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Abgelehnte Bewerbung – Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

Altersdiskriminierung in der Lehrerausbildung: Entschädigung für abgelehnte Bewerbung beantragt

Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Berufung eines älteren, schwerbehinderten Lehrers zurück, der nach einer abgelehnten Bewerbung für eine Lehrerstelle Entschädigung wegen Altersdiskriminierung forderte. Das Gericht befand, dass die Ablehnung des Klägers aufgrund seines Alters mit dem Ziel der Förderung jüngerer Bewerber und einer ausgewogenen Altersstruktur im Schuldienst gerechtfertigt war. Es wurde kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) festgestellt.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung abgewiesen: Das Gericht lehnte die Berufung des Klägers ab, der wegen Altersdiskriminierung eine Entschädigung verlangte.
  2. Hintergrund: Der Kläger, ein pensionierter Lehrer, bewarb sich für eine befristete Vertretungsstelle, wurde aber zugunsten eines jüngeren Bewerbers abgelehnt.
  3. AGG-Anwendung: Das Gericht prüfte den Fall im Kontext des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
  4. Altersgrenze: Die Entscheidung basierte auf einer Regelung, die älteren Bewerbern nach Erreichen einer bestimmten Altersgrenze den Vorrang verweigert, falls jüngere voll ausgebildete Lehrkräfte verfügbar sind.
  5. Ziel der Altersstruktur: Das Gericht erachtete das Ziel einer ausgewogenen Altersstruktur und die Förderung jüngerer Lehrkräfte im Schuldienst als legitim.
  6. Keine unmittelbare Altersdiskriminierung: Die Ablehnung des Klägers wurde nicht als unmittelbare Altersdiskriminierung angesehen.
  7. Lehrermangel irrelevant: Das Argument des Lehrermangels zur Zeit der Bewerbung des Klägers wurde vom Gericht nicht als relevant erachtet.
  8. Schwerbehinderung: Es gab keine Hinweise darauf, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert wurde.

Rechtliche Herausforderungen bei Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht

Wie beeinflusst die Altersgrenze die Einstellungsentscheidungen im öffentlichen Dienst?
(Symbolfoto: Elle Aon /Shutterstock.com)

Das Arbeitsrecht ist ein dynamisches Feld, das immer wieder neue Herausforderungen und Fragen aufwirft. Ein besonders sensibles Thema ist die Altersdiskriminierung. In einer Gesellschaft, in der die Lebensarbeitszeit zunehmend flexibler wird, entstehen Konflikte zwischen dem Schutz älterer Arbeitnehmer und den Interessen der Arbeitgeber, insbesondere in Bezug auf Einstellungspraktiken. Fälle von abgelehnten Bewerbungen älterer Personen rücken dabei immer wieder in den Fokus der rechtlichen Auseinandersetzung.

Zentral steht die Frage, inwieweit die Ablehnung älterer Bewerber aufgrund ihres Alters gerechtfertigt ist und wann sie als Diskriminierung angesehen werden muss. Die Berufung gegen Entscheidungen erster Instanzen und die Rolle von Landesarbeitsgerichten spielen eine entscheidende Rolle in der Klärung dieser Rechtsfragen. Der Kläger, der sich gegen eine vermeintliche Altersdiskriminierung zur Wehr setzt, sieht sich oft mit der Herausforderung konfrontiert, die Diskriminierung nachzuweisen und eine angemessene Entschädigung zu fordern. Die daraus resultierenden Urteile können weitreichende Konsequenzen für die Arbeitspraxis und die Rechtsprechung haben. Lesen Sie weiter, um mehr über einen konkreten Fall und seine Implikationen für das Arbeitsrecht zu erfahren.

Der Streit um Altersdiskriminierung und berufliche Chancen

Der Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Hamm verhandelt wurde, dreht sich um einen pensionierten Lehrer, der nach seiner Pensionierung weiterhin befristete Lehrerstellen annahm. Er bewarb sich für eine Vertretungsstelle an einem Gymnasium, wurde jedoch trotz seiner Qualifikation und Erfahrung zugunsten eines jüngeren Bewerbers abgelehnt. Der Kläger, geboren am 26.06.1952 und schwerbehindert, sah sich aufgrund seines Alters diskriminiert und verlangte eine Entschädigung. Er machte geltend, dass die Ablehnung seiner Bewerbung eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstelle.

