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Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel – dynamische Verweisung – Gleichstellungsabrede

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 24 Sa 1144/12 – Urteil vom 05.12.2012

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23.05.2012 – 4 Ca 1351/11 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Vergütung unter Zugrundelegung der letzten Lebensaltersstufe seiner Vergütungsgruppe nach Maßgabe des BAT-O zu zahlen.

Der 1964 geborene Kläger war seit dem 07.09.2001 bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Land Brandenburg, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging im Jahre 2006 gem. § 613a BGB auf die nicht tarifgebundene Beklagte über.

Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 07.09.2001 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifliche Vorschriften – (BAT-Ost) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung“.

Am 23.01.2007 schlossen die Parteien einen „Änderungsvertrag“, in dem es heißt:

„Der am 07.09.2001 geschlossene Arbeitsvertrag zuletzt geändert durch Änderungsvertrag oder Änderungskündigung am … wird wie folgt neu festgelegt:

§ 1

Herr P. L. wird befristet mit einer besonderen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden im A. Fachklinikum Brandenburg weiterbeschäftigt.

§ 2

Die Vergütung entspricht 93,75 vom Hundertsatz eines vollbeschäftigten Angestellten.

§ 3

Herr P. L. verpflichtet sich weiterhin 40 Stunden als wöchentliche Arbeitszeit zur erbringen und erwirbt damit einen Anspruch von 1 Tag, 2 h, 50 min Ausgleich pro Monat als Freizeitausgleich. Die Begründung eines solchen Anspruchs bleibt auch während einer Krankheit mit Lohnfortzahlung und der Inanspruchnahme von Erholungsurlaub, bei Gewährung von Schwerbehindertenurlaub und Bildungsurlaub bzw. bei tarifvertraglich geregelten Freistellungen bestehen.

Für Zeiten ohne Bezüge kürzt sich der Anspruch auf Ausgleichstage um 30 Minuten pro Arbeitstag.

§ 4

Für die Beantragung, Genehmigung und Inanspruchnahme von Ausgleichstagen, ist die Verfahrensweise zum Erholungsurlaub sinngemäß anzuwenden. Hierbei steht die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes im Vordergrund.

§ 5

In einem Kalenderjahr nicht genommene Ausgleichstage können noch bis zum 31. Juli des Folgejahres gewährt werden. Sollte dies in begründeten Einzelfällen aus dienstlichen Gründen bzw. wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich sein, kann dieser Zeitraum bis zum 30. September verlängert werden.

§ 6

Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen und Einmalzahlungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit tariflichen Anpassungen stehen werden in ungekürzter Höhe weiter gezahlt.

§ 7

Die übrigen Vereinbarungen des bisherigen Arbeitsvertrages bleiben unberührt.

§ 8

Die Änderung tritt mit Wirkung vom 01.02.2007 in Kraft und endet mit Ablauf des 31.01.2009. Danach gilt wieder der Arbeitsvertrag vom 07.09.2001.

§ 9

Die Arbeitnehmerin kann diesen Änderungsvertrag innerhalb von zwei Wochen nach

Unterschriftsleistung ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“

Der Kläger erhielt seit Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte im Oktober 2006 weiterhin Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1a zum BAT-O, zuletzt nach der Lebensaltersstufe für das 43. Lebensjahr.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die ihm gezahlte Vergütung altersdiskriminierend sei und er deshalb einen Anspruch auf Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe habe.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 01.06.2008 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b des Bundesangestelltentarifvertrages Tarifgebiet Ost (BAT-O) unter Zugrundelegung der Grundvergütung der Lebensaltersstufe nach vollendetem 45. Lebensjahr (letzte Lebensaltersstufe/Endgrundvergütung) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung könne in ihrem Fall nicht durch die Einräumung eines Anspruches auf Vergütungszahlung nach der höchsten Lebensaltersstufe beseitigt werden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.05.2012 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des EUGH und des BAG die tarifliche Regelung altersdiskriminierend sei und diese Ungleichbehandlung nur durch eine Anpassung nach oben beseitigt werden könne.

Gegen das ihr am 04.06.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.06.2012 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 04.09.2012 am 03.09.2012 begründet.

