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Aufhebung einer Versetzung wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats

Betriebsrat verweigert Zustimmung: Folgen für Versetzungen im Unternehmen

Im Arbeitsrecht spielt die Mitbestimmung des Betriebsrats eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn es um die Versetzung von Arbeitnehmern geht. Eine Versetzung kann weitreichende Folgen für die Arbeitsbedingungen und die Position des Arbeitnehmers innerhalb der Unternehmensstruktur haben. Daher ist die Zustimmung des Betriebsrats nicht nur ein formaler Akt, sondern ein bedeutender Teil des Entscheidungsprozesses, der die Interessen der Arbeitnehmer schützt.

Die Frage, ob eine Maßnahme eine Versetzung darstellt und somit der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ist oft Gegenstand arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen. Hierbei sind die genaue Definition des Begriffs „Versetzung“, die Rolle der Organisationseinheiten und die Änderung der Arbeitsbedingungen von zentraler Bedeutung. Die Rechtsprechung hat hierzu Kriterien entwickelt, die im Einzelfall Aufschluss darüber geben, ob eine Versetzung vorliegt. Die Zustimmung des Betriebsrats ist dabei ein entscheidender Faktor, der über die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme entscheidet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 29 BV 288/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht München hat entschieden, dass Versetzungen von Arbeitnehmern ohne die Zustimmung des Betriebsrats rechtswidrig sind und aufgehoben werden müssen, wenn sie eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände darstellen.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Versetzung aufheben: Das Gericht ordnete die Aufhebung der Versetzungen zweier Arbeitnehmer an, da die Zustimmung des Betriebsrats fehlte.
  2. Mitbestimmungsrecht: Die Entscheidung betont das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Versetzungen gemäß § 99 BetrVG.
  3. Erhebliche Änderung: Eine Versetzung liegt vor, wenn die Zuordnung zu einer neuen Organisationseinheit und einem neuen Vorgesetzten eine erhebliche Änderung des Arbeitsbereichs darstellt.
  4. Ordnungsgeld angedroht: Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung des Gerichts droht ein Ordnungsgeld.
  5. Definition der Versetzung: Eine Versetzung im Sinne des BetrVG liegt vor, wenn sich der Arbeitsbereich des Arbeitnehmers wesentlich ändert.
  6. Kein grober Verstoß: Das Gericht erkannte keinen groben Verstoß der Antragsgegnerin an, da ihre Rechtsansicht vertretbar war, auch wenn das Gericht ihr nicht folgte.
  7. Wichtigkeit der Zustimmung: Unternehmen müssen die Zustimmung des Betriebsrats einholen, wenn Versetzungen die Arbeitsbedingungen signifikant ändern.
  8. Rechtsansicht des Unternehmens: Die Antragsgegnerin sah in der Umstrukturierung keine mitbestimmungspflichtige Versetzung, was das Gericht jedoch anders bewertete.

Rechtliche Grundlagen der Versetzung und Mitbestimmung

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Aufhebung von Versetzungen zweier Arbeitnehmer aufgrund fehlender Zustimmung des Betriebsrats, wie sie vom Arbeitsgericht München in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2019, Az.: 29 BV 288/19, festgelegt wurde. Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an der Frage, ob die Umstrukturierungen innerhalb eines Unternehmens, die zu einer neuen Zuordnung von Arbeitnehmern zu anderen Organisationseinheiten führten, ohne die Zustimmung des Betriebsrats rechtens waren.

Die Rolle des Betriebsrats bei Unternehmensreorganisationen

Die Antragsgegnerin, ein Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, hatte im Zuge einer internen Reorganisation bestimmte Arbeitnehmer aus ihren ursprünglichen Bereichen in neu geschaffene Organisationseinheiten versetzt. Diese Umstrukturierung betraf unter anderem die Abteilungen, die für die Infrastruktur und den Betrieb von Mobilfunkstandorten zuständig waren. Die Versetzungen erfolgten ohne die Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 99 und § 100 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), was den Kern des rechtlichen Problems darstellte.

Entscheidung des Arbeitsgerichts München zur Versetzung

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Interpretation dessen, was eine Versetzung im Sinne des BetrVG darstellt. Nach § 95 Abs. 3 BetrVG ist eine Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer eines Monats überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Frage war, ob die Zuordnung zu einer neuen Organisationseinheit unter einem anderen Vorgesetzten und mit neuen Kollegen eine solche erhebliche Änderung darstellt.

