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Anwendbarkeit des KSchG – Darlegungs- und Beweislast

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 9 Sa 45/12 – Urteil vom 03.08.2012

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2011, Az.: 1 Ca 1483/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungserklärungen der Betreuerin der Beklagten in Gesundheitsfragen vom 22.7.2011 und 28.7.2011, der Klägerin am 28.7.2011 zugegangen, mit ordentlicher Frist zum 31.8.2011 oder jedenfalls durch die außerordentliche Kündigung der beiden Betreuer der Beklagten vom 3.9.2011 aufgelöst worden ist. Insbesondere ist zwischen den Parteien streitig, ob auf das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der sog. Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

Die Beklagte ist am 21.02.1912 geboren. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mainz wurden für sie zwei Betreuer bestellt. Nachdem die Klägerin zunächst als Pflegerin eines Pflegeunternehmens die Beklagte betreut hatte, wurde sie von deren Betreuer mit Arbeitsvertrag vom 25.06.2009 (Bl. 7 d.A.) mit Wirkung zum 15.06.2009 als Pflegehilfskraft mit monatlich 100 Stunden bei Steuerklasse I zu einem monatlichen Nettogehalt i.H.v. 1.000 € angestellt.

Mit Schreiben der Betreuerin, Frau Rechtsanwältin A., vom 28.07.2011 hat diese das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2011 gekündigt. In diesem Schreiben wird auf eine weitere, inhaltsgleiche Kündigung mit einem Schreiben vom 22.7.2011 verwiesen. Dieses ging der Klägerin ebenfalls erst am 28.7.2011 zu. Sodann haben die Betreuer das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 03.09.2011 außerordentlich gekündigt.

Mit ihrer am 16.8.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendete sich die Klägerin gegen die ordentlichen Kündigungen gemäß Schreiben der Betreuerin der Beklagten vom 28. und 22.7.2012 und klageerweiternd mit Schriftsatz vom 26.9.2011 gegen die außerordentliche Kündigung. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26.09.2011 die ordentlichen Kündigungen wegen mangelnder Vollmacht bzw. Vollmachtsvorlage zurückgewiesen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Anzahl der bei ihr regelmäßig tätigen Arbeitnehmer wie folgt angegeben:

S. G.  Vollzeit 1

C.    25 Wochenstunden 0,75

J.A.    30 Wochenstunden 0,75

F. U.  Minijob 0,5

B.H.   Minijob 0,5

P. R.  Minijob 0,5

M. C.  Minijob 0,5

T.M.  Vollzeit  1

Z. A.  Vollzeit 1

D. A.  15 Wochenstunden 0,75

Z. S.  5 Wochenstunden 0,5

K.P.   Lediglich Jan. und Feb. 2011 Krankheitsvertretung und Nachtwache 0,75

U.W.   Minijob 0,5

Die Klägerin ist der Auffassung, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung, da die regelmäßige Beschäftigtenzahl im Betrieb des Beklagten mehr als 14 Personen, davon mindestens 10 Personen in Vollzeit, betrage.

Sie hat erstinstanzlich geltend gemacht, entgegen der arbeitsvertraglichen Regelungen sei sie selbst tatsächlich regelmäßig mehr als 40 Stunden eingesetzt und in Nachtschichten beschäftigt worden.

Auch die Angestellte A. J. arbeite regelmäßig mehr als 30 Wochenstunden. Das gleiche gelte für die Mitarbeiterin A. D.. Weiterhin arbeite eine Frau B. regelmäßig für die Beklagte, ebenso wie eine bulgarische Reinigungskraft. Letztere sei mit mindestens 0,75 zu berücksichtigen, da sie mehr als 20 Stunden arbeite.

Sie bestreite, dass der Mitarbeiter P. lediglich im Frühjahr eingesetzt worden sei.

Unter Berücksichtigung der von der Beklagten selbst anerkannten Arbeitnehmer ergebe sich mithin eine Mitarbeiterzahl von zumindest 11 Personen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgericht Mainz vom 16.11.2011, Az. 1 Ca 1483/11 (Bl. 70 ff. d.A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und -zusammengefasst- zur Begründung ausgeführt:

Auch unter Berücksichtigung der Regeln der abgestuften Darlegungslast habe die Klägerin nicht ausreichend dargetan, dass die Beklagte regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des KSchG beschäftige und somit vorliegend das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde.

