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13. Monatsgehalt konstitutive oder rein deklaratorische Regelung im Arbeitsvertrag

Landesarbeitsgericht München – Az.: 5 Sa 221/22 – Urteil vom 27.10.2022

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.03.2022, Az.: 23 Ca 9984/21 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den vertraglichen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten auf Basis des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 10.11.1988 (Bl. 396 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelt u.a. Folgendes:

„…

3. Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der C. Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit erfolgt eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 03…

1. Entsprechend der in Ziff. 3 vorgenommenen Eingruppierung belaufen sich die monatlichen Bezüge auf:

Gesamtvergütung 2.253,– DM

EDV-Tarifgruppenschlüssel ….

Eine zu den derzeitigen Tarifbezügen gezahlte Ausgleichszulage kann widerrufen oder gegen Vergütungserhöhungen jeder Art aufgerechnet werden.

5. Die Bezüge werden 13mal jährlich bargeldlos gezahlt.

6. Die C. hat für ihre Betriebsangehörigen eine Zusatzversicherung … geschaffen ….“

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal (in der Fassung vom 1. Januar 2007 – einschließlich des Änderungstarifvertrages Nr. 13 Anwendung (im Folgenden: MTV Nr. 14 Boden, Bl. 112 ff d.A.). Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses der Parteien am 10.11.1988 galt bei der Beklagten u.a. der Vorgängertarifvertrag, der Manteltarifvertrag Nr. 13 für das Bodenpersonal vom 14. Juni 1988 (gültig ab 1. Januar 1988; im Folgenden: MTV Nr. 13 Boden, Bl. 201 ff. d.A.). Beide Regelungswerke enthalten nahezu wortgleich unter Ziff. V und der Bezeichnung „Vergütung“ folgende Bestimmungen:

„§ 13 Anspruch auf Vergütung

(1) Der Mitarbeiter hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung.

(2) Als Vergütung werden eine Grundvergütung und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, folgende Aufschläge gezahlt:

§ 14 Grundvergütung

(1) Die Grundvergütung wird, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, nach dem Wert der Leistung bemessen. Zu diesem Zweck ist jeder vom Tarifvertrag erfasste Mitarbeiter in eine Vergütungsgruppe einzuordnen.

§ 26 Auszahlung der Vergütung

(1) Die feststehenden monatlichen Vergütungsbestandteile (Grundvergütung und Zulagen, ausgenommen Schicht- und Nachtzulagen) werden für den laufenden Monat in der Weise bargeldlos gezahlt, dass sie am 27. eines jeden Monats dem Bank-, Sparkassen- oder Postgirokonto des Mitarbeiters gutgeschrieben werden können.

…“

Außerdem enthalten die Manteltarifverträge, ebenfalls nahezu wortgleich, unter Ziff. VI und der Bezeichnung „Sozialbezüge“ folgende Regelungen:

㤠30 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

(1) Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages eventuell zustehender Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung (Grundvergütung zuzüglich eventueller Lehr-, Fremdsprachen-, …-Zulagen).

(4) Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das Weihnachtsgeld mit der Novembervergütung gezahlt.“

§ 30 Absatz 2 des aktuell gültigen MTV Nr. 14 Boden regelt außerdem für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis im jeweiligen Kalenderjahr beginnt oder endet, dass der Mitarbeiter für jeden Kalendertag der Beschäftigung einen Anspruch auf 1/360 des Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeldes erwirbt. Bestimmungen, die ein „13. Monatsgehalt“ nennen, enthalten die Tarifverträge nicht.

Der Kläger erhielt unstreitig in der Vergangenheit ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bis Mai 2020 jeweils mit dem Gehaltslauf für Mai und mit dem Gehaltslauf für November zusätzlich jeweils eine Leistung, deren Höhe den Vorgaben nach § 30 Abs. 1 MTV Nr. 14 Boden bzw. Nr. 13 Boden entsprach. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt insgesamt € 4.933,55.

Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes E. e.V. (E.), der sich vor dem Hintergrund der Auswirkungen der „Corona-Krise“ seit April 2020 in Verhandlungen u.a. mit der Gewerkschaft ver.di über Maßnahmen zur Reduktion der Personalkosten befand. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die Konzernmutter der Beklagten im Intranet „eBase“, auf das alle Beschäftigten des Konzerns Zugriff hatten, am 12.05.2020 einen Artikel (Bl. 270 ff. d.A.) mit der Überschrift „Trotz Kurzarbeit trägt das Unternehmen weiterhin hohe Personalkosten“ und informierte über einen gemeinsamen Tarifgipfel am 30.04.2020 mit den beteiligten Gewerkschaften, das Ziel, rasch an konkreten Lösungen zur Bewältigung der Krise zu arbeiten und Personalkosten deutlich im zweistelligen Prozentbereich einzusparen. Am 25.05.2020 führte die Konzernmutter der Beklagten auf „F.“ in einem Artikel unter der Überschrift „Darum geht es in den Gesprächen mit ver.di“ (Bl. 275 ff. d.A.) u.a. Folgendes aus:

„… Daher muss C. jetzt Lösungen mit den Sozialpartnern vereinbaren, um mit dieser Situation umzugehen…

Die nötige erhebliche Einsparung von Personalkosten erfordert es, unvoreingenommen auch schwierige Themen anzusprechen. Folgende Maßnahmen hat C. im Rahmen der Verhandlungen gefordert:

Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld inkl. Zuschlägen

…“

Im Mai 2020 zahlte die Beklagte dem Kläger eine Leistung in Höhe von einer halben monatlichen Grundvergütung (1.986,02 € brutto), seiner hälftigen monatlichen Schichtleiterzulage (110,33 € brutto) und seiner hälftigen monatlichen Überleitungszulage (81,07 € brutto), insgesamt in Höhe von 2.177,42 brutto.