Das Arbeitsgericht München entschied, dass die Versetzungen der Arbeitnehmer He. und Mi. aus ihren ursprünglichen Bereichen in die neuen Organisationseinheiten eine erhebliche Änderung ihres Arbeitsbereichs darstellten. Dies begründete das Gericht damit, dass die Versetzungen nicht nur eine neue organisatorische Zuordnung, sondern auch eine Änderung der Arbeitsumgebung und der Vorgesetzten mit sich brachten. Das Gericht sah darin eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten war, und somit eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des BetrVG.

Auswirkungen des Urteils auf die Unternehmenspraxis

Das Gericht ordnete an, dass die Antragsgegnerin die Versetzungen aufheben und es unter Androhung eines Ordnungsgeldes unterlassen muss, die betroffenen Arbeitnehmer ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats in den neuen Bereichen einzusetzen. Diese Entscheidung basierte auf den Bestimmungen des § 101 BetrVG, der bei Zuwiderhandlungen gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats die Verhängung von Zwangsgeldern vorsieht.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend, da sie die Bedeutung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei organisatorischen Veränderungen unterstreichen. Unternehmen müssen bei der Planung von Umstrukturierungen die Zustimmung des Betriebsrats einholen, wenn die Maßnahmen die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter erheblich verändern.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eine zentrale Rolle im Arbeitsrecht spielen und dass die Versetzung von Arbeitnehmern ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats rechtswidrig ist. Dieses Urteil bestätigt die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und Beteiligung des Betriebsrats bei organisatorischen Entscheidungen, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter betreffen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Rolle spielt die „Zustimmung des Betriebsrats“ bei einer Versetzung nach dem BetrVG?

Die Zustimmung des Betriebsrats spielt eine entscheidende Rolle bei einer Versetzung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Deutschland. Der Betriebsrat ist ein unabhängiges Organ der Betriebsverfassung und gleichberechtigter Betriebspartner des Arbeitgebers. Er vertritt die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen der ihm durch das Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgaben.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern muss der Betriebsrat einer Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG zustimmen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor jeder Versetzung unterrichten und Auskunft über die Person der Beteiligten geben. Der Betriebsrat kann der Versetzung entweder zustimmen oder seine Zustimmung verweigern. Entscheidet sich der Betriebsrat für eine Verweigerung der Zustimmung, muss er mindestens einen der im Gesetz abschließend genannten Gründe (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BetrVG) anführen, auf die er seine Weigerung stützt.

Hat der Betriebsrat nicht zugestimmt und dies mit Blick auf obige Gründe plausibel erklärt, so muss der Arbeitgeber dies respektieren und darf sich keinesfalls über die Verweigerung hinwegsetzen. Der Arbeitgeber kann das Arbeitsgericht anrufen, um die Zustimmung durch richterlichen Beschluss herbeizuführen. Dann muss der Arbeitgeber aber beweisen, dass die vom Betriebsrat genannten Gründe nicht zutreffen.

Die Versetzung eines Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb eines Unternehmens bedarf regelmäßig der Zustimmung sowohl des Betriebsrats im abgebenden, als auch des Betriebsrats im aufnehmenden Betrieb. Die Versetzung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats.

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers die Zustimmung zur Versetzung ersetzen, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist (§ 103 Abs. 2 u. 3 BetrVG).


Das vorliegende Urteil

ArbG München – Az.: 29 BV 288/19 – Beschluss vom 16.12.2019

1.) Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers He. aus dem Bereich „TDIF“ in den Bereich „TCIO“ aufzuheben.

2.) Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers Mi. aus dem Bereich „TDRB-S“ in Bereich „TCII“ aufzuheben.

3.) Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, ohne durch den Beteiligten zu 1 vorherige – erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte – Zustimmung Herrn He. aus dem Bereich „TDIF“ in dem Bereich „TCIO“ einzusetzen, sofern nicht die Maßnahme aus sachlichen Gründen im Sinne von § 100 BetrVG dringend erforderlich ist.

4.) Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, ohne durch den Beteiligten zu 1 vorherige – erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte – Zustimmung Herrn Mi. aus dem Bereich „TDBR-S“ in dem Bereich „TCII“ einzusetzen, sofern nicht die Maßnahme aus sachlichen Gründen im Sinne von § 100 BetrVG dringend erforderlich ist.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Aufhebung zweier Versetzungen.

