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Anspruch auf Jubiläumsgeld nach 35 Jahren Beschäftigung

Arbeitsgericht: Jubiläumsgeld auch bei Austritt nach Vollendung der Beschäftigungszeit.

Eine Maschinenbedienerin klagte gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes in Höhe von 2.200 Euro für ihr 35-jähriges Dienstjubiläum. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis bereits zum Zeitpunkt des Jubiläums geendet habe. Die zuständige Kammer des Arbeitsgerichts wies den Einwand des Arbeitgebers zurück und gab der Klägerin Recht. Nach Auffassung des Gerichts steht der Anspruch auf das Jubiläumsgeld nur die Vollendung der Beschäftigungszeit durch den Beschäftigten und damit den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt voraus. Da die Klägerin die Beschäftigungszeit von 35 Jahren erfüllte und das Arbeitsverhältnis bei Vollendung noch bestand, ist der Anspruch auf das Jubiläumsgeld entstanden und fällig geworden. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Tag der Fälligkeit war nicht erforderlich. Das Jubiläumsgeld soll ausschließlich die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen und die Beschäftigungszeit honorieren, so die Begründung des Gerichts.


ArbG Siegen – Az.: 1 Ca 1155/21 – Urteil vom 09.06.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.200,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 2.200,00 EUR festgesetzt

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Jubiläumsgeldes.

Anspruch auf Jubiläumsgeld nach 35 Jahren Beschäftigung
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die Klägerin war vom 01.09.1986 bis einschließlich 31.08.2021 als Maschinenbedienerin bei der Beklagten gegen eine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.971,- EUR beschäftigt.

Bei der Beklagten gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung (Bl. 13-14 GA), die – soweit hier von Interesse – folgenden Inhalt hat:

„(…)

2. Zahlung eines Jubiläumsgeldes

Bei den nachstehenden Dienstjubiläen erhält ein Mitarbeiter ein Jubiläumsgeld in Höhe von

– bei 10-jährigen 300,- EUR

– bei 25-jährigen 1.500,- EUR

– bei 35-jährigen 2.200,- EUR

(…) brutto.

3. Sonderurlaub

Ab dem 25-jährigen Dienstjubiläum erhält jeder Mitarbeiter einen Tag Sonderurlaub für die Jubilarehrung durch die Geschäftsleitung.

4. Ehrennadel

Zusätzlich erhalten Mitarbeiter mit Dienstjubiläum von 25 und mehr Dienstjahren eine Ehrennadel des Unternehmens. (…)

(…)“

Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2021 (Bl. 16-17 GA) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten erfolglos die Zahlung eines Jubiläumsgeld für ein 35-jähriges Dienstjubiläum nach der Gesamtbetriebsvereinbarung geltend.

Mit ihrer am 08.11.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren gerichtlich weiter. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Das Arbeitsverhältnis habe – unstreitig – genau 35 Jahre bestanden. Damit habe sie die Voraussetzungen für die Zahlung des begehrten Jubiläumsgeldes erfüllt. Aus dem Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung ergebe sich nichts anderes. Das Wort „nachstehend“ beziehe sich auf die im Text anschließende Staffelung. Im Text der Gesamtbetriebsvereinbarung werde nicht differenziert zwischen Dienstjubiläum und Dienstzeit. Ziffer 4 stelle ausdrücklich auf Dienstjahre ab. Aus der Jubiläumsliste folge nichts für die Auslegung und das Verständnis der Gesamtbetriebsvereinbarung. Der Beschäftigungszeitraum berechne sich nach den §§ 187, 188 BGB. Danach sei unerheblich, ob noch am Tag der Fälligkeit ein Arbeitsverhältnis bestehe. Zudem habe der frühere Personalleiter der Klägerin bestätigt, dass ihr das Jubiläumsgeld bei Austritt am 31.08.2021 zustehe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 2.200,- EUR an die Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes. Zum Zeitpunkt des Dienstjubiläums habe die Klägerin nicht mehr im Arbeitsverhältnis bei ihr gestanden. Die Gesamtbetriebsvereinbarung stelle nicht auf die Vollendung einer bestimmten Beschäftigungszeit ab, sondern auf das Dienstjubiläum selbst, so auch in den Ziffern 3) und 4). Das Dienstjubiläum der Klägerin wäre erst am 01.09.2021 gewesen. Jubiläen würden zudem jährlich im Vorhinein im Intranet der Unternehmensgruppe veröffentlicht. Seit Jahren erfolge die Veröffentlichung wie in Anlage B1 (Bl. 29-31 GA). Immer sei das Jubiläum der Tag nach Vollendung der entsprechenden Betriebszugehörigkeit, wodurch allen Mitarbeitern deutlich werde, dass man für den Genuss des Jubiläums am Jubiläumstag noch angestellt sein müsse. Am 01.09.2021 sei erst der Jubiläumstag gewesen und die Zahlung da erst nach § 271 BGB fällig geworden. Das Arbeitsverhältnis müsse also für den Anspruch am Fälligkeitstag noch bestehen, was vorliegend nicht der Fall sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 09.06.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Zahlungsklage ist zulässig. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht und wurden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