Hintergründe der abgelehnten Bewerbung

Die Entscheidung des Gymnasiums, den Kläger nicht einzustellen, wurde von der Bezirksregierung Arnsberg unterstützt. Diese verwies auf einen Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW, der besagt, dass eine Einstellung von Personen, die die Altersgrenze überschritten haben, nur in Betracht kommt, wenn keine anderen geeigneten Bewerber verfügbar sind. Trotz seiner hervorragenden Qualifikationen und der Tatsache, dass der Schulleiter ihn für besser geeignet hielt, wurde der Kläger abgelehnt, da er die gesetzliche Altersgrenze überschritten hatte.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg. Das Gericht sah keinen Verstoß gegen das AGG. Obwohl der Kläger aufgrund seines Alters eine weniger günstige Behandlung erfahren hatte, wurde dies als gerechtfertigt angesehen. Das Gericht argumentierte, dass das Ziel, jüngeren Bewerbern Einstiegsmöglichkeiten im Lehrberuf zu bieten und eine ausgewogene Altersstruktur im öffentlichen Schuldienst zu gewährleisten, legitim sei. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wurde als angemessen und erforderlich im Sinne des § 10 AGG angesehen.

Bewertung und Relevanz des Urteils

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm berührt wichtige Aspekte der Arbeitsrechtssprechung im Hinblick auf Altersdiskriminierung und Beschäftigungspolitik. Sie zeigt auf, dass die Ablehnung älterer Bewerber aus Gründen der Altersstruktur und der Förderung jüngerer Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann. Dieses Urteil könnte somit wegweisend für ähnliche Fälle sein, in denen Altersgrenzen und die Förderung jüngerer Arbeitskräfte thematisiert werden. Der Fall unterstreicht die Komplexität und Sensibilität, die bei der Bewertung von Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz erforderlich ist.

Für weitere Details und Einblicke in dieses interessante und bedeutsame Urteil empfiehlt es sich, das vollständige Gerichtsurteil einzusehen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was genau bedeutet Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht und wie wird sie rechtlich definiert?

Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht bezieht sich auf die ungerechte Behandlung von Personen oder Gruppen aufgrund ihres Alters. Sie tritt auf, wenn eine Person oder Gruppe aufgrund ihres Alters gesellschaftlich oder ökonomisch benachteiligt wird. Dies kann sich in vielen Formen manifestieren, wie zum Beispiel, wenn jüngeren Mitarbeitern mehr Fortbildungen und Trainings bewilligt werden als älteren, oder wenn in Stellenausschreibungen betont wird, dass vorzugsweise Menschen mit vor Kurzem abgeschlossener Ausbildung gesucht werden.

Im deutschen Arbeitsrecht ist das Verbot der Altersdiskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert. Diskriminierungen aufgrund des Lebensalters sind nach dem AGG grundsätzlich unzulässig. Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere im Arbeitsleben, bei Kreditverträgen und Versicherungsgeschäften.

Beispiele für Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht können sein:

  • Ungerechte Behandlung bei der Stellenausschreibung und Einstellung
  • Ungerechte Behandlung bei Entlassungen und Abfindungen
  • Ungerechte Behandlung bei der Vergabe von Fortbildungen und Trainings
  • Ungerechte Behandlung bei der Verlängerung von Arbeitsverträgen

Es ist wichtig zu beachten, dass Altersdiskriminierung nicht nur ältere Menschen betrifft. Auch jüngere Menschen können diskriminiert werden, zum Beispiel wenn Arbeitgeber Schwangerschaften oder Kinderbetreuung unterstellen.

Trotz der gesetzlichen Regelungen ist Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz oft schwer nachzuweisen und bleibt daher ein weitverbreitetes Problem.

Inwiefern beeinflusst das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze die Einstellungsentscheidungen im öffentlichen Dienst?

Das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze kann die Einstellungsentscheidungen im öffentlichen Dienst in Deutschland auf verschiedene Weise beeinflussen.

Gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes hat jeder deutsche Staatsbürger nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies betrifft den gesamten öffentlichen Dienst, einschließlich der Einstellung und Beförderung von Beschäftigten.

Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen jedoch eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze vor. Nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/TV-L endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, „mit Ablauf des Monats, in dem die/der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen eine befristete Weiterbeschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze möglich ist. Dies kann der Fall sein, wenn beispielsweise noch kein Nachfolger für die an sich frei werdende Stelle gefunden wurde.

Ein Höchstalter für die Einstellung kann nach § 10 Satz 2 Nr. 3 AGG aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand festgesetzt werden.

Bei einer Neueinstellung eines Arbeitnehmers, der das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente bereits vollendet hat, kann eine Befristung des Arbeitsvertrags in Betracht kommen.

Die Bundesregierung hat mit ihrer Demografiestrategie „Jedes Alter zählt“ konkrete Handlungsempfehlungen für öffentliche Arbeitgeber erarbeitet, um eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen und die Einstellung jüngerer Menschen zu fördern.

Es ist daher klar, dass das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze die Einstellungsentscheidungen im öffentlichen Dienst beeinflusst, aber es gibt auch Ausnahmen und Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung.

