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Arbeitszeitkonto – Gleichbehandlungsgrundsatz

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 2 Sa 701/21 – Urteil vom 15.10.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 03.02.2021 – 4 Ca 713/20 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie das Arbeitszeitkonto des Klägers zu führen ist.

Der Kläger hat im Rahmen seiner beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel am 23. Oktober 2020 eingegangenen Klage beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu planen;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu führen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeitkonto des Klägers im IST mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten zu erfassen und zu buchen;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im IST mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten buchungsmäßig zu führen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu planen und auch nicht verpflichtet sei, das Arbeitszeitkonto des Klägers im IST mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zuzüglich eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten zu erfassen und zu buchen, weil auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig kraft individualvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V VKA) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finde. Danach gelte nach § 6 TVöD-V VKA, dass die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich betrage. Gemäß § 6 Abs. 7 TVöD-V VKA könne in der Zeit von 06:00 Uhr bis 20:00 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu 12 Stunden eingeführt werden, und zwar durch Betriebs-/Dienst-vereinbarung.

Im Anhang zu § 9 TVöD-V VKA heiße es im Abschnitt B:

„B. Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

(1) Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in den die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

(2) Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

(3) Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt.

…“

In § 9 TVöD-V heißt es:

„(1) Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten der Arbeitsleistung überwiegen. …

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 bedarf im Geltungsbereich eines Personalvertretungsgesetzes einer einvernehmlichen Betriebsvereinbarung. § 6 Abs. 9 gilt entsprechend. Im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegt die Anwendung dieser Vorschrift der Mitbestimmung im Sinne § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. …“

Nach § 10 Abs. 1 TVöD-V könne ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden und nach § 10 Abs. 2 könne festgelegt werden, ob das Arbeitszeitkonto im ganzen Betrieb eingerichtet werde.

Unter dem 20. Januar 2021 hätten die Betriebsparteien nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine Betriebsvereinbarung für die Dienstplanmonate Januar 2021 bis Dezember 2021 abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung finde auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Sie regele übergangsweise die arbeitsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Zwölf-Stunden-Dienste im Rahmen einer 48-Stunden-Woche. Nach § 1 Abs. 1 gelte diese Betriebsvereinbarung für die im Rettungsdienst tätigen Arbeitnehmer und Auszubildenden des Betriebes, ausgenommen die leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG.

Gemäß § 2 dieser Betriebsvereinbarung hätten die Betriebsparteien nach § 7 Abs. 3 Satz 1 ArbZG vereinbart, dass im Betrieb die tariflichen Regelungen des § 9 TVöD-V (VKA) Allgemeiner Teil und des Anhangs zu § 9 B. TVöD-V (VKA) Allgemeiner Teil in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

Nach § 2 Nr. 4 dieser Betriebsvereinbarung seien Bereitschaftszeiten im Sinne von Nr. 3 b Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer anderen von der Arbeitgeberin bestimmten Stelle zur Verfügung halten müsse, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig oder gegebenenfalls auf Anordnung aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwögen. Bereitschaftszeiten würden zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet. Bereitschaftszeiten würden innerhalb der täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen. Die Betriebsparteien seien sich darüber hinaus einig gewesen, dass die möglichen 12-Stunden-Schichten, bestehend aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit, als arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit gemäß den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gewertet würden.

Soweit der Kläger sich auf eine Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern Andreas Träger und Rene Zander berufe, habe er Tatsachen nicht vorgetragen, aus denen sich eine Gruppenbildung mit ihm ergebe. Sollte die Übereinstimmung in der Schwerbehinderung liegen, sei eine solche bei dem Arbeitnehmer Rene Zander nach seinem Vortrag ab dem 01. Januar 2021 nicht mehr zu bejahen. Damit wären lediglich der Kläger und Andreas Träger eine Gruppe. Diese Anzahl sei allerdings so gering im Verhältnis zu den übrigen Arbeitnehmern, dass kein Anspruch hergeleitet werden könne.

Im Übrigen gelte: Der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nur für Leistung, auf die auch ein rechtlicher Anspruch bestehe. Dies sei hier nicht der Fall.

Unter Berücksichtigung dieser Regelung sei festzustellen, dass die Beklagte das Arbeitszeitkonto des Klägers ordnungsgemäß plane und führe. Die Beklagte könne erfolgreich auf die Betriebsvereinbarung vom 19. Januar 2021 verweisen.

Dem Kläger stehe ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erfassen und Buchen von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten auf seinem Arbeitszeitkonto nicht zu. Dem stehe die Regelung vom 15. Mai 2019 nach der Anlage K 4 entgegen. Dort heiße es: „Insgesamt 20 Minuten statt bisher 6 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel“. Dies bedeute, dass dem Kläger 20 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel als Arbeitszeit zustünden.

Wegen der weiteren konkreten Ausführungen des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 03. Februar 2021 (Bl. 84 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 19. April 2021 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 18. Mai 2021 eingegangene und am 15. Juni 2021 begründete Berufung des Klägers.

Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz. Dabei weist er darauf hin, dass ihm eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch Bereitschaftszeit nicht zugewiesen werden könne gemäß dem Urteil des BAG vom 20.11.2018 – 9 AZR 328/18 -. Dies habe das erstinstanzliche Gericht vollständig unberücksichtigt gelassen.

Soweit das erstinstanzliche Gericht den Rechtsanspruch des Klägers aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz verneint habe, sei dies ebenfalls fehlerhaft. Er sei nach wie vor als schwerbehinderter Mensch mit den Arbeitnehmern Träger (schwerbehinderter Mensch) und Zander (ehemals schwerbehinderter Mensch) zu vergleichen, die beide nur eine 40-Stunden-Woche innerhalb der 5-Tage-Woche zu absolvieren hätten bzw. gehabt hätten.

Nach Erweiterung der Klage um einen weiteren Hilfsantrag beantragt der Kläger zuletzt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 03.02.2021 zum Gesch.-Z.: 4 Ca 713/20, die Beklagte zu verurteilen,

1. das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu planen;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu führen.

2. Das Arbeitszeitkonto des Klägers im Ist mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten zu erfassen und zu buchen;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Ist mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten buchungsmäßig zu führen.

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Ist mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. des Zeitanteils der tatsächlich angefallenen Zeiten für Umkleiden und Übergaben buchungsmäßig zu erfassen und zu führen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass die Klage bereits unzulässig, da zu unbestimmt sei. Der Kläger verlange nicht – was zulässig wäre – die konkrete Gutschrift oder Änderung, sondern eine allgemeine Änderung des Arbeitszeitkontos dergestalt, dass er vom Arbeitgeber verlange, wie dieser sein Arbeitszeitkonto zu führen habe.

Die Berufung des Klägers sei aber auch nicht begründet, da die Betriebsvereinbarung vom 20. Januar 2021 entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Dauer der Wochenarbeitszeit im Arbeitsvertrag der Parteien verändere.

Der Kläger erhalte eine Gutschrift von 20 Minuten pro Schicht und Übergabezeit beim Schichtwechsel. Dies gehe bereits aus der Vereinbarung vom 15. Mai 2019 hervor, die der Kläger als Anlage K 4 zu seinem Schriftsatz vom 12. Januar 2021 eingereicht habe. Dort heiße es:

„Im Vorgriff auf den Abschluss der BV 3006 durch die Einigungsstelle vereinbaren die Betriebsparteien ab dem 01.05.2019 als Übergangsregelung insgesamt 20 Minuten statt bisher 6 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel (die Gutschrift erfolgt wie bisher bei der 6-Minuten-Regelung).“

In der Betriebsvereinbarung vom 19. Januar 2021/20. Januar 2021 sei unter § 3 Ziffer 2 festgehalten: Die Vereinbarung vom 15. Mai 2019 zwischen den Betriebsparteien wird bis zum Abschluss der neuen BV 3006 in der Einigungsstelle angewandt. Die Beklagte habe damit die Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom 15. Mai 2019 und 19. Januar 2021/20. Januar 2021 erfüllt, denn es erfolge die Buchung einer Gutschrift von insgesamt 20 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2021 hat das Gericht den Kläger und den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass es – im Hinblick auch auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07. Oktober 2021, Seite 5 unten nicht ersehen könne, was der Kläger wolle, konkret, ob er im 12-Stunden-Schichtdienst oder im 8-Stunden-Tag beschäftigt werden wolle. Der Kläger hat dazu – insofern unprotokolliert – erklärt, dass er ebenso wie die beiden anderen schwerbehinderten Arbeitnehmer eine 12-Stunden-Schicht allerdings mit drei Schichten weniger im Monat im Arbeitszeitkonto geplant werden müsse. Bei der Beklagten gebe es fünf bis sieben schwerbehinderte Menschen bei insgesamt ca. 200 Arbeitnehmern.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 14. Juni 2021 (Bl. 107 ff. d. A.) sowie vom 23. September 2021 (Bl. 134 f. d. A.) und der Beklagten vom 18. August 2021 (Bl. 128 ff. d. A.) sowie vom 07. Oktober 2021 (Bl. 137 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 a, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

2.

In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist insbesondere nach den letzten Erörterungen in der mündlichen Verhandlung schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Das Ziel der Gleichbehandlung mit den beiden schwerbehinderten Arbeitnehmern hätte bereits konkret im Antrag gestellt werden müssen, der Kläger hat jedoch keinen derartigen Antrag auch nicht nach der Erörterung gestellt. Im Übrigen wäre dieser Anspruch auf Gleichbehandlung auch nicht begründet. Im Einzelnen:

a)