Am 10.11.2020 einigten sich der E. und die Gewerkschaft ver.di auf ein Eckpunktepapier für eine Krisenvereinbarung („Kurzläufer“, Bl. 244 d.A.). Unter Ziff. 2 und dem Betreff „Einsparmaßnahmen“ waren die Punkte „Streichung Weihnachtsgeld [mit Ausnahme Mitarbeiter in ATZ] gültig in 2020 und 2021“ und „Streichung Urlaubsgeld [mit Ausnahme Mitarbeiter in ATZ] gültig in 2021 angeführt. Unter Ziff. 7 und dem Betreff „Wirksamkeit“ war ein Inkrafttreten des Eckpunktepapiers erst nach positiver Erklärung binnen einer Erklärungsfrist zum 08.12.2020, 12.00 Uhr geregelt. Am 16.12.2020 schlossen der E. und die Gewerkschaft ver.di den Tarifvertrag zur Bewältigung des Corona-Krisenfalls (TV Corona-Krise) für das Bodenpersonal (im Folgenden: TV Corona-Krise, Bl. 55 ff. d.A.). In § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise wurde Folgendes geregelt:

„Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gem. § 30 MTV Nr. 14 […] werden für die Laufzeit dieses Tarifvertrags nicht ausgezahlt. Der Anspruch besteht für die Dauer der Aussetzung nicht und die Auszahlung wird […] nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.“

Der Tarifvertrag trat gemäß § 9 TV Corona-Krise am 10.11.2020 in Kraft und endete am 31.12.2021.

Eine Auszahlung einer weiteren Leistung für 2020 als „Weihnachtsgeld“ oder als (hälftiges) „13. Monatsgehalt“ erhielt der Kläger im November 2020 nicht. Ebenso wenig erhielt er im Mai 2021 oder im November 2021 eine Auszahlung weiterer Leistungen als „Weihnachts- und Urlaubsgeld“ oder als (jeweils hälftiges) „13. Monatsgehalt“.

Mit seiner am 11.11.2021 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und mit Schriftsatz vom 21.01.2022 erweiterten Klage hat der Kläger Zahlung dreier Leistungen entsprechend der Höhe der zuletzt im Mai 2020 zusätzlich erfolgten Zahlung von € 2.177,42 brutto begehrt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein tarifunabhängiger bzw. von MTV Nr. 14 Boden losgelöster Anspruch auf Zahlung einer 13. Monatsvergütung auf Basis von § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. Ziff. 4 und 5 des Arbeitsvertrags vom 10.11.1988 zusteht. Dies folge aus einer Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelungen. Der Wortlaut von Ziff. 5, insbesondere die Formulierung „werden … gezahlt“, spreche für eine eigene Anspruchsgrundlage. Im MTV sei ein Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts nicht erwähnt, vielmehr ein „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“. Genau diese Formulierung habe der Arbeitsvertrag jedoch nicht aufgegriffen, sondern verwende eine davon abweichende Formulierung.

Das Auslegungsergebnis der Beklagten, Ziff. 5 sei lediglich deklaratorisch, sei abwegig und konstruiert. Es sei überzogen, von einem Verbraucher zu erwarten, dass er das Auslegungsverständnis und dessen Herleitung durch die Beklagte teilen könne. Auch Wortlaut und Systematik des Gesamtvertrags sprächen nicht gegen einen konstitutiven Charakter von Ziff. 5. So enthalte beispielsweise Ziff. 2 des Arbeitsvertrags mit den Regelungen zur Probezeit konstitutive Regelungen. Die Bezugnahmeklausel unter Ziff. 3 sei nicht dem gesamten Vertrag „prominent“ vorangestellt. Hätte die Formulierung unter Ziff. 5 des Arbeitsvertrags lediglich deklaratorische Wirkung haben solle, wäre sie überflüssig, denn dann wäre die Bezugnahmeklausel unter Ziff. 3 ausreichend gewesen.

Eine der Ziff. 5 des Arbeitsvertrags entsprechende Formulierung sei von der Beklagten in ihren Formulararbeitsverträgen später im Übrigen nicht mehr verwendet worden, auch nicht in einer klareren Fassung hinsichtlich des – von der Beklagten angenommenen – deklaratorischen Charakters. Dies spreche dagegen, dass die Aufnahme im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags mit dem Kläger lediglich im Sinne eines deklaratorischen Informations- und Klarstellungsinteresses der Mitarbeitenden geboten gewesen sei. Allein aus der bisherigen Auszahlungspraxis der Beklagten lasse sich nicht schließen, dass die Parteien auch von einem gemeinsamen Verständnis im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage der im Mai und November jeweils zusätzlich erfolgten Zahlungen ausgegangen seien. Zumindest der Kläger habe kein – mit der Beklagten geteiltes gemeinsames – Verständnis gehabt, dass mit der Formulierung der 13-maligen Zahlung der Bezüge jährlich das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld hätte gemeint sein sollen. Auch dem beteiligten Verkehrskreis könne ein solches (gemeinsames) Verständnis nicht unterstellt werden. Zumindest lasse sich Ziff. 5 nicht eindeutig als deklaratorische Auszahlungsformulierung verstehen. Das Auslegungsergebnis „konstitutive Regelung“ sei mindestens ebenso gut vertretbar, wie die Annahme einer deklaratorischen Bestimmung. Demnach wäre die Klausel mindestens mehrdeutig im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB. Dies belegten auch unterschiedliche erstinstanzliche Entscheidungen im Parallelverfahren.

Eine dynamische Bezugnahmeklausel stehe nicht automatisch der Wertung einer anderen Klausel als mehrdeutig i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB entgegen. Die Beklagte habe eine unpräzise und ungenaue Formulierung gewählt und könne damit nicht den Verbraucherschutz konterkarieren.

Der TV Corona-Krise habe den individualrechtlichen Vergütungsanspruch des Klägers aus dem günstigeren Arbeitsvertrag nicht abbedingen können; im Übrigen erfasse § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise auch seinem Wortlaut nach lediglich Ansprüche auf Weihnachts-und Urlaubsgeld gemäß § 30 MTV Nr. 14 Boden.