Welche Kriterien und Rechtfertigungen gibt es für eine abgelehnte Bewerbung aufgrund des Alters nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet ungerechtfertigte Benachteiligungen im Berufsleben aufgrund persönlicher Merkmale wie Alter, Geschlecht und ähnliches. Eine Ablehnung einer Bewerbung aufgrund des Alters kann daher als Diskriminierung angesehen werden und ist in der Regel unzulässig.

Es gibt jedoch einige Ausnahmen und Rechtfertigungen, die eine Ablehnung aufgrund des Alters erlauben. Eine davon ist die Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle. Wenn ein Bewerber nicht die notwendigen Qualifikationen für eine Stelle mitbringt, kann eine Ablehnung gerechtfertigt sein.

Ein weiterer Aspekt ist die Beweislast. Um eine Diskriminierung nachzuweisen, muss der Bewerber überzeugende Indizien für eine verbotene Benachteiligung vorlegen. Liegen diese vor, muss der Arbeitgeber den Gegenbeweis erbringen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass das AGG nicht nur direkte Diskriminierung verbietet, sondern auch indirekte Benachteiligung. Das sind Regelungen, die neutral erscheinen, sich aber negativ auf eine bestimmte Diskriminierungskategorie auswirken.

In einigen Fällen kann eine Altersdiskriminierung auch durch eine diskriminierende Stellenanzeige indiziert sein. Wenn beispielsweise ausdrücklich „Berufsanfänger“ gesucht werden, kann dies als Indiz für eine Diskriminierung wegen des Alters angesehen werden.

Es ist daher ratsam, bei der Formulierung von Stellenanzeigen und der Auswahl von Bewerbern sorgfältig zu sein, um mögliche Diskriminierungen zu vermeiden.

Wie wird die Entschädigung im Falle einer festgestellten Diskriminierung, insbesondere Altersdiskriminierung, bemessen und zugesprochen?

Die Entschädigung im Falle einer festgestellten Diskriminierung, insbesondere Altersdiskriminierung, wird gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bemessen und zugesprochen. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Die Höhe der Entschädigung soll abschreckend sein, um präventiv zu wirken.

Die Bemessung der Entschädigung hängt von einem Beurteilungsspielraum ab und ist grundsätzlich Aufgabe des Gerichts. Bei einer Nichteinstellung darf die Entschädigung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Es ist zu beachten, dass ein Stellenbewerber keine Entschädigung nach dem AGG verlangen kann, wenn er das Anforderungsprofil für die Stelle offensichtlich nicht erfüllt.

Das AGG sieht Beweiserleichterungen und eine Umkehr der Beweislast vor, wenn im Streitfall der Betroffene Indizien aufzeigen kann, die eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale vermuten lassen. Es ist dann am Arbeitgeber, zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

In einem konkreten Fall wurde beispielsweise eine Entschädigung von 6.000 Euro wegen Altersdiskriminierung zugesprochen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 11 Sa 948/22 – Urteil vom 09.03.2023

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 08.08.2022 – 2 Ca 29/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit einer abgelehnten Bewerbung.

Der am 26.06.1952 geborene, schwerbehinderte Kläger befindet sich nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer beim beklagten Land seit Ende 2018 im Ruhestand. Seither war er wiederholt im Rahmen von befristeter Arbeitsverhältnisses weiter als Lehrer für das beklagte Land tätig. Er verfügt über das erste Staatsexamen für das Lehramt Sek. I mit Deutsch und Musik sowie für das Lehramt Sek. II mit Musik und Philosophie sowie einer Erweiterung zur ersten Staatsprüfung im Fach praktische Philosophie für die Sek. I. Des Weiteren hat er die 2. Staatsprüfung für das Lehramt für die Sek. II in den Fächern Philosophie und Musik erfolgreich abgelegt.