Der Antragsteller ist der in der Region S. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b BetrVG gebildete 11köpfige Betriebsrat.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Mobilfunk- und Telefonfestnetz und unterhält den Betrieb „Region S.“ mit einer regional zuständigen Leitung. Dort werden derzeit ca. 545 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Antragsgegnerin nutzt für den Betrieb ihres Mobilfunknetzes ca. 24.000 Basisstationen. Die dafür benötigten Grundstücks- und Dachflächen befinden sich teils in ihrem Eigentum, überwiegend aber sind die Flächen angemietet.

Um diese Flächen effizienter zu bewirtschaften, das Vertragsmanagement (Anmietung und Kauf von Grundstücken) effektiver zu gestalten und um weitere wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeiten (Vermietung an Drittschuldner, z.B. Werbetreibende) zu erschließen, wurde ein Bereich „Tower“ im Geschäftsführungsbereich Technik eingerichtet.

Dem Bereich sollten u.a. folgende Aufgaben zugewiesen werden: Standortakquisition; Management aller Mietverträge zu Mobilfunkstationen/Radio (An- und Vermietung); Standardisierung, Planung, Bau und Betriebssteuerung der passiven Infrastruktur (z.B. Maste, Antennenträger, Stromversorgung, Klimalösungen, etc.) für Mobilfunkstationen sowie Vermarktung verfügbarer Flächen (z.B. Antennen/ Nutzung durch Dritte).

Dem Bereich wurden u.a. nachfolgende Wirtschaftsgüter (Assets) zugeordnet; Maste/Türme, Antennenträger, Mietverträge und Grundstücke, Kabeltrassen, Container, Stromversorgungen und Klimalösungen der Mobilfunkstandorte, Sicherheitseinrichtungen an Mobilfunkstandorten, Einfriedungen.

Der Bereich „Tower“ sollte aus vorhandenen Organisationseinheiten, nämlich aus dem Bereich Network Deployment TD und dessen Abteilungen Network Infrastructure TDI, TDR-O, TDR-N, TDR-W, TDR-SW und TDR-S gebildet werden. Zudem wurden weitere Stellen aufgebaut und im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens besetzt.

Bisher erbrachten nachfolgende Abteilungen/Gruppen der betroffenen Bereiche folgende Leistungen:

Die Abteilung TDI war verantwortlich für die Akquisition von Technikstandorten (Radio, Fixed, Access) sowie das Portfoliomanagement aller in diesem Kontext geschlossenen Mietverträge. Zu den weiteren Aufgaben gehörten die Erstellung von Infrastrukturleitfäden, die Standardisierung von Infrastrukturkomponenten, die technische Bereitstellung von passiver Infrastruktur für zentrale Technikstandorte (Core/Kabel), das Projektmanagement für das Deployment von Core Systemen sowie das Management von Energiedaten, Miet- und Energiekosten (Gesamtnetz, d.h. Mobile, Fixed und Access).

Die regionalen Abteilungen TDR trugen die regionale Verantwortung von Network Deployment für die Themen Radio, Fixed und Access. D.h. jede Region verantwortete den Rollout in den Themen Radio, Fixed, Access. Im Einzelnen: Endezu-Ende Steuerung von Ausbau, Erweiterung und Ersatz von Radio Sites und Richtfunkanbindungen, Glasfaserund Coax-Ausbau inkl. Straßenbaumaßnahmen, Rollout für die regionale Überragungstechnik. Je Region verantwortete ein Stabsmitarbeiter die Belange Mobilfunk und Umwelt.

Von diesen Leistungen sollten künftig folgende Leistungen durch den Tower erbracht werden:

– Aus der Abteilung TDI: Akquisition von Technikstandorten (Radio) sowie das Port foliomanagement aller in diesem Kontext geschlossenen Mietverträge. Zu den weiteren Aufgaben gehörten die Erstellung von Infrastrukturleitfäden, die Standardisierung von Infrastrukturkomponenten (nur Radio), das Management von Energiedaten, Miet- und Energiekosten (nur Mobile Radio).