Sie trägt vor: Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der vom BAG entschiedene Sachverhalt von dem vorliegenden abweiche und deshalb eine andere rechtliche Beurteilung erfordere. Die Besonderheit sei, dass das Arbeitsverhältnis auf sie gemäß § 613 a BGB übergegangen sei und sie – anders als das Land Brandenburg als Rechtsvorgänger – keiner Tarifbindung unterliege. Sie habe die Anwendbarkeit des BAT-O nur geerbt, weshalb dieser bei ihr nur statisch gelte. Anders als im Falle des BAG könne sie den BAT-O nicht einfach ablösen. Eine Anpassung nach oben wäre daher bei ihr nicht nur vorübergehend, sondern würde dauerhaft wirken. Im Übrigen sei eine Anpassung nach oben zur Beseitigung der Diskriminierung nicht zwingend. Sie stelle einen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie dar. Sie führe auch zu einer finanziellen Überforderung.

Die Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist schon deshalb abzuweisen, weil zum streitgegenständlichen Zeitraum der BAT-O auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung mehr fand.

1. Bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 7. September 2001 handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des BAG.

a) Nach der früheren Rechtsprechung des BAG waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen (zu einer inhaltsgleichen Bezugnahmeklausel BAG 10. Dezember 2008 – 4 AZR 881/07 – Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Diese verweisen dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge. Jedoch führt der Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt des Wegfalls der Tarifgebundenheit galt. Diese Auslegungsregel wendet das BAG aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 18 mwN, BAGE 132, 261; 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).

b) Vorliegend handelte es sich ursprünglich um eine solche Gleichstellungsabrede.

Die Bezugnahme war keine statische, sondern eine dynamische Verweisung auf die jeweiligen in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge. Dafür spricht bereits der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Verweisung. Es fehlt an einer konkreten Benennung des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach einem bestimmten Datum oder einer nicht auf einen anderen, etwa einen Nachfolgetarifvertrag übertragbaren Bezeichnung. Vielmehr wird nicht nur auf den „BAT“, sondern ua. auch auf die „ändernden oder ersetzenden“ Tarifverträge verwiesen. Insbesondere durch solche Zusätze wird der Wille deutlich, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (BAG 19. September 2007 – 4 AZR 710/06 – Rn. 22 mwN, AP BGB § 133 Nr. 54 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 36). Zudem war der ursprüngliche Arbeitgeber, das Land Brandenburg, zur Zeit des Arbeitsvertragsschlusses tarifgebunden.

c) Damit ging das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem zur Zeit des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungsbestand auf die Beklagte über. Da sie zu diesem Zeitpunkt als Gleichstellungsabrede auszulegen war, galt das in Bezug genommene Tarifwerk des BAT-O mangels Tarifbindung der Beklagten nunmehr statisch.

2. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ist nach Abschluss des Änderungsvertrages im Jahr 2007 jedoch nicht mehr als Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des BAG auszulegen. Die Vertragsänderungen führen dazu, dass der Arbeitsvertrag in Bezug auf die Bezugnahmeklausel nunmehr als „Neuvertrag“ zu bewerten ist.

a) Bei den zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsverträgen handelt es sich um Formularverträge, die nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76; 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 24, BAGE 132, 261; 4. Juni 2008 – 4 AZR 308/07 – Rn. 30 mwN – juris).

b) Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln im Rahmen von Vertragsänderungen.

aa) Bei einer Änderung eines Altvertrages nach dem 1. Januar 2002 kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die Klausel im Änderungsvertrag zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der hieran beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 691/08 – Rn. 25, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75; 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 23 bis 25, BAGE 132, 261). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. für die Bewertung dieses Regelungsbeispiels BAG 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 49, BAGE 127, 185). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 25, aaO).

bb) Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BAG 19. 10. 2011 – 4 AZR 811/09 – AP Nr. 93 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag).

c) Danach sind die vom Kläger und der Beklagten vereinbarten Arbeitsvertragsänderungen hinsichtlich der Bezugnahmeklausel als „Neuvertrag“ anzusehen.

aa) Zwar beinhaltet der Änderungsvertrag vom Januar 2007 keinen ausdrücklichen noch sonst sich aus dem Vertragstext erschließenden Abänderungs- oder Neufassungsgehalt hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom September 2001. Änderungsgegenstand ist im Kern die Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden.

bb) Den vereinbarten Änderungen lassen sich jedoch Anhaltspunkte dafür entnehmen, die Parteien gingen – jedenfalls nunmehr – von einer unbedingten zeitdynamischen Verweisung auf die im Arbeitsvertrag vom September 2001 genannten Tarifverträge aus.