Am 20.12.2021 bewarb er sich neben einem am 05.04.1981 geborenen weiteren Bewerber auf eine befristete Vertretungsstelle, die von der Schulleitung des Gymnasiums A der Stadt B mit einem Umfang von 18 Wochenstunden für den Zeitraum 01.02.2022 – 09.08.2022 mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie im Internet-Portal des Landes unter www.C.nrw.de ausgeschrieben war. Der weitere Bewerber verfügt ebenfalls über beide Staatsexamen für das Lehramt. Beide Bewerber wurden zu Vorstellungsgesprächen geladen. Nach Abschluss des durch die Schule durchgeführten Auswahlverfahrens wurde der Kläger am 04.01.2022 von der Schulleitung mit dem dafür vorgesehenen Formblatt zur Einstellung vorgeschlagen. Die Bezirksregierung Arnsberg bemängelte daraufhin mit E-Mail vom 06.01.2022 (Bl. 66 d.A.), auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, dass die vorgelegten Angaben über das Ergebnis des Auswahlverfahrens unvollständig seien, weil unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger die gesetzliche Altersgrenze bereits überschritten habe, weitere Angaben zu den Mitbewerbern benötigt würden. Hintergrund der E-Mail war ein Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW vom 26.09.2012 und ein hierauf basierendes Schreiben der Bezirksregierung an die Schulleitungen der öffentlichen Gymnasien und Weiterbildungskollegs im Regierungsbezirk Arnsberg vom 10.01.2013 (Bl. 80f. d.A.), auf das verwiesen wird. Hierin heißt es unter anderem: „Eine Einstellung oder auch die Verlängerung eines lfd. Vertretungsvertrages mit einer Person, die kein Lehramt hat oder die bereits die Altersgrenze überschritten hat, kommt ab dem 02.02.2013 nur dann in Betracht, wenn eine Ausschreibung ohne Ergebnis geblieben ist.“

Der Schulleiter des Gymnasiums A teilte der Bezirksregierung per E-Mail vom 07.01.2023 (Bl. 65 d.A.) daraufhin mit, dass er den Kläger zwar für besser qualifiziert halte, gleichwohl aber einen Antrag für die Besetzung der Vertretungsstelle mit dem Mitbewerber beantrage. Den entsprechenden Antrag nebst Einverständniserklärung des Mitbewerbers vom 07.01.2022 (Bl. 69 d.A.) reichte er sodann bei der Bezirksregierung ein, woraufhin die Stelle mit diesem besetzt wurde.

Mit seiner am 19.01.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger eine immaterielle Entschädigung nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung in Höhe von 30.000,00 EUR orientiert an sechs Monatsbezügen der Entgeltgruppe 13, Stufe 6, geltend gemacht. Darüber hinaus hat er sich als schwerbehinderter Mensch diskriminiert gesehen.

Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 30.000,00 EUR zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat sich zur Begründung für die Ablehnung des Klägers auf die sozialpolitische Zielsetzung berufen, im Interesse einer ausgewogenen Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Schuldienst zwischen den Generationen bei der Besetzung auch bei befristeten Stellen eine Perspektive für Berufseinsteiger zu eröffnen.

Mit Urteil vom 08.08.2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege keine Altersdiskriminierung vor. Zwar habe der Kläger unmittelbar wegen seines Lebensalters eine schlechtere Behandlung erfahren als der Mitbewerber. Dies sei allein aus dem Umstand ersichtlich, dass die Auswahlkommission den Kläger als bestqualifiziertesten Bewerber identifiziert habe. Die Versagung der Stelle wegen des Lebensalters sei jedoch gem. § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt. Das Ziel, jüngeren Bewerbern die Möglichkeit zu geben, den Einstieg in die Lehrertätigkeit über befristete Stellen zu finden, sei legitim im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Gesetzgebers. So sehe § 10 S. 2 Ziff. 5 AGG die Möglichkeit der Befristung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Erreichen der Regelaltersrente vor. Entsprechende Bestimmungen in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes seien zulässig. Diese Wertsetzung bedinge, dass auch bei Einstellungen das Alter jedenfalls insoweit berücksichtigt werden dürfe, als dass Bewerber nach Erreichen der Regelaltersgrenze nachrangig eingestellt werden dürfen, wenn sich keine anderen voll ausgebildeten Lehrkräfte bewerben oder diese aus besonderen Gründen des Einzelfalles nicht geeignet sind. Andernfalls sei der Arbeitgeber gezwungen, Beschäftigte wiedereinzustellen, die erst kurz zuvor aufgrund der im öffentlichen Dienst geltenden Altersgrenze ausgeschieden seien. Dies Zielsetzung habe die Bezirksregierung trotz ihrer Eigenschaft als Organ der Exekutive vornehmen dürfen, da sie als öffentlicher Arbeitgeber insoweit zivilrechtlich agiere und die Exekutive im Übrigen auch nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben im Rahmen der Gesetze eigene Zielsetzung verfolgen dürfe. Die Ungleichbehandlung sei auch erforderlich und angemessen i.S.d. § 10 S. 2 AGG. So seien ältere Bewerber nicht generell von einer Einstellung ausgeschlossen und auch im Falle einer Bewerbung von jüngeren voll ausgebildeten Bewerbern im Einzelfall berücksichtigt werden können. Der Umstand, dass sich ältere Bewerber nur über eine festgelegte Plattform bewerben könnten, ändere daran nichts. Schließlich liege kein Verstoß gegen die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG vor, da es für das Merkmal der Eignung auch darauf ankomme, ob der Bewerber das Lebensalter habe, welches der Umsetzung der Einstellungspolitik dienlich sei. Die vorgenannten Grundsätze seien auch nicht auf Stellen zu beschränken, die unbefristet ausgeschrieben seien, da die Altersstruktur auch durch befristete Stellen spürbar mitgeprägt werde. Abschließend sei nicht erkennbar, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Insoweit sei nicht einmal eine Schlechterstellung erkennbar.