– Aus den regionalen Abteilungen TDR: Deployment für passive Infrastruktur (nur Radio). Im Einzelnen: Steuerung von Ausbau, Erweiterung und Ersatz von Radio Sites für den Teil der sog. passiven Infrastruktur.

Vor dem Hintergrund der Errichtung des Bereichs „Tower“ im Geschäftsbereich Technik ordnete die Antragsgegnerin verschiedene Arbeitnehmer des Betriebes „Region S.“ dem neuen Bereich „Tower“ zu, ohne den Antragsteller diesbezüglich nach § 99,100 BetrVG zu beteiligen.

Mit Email vom 01.05.2019 kündigte Herr D., Leiter Business HR d. Firma A. Region S., dies dem Antragsteller auch an:

„ Hallo zusammen,

mit Wirkung vom 01.05.2019 werden die in der beigefügten Transferliste aufgeführten Arbeitnehmer der Firma A. GmbH Region S. ohne Änderung ihrer Beschäftigungsbedingungen in den Bereich TC verlagert. In der Firma A. D. GmbH sind insgesamt 33 Arbeitnehmer von dieser Neuzuordnung erfasst.

Allen berührten Arbeitnehmern wird ein Orgkürzeländerungsschreiben über ihre jeweilige ESS Inbox eingestellt. Die Information zu diesem Vorgehen erhalten die Arbeitnehmer umgehend durch F.H. (vormals Bereichsleiter TD). Zudem wird F. in diesem Zuge eine All-Hands in der KW 18 ankündigen, in dem die Arbeitnehmer weiterführende Detailinformationen erhalten werden. …“

Der Email vom 01.05.2019 war folgende Transferliste angehängt:

Name

Vorname

Abteilung alt

Abteilung neu

Vorgesetzter neu

Die Arbeitnehmer Herr He. und Herr Mi. erhielten mit der o.g. Organisationsänderung auch einen disziplinarisch neuen Vorgesetzen, Herrn Me., der für die Bereiche TCIO und TCII zuständig war. Die disziplinarischen Führungsbefugnisse von Herrn Me. waren identisch mit den Befugnissen der ehemaligen Vorgesetzten der genannten Mitarbeiter, Herrn Re. und Herrn S.

Mit Email vom 08.05.2019 an die Antragsgegnerin wies der Antragsteller auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG hin, da sich für die Arbeitnehmer He. und Mi auch Aufgaben und Vorgesetzte verschöben. Zudem forderte der Antragsteller eine Ausschreibung der Stellen.

Der Antragssteller meint, die zum 01.05.2019 umgesetzten Änderungen des Organisationsbereichs für die Arbeitnehmer He. und Mi. seien mitbestimmungspflichtige Versetzungen, die die Antragsgegnerin aufheben müsse und für die sie die Zustimmung des Antragstellers einholen müsse. Mit der Zuordnung in neue Organisationseinheiten unter einem anderen Vorgesetzten, der über die Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse wie die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben und Leistungsbeurteilungen habe, sei eine erhebliche Änderung des Arbeitsregimes gegeben.

Die Handlungsweise der Antragsgegnerin stelle auch einen Verstoß nach § 23 Abs. 3 BetrVG dar, da die Antragsgegnerin die Rechtsprechung zur Herbeiführung eines „anderen Arbeitsregimes“ kennen müsse. Es sei daher von einem bewussten Handeln und großen Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG und einem entsprechenden Unterlassungsanspruch auszugehen.

Der Antragsteller beantragt zuletzt

1. Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers He. aus dem Bereich „TDIF“ in den Bereich „TCIO“ aufzuheben.

2. Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, die Versetzung des Arbeitnehmers Mi aus dem Bereich „TDRB-S“ in den Bereich „TCII“ aufzuheben.

3. Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es unter Androhung eines der Höhe nach vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen, ohne durch den Beteiligten zu1 vorherige – erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzt – Zustimmung Arbeitnehmer aus dem Bereich „TDIF“ in dem Bereich „TCIO“ einzusetzen, sofern nicht die Maßnahme aus sachlichen Gründen im Sinne von § 100 BetrVG dringend erforderlich ist.

4. Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es unter Androhung eines der Höhe nach vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen, ohne durch den Beteiligten zu1 vorherige – erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzt – Zustimmung Arbeitnehmer aus dem Bereich „TRDB-SF“ in dem Bereich „TCII“ einzusetzen, sofern nicht die Maßnahme aus sachlichen Gründen im Sinne von § 100 BetrVG dringend erforderlich ist.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Anträge.