(1) Ein solcher Anhaltspunkt ist zunächst die Abrede in § 8 des Änderungsvertrags. Der Wortlaut: „Die übrigen Vereinbarungen des bisherigen Arbeitsvertrages bleiben unberührt“ ist dahin auszulegen, dass die Vertragsparteien die gesamten weiteren Regelungen in ihrem Arbeitsvertrag vom September 2001 zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht haben. Mit der Klausel wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass mit Ausnahme der befristeten Arbeitszeitreduzierung ausdrücklich an den anderen im Arbeitsvertrag vom September 2001 enthaltenen Abreden, also auch der Jeweiligkeitsklausel, festgehalten werden sollte. Bezugspunkt der vertraglichen Regelungen im Änderungsvertrag aus dem Jahr 2007 sind daher – anders als im Fall des BAG im Urteil vom 19. 10. 2011 (a.a.O.) – „die“ vertraglichen Abreden aus dem Jahr 2001 insgesamt und nicht nur die „bisherigen Arbeitsbedingungen“, bei denen es verbleiben soll.

(2) Aus dem Wortlaut einer weiteren Regelungen des Änderungsvertrages ergibt sich ebenfalls nicht der Fortbestand der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede, sondern ein weiterer Anhaltspunkt für eine rechtsgeschäftliche Willensbildung der Vertragsparteien auch hinsichtlich der Bezugnahmeklausel. Die Parteien haben sich in § 6 des Änderungsvertrags ausdrücklich auf „tarifliche Anpassungen“ bezogen, die „in ungekürzter Höhe weiter“ zu zahlen seien. Dass die Parteien solche „Anpassungen“ – mit denen nur die Ablösung bestehender durch zeitlich nachfolgende Entgelttarifverträge gemeint sein kann – unterstellt haben, ist ein erheblicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien trotz des Betriebsübergangs die Bezugnahmeklausel als zeitdynamisch gewollt und damit die Zeitdynamik in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung aufgenommen haben.

(3) Anders als im Fall des BAG im Urteil vom 19. 10. 2011 haben die Parteien im Änderungsvertrag nicht den BAT (O) erwähnt. Damit haben die Parteien gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass es aus ihrer Sicht nicht zu einer unbedingten zeitdynamischen Anwendung der in Bezug genommenen Tarifwerke und ihrer Nachfolgeregelungen gekommen sei oder in Zukunft kommen solle.

(4) Der Regelungszweck der Änderungsvereinbarung führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Anlass der Änderungsvereinbarung war die vorübergehende Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Kläger. Anlässlich dieses begrenzten Änderungsgegenstandes hätte es keiner weiteren vertraglichen Regelungen der Parteien zum sonstigen Inhalt ihres Arbeitsvertrags bedurft. Wenn die Parteien angesichts dieser Rechtslage dennoch in § 2 der Änderungsvereinbarung ausdrücklich eine weitere Regelung hinsichtlich der übrigen Vereinbarungen ihres Arbeitsvertrags aufnehmen, so spricht dies dafür, dass der gesamte restliche Vertragsinhalt – einschließlich der Bezugnahmeklausel – ebenfalls inhaltlich überprüft und damit zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht geworden ist.

(5) Schließlich ist auch der Wortlaut der Präambel des Änderungsvertrags („Der am 07.09.2001 geschlossene Arbeitsvertrag … wird wie folgt neu festgelegt) ein Indiz dafür, dass der gesamte ursprüngliche Arbeitsvertrag in die Willensbildung der Parteien aufgenommen wurde.

cc) Entgegen der Rechtsprechung anderer Kammern des Gerichts (LAG Berlin-Brandenburg 21.12.2011 – 23 Sa 1595/11 – nv., LAG Berlin-Brandenburg vom 22.02.2012 – 4 Sa 2046/11 nv.; LAG Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2012 – 20 Sa 2618/11 – n.v.) kann aus der Befristung des Änderungsvertrags nicht geschlossen werden, dass die Bezugnahmeklausel des Ausgangsvertrags nicht Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung war. Die in § 7 des Änderungsvertrags vereinbarte Befristung bezieht sich ausschließlich auf die Änderung der Arbeitszeit, wie sich aus § 1 des Änderungsvertrags ergibt. In Bezug auf § 2 ergibt eine Befristung hingegen keinen Sinn, da die sonstigen vertraglichen Regelungen gerade nicht abgeändert, sondern – unbefristet – weiter gelten sollten.