Das Urteil ist dem Kläger am 01.09.2022 zugestellt worden. Mit seiner am 03.10.2022 eingelegten und am 24.10.2022 begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil wie folgt:

Weder das Ziel, jüngeren Bewerbern die Möglichkeit zu geben, den Einstig in die Lehrertätigkeit über eine befristete Stelle zu erhalten noch dasjenige, eine ausgewogene Altersstruktur im öffentlichen Schuldienst zu gewährleisten sei geeignet, seine Benachteiligung zu rechtfertigen. Es sei ein unzulässiger Analogismus, die Frage der Zulässigkeit der in § 33 TVöD normierten Altersgrenze bzw. des § 10 S. 2 Nr. 5 AGG auf das Einstellungsverfahren zu übertragen. Dies sei insbesondere der Fall, da die vom Kläger angestrebte Einstellung und seine Ablehnung in Zeiten eines erheblichen Lehrermangels erfolgt sei, in der die vorgebliche Zielsetzung folglich überhaupt nicht relevant habe sein können. Hinzu komme, dass der erfolgreiche Bewerber über keinerlei Qualifikationen im Fach „Deutsch“ verfüge, für das die streitgegenständliche Stelle ausgeschrieben war. Der Bewerber sei auch überhaupt nicht an einer Stelle in der Sek. I interessiert gewesen, da er im Bewerbungsformular lediglich den Bereich Sek II markiert habe. Das Ziel der Förderung junger Bewerber habe allein deshalb nicht erreicht werden können, da der Mitbewerber bereits 41 Jahre alt und kein Berufsanfänger war.

Die Argumentation des Arbeitsgerichts zur Bestenauslese führe dazu, dass die Qualität eines Arbeitnehmers im Wesentlichen an seinem unabänderbaren Lebensalter festgemacht werde. Dies widerspreche dem Prinzip der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG in eklatanter Weise. Selbst dann, wenn die vom Arbeitsgericht als legitim anerkannten Ziele der Bezirksregierung zur Förderung jüngerer Mitarbeiter und einer ausgewogenen Altersstruktur Berücksichtigung finden dürften, müsste in jedem Fall eine Beschränkung dieser Ziele auf unbefristet ausgeschriebene Stellen stattfinden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 08.08.2022 – 2 Ca 29/22 – abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 30.000,00 EUR zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und verweist auf das Urteil das Bundesarbeitsgerichts vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf dem vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b) statthaft und im Übrigen nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 17.08.2021 rechtzeitig sowie form- und fristgerecht i.S.d. §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 3,5 ArbGG begründet worden.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zur Seite.

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter im Sinne des AGG (§ 6 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff (vgl. BAG vom 19.5.2016 – 8 AZR 470/14). Die Beklagte ist Arbeitgeber im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG.

2. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch form- und fristgerecht nach § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt.

3. Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (vgl. BAG vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07).

4. Das beklagte Land hat im Ergebnis nicht gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG verstoßen.

a) Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist. Ausreichend ist ferner, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (vgl. BAG vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07).

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Das beklagte Land, vertreten durch die Bezirksregierung Arnsberg, hat nach Durchführung einer Auswahl zwischen zwei Bewerber die Entscheidung getroffen, die streitgegenständliche Stelle mit dem einzigen Mitbewerber des Klägers zu besetzen. Der Kläger hat durch seine Ablehnung eine weniger günstige Behandlung erfahren. Dies geschah wegen seines Alters, denn die Auswahlentscheidung ist unstreitig zu seinen Lasten ausgefallen, da er die Regelaltersgrenze bereits überschritten hatte und obwohl er von der Auswahlkommission für besser geeignet gehalten wurde als sein Mitbewerber. Bei dem Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund. Zweitinstanzlich hat der Kläger sich nicht mehr darauf berufen (auch) wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden zu sein. Ohnehin hat das Arbeitsgericht insoweit zutreffend festgestellt, dass hierfür keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind.

c) Die Benachteiligung des Klägers entfällt auch nicht dadurch, dass die vom beklagten Land vorgenommene Einstellung etwaig rechtswidrig war (vgl. BAG vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07). Auf die Frage, ob das Stellenbesetzungsverfahren ordnungsgemäß erfolgte, kommt es daher für die Frage der Benachteiligung selbst nicht an.

d) Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen des Alters ist vorliegend nicht nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein mit dem Grund „Alter“ in Zusammenhang stehendes Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit als Lehrer oder den Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dargestellt haben könnte. Derartiges hat das Land auch nicht behauptet.

e) Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters war vorliegend jedoch nach § 10 AGG zulässig.

aa) Nach § 10 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet des § 8 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung des Ziels müssen nach § 10 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 S. 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters i.S.v. § 10 S. 1 und S. 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21; BAG vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13; BAG vom 11.08.2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 102).

bb) Vorliegend ist die unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen des Alters nach § 10 S. 1 und S. 2 AGG zulässig.