Jedenfalls folge ein entsprechender Zahlungsanspruch zumindest aus § 611a BGB i.V.m. § 30 MTV Nr. 14 Boden. Ihr schutzwürdiges Vertrauen steht der rückwirkenden Streichung des Weihnachtsgeldes 2020 durch den am 10. November 2020 (rückwirkend) in Kraft getretenen TV Corona-Krise entgegen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2021 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Nr. 5 des Arbeitsvertrages stelle lediglich eine deklaratorische Regelung ohne anspruchsbegründenden Charakter und insbesondere keinen vom Tarifvertrag losgelösten Anspruch dar. Sie gewähre dem Kläger keinen einzelvertraglichen Anspruch auf ein „Weihnachts- und Urlaubsgeld“ bzw. ein „13. (Grund-)Gehalt“ unabhängig von den tariflichen Regelungen. Ziff. 5 sei insbesondere nicht überflüssig, da Arbeitnehmer – auch im Fall einer Tarifbindung ihres Arbeitgebers – ein Informationsbedürfnis hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbedingungen hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte in späteren Formulararbeitsverträgen die Klausel gestrichen habe. Dies sei eine Wertungsentscheidung, welches Informationsbedürfnis bei den Mitarbeitern bzw. Bewerbern bestehe und wie es sinnvoll erfüllt werden könne und sei im Laufe der Jahre lediglich unterschiedlich beurteilt worden.

Die Bezugnahmeregelung unter Ziff. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags sei eindeutig; es mache keinen Sinn, an einer Stelle des Arbeitsvertrags die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen ausnahmslos zu vereinbaren, um sie (fast) unmittelbar nachfolgend wieder abzubedingen. Ohne besondere Anhaltspunkte gebe es keinen Anlass, von einer Besser- oder Schlechterstellung im Vergleich zur Tariflage auszugehen. Soweit ein Arbeitsvertrag eine uneingeschränkte Tarifbezugnahmeklausel enthalte, müssten Klauseln, die dennoch, ausnahmsweise, tarifunabhängige Ansprüche begründen sollten, dies auch sprachlich eindeutig zum Ausdruck bringen. Das sei bei Ziff. 5 des Arbeitsvertrags gerade nicht der Fall. Die Klausel solle erkennbar die Auszahlungsmodalität einer bargeldlosen Zahlung regeln, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1988 alles andere als selbstverständlich gewesen sei.

Gegen einen konstitutiven Anspruchscharakter sprächen die Kürze der Formulierung sowie die Verwendung der Passivform. Aus systematischer Sicht knüpften auch die Regelungen unter Ziff. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrags zur Eingruppierung sowie unter Ziff. 4 zur Höhe der monatlichen Bezüge „entsprechend der in Ziff. 3 vorgenommenen Eingruppierung“ an die umfassende Bezugnahmeregelung an.

Die Begriffe „13. Gehalt“ und „Weihnachts- und Urlaubsgeld“ würden bei der Beklagten wie auch im gesamten Konzern synonym verwendet. Es sei bei der Beklagten jahrzehntelange Praxis gewesen, neben den 12 Monatsgrundgehältern lediglich das (tarifliche) Urlaubsgeld im Mai und das (tarifliche) Weihnachtsgeld im November auszuzahlen; zu keinem Zeitpunkt sei ein 13. Grundgehalt als ganzer Betrag gezahlt worden. Es sei lebensfremd, dass der Kläger die Handhabung bei der Beklagten „hingenommen“ habe und trotzdem von einer eigenständigen Anspruchsgrundlage eines „echten 13. Gehalts“ in seinem Arbeitsvertrag ausgegangen sei.

Ziff. 5 des Arbeitsvertrags sei auch nicht mehrdeutig i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB: In über 30 Jahren habe keiner der Mitarbeiter des Konzerns neben dem „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ ein zusätzliches „13. Gehalt“ bzw. eine vierzehnte Grundgehaltszahlung geltend gemacht.

Dem Entfall des tarifvertraglichen Anspruchs auf das Weihnachtsgeld 2020 sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeldes 2021 aufgrund des TV Corona-Krise stehe kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2020, für die das Weihnachtsgeld gezahlt werde, sei den Mitarbeitern aufgrund entsprechender Kommunikation der Beklagten an ihre Belegschaft hinreichend bekannt gewesen, dass auch über die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds verhandelt werde.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 18.03.2022, Az.: 23 Ca 9884/21, auf das hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Übrigen und der maßgeblichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird Bezug genommen wird, auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass sich aus der Auslegung des Arbeitsvertrages keine konstitutive Regelungsvereinbarung für einen Anspruch auf 13 Monatsbezüge herleiten lässt. Der tarifvertragliche Anspruch nach § 30 MTV Nr. 14 Boden auf Zahlung eines „Urlaubs- und Weihnachtsgeldes“ sei für das „Weihnachtsgeld“ 2020 wie auch das „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ 2021 aufgrund von § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise ausgeschlossen. Dabei schließe sich die Kammer ganz überwiegend den Rechtsausführungen der Kammern 11 und 14 des Arbeitsgerichts Hamburg in den Entscheidungen vom 19.10.2021 (11 Ca 210/21, Anlage B1, Bl. 100 ff. d.A.) und 25.01.2022 (14 Ca 65/21, Anlage K9, Bl. 391 ff. d.A.) an, die zu vergleichbaren Konstellationen und Vertragsgestaltungen ergangenen sind.

Aus dem Arbeitsvertrag vom 10.11.1988 selbst folge kein Anspruch auf Zahlung eines hälftigen „13. Gehalts“ für das Jahr 2020 bzw. in voller Höhe eines Grundgehalts für 2021 entsprechend den vom Kläger eingeklagten Beträgen. Die Auslegung des Arbeitsvertrags ergebe, dass Ziff. 5 des Arbeitsvertrags keine konstitutive Regelung enthalte. Der von der Beklagten formularmäßig verwendete, vorformulierte und mit dem Kläger geschlossene Arbeitsvertrag beinhalte Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, die nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen seien, wie sie von (regelmäßig) rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen, einzelnen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sei in erster Linie der Vertragswortlaut. Sei dieser nicht eindeutig, komme es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise und „verständiger“ und „redlicher“ Vertragspartner zu verstehen ist. Soweit der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen sei, gelte das (nur) in Bezug auf mit dem Geschäfts- bzw. Vertragsschluss typischerweise verfolgte Ziele (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.2021 – 3 AZR 99/20, NZA 2021, 783 m.w.N.). Diese Auslegungsgrundsätze seien auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben habe (BAG 02.06.2021, 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346 m.w.N.).

Weder aus dem Wortlaut der Nr. 5 des Arbeitsvertrages noch aus den übrigen Bestimmungen lasse sich ein anspruchsbegründender Charakter dieser Vereinbarung als eigenständiger, tarifunabhängiger Anspruch des Klägers 5 auf Zahlung eines „13. Gehalts“ ableiten.