II.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß Ziffer 2 der freiwilligen Betriebsvereinbarung Nr. G02/2005 einen Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Jubiläumsgeldes in Höhe von 2.200,- EUR brutto.

1. Ziffer 2 der freiwilligen Betriebsvereinbarung Nr. G02/2005 bestimmt, dass ein Mitarbeiter bei den nachstehenden Dienstjubiläen ein Jubiläumsgeld in Höhe von – bei 35-jährigen – 2.200,- EUR brutto erhält.

2. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind erfüllt.

a) Die Klägerin war durchgehend 35 Jahre bei der Beklagten beschäftigt, nämlich vom 01.09.1986 bis einschließlich 31.08.2021. Der Zeitraum von 35 Jahren wird nach § 187 II 1 iVm. § 188 II BGB berechnet. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses fällt mit dem Beginn des Tages zusammen, der als Beginn des Arbeitsverhältnisses vertraglich vereinbart ist (BAG v. 02.11.1978 – 2 AZR 74/77 – BAGE 31, 121; BAG v. 27.06.2002 – 2 AZR 382/01 – BAGE 102, 49). Die Jahresfrist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Demnach hat die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis am 01.09.11986 begonnen hatte, mit Ablauf des 31.08.2021, d.h. am 31.08.2021, 24:00 Uhr, eine 35-jährige Beschäftigungszeit vollendet. Das Arbeitsverhältnis endete erst zusammen mit der Vollendung der Beschäftigungszeit (zum Ganzen BAG v. 09.04.2014 – 10 AZR 635/13 – NZA 2014, 1038).

b) Mit Vollendung der maßgeblichen Beschäftigungszeit entsteht der Anspruch und wird fällig. Die Fälligkeit tritt mit einem bestimmten Tag ein. Das ist nicht der letzte Tag der Frist, da dieser Tag erst beendet sein muss, sondern der folgende Tag. Dieser Tag wird auch als „Jubiläumstag“ bezeichnet (zum Ganzen BAG v. 09.04.2014 – 10 AZR 635/13 – NZA 2014, 1038).

c) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass am Tag der Fälligkeit kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen den Parteien bestand. Die Auslegung der Betriebsvereinbarung ergibt, dass der Anspruch auf das Jubiläumsgeld nur die Vollendung der Beschäftigungszeit durch den Beschäftigten und damit den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt voraussetzt. Bei Fälligkeit des Anspruchs am Folgetag muss kein Arbeitsverhältnis mehr bestehen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung von Betriebsvereinbarungen den Regeln über die Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist daher zunächst vom Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine praktische Übung ergänzend herangezogen werden. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berück-sichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, welche zu einer vernünftigen, sach-gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 – DB 2004, 260).