(1) Das beklagte Land verfolgt mit der Ablehnung der Bewerbung des Klägers, der das Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente bereits überschritten hat, ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 S. 1 AGG; Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

(a) § 10 S. 1 und S. 2 AGG dienen der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht und sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen. Für die Konkretisierung des in § 10 S. 1 AGG enthaltenen, in der Bestimmung näher definierten Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, d.h. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind nur rechtmäßige Ziele insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung und stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse (vgl. BAG vom 11.08.2016 – 8 AZR 4/15 – m.w.N.). Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt. Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 -m.w.N.).

(b) Das beklagte Land hat zur Rechtfertigung der dem Kläger erteilten Absage geltend gemacht, es müsse ihr als tarifgebundener Partei erlaubt sein, die Bewerbung von Altersrentnern aus den gleichen Erwägungen zurückzuweisen, wie sie der tariflichen Regelung in § 33 Abs. 1 Lit. a TVöD in der im Streitfall maßgeblichen Fassung zugrunde lägen, wonach das Arbeitsverhältnis – ohne dass es einer Kündigung bedarf – grundsätzlich mit Ablauf des Monats endet, in dem der/die Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat. Nur so werde sichergestellt, dass die mit der tariflichen Altersgrenzenregelung verfolgten Zwecke effektiv erreicht würden. Hierdurch würden jüngeren Bewerbern Berufseinstiegschancen gewährt und eine ausgewogene Altersstruktur erreicht. Danach verfolgt die Beklagte, anders als der Kläger meint, mit der Zurückweisung seiner Bewerbung die gleichen Ziele wie die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Altersgrenzenregelung in § 33 Abs. 1 Lit. a TVöD.

(c) Diese Ziele haben die Tarifvertragsparteien in § 33 Abs. 1 lit. a TVöD zwar nicht ausdrücklich benannt. Sie ergeben sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Gesamtkontext.

Den Tarifvertragsparteien geht es mit der Altersgrenze in § 33 Abs. 1 lit. a TVöD erkennbar nicht nur darum, eine zuverlässige Personalplanung zu ermöglichen, sondern grundsätzlich auch darum, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21). Dementsprechend werden tarifvertragliche Altersgrenzen in sämtlichen Tarifverträgen des – im weiten Sinne zu verstehenden – öffentlichen Dienstes auch seit Langem ohne wesentliche Änderung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage vereinbart (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21).

Die grundlegende Entscheidung der Tarifvertragsparteien gegen eine Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet haben, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass § 41 Satz 3 SGB VI die Möglichkeit vorsieht, dass die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach hinausschieben. Diese Möglichkeit dient nicht primär dem Interesse der betroffenen Arbeitnehmer am Verbleib im Berufsleben. Zweck der Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI ist es vielmehr sicherzustellen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber reagieren können, wenn eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann oder wenn Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu eingestellte, jüngere Kollegen in ihre Tätigkeit einarbeiten sollen (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 m.w.N.). Die mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts verbundene Befristung setzt nicht das Bestehen eines Sachgrunds i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG voraus (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21; BAG vom 19.12.2018 – 7 AZR 70/17). Hiergegen bestehen jedenfalls insoweit keine unionsrechtlichen Bedenken, als die sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen unverändert bleiben (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21; BAG 19.12.2018 – 7 AZR 70/17). Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinausschieben der Altersgrenze wird durch § 41 Satz 3 SGB VI aber nicht begründet und ist auch aus dem Unionsrecht nicht herzuleiten (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21; EuGH vom 28.02.2018 – C-46/17).