Die Beklagte beschäftige unstreitig mindestens drei Mitarbeiter in Vollzeit, nämlich Herrn G., Frau M. sowie Frau Z.. Darüber hinaus beschäftige die Beklagte unstreitig sechs Arbeitnehmer mit 0,5, nämlich die Mitarbeiter F., B., Pe., Mo., Za. und W., so dass sich zunächst eine Mitarbeiterzahl von 6 ergäbe. Es könne weiterhin zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Mitarbeiterin D., wie von der Beklagten zunächst selbst angeben, mit 0,75 zu berücksichtigen sei, so dass von 6,75 Personen auszugehen sei, nach der Behauptung der Klägerin betreffend Frau D. sogar von 7 Personen. Ebenfalls könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass Frau J. ebenfalls als Vollzeitbeschäftigte zähle, womit sich unter Berücksichtigung der Klägerin selbst mit 0,75 eine Mitarbeiterzahl von 8,75 ergäbe.

Soweit die Klägerin bzgl. sich selbst behauptet, sie sei mit 1 zu berücksichtigen, handelt es sich dabei um eine Behauptung ihrer eigenen Wahrnehmung, so dass sie insoweit die volle Darlegungslast treffe. Hierfür reiche unter Berücksichtigung der Regelungen des Arbeitsvertrages ihre pauschale Behauptung einer höheren Stundenzahl nicht aus. Bzgl. des Mitarbeiters P. habe die Beklagte substantiiert behauptet, dass dieser lediglich kurzfristig, nämlich in den Monaten Januar und Februar 2011 eingesetzt gewesen sei. Da auch dies in der eigenen Kenntnis der vom 15.06.2009 bis 31.08.2010 bei der Beklagten beschäftigten Klägerin gelegen habe, genüge ihr einfaches Bestreiten nicht. Soweit die Klägerin zudem eine bulgarische Reinigungskraft angeführt und behauptet habe, diese arbeite mit mehr als 20 Stunden/Woche, sei dieser Sachvortrag ebenfalls sowohl bzgl. des Namens dieser Mitarbeiterin als auch bzgl. der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses und auch bzgl. ihres wöchentlichen Arbeitsumfanges unsubstantiiert. Da die Beklagte insoweit eine solche Beschäftigung bestreite, sei sie damit ihrer abgestuften Darlegungslast nachgekommen. Soweit die Klägerin darüber geltend gemacht habe, eine Frau A. sei für die Beklagte tätig geworden, habe die Beklagte dies ebenfalls substantiiert bestritten, in dem sie unter Beweisantritt behauptet habe, die Treppenhaus- und die Grundreinigung der Wohnung sei an den Hausmeisterservice B. in M. fremdvergeben worden. Bei der genannten Frau B. handele es sich wohl um dessen Ehefrau, die aber aus den vorgenannten Gründen in keinem Anstellungsverhältnis mit ihr – der Beklagte – stehe. Damit verbleibe es bei 8,75 Mitarbeitern. Selbst wenn aber zugunsten der Klägerin eine vollzeitige Beschäftigung der Frau B. bei der Beklagten unterstellt werde, ergäbe sich eine Arbeitnehmeranzahl von 9,75, mithin nicht mehr als 10.

Auch eine Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigungen wegen mangelnder Vollmacht oder mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde scheide aus, da die Kündigung von der amtlich bestellten Betreuerin erfolgt und eine Zurückweisung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht im Sinne des § 174 BGB unverzüglich erfolgt sei.

Da somit das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung mit dem 31.8.2011 geendet habe, komme es auf die außerordentliche Kündigung vom 3.9.2011 nicht mehr an.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 25.12.2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 23.1.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 27.2.2012 bis zum 26.3.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 23.3.2012, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 26.3.2012, begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes und des weiteren, am 31.7.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes, auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 120 ff., 158 ff. d.A.), im Wesentlichen geltend:

Die ordentlichen Kündigungen hätten von beiden Betreuern ausgesprochen werden müssen, da diese die Beklagte nur gemeinsam vertreten könnten. Sie seien also von der Genehmigung des zweiten Betreuers abhängig gewesen, die vor Zurückweisung der Kündigungen mit Schriftsatz vom 26.9.2012 nicht erfolgt sei.