Die Vereinbarung enthalte weder den Begriff des „Anspruchs“ noch den korrespondierenden Begriff einer „Verpflichtung“ der Beklagten. Unmittelbar würden lediglich – die Vereinbarung einer Leistung voraussetzend – die Zahlungsmodalitäten beschrieben.

Auch aus der Gesamtbetrachtung lasse sich kein konstitutiver Charakter der Vereinbarung entnehmen. Vielmehr sprächen die an anderer Stelle im Vertrag verwendeten Formulierungen gegen einen konstitutiven Charakter von Ziff. 5. So enthielten die Formulierungen unter Ziff. 4 und Ziff. 6 Hinweise auf zusätzliche, tarifunabhängige Leistungen wie z.B. „eine zu den derzeitigen Tarifbezügen gezahlte Ausgleichszulage“ und „Zusatzversicherung“. Ziff. 5 verwende in seiner Formulierung demgegenüber keinen Hinweis auf eine „zusätzliche“ Leistung oder auf eine Leistung auf Basis einer „zusätzlichen“, doppelten Anspruchsgrundlage.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehe, dass der Wortlaut des (Gesamt) Vertrags nicht ohne Zweifel ist, lasse sich auch unter Berücksichtigung des Vertragszwecks ein anspruchsbegründender Charakter von Ziff. 5 nicht erkennen. Unter Berücksichtigung der typischen Interessen der Beklagten als tarifgebundene Arbeitgeberin bei Abschluss des Arbeitsvertrags und des Klägers als einem (damaligen) Bewerber bei einer tarifgebundenen Arbeitgeberin mit einer großen Belegschaft könne bei einer verständigen zweckbezogenen Betrachtung nicht von einem konstitutiven Charakter der Klausel ausgegangen werden. Vielmehr müsse ein durchschnittlicher Arbeitnehmer davon ausgehen, ein tarifgebundener Arbeitgeber wolle, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, eine vollständige Einbeziehung der in Bezug genommenen Tarifverträge vereinbaren. Die Tarifbindung des Klauselverwenders könne als Begleitumstand zur Auslegung einer Bezugnahmeklausel herangezogen werden. Denn dabei handele es sich nicht um einen die konkrete Situation betreffenden Umstand, sondern um einen solchen, der jede vergleichbare rechtsgeschäftliche Abrede begleitet (LAG Baden-Württemberg 17.09.2020, 17 Sa 6/20, BeckRS 2020, 37658). Aus der Sicht eines „redlichen“ und „verständigen“ Vertragspartners mache es keinen Sinn, zunächst umfassend mittels einer uneingeschränkten Bezugnahmeklausel auf tarifliche Regelungen zu verweisen, und dann zugleich die umfassende Bezugnahme wieder abzubedingen.

Anhaltspunkte für eine Entkoppelung der Ziff. 5 des Arbeitsvertrages vom Tarifvertrag seien nicht zu erkennen. Auch die unbestrittene Vertragspraxis der Parteien seit Vertragsschluss spreche nicht für die Begründung eines zusätzlichen Anspruches. Die Beklagte habe bis zum streitgegenständlichen Zeitraum im Mai und im November jeden Jahres zusätzliche Leistungen in Höhe von jeweils einem halben Monatsgrundgehalt bezahlt wie es der tariflichen Regelung in § 30 MTV Nr. 13 bzw. 14 Boden entsprach. Die Zahlung eines weiteren monatlichen Grundbezugs sei nicht erfolgt. Vielmehr gebe es im Arbeitsvertrag Anhaltspunkte, die gegen die bewusste Einräumung einer Sonderstellung bzw. -regelung im Hinblick auf den „13. Bezug“ sprächen: Ziff. 3 des Arbeitsvertrags nehme nicht nur allgemein die jeweils gültigen Tarifverträge in Bezug, sondern nenne auch weitere kollektivrechtliche bzw. allgemein im Unternehmen der Beklagten geltende Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften. Damit hätten die Vertragsparteien erkennbar das Interesse zum Ausdruck gebracht und festgehalten, dass möglichst allgemeine und unabhängig vom einzelnen Arbeitsvertrag geltende Arbeitsbedingungen Anwendung finden sollen.

Schließlich folge auch aus der Unklarheitenregelung nichts Anderes. Nach Ansicht der Kammer ergebe die Auslegung der Ziff. 5 des Arbeitsvertrages allein eine deklaratorische, nicht aber auch eine konstitutive Regelung. Die entfernte Möglichkeit zu einem anderen Ergebnis zu gelangen reiche für die Anwendung von § 305c Abs. 3 BGB nicht aus.

Der allein auf tariflicher Grundlage bestehende Anspruch auf Zahlung von „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ sei anteilig für das Jahr 2020 zumindest in Höhe der vom Kläger begehrten Zahlung, sowie insgesamt für das „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ 2021 wirksam durch § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise ausgeschlossen worden. Diese Regelung verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Die Veröffentlichung im Intranet „eBase“ am 25.05.2020 sei ausreichend gewesen, um ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in den Fortbestand des „Weihnachtsgeldes“ 2020 zu beseitigen. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass der Konzern in den Tarifverhandlungen u.a. den Verzicht auf „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ fordere, habe den Mitarbeitern klar sein müssen, dass auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld Gegenstand der Tarifverhandlungen seien.

Gegen dieses Urteil vom 18.03.2022, dem Kläger zugestellt am 06.04.2022, legte dieser am 25.04.2022 Berufung ein, welche er mit einem am 06.07.2022 eingegangenen Schriftsatz begründete, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tage verlängert worden war.

Der Kläger macht unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen geltend, dass das arbeitsgerichtliche Urteil den Arbeitsvertrag unzutreffend ausgelegt habe. Die entsprechende Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages sei konstitutiv zu verstehen, genauso wie die in Ziff. 4 des Arbeitsvertrages vorgesehene außertarifliche Ausgleichszulage. Aus der vertraglichen Regelung in Ziff. 5 ergebe sich eine Absicherung von 13 Bezügen im Jahr, die das Arbeitsgericht B-Stadt in seinem Urteil vom 09.06.2021, 14 Ca 4835/21, zutreffend festgestellt habe. Diese Auslegung ergebe sich bereits aus dem Wortlaut, in dem es „gezahlt“ heiße, was auf eine Anspruchsgrundlage hindeute und auch daraus, dass die im Arbeitsvertrag geregelten Bezüge nicht den Tarifbezügen entsprächen. Ein dreizehntes Gehalt sei im Tarifvertrag nicht vorgesehen, sondern vielmehr nur Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Der Fokus der Klausel in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages liege darauf, dass die Bezüge 13 mal gezahlt werden, da eine bargeldlose Zahlung bereits in den Tarifverträgen seit den 70’er Jahren vorgesehen gewesen sei und keiner eigenen Regelung bedurft habe.