Die grundlegende Entscheidung der Tarifvertragsparteien gegen eine Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet haben, mit dem Ziel, über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern, wird ebenso wenig durch die Regelung in § 33 Abs. 5 TVöD in Frage gestellt, wonach in dem Fall, dass der Beschäftigte, dessen Arbeitsverhältnis nach Abs. 1 lit. a geendet hat, weiterbeschäftigt werden soll, ein neuer Arbeitsvertrag abzuschließen ist. § 33 Abs. 5 TVöD verbietet dem Arbeitgeber demnach nicht die (Wieder)Einstellung von Personen, die bereits nach § 33 Abs. 1 lit. a TVöD aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden waren, sondern räumt ihm ausdrücklich die Möglichkeit ein, mit diesen vormals Beschäftigten ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Nach § 33 Abs. 5 S. 1 TVöD liegt die Entscheidung über deren Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung zwar im Ermessen des Arbeitgebers, dieser unterliegt demnach keinem Kontrahierungszwang (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 m.w.N.); Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Entscheidung der Tarifvertragsparteien gegen eine (Weiter)Beschäftigung von zuvor wegen Erreichens der Regelaltersgrenze ausgeschiedenen Beschäftigten darf der Arbeitgeber von der Möglichkeit der (Weiter)Beschäftigung bzw. Wiedereinstellung von Personen, die bereits nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden waren, nur eingeschränkt Gebrauch machen. Dies gilt für die Fälle, dass entweder ein vorübergehender Bedarf besteht, weil für die zu besetzende Stelle kein geeigneter Bewerber zur Verfügung steht, der die Regelaltersgrenze noch nicht überschritten hat oder dass – aus anderen Gründen – die Stelle nur befristet besetzt werden soll (offengelassen: BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21). In beiden Fällen kann nämlich regelmäßig davon ausgegangen werden, dass durch eine Einstellung eines Bewerbers, der die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente überschritten hat, die Chancen Jüngerer auf Eingliederung in das Erwerbsleben und auf Beförderung nicht in relevantem Umfang geschmälert werden und damit der Sinn der Altersgrenze in § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD nicht konterkariert wird. Andernfalls wäre zweifelhaft, ob die Regelungen in § 33 Abs. 1 und Abs. 5 TVöD die unionsrechtlich erforderliche Kohärenz aufweisen (offengelassen: BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21).

(d) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten dar. Dies gilt vor allem, wenn es darum geht, für bestimmte Arbeitnehmergruppen die Chancen auf Eingliederung in das Erwerbsleben zu verbessern, insbesondere, den Zugang jüngerer Menschen zur Ausübung eines Berufs zu fördern (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 m.w.N.). Insoweit ist es gerechtfertigt, in Abweichung vom Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung Ungleichbehandlungen im Zusammenhang mit dem Zugang zur Beschäftigung vorzusehen, wenn das angestrebte Ziel darin besteht, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um die Einstellung und Beförderung Jüngerer zu begünstigen (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 m.w.N.).

(e) Nach alledem ist das von der Beklagten mit der Ablehnung der Bewerbung des Klägers verfolgte Ziel, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern, ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 Satz 1 AGG, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

Dies gilt unabhängig von der Frage des konkreten Alters des Mitbewerbers. Dieser war zum Zeitpunkt der Bewerbung zwar unstreitig 41 Jahre alt und kein Berufsanfänger. Allein entscheidend ist nach Auffassung der Kammer insoweit, dass dieser die Regelaltersrente nicht nur nicht überschritten hatte, sondern noch Jahrzehnte davon entfernt war. Soweit der Kläger sich dabei darauf beruft, dass seine Einstellung in Zeiten eines erheblichen Lehrermangels zu bescheiden war, in der die vorgebliche Zielsetzung folglich überhaupt nicht relevant habe sein können, verfängt dies nicht. Der konkrete Einzelfall belegt doch gerade, dass auch bei unbestrittenem generellen Lehrermangel auf eine Stelle mehrere Personen bewerben und eine Auswahl zu treffen ist. Andernfalls wäre der Kläger, wie aus der E-Mail vom 06.01.2022 deutlich ersichtlich, gar nicht abgelehnt worden.

(2) Die Ablehnung des Klägers erweist sich auch im Einzelfall als angemessen und erforderlich i.S.v. § 10 Abs. 2 AGG, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

(a) Im Schrifttum ist umstritten, ob die Bindung des Arbeitgebers an eine tarifliche Altersgrenze die Zurückweisung der Bewerbung von Personen im Altersruhestand allein wegen der Rentenberechtigung rechtfertigen kann. Teilweise wird angenommen, die Ablehnung entsprechender Bewerbungen sei aus den gleichen Gründen, aus denen sich die Rechtmäßigkeit einer einschlägigen tariflichen Altersgrenze ergäbe, als zulässige unterschiedliche Behandlung nach § 10 AGG zu werten. Andernfalls werde der Sinn der Altersgrenze konterkariert und würden entsprechende Regelungen letztendlich ihre Wirksamkeit verlieren. Nach anderer Auffassung ist eine allein auf das Überschreiten der Regelaltersgrenze gestützte Zurückweisung im Bewerbungsverfahren mit dem Verbot der Altersdiskriminierung nicht in Einklang zu bringen und auch im Anwendungsbereich tariflicher Altersgrenzenregelungen grundsätzlich unzulässig. Teilweise wird es zwar als für mit dem Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar angesehen, wenn ein Arbeitgeber die Bewerbung einer Person, die vormals bei ihm beschäftigt war und die aufgrund einer zulässigen tariflichen Altersgrenzenregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, wegen des Alters zurückweist. Außerhalb dieses Sachverhalts und außerhalb der Tatbestände i.S.v. § 10 S. 3 Nr. 3 AGG sei eine Ungleichbehandlung, die in der Zurückweisung der Bewerbung einer im Ruhestand befindlichen Person allein wegen des Alters liege, jedoch nicht zu rechtfertigen, weil das Verbot der Altersdiskriminierung in § 10 AGG keine Altersbegrenzung kenne, und weil Personen ab Erreichen der Regelaltersgrenze nicht völlig vom Zugang zum Arbeitsmarkt ausgeschossen werden dürften (vgl. zu allem BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21 m.w.N.).