Aber auch wenn man § 7 dahin verstünde, dass die gesamte Vereinbarung lediglich befristet gelten sollte, stünde dies der Bewertung der Arbeitsvertragsänderung hinsichtlich der Bezugnahmeklausel als „Neuvertrag“ nicht entgegen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Parteien auch im Rahmen ihrer befristeten Änderung des Arbeitsvertrags ausdrücklich in § 2 zum Ausdruck gebracht haben, an den weiteren im September 2001 getroffenen Abreden festhalten zu wollen. Die Annahme eines Neuvertrags setzt nicht voraus, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis dauerhaft auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollen. Vertrauensschutz in den Bestand der ursprünglich vereinbarten Gleichstellung wird vielmehr dann schon verhindert, wenn die Parteien nach dem 1. Januar 2002 die in ihrem Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung machen.

dd) Dass die Beklagte in der Folgezeit auf das Arbeitsverhältnis des Klägers weiterhin den BAT-O in der Fassung vom 31. Januar 2003 angewendet hat, steht der vorliegenden Auslegung ebenfalls nicht entgegen. Die Beklagte ist ersichtlich davon ausgegangen, dass sich durch § 2 der Änderungsvereinbarung nichts an der statischen Wirkung der Verweisungsklausel änderte. Allerdings muss die rechtsgeschäftliche Willensbildung der Parteien nicht ausdrücklich darauf gerichtet sein, der als Gleichstellungsabrede auszulegenden Bezugnahmeklausel nunmehr wieder eine dynamische Wirkung zukommen zu lassen. Ist die Verweisungsklausel nach ihrem eindeutigen Wortlaut dynamisch gefasst und wird sie trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 von den Vertragsparteien erneut bestätigt, ohne dass die Tarifbindung des Arbeitgebers explizit zur Bedingung für die dynamische Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gemacht wird, rechtfertigt dies die Gewährung des Vertrauensschutzes nicht mehr. Die erneute rechtsgeschäftliche Willensbildung hindert die unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gewährte Rechtsfolgenkorrektur. Die Gewährung des Vertrauensschutzes und die damit einhergehende Rechtsfolgenkorrektur unterliegen nicht der Disposition der Vertragsparteien. Daher muss den Parteien bei Abschluss des Änderungsvertrags auch nicht bewusst gewesen sein, dass durch ihre erneute vertragliche Bestätigung der Bezugnahmeklausel die in der Klausel angelegte tarifliche Dynamik wieder „auflebt“ (LAG Berlin-Brandenburg vom 1.11.2012 – 25 Sa 1147/12 -).

d) § 2 des Arbeitsvertrags galt damit jedenfalls ab dem 1. Februar 2007 wieder zeit- und inhaltsdynamisch. Werden – wie vorliegend – in einer vertraglichen Bezugnahmeklausel ausdrücklich auch die den BAT-O ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung genannt, ist – jedenfalls soweit nur die Anwendbarkeit des TV-L als einen den BAT-O/TdL ersetzenden Tarifvertrag in Frage steht – auch dieser Tarifvertrag erfasst (st. Rspr., ausf. BAG 22. April 2009 – 4 ABR 14/08 – Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286 sowie 17. November 2011 – 5 AZR 409/10 – Rn. 15 mwN; 15. Juni 2011 – 4 AZR 563/09 – Rn. 38 mwN, EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 35). Dies ist vorliegend der Fall. Der TV-L ersetzte den BAT-O/TdL zum 1. November 2006 nach § 2 Abs. 1 Satz 1 iVm. Anlage 1 TVÜ-Länder Teil A Nr. 2 weitgehend.

3. Der Kläger konnte daher im Klagezeitraum nicht Vergütung nach Maßgabe des BAT-O verlangen. Die von den Parteien aufgeworfenen Fragen einer Altersdiskriminierung und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen – Vergütungsanspruch unter Zugrundelegung der letzten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe nach diesem Tarifwerk – waren nicht entscheidungserheblich.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

III. Im Hinblick auf die Divergenz zu der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2012 – 20 Sa 2618/11 – war für den Kläger die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

 

 

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