflichtung verstoßen. Unbestritten hat er sich nämlich noch kurz zuvor am 20.07.2020 bei der Übergabe der Abmahnung vom 17.07.2020 gegenüber den Vorgesetzten Herrn R. und Herrn K. in Bezug auf das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes uneinsichtig gezeigt und zudem erklärt, dass es Corona gar nicht gäbe.

cc)

Eine Verhaltensänderung des Klägers war am 11.09.2020 nicht zu erwarten. Die Beklagte hatte den Kläger wegen der vergleichbaren Vorfälle am 16. und 24.07.2020 bereits einschlägig und in der Sache zu Recht abgemahnt.

Ungeachtet dessen versprach eine – weitere – Abmahnung zum Kündigungszeitpunkt keinen Erfolg, weil der Kläger am 16.07.2020 und 01.09.2020 unbestritten sein Verhalten trotz mehrfacher Hinweise und Aufforderungen verschiedener Mitarbeiter und Vorgesetzter fortgesetzt hat. Ferner hat er am 20.07.2020 bei Übergabe der Abmahnung vom 17.07.2020 nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Inhalt des Abmahnungsschreibens vom 30.07.2020 auf die Aufforderung, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen, entgegnet, dass es Corona gar nicht gäbe. Auch die unbestritten gebliebene Äußerung vom 16.07.2020 „Nö, ich trage keine Maske, ich glaube nicht an den ganzen Mist“ sowie die am 01.09.2020 abgegebene Äußerung, „Berlin, Berlin …“ im Zusammenhang mit dem Covid19-Training bei der Beklagten verdeutlicht eine verfestigte ablehnende Grundeinstellung des Klägers gegenüber der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger an der Demonstration vom 29.08.2020 in Berlin tatsächlich teilgenommen hat, ist er jedenfalls der – zumindest naheliegenden – Interpretation seiner Äußerung vom 01.09.2020 durch die Beklagte nicht durch Schilderung einer abweichenden Bedeutung entgegengetreten. Bei dieser Sachlage musste die Beklagte angesichts der damaligen Pandemielage – ein zugelassener Impfstoff stand zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht zur Verfügung – für einen unabsehbar langen Zeitraum mit weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen des Klägers rechnen.

dd)  Mildere Mittel standen der Beklagten nicht zur Verfügung. Der Kläger hat auch das alternativ zur Verfügung gestellte Gesichtsvisier bewusst nicht bzw. nur sporadisch getragen. Eine Beschäftigungsmöglichkeit als Fachkraft Lagerlogistik im Homeoffice ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht behauptet.

ee)

Die Kündigung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger in seiner Funktion überwiegend im Außenbereich tätig ist und dort für andere Mitarbeiter keine bedeutsame Gefahr setzt. Im Streitfall geht es ausschließlich um wiederholte Pflichtverletzungen des Klägers beim Betreten des Gebäudes, im Flur oder anderen Innenbereichen, wo aufgrund der räumlichen Verhältnisse und der Dynamik des Geschehens – anders als etwa in einem Einzelbüro – die Abstandregeln nicht durchgehend eingehalten werden können.

ff)

Auch wenn sich aufgrund des Verhaltens des Klägers das Infektionsrisiko nicht verwirklicht haben mag, war der Beklagten im Wesentlichen aus Gründen des Schutzes der übrigen Mitarbeiter und des Betriebsfriedens angesichts der kurzen Beschäftigungsdauer und der erkennbar gewordenen ablehnenden Grundhaltung des Klägers in dieser Frage eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar. Ausweislich der E-Mail der Mitarbeiterin W. vom 17.07.2020 war das Verhalten des Klägers bereits Thema im Betrieb. Unbestritten hatten sich bereits mehrere Mitarbeiter über das Verhalten des Klägers beschwert.

d)

Die Beklagte hat die gesetzliche Grundkündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 BGB) gewahrt. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine längere vertragliche oder tarifliche Kündigungsfrist einschlägig ist.

e)

Die Beklagte hat dargelegt, den Betriebsrat mit Schreiben vom 03.09.2020 unter Beifügung von Anlagen vollständig über die Personalien des Klägers, seine Sozialdaten, die Kündigungsart, die Kündigungsfrist und die Kündigungsgründe informiert zu haben (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Danach war das Anhörungsverfahren bei Ausspruch der Kündigung am 11.09.2020 jedenfalls aufgrund des Ablaufs der Wochenfrist (§ 102 Abs. 2 BetrVG) auch abgeschlossen. Diesen Vortrag hat der Kläger nicht mehr bestritten.

2.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht auch einen Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte verneint.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann bestehen, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese dem Arbeitnehmer noch schaden kann (etwa BAG 17.11.2016 – 2 AZR 730/15 –, Rn. 47, juris). Dafür hat der Kläger im Streitfall keine Tatsachen vorgetragen.

Ein Anspruch auf Löschung von in den Abmahnungen enthaltenen personenbezogenen Daten nach den Bestimmungen der DSGVO (Verordnung [EU] 2016/679), weil deren Kenntnis zur Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr erforderlich sei, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

II.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

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