Das Arbeitsgericht habe die Darlegungslast der Klägerin hinsichtlich der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter und deren geleisteter Arbeitszeit überspannt. Eine weitergehende Substantiierung ihres Sachvortrags sei ihr nicht möglich gewesen. Das Arbeitsgericht habe daher fehlerhaft eine Beweisaufnahme unterlassen. Zu berücksichtigen seien 6 Vollzeitkräfte (Klägerin, G., J. Me., Zi. und D.), 4 Arbeitnehmer mit 0,5 (Za., Mo., Pa., Pe.) sowie 3 Arbeitnehmer mit 0,75 Zeitanteil (F., B., Wa.). Hinzu kämen eine bulgarische Reinigungskraft und Frau B. mit 0,5 bzw. 0,75. Mit am 31.7.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin geltend gemacht, bei der bulgarischen Reinigungskraft handele es sich um Frau K., die nicht nur geputzt, sondern auch Nachtschichten in der Pflege wahrgenommen habe.

Soweit die Beklagte hinsichtlich der Bevollmächtigung der Betreuerin durch den weiteren Betreuer eine Vollmacht vorlege, sei diese nachträglich erstellt worden.

Gründe für eine außerordentliche Kündigung lägen nicht vor.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2011 – 1 Ca 1483/11 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 28.07.2012 noch durch die Kündigungen vom 27.07.2011 und 03.09.2011 beendet worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 27.4.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 144 ff. d.A.), als rechtlich und in den tatsächlichen Feststellungen zutreffend.

Die Berufungskammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 15.6.2012 Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Zeugen A. und B.. Auf die schriftlichen Aussagen (Bl. 153, 154) wird ebenso wie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich ausreichend- begründet.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die ordentlichen Kündigungserklärungen gemäß Schreiben der Betreuerin der Beklagten vom 22.7.2011 und 28.7.2011 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, mithin mit Ablauf des 31.8.2011 aufgelöst. Zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung bestand daher zwischen den Parteien schon kein Arbeitsverhältnis mehr, welches durch die Kündigung hätte aufgelöst werden können, so dass die Klage auch insoweit unbegründet ist.

1. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht schon aufgrund der Kündigung vom 22.7.2011 in Anwendung des § 7 i.V.m. § 4 Satz 1 KSchG beendet. Nach insoweit unbestrittener Behauptung der Klägerin ist ihr auch diese Kündigungserklärung erst am 28.7.2011 zugegangen, so dass die am 16.8.2011 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wahrte.

2. Die ordentlichen Kündigungen sind nicht wegen fehlender Vorlage einer Vollmacht auch des (zweiten) Betreuers bzw. unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Bevollmächtigung durch diesen nach § 174 Satz 1 BGB bzw. § 180 Satz 1 BGB unwirksam.

a) Die fehlende Vorlage einer Vollmachtsurkunde führt nach § 174 Satz 1 BGB nur zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn diese wegen des Fehlens der Vollmachtsurkunde unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) zurückgewiesen wird. Eine Zurückweisung erfolgte erstmals mit Schriftsatz der Klägerin vom 26.9.2011, also knapp 2 Monate nach Zugang der ordentlichen Kündigungen. Dies ist nicht mehr unverzüglich.

b) Soweit die Klägerin behauptet, die Betreuerin A. habe die Kündigungen ausgesprochen, ohne hierzu von dem weiteren Betreuer bevollmächtigt gewesen zu sein, führt dies ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen. Die Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht ist nichtig und nicht genehmigungsfähig, wenn der Kündigungsempfänger die fehlende Vertretungsmacht bei Vornahme des Rechtsgeschäfts beanstandet, die Kündigungsbefugnis leugnet, also die Kündigung aus diesem Grund zurückweist. Dies muss ebenfalls unverzüglich nach Zugang der Kündigung erfolgen (KR-KSchG/Friedrich, 9. Aufl., § 13 Rz. 354). Erfolgt eine solche Zurückweisung nicht, kann der Kündigungsberechtigte die Kündigung genehmigen, § 180 Satz 2 BGB, was auch konkludent erfolgen kann (KR-KSchG, aaO., Rz. 357 mwN.). Eine solche zumindest konkludente Genehmigung ist vorliegend vor Zurückweisung der Kündigung schon dadurch erfolgt, dass die Beklagte, vertreten durch den zweiten Betreuer, erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie durch ihren weiteren Betreuer die Kündigungen als ihrem Willen entsprechend billigt.