Die Klage ist im Hinblick auf den Hauptantrag und Hilfsantrag zu 1) in mehrfacher Hinsicht unzulässig. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung ist eine Klage auf Korrektur eines Arbeitszeitkontos dann hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antrag bestimmte konkrete Stunden aufführt, um die das Arbeitszeitkonto typischerweise ergänzt werden soll („Gutschriften“) (vgl. dazu nur BAG 18.03.2020 – 5 AZR 36/19 – zit. nach juris, Rz. 12; BAG 15.05.2019 – 7 AZR 397/17 – zit. nach juris, Rz. 11 jew. m.w.N.). Dem genügen die Anträge des Klägers nicht. Wie die Beklagte zu Recht meint, kann der Kläger von der Beklagten nicht eine generelle Planung nach seinen Wünschen verlangen, wie sie vorliegend in den Haupt- und Hilfsanträgen zu 1) vorgenommen werden soll, sondern nur eine konkrete.

b)

Der Antrag ist aber auch im Hinblick auf den nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg konkretisierten, aber nicht gestellten Gleichbehandlungsanspruch unzulässig. Im Hinblick auf die vom Kläger artikulierte Forderung, ihn in einer 12-Stunden-Schicht einzuplanen unter Abzug von drei Schichten wegen seiner Schwerbehinderung, wäre eine derartige Konkretisierung im Antrag nötig gewesen.

c)

Hinsichtlich der geforderten Gutschrift von 20 Minuten ist der Antrag zu 2) hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (siehe die oben benannte Rechtsprechung sowie BAG, 19.05.2021 – 5 AZR 572/20 – zu Umkleidezeiten und der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto).

3.

Unabhängig von der Zulässigkeit der Klage sind die Ansprüche aber auch nicht begründet. Es gibt keinen Gleichbehandlungsanspruch des Klägers mit dem einzigen anderen aktuellen Mitarbeiter, der nach seinem Vortrag eine Schichtenregelung in Form einer 12-Stunden-Schicht erhält, wovon er im Monat drei Schichten weniger leisten müsse, weil er schwerbehindert wie der Kläger sei. Den Anspruch auf Gutschrift in Höhe von 20 Minuten pro Arbeitstag für Umkleide- und Rüstzeiten hat die Beklagte erfüllt. Auch im Übrigen hat der Kläger keine weiteren Ansprüche, die seine Anträge stützen:

a) aa)

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. In jedem Fall erfordert der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer.

Im Bereich der Vergütung, also der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, in dem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt noch nicht den Schluss, diese Arbeitnehmer bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt nur dann vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt.

Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Es fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (vgl. dazu nur BAG, 13.02.2002 – 5 AZR 713/00 – zu II. 1. der Gründe mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

bb)

In Anwendung dieser Grundsätze, die auch für die Gutschriften auf Arbeitszeitkonten gelten, da eine Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto nichts anderes als eine Vergütungsregelung ist, besteht kein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung mit dem Arbeitnehmer Träger. Der Kläger sieht als gleiche Gruppe alle schwerbehinderten Arbeitnehmer an. Bei der Beklagten gibt es nach seinem Vortrag fünf bis sieben schwerbehinderte Mitarbeiter. Nur mit einem Arbeitnehmer hat die Beklagte aktuell aber eine derartige Schichtenregelung wie die von ihm begehrte getroffen. Der Kläger will daher die Begünstigung des einen Arbeitnehmers auf sich anwenden, worauf er nach den oben genannten Grundsätzen keinen Anspruch hat.

b)

Der Anspruch auf die Gutschrift von 20 Minuten für Umkleidezeiten und Rüstzeiten ist von der Beklagten erfüllt worden. Dabei ist es grundsätzlich richtig, dass der Kläger einen Anspruch auf eine derartige Gutschrift nach der Anlage K 4 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung hat. Die Beklagte bucht dem Kläger diese Gutschrift aber auch auf sein Arbeitszeitkonto (vgl. dazu nur den Schriftsatz der Beklagten vom 18.08.2021, S. 4 und die vom Kläger eingereichten Stundennachweise Bl. 7 und Bl. 9 d. A., aus denen der Zusatz von 0,33 Stunden = 20 Minuten hervorgeht).

c)

Die begehrten Ansprüche des Klägers ergeben sich aber auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen oder Regelungen.

aa)

Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf das zu seinen Gunsten ergangene Urteil des BAG vom 20.11.2018 – 9 AZR 328/18 – stützen. Denn danach wird nur festgestellt, dass der Kläger nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG in Verbindung mit Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) verpflichtet ist, innerhalb der von der Beklagten für den Rettungsdienst angeordneten Schichten eine täglich zehn Stunden übersteigende Arbeitszeit abzuleisten. Dies hat das BAG nicht nur im Tenor des Urteils festgestellt, sondern auch in der Begründung dergestalt, dass dies (nur) deshalb nicht möglich sei, weil die Beklagte die Kosten ihres Betriebes nicht überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts deckt (Rz. 17 ff. des Urteils).

bb)

Vorliegend gilt die Möglichkeit einer Ausweitung auf 12-Stunden-Schichten aber gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 ArbZG in Verbindung mit § 9 TVöD-V VKA in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom 19.01.2021/20.01.2021 (vgl. dazu die Betriebsvereinbarung in Kopie Bl. 77 bis 78 d. A.).

III.

Die Berufung des Klägers war daher gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

IV.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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