bb) Wenn „Mitarbeiter“ eine Zahlung erhalten, kann das zwar bedeuten, dass die Zahlung am Tag der Fälligkeit nur von dann noch Beschäftigten verlangt werden kann. Zwingend ist das aber nicht. Maßgebend sind vielmehr die Anspruchsvoraussetzungen gemäß der jeweiligen Regelung. Ist die hiernach von dem Beschäftigten geforderte Leistung erbracht, steht ihm die Gegenleistung unabhängig davon zu, ob er bei Fälligkeit noch in einem Arbeitsverhältnis steht. So kann z. B. der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung oder Entgeltfortzahlung nach den §§ 611, 615 BGB oder § 3 EFZG selbstverständlich auch dann verlangen, wenn das Vertragsverhältnis bei Fälligkeit (§ 614 BGB) nicht mehr besteht; das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist Anspruchsvoraussetzung nur für die Zeit, für die der Anspruch geltend gemacht wird (zum Ganzen BAG v. 09.04.2014 – 10 AZR 635/13 – NZA 2014, 1038). Dass der „Mitarbeiter“ das Jubiläumsgeld erhält, ist nicht als Anspruchsvoraussetzung, sondern eher als Rechtsfolge formuliert. Zwar ist ein Jubilar in der Regel am „Jubiläumstag“ noch Beschäftigter; die Bezeichnung als „Mitarbeiter“ kann sich aber mindestens ebenso gut auf den dann schon abgeschlossenen Tatbestand der vollendeten Beschäftigungszeit beziehen.

cc) Nach Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung reicht die Vollendung der maßgeblichen Beschäftigungszeit für den Anspruch auf Jubiläumsgeld aus. Die Regelung bezweckt ausschließlich, eine bestimmte Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers zu honorieren. Es geht um die Belohnung der besonderen Betriebstreue zum Arbeitgeber, die darin besteht, dass der Beschäftigte im unterstellten Interesse des Arbeitgebers die Freizügigkeit und die Chancen des Arbeitsmarkts nicht in Anspruch nimmt, sondern das Arbeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber während einer besonders langen Zeitspanne aufrechterhält. Dann erscheint es nicht folgerichtig, noch nach Erfüllung der Beschäftigungszeit, wenn auch nur für kurze Zeit, den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu fordern. Der Anspruch des Beschäftigten nach der Betriebsvereinbarung auf ein Jubiläumsgeld bei Vollendung einer bestimmten Beschäftigungszeit setzt nicht voraus, dass das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht (zum Ganzen BAG v. 09.04.2014 – 10 AZR 635/13 – NZA 2014, 1038).

dd) Ziffer 3 und 4 geben für die Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen des Jubiläumsgeldes nach Ziffer 2 keine durchgreifenden Hinweise, da es dort um andere Ansprüche geht.

3. Der Anspruch auf Prozesszinsen besteht nach § 291 iVm. § 288 I 2 BGB ab dem Tag nach Zustellung der Klage (vgl. BAG v. 16.05.2017 – 9 AZR 377/16 – NZA 2017, 1129; BAG v. 20.09.2016 – 3 AZR 411/15 – NZA 2017, 258; BAG v. 13.05.2015 – 10 AZR 495/14 – BAGE 151, 331).

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen (§ 291 Satz 1 BGB). Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§§ 291 Satz 2, 288 I 2 BGB).

Rechtshängigkeit ist mit Zustellung der Klage eingetreten / jeweils mit Zustellung der Klageerweiterungen eingetreten, § 261 II ZPO. Erst ab dem Tag danach beginnt für die jeweils anhängig gemachten Beträge die Verzinsung (BAG v. 11.10.2017 – 5 AZR 621/16 – NZA 2017, 1598; BAG v. 19.08.2015 – 5 AZR 1000/13 – BAGE 152, 221).

Die Zustellung der Klage erfolgte ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 21 GA) am 15.11.2021.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO iVm § 46 II 1 ArbGG.

Als unterliegender Teil hat die Beklagte die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

2. Der nach § 61 I ArbGG in jedem Urteil festzusetzende Streitwert ergibt sich aus der Höhe des Zahlungsantrages.

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