Zumindest aber sei die Klausel mehrdeutig. Da es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele gehe diese Unklarheit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Der Kläger habe bei Abschluss des Arbeitsvertrages von dem Tarifvertrag nichts gewusst und auch die dortigen Regelungen nicht gekannt. Er habe davon ausgehen dürfen, dass ihm nach dem Arbeitsvertrag 13 Bezüge zustünden. Nach der Aussetzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld im „Corona-Tarifvertrag“ habe der Kläger dies auch wegen der Kurzfristigkeit vor der unmittelbar bevorstehenden Novemberauszahlung und einer fehlenden vorherigen Kommunikation als unfair erachtet und seinen Arbeitsvertrag herausgesucht, um festzustellen, ob ein solches Vorgehen rechtmäßig sei. Dabei habe er dann die Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages gefunden und sich darin bestätigt gesehen, dass ihm aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in jedem Fall die 13 Bezüge im Jahr zustünden. Die Änderung der tarifvertraglichen Regelungen könne sich daher nicht nachteilig auf die günstigere Vereinbarung im Arbeitsvertrag auswirken.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18.03.2022, Az. 23 Ca 9984/21, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2021 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 2.177,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend und weist auf zahlreiche weitere Entscheidungen der Arbeitsgerichte sowie eine Entscheidung des LAG Hamburg – 4 Sa 10/22 – hin, zu der die Entscheidungsgründe noch nicht vorlägen.

Die Auslegung des Arbeitsgerichts sei zutreffend. Maßgeblich sei der Wortlaut, der im Gesamtkontext zu verstehen sei. Hier sei maßgeblich, dass der Arbeitsvertrag in vollem Umfang auf die tarifvertraglichen Regelungen Bezug nehme. Eine Einschränkung dieser Bezugnahme, die ansonsten bei einer eigenständigen arbeitsvertraglichen Regelung zu erwarten gewesen wäre, fände sich im Arbeitsvertrag nicht. Angesichts einer solchen umfassenden Bezugnahmeklausel müssten Anhaltspunkte vorliegen, wenn eine Klausel nicht als deklaratorisch ausgelegt werden solle. An solchen Anhaltspunkten fehle es und es handele sich ersichtlich nur um eine zusätzliche Information für den Mitarbeiter (BAG 01.08.2001, 4 AZR 7/01).

Die Beklagte sei tarifgebunden und habe im Arbeitsvertrag Bezug auf die Tarifverträge und andere kollektivrechtliche Regelungen genommen. Es sei auch nicht korrekt, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Regelung um ein dreizehntes Gehalt und bei dem tarifvertraglichen Anspruch um Urlaubs- und Weihnachtsgeld handele. Vielmehr seien die Begriffe synonym verwendet worden, wie auch aus der Regelung vom 24.06.2002 „Vereinbarung zur Nachzahlung des 13. Gehaltes und zum Abschluss einer C. Privatrente“ ergebe, in dem u.a. „die Rückführung des nach Maßgabe der Vereinbarung vom 06.12.2001 ausgesetzten halben 13. Monatsgehalts gem. § 30 MTV Nr. 14 für das Bodenpersonal“ (Bl. 373 d.A.) vereinbart wurde.

Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass Ziff. 4 des Arbeitsvertrages Regelungen „eine zu den derzeitigen Tarifbezügen gezahlte Ausgleichszulage“ enthalte. Das Wort „Ausgleichszulage“ fasse bei der Beklagten vom Begriff her lediglich verschiedene tarifvertragliche Vergütungsbestandteile zusammen. Ein Anspruch auf außertarifliche Vergütung sei mit der Formulierung im Arbeitsvertragsformular nicht gemeint. Solche außertariflichen Zulagen habe es bei der Beklagten nicht gegeben. Auch habe der Kläger bei Vertragsschluss keinen Anspruch auf eine Ausgleichszulage gehabt. Seine Vergütung habe sich allein dynamisch aus den tarifvertraglichen Regelungen ergeben.

Daher sei auch Ziff. 5 des Arbeitsvertrages lediglich deklaratorisch zu verstehen als Wiedergabe der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages 13 Bezüge bargeldlos gezahlt wurden. Der Regelungsgehalt beziehe sich darauf, dass nicht nur die feststehende monatliche Vergütung bargeldlos gezahlt wurde, wie dies im Tarifvertrag vorgesehen sei, sondern die Bezüge insgesamt bargeldlos bezahlt wurden. Weder der Kläger, noch die anderen mehr als 100.000 Mitarbeiter hätten im Laufe der Zeit die entsprechende arbeitsvertragliche Regelung als eigenständige Vereinbarung eines dreizehnten Gehalts verstanden. Eine Mehrdeutigkeit im Sinne von § 305 c Abs. 2 BGB liege nicht vor.

Dazu müssten mindestens zwei Ergebnisse als gleich vertretbar erscheinen, was hier nicht der Fall sei.

Ein tariflicher Anspruch auf die vom Kläger begehrten Zahlungen der jeweils halben Bezüge im November 2021, Mai und November 2022 bestünde nicht, da durch den Tarifvertrag „Coronakrise“ die entsprechenden Leistungen gestrichen worden seien. Der Arbeitsvertrag habe die „Ausgleichszulage“ in Abgrenzung zur Grundvergütung genannt. Solche Ausgleichszulagen seien beispielsweise zur Besitzstandswahrung bei Änderung einer tariflichen Einstufung gezahlt worden.