Die Antragsgegnerin meint, die Änderung der Organisationsbereiche unter dem Wechsel des Vorgesetzten sowie die Zuweisung von neuen Organisationskürzeln seien keine mitbestimmungspflichtige Versetzung.

Durch die Zuordnungen habe sich weder der Dienstort noch der Arbeitsinhalt der betroffenen Mitarbeiter geändert. Eine Versetzung liege nicht vor, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig bleibe, ohne dass sich die zugewiesenen Aufgaben wenigstens teilweise verändern, und es lediglich zu organisatorischen Umstrukturierungen innerhalb des Betriebes komme. So liege der Fall hier: Die betroffenen Arbeitnehmer seien weiterhin an ihrem bisherigen Arbeitsplatz unter Bearbeitung ihrer ursprünglichen Aufgaben ohne erhebliche Änderung des Arbeitsregimes tätig. Lediglich die formale Zuordnung zu einer Organisationseinheit sowie der Vorgesetzte hätten sich geändert. Dies sei für eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nicht ausreichend.

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG seien nicht gegeben, da die Antragsgegnerin nicht gegen ihre Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 30.07.2019, 12.08.2019, 27.09.2019, 25.10.2019 und 06.11.2019 samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 26.08.2019, 25.11.2019 und 16.12.2019 Bezug genommen

B.

I.

Die Anträge sind zulässig.

Das Arbeitsgericht ist zuständig, da es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.

Das Arbeitsgericht München ist örtlich gem. § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zuständig,

Die Anträge sind hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt denselben Bestimmtheitsanforderungen wie ein solcher im Urteilsverfahren. Er muss den verfahrensgegenstand so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 11.12.2007 – 1 ABR 73/06 Rn. 12). Diesem Erfordernis werden die Anträge gerecht.

II.

Die Anträge sind begründet. Die Antragsgegnerin hat die Versetzung der Arbeitnehmer He. aus dem Bereich TDIF in den Bereich TCO und Mi. aufzuheben.

1. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme, die der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG durchgeführt hat, aufzuheben.

Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Arbeitnehmer He. und Mi. ohne Zustimmung des Antragstellers versetzt. Der Antragsgegnerin ist damit aufzugeben, die Versetzung aufzuheben.

2. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Versetzung eines Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats.

Versetzung ist nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer eines Monats voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss.

Der „Arbeitsbereich“ im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Der Begriff ist dabei räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst den Ort der Arbeitsleistung, die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation (st. Rspr. BAG 10.04.1984 – 1 ABR 67/82).

Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert, dass die neue Tätigkeit von Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine „andere“ anzusehen ist (BAG 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, Rn. 22). Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben (BAG 26.10.2004 – 1 ABR 45/02), kann sich aus einer Änderung der Tätigkeit, d.h. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (BAG 10.04.1984 – 1 ABR 67/82).

Nach der Rechtsprechung des BAG erfordert die Änderung der Stellung des Arbeitsnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation, welche die Mitbestimmungspflicht des Antragstellers nach § 99 Abs. 1 BetrVG auslöst, eine den Arbeitnehmer berührende Änderung der organisatorischen Umgebung.

o Eine solche Änderung kann darin liegen, dass ein Arbeitnehmer mit neuen Kollegen zusammenarbeiten muss oder einer seine Arbeitsaufgaben – auch wenn diese gleichgeblieben sind – innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erbringen muss (BAG, 17.06.2008 – 1 ABR 38/07).

o Eine solche Änderung liegt nicht vor, wenn nur der bisherige Vorgesetzte eines Arbeitnehmers durch einen Nachfolger ersetzt bei ansonsten gleicher Organisationseinheit, gleicher Tätigkeit und gleichen Kollegen.

Nach der Rechtsprechung des BAG werden z.B. die einzelnen Stationen eines Altenpflegeheimes, in denen die Dienstpläne von den Stationsleitungen aufgestellt wurden und nur noch der Genehmigung der Heimleitung bedurften, als eigenständige betriebliche Einheiten angesehen. Bei einem Stationswechsel ist mit anderen Vorgesetzen und Kollegen zusammenzuarbeiten und es sind andere Bewohner zu betreuen, deren Pflegebedarf sich sehr individuell bestimmt und das Tätigkeitsbild der Pflegekraft prägt (BAG 29.02.2000 – 1 ABR 5/99).