2. Die Kündigungen sind auch nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Sie sind in Anwendung des § 23 Abs. 1 KSchG nicht am Kündigungsschutzgesetz zu messen.

a) Der Arbeitnehmer trägt auch nach Heraufsetzung des sog. Schwellenwerts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 23 Abs. 1 KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes. Hierbei darf vom Arbeitnehmer allerdings nichts Unmögliches verlangt und die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt werden. Es gelten vielmehr folgende Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast:

Der Arbeitnehmer genügt zunächst seiner Darlegungslast – bei fehlender eigener Kenntnismöglichkeit – bereits durch die bloße Behauptung, der Arbeitgeber beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, sich vollständig über die Anzahl der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unter Benennung der ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erklären. Zu den Beweismitteln können Vertragsunterlagen, Auszüge aus der Lohnbuchhaltung, Zeugen usw. gehören. Hierzu muss daraufhin der Arbeitnehmer Stellung nehmen und Beweis antreten. Hat der Arbeitnehmer keine eigenen Kenntnisse über die vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen, kann er sich auf die sich aus dem Vorbringen des Arbeitgebers ergebenden Beweismittel stützen und die ihm bekannten Anhaltspunkte dafür vortragen, dass entgegen den Angaben des Arbeitgebers der Schwellenwert doch erreicht ist. Lediglich im Falle der Unergiebigkeit der daraufhin vom Gericht erhobenen Beweise (non liquet) trifft den Arbeitnehmer die objektive Beweislast (vgl. BAG 26.6.2008 -2 AZR 264/07- EzA § 23 KSchG Nr. 32). Es kommt damit für die dem Arbeitnehmer obliegende Darlegungslast darauf an, ob dieser eigene Kenntnismöglichkeiten hinsichtlich der neben ihm beschäftigten Arbeitnehmer und des zeitlichen Umfangs der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG hat oder nicht.

b) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerin und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme Folgendes:

Unstreitig sind 3 Vollzeitkräfte beschäftigt (G., Me. und Zi.). Die Berufungskammer hat zugunsten der Klägerin ferner unterstellt, dass auch die Mitarbeiter D. und J. vollzeitig tätig sind. Soweit die Klägerin allerdings sich selbst ebenfalls als Vollzeitkraft und nicht entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten und in Entsprechung zum im Arbeitsvertrag festgelegten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung mit 0,75 gewertet wissen will, ist ihr diesbezüglicher Sachvortrag auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend substantiiert. Bezüglich ihrer eigenen Person und des Umfangs der geleisteten Arbeit fehlen der Klägerin keine eigenen Erkenntnismöglichkeiten. Es wäre ihr ohne weiteres möglich, aufgrund eigener Wahrnehmung näher darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen sie von einem höheren als dem vereinbarten Arbeitszeitdeputat ausgeht. Als Zwischenergebnis ist also zunächst von 5,75 Arbeitnehmern auszugehen.

Wenn weiter zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Mitarbeiter F., B., W. nicht mit 0,5, sondern jeweils mit 0,75 zu berücksichtigen wären, ergäbe sich hieraus als Zwischenergebnis eine Mitarbeiterzahl von 8. Ferner wären als unstreitig mit jeweils 0,5 zählend zu berücksichtigen die Mitarbeiter Za., M. und Pe.. Ferner konnte zunächst zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass auch ein Mitarbeiter Pa. mit 0,5 zu berücksichtigen ist. Hieraus ergäbe sich ein Arbeitnehmerbestand von 10 Personen.