(b) Bei der Prüfung der Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 S. 1 und S. 2 AGG ist auch in einem Fall wie dem vorliegenden stets zu prüfen ist, ob die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind (offengelassen: BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21). Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen. Die Mittel sind deshalb nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden, und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21; BAG vom 11.08.2016 – 8 AZR 4/15).

Bei der Frage, ob sich die Ablehnung des Klägers als angemessen und erforderlich erweist, kann zunächst dahinstehen, ob es für die Angemessenheit i.S.v. § 10 Satz 2 AGG, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG auf die Höhe der Altersrente ankommt. Da der Kläger mit seinen Rentenbezügen über auskömmliche Altersbezüge verfügten dürfte, ist die Zurückweisung seiner Bewerbung und damit verbundene Ungleichbehandlung wegen seines Alters ein angemessenes Mittel i.S.v. § 10 S. 2 AGG.

Die Nichtberücksichtigung des Klägers im Stellenbesetzungsverfahren ist auch erforderlich i.S.v. § 10 S. 2 AGG. Es ist der Beklagten nach den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG nicht versagt, externe Bewerber, die – wie der Kläger – die gesetzliche Regelaltersgrenze überschritten haben, unter denselben Prämissen abzulehnen, wie sie für die Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung der in § 33 Abs. 5 TVöD genannten Personen gelten, die bereits nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden waren. Eine Ablehnung ist dann berechtigt, wenn entweder für die Einstellung des die Regelaltersgrenze überschreitenden Bewerbers kein entsprechender Bedarf besteht, weil für die zu besetzende Stelle ein geeigneter Bewerber zur Verfügung stand, der die Regelaltersgrenze noch nicht überschritten hat, oder es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine dauerhaft zu besetzende Stelle handelte. Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, geht die Nichtberücksichtigung des wegen seines Alters übergangenen Bewerbers im Stellenbesetzungsverfahren nicht über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (offengelassen: BAG vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21).

Zwar ist die streitgegenständliche Stelle vorliegend nur befristet zu besetzen gewesen. Für die zu besetzende Stelle stand jedoch ein geeigneter Bewerber zur Verfügung, der die Regelaltersgrenze noch nicht überschritten hatte. Der Mitbewerber war unstreitig Lehrer mit zwei Staatsexamina und für die ausgeschriebene Stelle an sich geeignet. Der Umstand, dass er womöglich – wie der Kläger moniert – über keine Qualifikation im Fach „Deutsch“ verfügt, für die Frage der grundsätzlichen Eignung für die Stelle nicht von Belang. Dies moniert nicht einmal der Kläger, der sich lediglich darauf beruft, besser geeignet gewesen zu sein, was – wenn nicht schon unstreitig – zu seinen Gunsten unterstellt werden kann. Da der Mitbewerber als Lehrer mit zwei Staatsexamen genereell im Fach Deutsch eingesetzt werden kann, bestand kein Bedürfnis für die Einstellung älterer Personen.

Die Frage, ob die Beklagte im Stellenbesetzungsverfahren konkurrentenrechtlich verpflichtet gewesen wäre, den Kläger einzustellen, ist im Rahmen eines Entschädigungsverlangens wegen Altersdiskriminierung unerheblich. Der Kläger wäre hier auf primär- oder sekundärrechtliche Ansprüche im Rahmen eines Konkurrentenverfahrens zu verweisen, die hier nicht streitgegenständlich sind. Ob die Beklagte damit ihre Entscheidung in Einklang mit der Bestenauslese getroffen hat – wie das Arbeitsgericht angenommen hat – oder hierzu überhaupt verpflichtet war, kommt es im Rahmen des § 15 Abs. 2 S. 1 AGG nicht an.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da er mit dem Rechtsmittel unterlegen ist.

IV. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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