Für den weiteren Sach- und Rechtsvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 06.07.2022, 05.09.2022 und 18.10.2022 samt Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 26.10.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da dem Kläger die zusätzlichen Bezüge (anteiliger 13. Bezug für das Jahr 2020 und 13. Bezug für das Jahr 2021) nicht zustehen. Die Berufungskammer folgt der zutreffenden und sorgfältigen Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, der sie sich in vollem Umfang anschließt, sodass auf eine erneute nur widerholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Dem Kläger steht kein von den tariflichen Vergütungsregelungen unabhängiger Anspruch auf ein 13. Gehalt unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag zu. Vielmehr ist der Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen, dass dieser dynamisch auf die tariflichen Vergütungsregelungen Bezug nimmt und keine weitere, hierzu parallel bestehende oder zusätzliche Anspruchsgrundlage für 13 Bezüge im Jahr begründet. Die vertraglich angesprochene 13. Zahlung entspricht damit der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gem. § 30 MTV Nr. 14 Boden, die durch § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise ausgeschlossen war. Zu dem gleichen Ergebnis kommt in einem Parallelfall auch das LAG München in seinem Urteil vom 22.11.2022, 6 Sa 275/22, auf das insoweit ergänzend Bezug genommen wird.

Die Berufungsangriffe des Klägers vermögen das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis nicht zu ändern.

1. Die Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt, dass dieser mit der Regelung in Ziff. 5 keinen von den tariflichen Vergütungsregelungen unabhängigen (zusätzlichen) Anspruch auf 13 Bezüge im Jahr begründet. Ein solcher ergibt sich weder unmittelbar aus Ziff. 5 des Arbeitsvertrages, noch unter Einbeziehung auch der weiteren vertraglichen Regelungen. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Regelungen als Bezugnahme auf den geltenden Tarifvertrag einschließlich der Regelungen zum tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verstehen, die lediglich deklaratorisch sind und informativen Charakter haben.

1.1 Das Arbeitsgericht hat zutreffend begründet, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag gem. §§ 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 BGB um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und die Rechtsprechung zu den Auslegungsgrundsätzen zutreffend zitiert. Hiernach sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 25.08.2010, 10 AZR 275/09, Rn. 19 m.w.N.). Die sonstigen, den Vertragsschluss begleitenden Umstände sind zu berücksichtigen, wenn die Auslegung nach dem Wortlaut nicht eindeutig ist und diese für den Vertragspartner erkennbar waren und auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen (BAG 09.12.2015, 7 AZR 68/14, Rn.17 und BAG 18.05.2010, 3 AZR 373/08, Rn. 50).

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der die allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 25.08.2010, 10 AZR 275/09, Rn. 20 m.w.N.).

1.2 Ausgehend vom Wortlaut beziehen sich zunächst die Worte „die Bezüge“ in Ziff. 5 auf die in der vorausgehenden Ziff. 4 des Vertrages, also auf die nach erfolgter tariflicher Eingruppierung sich ergebende Vergütung. Das Arbeitsgericht hat daher zutreffend aus der Formulierung den Schluss gezogen, dass diese Regelung grundsätzlich einen Zahlungsanspruch voraussetzt und nicht ein solcher erst mit Ziff. 5 des Arbeitsvertrages begründet werden soll. Für die Beantwortung der Frage, ob die dort festgehaltene 13-malige Zahlung lediglich deklaratorisch auf einen tarifvertraglichen Anspruch verweist oder ob hierdurch neben tarifvertraglichen Ansprüchen des Klägers eine eigenständige vertragliche Verpflichtung für die Beklagte begründet werden sollte, muss auf den Regelungszusammenhang abgestellt werden, da der Wortlaut von Ziff. 5 isoliert keinen Aufschluss hierfür gibt.

Vielmehr kommt es für die Auslegung darauf an, ob ein solcher Anspruch schon anderweitig bestand, was für eine deklaratorische Regelung sprechen würde, oder ob dies nicht der Fall war und damit die arbeitsvertragliche Regelung konstitutiv einen solchen Anspruch erst begründet. Kann im Zeitpunkt eines Vertragsschlusses die im Arbeitsvertrag angegebene Leistung nicht anhand der dort in Bezug genommenen tariflichen Regelungen zutreffend ermittelt werden, ist für den Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger grundsätzlich nicht mehr von einer lediglich „deklaratorischen“ Angabe in Form einer so genannten Wissenserklärung, sondern von einer „konstitutiven“ vertraglichen Entgeltregelung auszugehen (BAG 21.8.2013, 4 AZR 656/11). Für den Fall, dass bereits anderweitig, insbesondere nach den in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelungen, ein solcher Anspruch besteht, hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Wortlaut von Ziff. 5 des Arbeitsvertrages keine Einschränkung oder Klarstellung enthält, wie etwa „im Übrigen“ oder „soweit nichts anderes vereinbart ist“, aus der sich ergäbe, dass diese Vereinbarung neben den aus der Bezugnahme auf die Tarifverträge folgenden Vergütungsansprüchen in jedem Fall eine eigene Anspruchsgrundlage darstellen sollte (s. auch BAG 01.08.2001, 4 AZR 7/01, NJOZ 2002, 599, unter II 1 c (2) cc der Gründe).

1.3 Der Arbeitsvertrag ist so aufgebaut, dass in Ziff. 3 zunächst umfassend allgemein geregelt ist, dass die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der C. ergeben. Sodann wird die Eingruppierung mitgeteilt und in Ziff. 4 folgt dann die Mitteilung der monatlichen Bezüge entsprechend dieser (tariflichen) Eingruppierung. Eine Ausgleichszulage ist im vorliegend von der Beklagten verwendeten Vertragsmuster zwar genannt, war aber für den Kläger nicht konkret vorgesehen. In Ziff. 5 folgt dann die Regelung, dass die Bezüge (nämlich ersichtlich die in Ziff. 4 geregelten Bezüge) 13-mal bargeldlos gezahlt werden.