Maßgebend für die Bestimmung der Grenzen einer betrieblichen Einheit sind Sinn und Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Bei einer Versetzung ist der Betriebsrat nicht nur der Sachwalter der Interessen der Belegschaft, sondern auch des einzelnen von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers.

Die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers sind berührt, wenn für ihn aufgrund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbar anderes „Arbeitsregime“ gilt. Dies kann von den Arbeitskollegen ausgehen, wenn es wegen der erforderlichen intensiven Zusammenarbeit auf deren Person maßgeblich ankommt, wie es beim Wechsel aus dem Einzel- in den Gruppenakkord möglich ist (BAG 22.04.1997). Es kann auch von dem unmittelbaren Vorgesetzten ausgehen, wenn dieser über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, wie etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen (BAG 17.06.2008 – 1 ABR 38/07)

3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Zuordnung der Arbeitnehmer He. und Mi. von den Organisationseinheiten TDIF in die Organisationseinheit TCII bzw. von der Organisationseinheit TDIF in die Organisationseinheit TCIO unter einem anderen disziplinarischen Vorgesetzten, Herrn C.M. eine mitbestimmungspflichtige erhebliche Änderung der Stellung der genannten Arbeitnehmer.

Mit der Zuordnung zu einem neuen, disziplinarischen Vorgesetzten in einer anderen organisatorischen Einheit unterliegen die genannten Mitarbeiter einem neuen, durch die Person des Herrn Me. sowie die neuen Kollegen geprägten andersartigen Arbeitsregime.

Auch wenn die Tätigkeit gleichbleibt und sich die sonstigen Beschäftigungsbedingungen für Herrn He. und Mi. nicht ändern, stellt die vorliegende Änderung des Organisationskürzels nicht bloß eine Umbenennung ihrer bisherigen Organisationseinheit dar.

Die Antragsgegnerin hat im Geschäftsbereich Technik einen neuen Bereich „Tower“ gebildet und Mitarbeiter aus bisher anderen Organisationseinheiten neu zugeordnet. Dies hat zur Folge, dass die genannten Mitarbeiter mit neuen Arbeitskollegen unter einem neuen Vorgesetzten mit einem neuen Führungsstil – mag sich dieser auch an den Unternehmensgrundsätzen auszurichten haben – zusammenarbeiten müssen. Auch wenn der neue Vorgesetzte, Herr Me., den identischen Umfang an Führungskompetenz hat wie die ehemaligen Vorgesetzen der genannten Mitarbeiter, stellt dies eine erhebliche Änderung der Umstände und des Arbeitsregimes dar, unter denen Herr He. und Herr Mi. künftig ihre vertraglich vereinbarte Tätigkeit zu verrichten haben. Die Antragsgegnerin bedarf deshalb zur Versetzung der genannte Mitarbeiter der Zustimmung des Antragstellers, die sie bisher nicht eingeholt hat.

4. Die Anträge Ziffer 3 und 4 sind begründet.

Die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 250 € für jeden Tag der Zuwiderhandlung – nämlich für den Fall, dass die Antragsgegnerin die Versetzung der genannten Mitarbeiter nicht aufhebt – mithin es nicht unterlässt, die genannten Mitarbeiter ohne erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte Zustimmung des Antragsstellers einzusetzen -, beruht auf § 101 Satz 2 und 3 BetrVG.

Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Unterlassung mit § 23 Abs. 3 BetrVG begründet, folgt die Kammer dem nicht. Nach § 23 Abs. 3 BetrVG hat das Gericht dem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats bei groben Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen. Kein grober Verstoß liegt hingegen vor, wenn der Arbeitgeber in einer schwierigen Rechtsfrage nach einer vertretbaren Rechtsansicht handelt. Dies ist hier der Fall, da die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, dass es sich bei der vorliegenden Zuordnung der genannten Mitarbeiter zu anderen Organisationseinheiten mit anderen Vorgesetzten um keine erhebliche Änderung des Arbeitsregimes handele, vertretbar ist, auch wenn die Kammer dieser Rechtsansicht nicht folgt.

C.

Gegen diesen Beschluss kann die Antragsgegnerin Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München nach Maßgabe nachfolgender Rechtsmittelbelehrung einlegen.

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