Da nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderlich ist, dass ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden, kam es darauf an, ob außer den oben genannten weitere Arbeitnehmer durch die Beklagte beschäftigt wurden.

Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, die Beklagte habe Frau B. beschäftigt, ist diese Behauptung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Beide Zeugen, auf die sich die Klägerin berufen hat, haben in ihren schriftlichen Aussagen diese Behauptung nicht bestätigt, sondern vielmehr bekundet, dass Frau B. die Ehefrau des Zeugen B. ist, der selbständig einen Hausmeisterservice betreibt und Frau B. dort und nicht bei der Beklagten als Arbeitnehmerin angestellt ist. Soweit Frau B. also in Räumlichkeiten der Beklagten tätig wurde, ist nicht erwiesen, dass dies als Arbeitnehmerin der Beklagten erfolgte. Vielmehr spricht nach den Zeugenaussagen alles dafür, dass dies im Rahmen der Beschäftigung bei der Firma ihres Mannes geschah.

Soweit die Klägerin sich auf den Einsatz einer bulgarischen Reinigungskraft beruft, hat sie keinerlei nähere Tatsachen dazu vorgetragen, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte sie zu dieser Behauptung gelangt. Die Beklagte hatte erstinstanzlich die aus ihrer Sicht bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer und die aus ihrer Sicht jeweils zu berücksichtigende Arbeitszeit benannt. Hinsichtlich der bulgarischen Reinigungskraft hat sie deren Einsatz bestritten. Ein substantiiertes Bestreiten war ihr ohne die Mitteilung von irgendwelchen weiteren Tatsachen zu der behaupteten Beschäftigung nicht möglich, zumal es sich um eine negative Tatsache handelt. Wenn die Klägerin eine solche Behauptung aufstellt, hätte sie auch mitteilen müssen, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte sie zu dieser gelangt.

Soweit die Klägerin erstmals mit dem am 31.7.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz diese Mitarbeiterin namentlich benennt und auf das Protokoll einer gerichtlichen Beweisaufnahme vom 31.5.2012 verweist, ist dieser Sachvortrag nach § 67 Abs. 4 ArbGG verspätet. Die Klägerin hat den genannten Schriftsatz erst 3 Tage vor dem weiteren Termin am 3.8.2012 bei Gericht eingereicht. Die Berücksichtigung dieses Sachvortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt, da dies ggf. eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin A. und damit einen weiteren Termin bedingt hätte. Zwar scheidet eine Verzögerung des Rechtsstreits aus, wenn das Gericht diese durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen verhindern, kann. Eine vorsorgliche Ladung der Zeugin war aber unter Berücksichtigung des zwischen Eingang des Schriftsatzes und Verhandlungstermin liegenden Zeitraums von nicht einmal 3 Tagen nicht möglich bzw. unzumutbar, zumal auch der Beklagten Gelegenheit einzuräumen war, hierzu Stellung zu nehmen. Gründe, die die Verspätung des Sachvortrags als nicht auf einem Verschulden der Partei im Sinne des § 67 Abs. 4 ArbGG erscheinen lassen, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Allein aufgrund des von der Klägerin nur auszugsweise vorgelegten Protokolls der in Bezug genommenen Zeugenaussage in dem anderen gerichtlichen Verfahren, konnte die Berufungskammer keine Überzeugung dahingehend gewinnen, dass die bulgarische Kraft als in der Regel beschäftigte Arbeitnehmerin im Sinne des § 23 Ans. 1 KSchG zu werten ist. Dem steht entgegen, dass nach dem vom Beklagtenvertreter in Kopie vorgelegten Haushaltsscheck diese nur im Zeitraum 1.3. bis 31.3.2010 beschäftigt war und sich auch die Aussage der Zeugin im anderen gerichtlichen Verfahren, auf die die Klägerin rekurriert, sich ausweislich des dortigen Beweisbeschlusses (Kopie Bl. 166 ff. d.A.) ebenfalls nur auf März 2010 bezieht. Aufgrund welcher Anhaltspunkte die Klägerin aber davon ausgeht, die genannte Mitarbeiterin sei auch zum Zeitpunkt der Kündigung noch als regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmerin anzusehen, teilt die Klägerin nicht mit.

III.

Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.

 

 

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