Diese Information von „13 mal“ war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Hinblick auf die in § 30 des Manteltarifvertrages vorgesehene Zahlung von sogenanntem Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die rechnerische Höhe der Jahresbezüge zutreffend. Inhaltlich kommt das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld einem dreizehnten Monatseinkommen gleich, da der Manteltarifvertrag in § 30 Abs. 2 für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr beginnt oder endet, für jeden Kalendertag der Beschäftigung einen Anspruch auf 1/360 des Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeldes vorsieht und außerdem eine Kürzung für Zeiten einer Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung und Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Damit stellt sich das „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ gemäß § 30 des Manteltarifvertrages als zusätzlicher Vergütungsanspruch für Zeiten der Beschäftigung dar, ohne dass die weitere Betriebstreue, wie sie sich sonst regelmäßig durch Stichtagsklauseln oder Rückzahlungsklauseln ausdrückt, eine Rolle spielt. Eine solche „Treuekomponente“ enthält lediglich § 30 a des Manteltarifvertrages bei dem „Zuschlag zum Urlaubsgeld“ für den Voraussetzung der mindestens einjährige laufende Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag ist. Die Formulierung im Arbeitsvertrag, dass die Bezüge 13 mal jährlich gezahlt werden, gibt daher die tariflichen Ansprüche von der Höhe her korrekt wieder.

Vor dem Hintergrund der Tarifbindung der Beklagten und der dynamischen Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen ist der Arbeitsvertrag nach seinem objektiven Inhalt und typischen für einen verständigen und redlichen Vertragspartner daher so zu verstehen, dass nach der erkennbaren Interessenlage der Beteiligten sich die Ansprüche auf Vergütung nach den tarifvertraglichen Bestimmungen in ihrer jeweils geltenden Form richten und nicht neben den tariflichen Ansprüchen zusätzliche Anspruchsnormen geschaffen werden sollten. Der umfassende Verweis auf die jeweils gültigen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der C. in Ziff. 3 des als Arbeitsvertrag verwendeten Formulars spricht für den verallgemeinerbaren Willen des Verwenders für alle Arbeitnehmer gleich die kollektiv geltenden Arbeitsbedingungen vertraglich zu vereinbaren.

1.4 Mit den Regelungen wird die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung daher insgesamt als tarifvertragliche Vergütung gekennzeichnet und die Tatsache der aktuellen Höhe der Vergütung genauso lediglich informatorisch mitgeteilt wie in Ziff. 5 die Bezahlung der Bezüge 13-mal jährlich. Anhaltspunkte dafür, dass gerade Ziff. 5 des Arbeitsvertrags konstitutiv gelten sollte, gibt es nicht. Ohne solche – hier fehlenden – besondere Anhaltspunkte, gibt es aber keinen Anlass, von einer eigenständigen vertraglichen Regelung, die zu einer Besser- oder Schlechterstellung gegenüber den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen führen kann, auszugehen (BAG 10.07.2013, 10 AZR 898/11, AP BGB § 305c Nr. 16 Rz. 23; BAG 12.12.2007, 4 AZR 998/06, NZA 2008, 649).

Folglich ist Ziff. 5 des Arbeitsvertrages dahingehend zu verstehen, dass auch das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld in die erwähnten 13 Bezüge einzubeziehen ist. Dies entspricht auch dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien in der Vergangenheit. Das Urlaubsgeld war im Mai, das Weihnachtsgeld im November eines Jahres jeweils als hälftiger Monatsbezug zu entrichten. Dies ist vom Kläger in der Vergangenheit nie beanstandet worden. Hätte die tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung nicht den in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages vereinbarten 13. Bezug dargestellt, sondern wäre, wie der Kläger nunmehr geltend macht, mit dieser Regelung ein vertragliches 13. Monatsentgelt vereinbart gewesen, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit dieses 13. Monatsentgelt gegenüber den Beklagten verlangt hätte. Der Umstand, dass dies nicht geschehen war spricht dafür, dass die Parteien die Vereinbarung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages übereinstimmend so verstanden hatten, das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld stelle den 13. Bezug dar (s. LAG München 22.11.2022, 6 Sa 275/22).

Der Kläger hat auch explizit ausgeführt, dass nach seinem Verständnis der Arbeitsvertrag kein dreizehntes Monatsgehalt regelt, das ihm zusätzlich zu den tarifvertraglichen Leistungen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zustehen sollte. Er vertritt lediglich die Ansicht, dass die bis zum ersten Halbjahr 2021 stets erfolgten Zahlungen von 13 Bezügen im Jahr zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen haben, nämlich den Tarifvertrag und den Arbeitsvertrag. Regelmäßig besteht beim Arbeitgeber, der tariflich verpflichtet ist, allerdings ausschließlich der Wille, den tarifvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und keine zusätzlichen gleichartigen Verpflichtungen im Arbeitsvertrag einzugehen. Regelmäßig gilt daher entweder der Tarifvertrag oder der hiervon abweichende Arbeitsvertrag. Sinn und Zweck einer Verweisung auf den Tarifvertrag ist ja gerade der, alle tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer gleich zu behandeln und dynamisch ausschließlich die tarifvertraglichen Regelungen zugrunde zu legen. So ist der Kläger selbstverständlich auch nicht auf die Idee gekommen, dass der Arbeitsvertrag in Ziff. 4 eine feste Vergütung vorsieht, sondern die Regelung in Ziff. 4 gemäß Ziff. 3 des Arbeitsvertrages sich dynamisch mit den gültigen Tarifverträgen verändert. Gleiches gilt dementsprechend auch für Ziff. 5, für die die allgemeine Regelung in Ziff. 3 genauso anwendbar ist mit der Folge, dass sich auch hier die bei Abschluss des Arbeitsvertrages zutreffend widergegebene 13-malige bargeldlose Bezahlung der Bezüge entsprechend den tarifvertraglichen Regeln ändern kann.

1.5 In diesem Fall ist folglich die Angabe der dem Kläger kalenderjährlich zustehenden Anzahl von Monatsbezügen im Hinblick auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte gleichzeitige umfassende Bezugnahme auf die „jeweils gültigen Tarifverträge als bloße Information des Arbeitnehmers über die Höhe ihn besonders interessierender Ansprüche auszulegen (BAG 01.08.2001, 4 AZR 7/01). Es würde auch keinen Sinn ergeben, wenn einerseits in Ziff. 3 des Arbeitsvertrages die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen vereinbart wäre und nachfolgend sogleich – nämlich in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages, im Sinne der Auslegung des Klägers – diese formularmäßig wieder abbedungen würden. Auch dies spricht für eine lediglich zusätzliche Information des Klägers durch Ziff. 5 des Arbeitsvertrages (BAG 01.08.2001, 4 AZR 7/01, NJOZ 2002, 599, unter II 1 c (2) cc der Gründe; LAG München 22.11.2022, 6 Sa 275/22 I). Vom Sinn und Zweck der Regelung her ergibt sich daher in Übereinstimmung mit der Auslegung nach dem Wortlaut, dass die tarifgebundene Beklagte lediglich informatorisch die geltenden Vergütungsbestandteile im Arbeitsvertrag mitgeteilt hat und keine zusätzliche Anspruchsgrundlage geschaffen hat.

1.6 Der Auslegung des Arbeitsgerichts, dass es sich in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages bei der Regelung einer Bezahlung von Bezügen „13 mal jährlich bargeldlos“ um eine rein deklaratorische Regelung handelt, steht nicht entgegen, dass die Bezüge sich auf Ziff. 4 beziehen und dort neben der Grundvergütung eine Ausgleichszulage als Möglichkeit vorgesehen ist, zu der in Ziff. 4 der letzte Satz lautet „eine zu den derzeitigen Tarifbezügen gezahlte Ausgleichszulage kann widerrufen oder gegen Vergütungserhöhungen jeder Art aufgerechnet werden“. Der Kläger hat weder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 10.11.1988 noch zu einem späteren Zeitpunkt einen Anspruch auf außertarifliche Zulagen oder Vergütungsbestandteile gehabt. Die Beklagte hat zudem geltend gemacht, dass es solche Vergütungsbestandteile bei ihr gar nicht gibt. Ziff. 5 des Arbeitsvertrages könnte allenfalls für eine solche außertarifliche Zulage eine konstitutive Wirkung haben.

Nur für den Fall, dass dem Kläger übertarifliche Bezüge gem. Ziff. 4 des Arbeitsvertrages zugestanden hätten, wäre dem 13-maligen Bezug also ein eigener Regelungsinhalt über den tariflichen Anspruch auf ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld hinaus zugekommen, weil ein dreizehnter Bezug insoweit in § 30 des Manteltarifvertrages nicht geregelt ist. Der eigene Regelungsgehalt und damit ein eigener vertraglicher Anspruch hätte sich aber auch in diesem Fall auf den etwaigen übertariflichen Anspruch beschränkt, genauso, wie die gleichermaßen vereinbarte bargeldlose Zahlung nur einen eigenen Regelungsgehalt hat, soweit diese im Tarifvertrag für die Grundvergütung nicht schon geregelt ist. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte zusätzlich zu der tarifvertraglichen Verpflichtung eine eigene vertragliche Verpflichtung auf die ihm nach Tarifvertrag bereits zustehende Vergütung i.S. der vom Kläger geltend gemachten zweiten Anspruchsgrundlage für einen inhaltsgleichen Anspruch, begründen wollte, ist nicht ersichtlich.

2. Auch aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht. Die Unklarheitenregel findet keine Anwendung, weil keine Mehrdeutigkeit von Ziff. 5 im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB vorliegt. Die Unklarheitenregel ist eine nachrangige Auslegungsregel und setzt voraus, dass eine unklare Bestimmung zunächst nach den anerkannten Methoden ausgelegt wird. Unklar in diesem Sinne sind also nur Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt, wenn also die Auslegung einer Norm zwei oder mehrere Auslegungsergebnisse zuließe, ohne dass eines davon den klaren Vorzug verdiente. Eine entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, reicht nicht aus (BGH 29.05.2009, V ZR 201/08, NJW-RR 2010, 63 (64); BAG 25.08.2010, 10 AZR 275/09, Rn. 20; BAG 19.11.2019, 3 AZR 83/18, Rn 27; BAG 19.11.2019, 3 AZR 414/18, jeweils zitiert nach juris).

Unbehebbare Zweifel im vorstehenden Sinne sind nicht gegeben. Ziff. 5 des Arbeitsvertrages kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Insbesondere lassen sich solche Zweifel nicht daraus begründen, dass Ziff. 5 des Arbeitsvertrages als konstitutive Regelung überflüssig wäre. Wie bereits dargelegt, handelt es sich um eine informatorische Wiedergabe von tariflichen Vergütungsansprüchen, die für den Arbeitnehmer von Interesse sind. Auch auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu wird noch einmal Bezug genommen. Das LAG München 22.11.2022, 6 Sa 275/22 hat in einem Parallelfall dieses Ergebnis ebenfalls bestätigt. Vielmehr ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages aus den oben genannten Gründen eindeutig, dass kein individueller Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt neben den tariflichen Entgeltansprüchen begründet worden ist. Auch wenn man theoretisch zu einem gegenteiligen Auslegungsergebnis gelangen könnte, folgt daraus keine „Unklarheit“ i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB. Hierzu müssten mindestens zwei Ergebnisse als gleich vertretbar erscheinen. Dies ist im Hinblick auf die tarifvertraglichen Regelungen und die bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber klar zu erkennende Intention, die Vergütung entsprechend dem Tarifvertrag zu bezahlen, wenn außertarifliche Leistungen nicht explizit ausgewiesen sind, nicht der Fall.

Für die Entscheidung kann deshalb dahinstehen, ob für eine etwaige Anwendung der Unklarheitenregelung zu berücksichtigen wäre, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag, der auf den 10.11.1988 datiert, um einen Altvertrag handelt, der zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, als die §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverhältnisse noch keine unmittelbare Anwendung fanden.

3. Die Zahlung von tariflichem Urlaubs- und Weihnachtsgeld gem. § 30 MTV Nr. 14 Boden anteilig für 2020 und für das gesamte Jahr 2021 war durch § 4 Abs. 1 TV Corona-Krise ausgeschlossen worden. Darin ist kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot zu sehen, weil laufende Tarifverhandlungen insbesondere auch zu diesem Punkt seit Mai 2020 in für den Kläger zugänglichen Medien bekannt gemacht waren. Da die Berufungsbegründung insoweit keine neuen Gesichtspunkte enthält, wird auf die umfassende und zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Dem Rechtstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, sodass die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen wird. Die streitgegenständliche Formulierung findet sich in zahlreichen Altarbeitsverträgen und es ist lang höchstrichterlich nicht geklärt, wie eine solche Klausel bei einem tarifgebundenen Arbeitsgeber und arbeitsvertraglicher dynamischer Bezugnahme auf die geltenden Tarifverträge zu verstehen ist.

 

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