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EuGH-Urteil: Tägliche Ruhezeit für Arbeitnehmer

Jedes Arbeitsverhältnis innerhalb der Europäischen Union (EU) beruht in seinen Grundzügen auf dem Arbeitsrecht und der Arbeitsschutz ist in diesem Zusammenhang ein zentrales Thema. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass die Thematik des Arbeitsschutzes sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer gleichermaßen betreffen. Die Gesetzgebung innerhalb der EU hat im Hinblick auf das Arbeitsrecht und den Arbeitsschutz bereits diverse Gesetze sowie auch Richtlinien ins Leben gerufen, durch welche die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers geregelt und insbesondere auch der Arbeitsschutz gewährleistet werden soll.

Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: EuGH fällt wegweisendes Urteil

EuGH-Urteil: Arbeitgeber muss Ruhezeiten einhalten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit autonom sind und unabhängig voneinander gewährt werden müssen. (Symbolfoto: nitpicker /Shutterstock.com)

In der gängigen Praxis bedeutet dies jedoch nicht, dass es nicht immer mal wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer kommen kann. Gerade der Arbeitsschutz und auch die täglichen Ruhezeiten des Arbeitnehmers sind hierbei nur zu häufig der Auslöser für diese Streitigkeiten. In einem aktuellen Fall hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein bedeutungsvolles Urteil gesprochen.

Die Mindestruhezeit wurde von dem EuGH festgelegt

Mit dem Urteil in der Rechtssache C-55/18 hat der EuGH festgelegt, dass Arbeitnehmer einen rechtlich verankerten Anspruch auf eine tägliche Mindestruhezeit in Höhe von elf Stunden haben und diesen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch durchsetzen können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass diese elf Stunden tägliche Mindestruhezeit zusammenhängend bestehen. Dies bedeutet, dass diese Mindestruhezeit auch nach freien Tagen oder vor freien Tagen des Arbeitnehmers zur Anwendung kommen müssen. Ein wesentlicher Bestandteil des Urteils von dem EuGH ist auch der Umstand, dass die tägliche Mindestruhezeit in Höhe von elf Stunden nicht als fester Bestandteil von der wöchentlichen Ruhezeit anzusehen ist. Vielmehr nahm der EuGH durch sein Urteil eine Differenzierung zwischen der täglichen Mindestruhezeit und der wöchentlichen Ruhezeit dar, sodass diese beiden Rechte des Arbeitnehmers als voneinander autonom anzusehen sind.

Die Entscheidung erging aus einem Fall heraus

Das Urteil des EuGH, der seinen Sitz in Luxemburg hat, beendet einen Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber aus Ungarn. Der Arbeitnehmer ist bei dem Arbeitgeber als Lokführer beschäftigt und hatte eine Klage eingereicht, da der Arbeitgeber im vor seinen freien Tagen sowie auch nach seinen freien Tagen keine Pause in Höhe von elf Stunden gewährte. Diese Praxis wandte der Arbeitgeber auch nach den Urlaubstagen des Arbeitnehmers an. Der Lokführer argumentierte in dem Prozess dahin gehend, dass Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf eine Mindestruhezeit von elf Stunden innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden haben und dass zudem auch ein Anspruch auf einen Mindestzeitraum von 24 Stunden Freizeit ohne Unterbrechung innerhalb des Zeitraums von einer Woche bestehen würde. Die rechtliche Grundlage für diese Argumentation ist in der europäischen Arbeitsrichtlinie zu finden. Der Arbeitgeber, eine Eisenbahngesellschaft, argumentierte jedoch damit, dass durch die gängige Praxis in dem Betrieb eine Besserstellung des Arbeitnehmers gegeben sei, da das in der Praxis angewandte Arbeitszeitmodell eine 42-stündige Ruhezeit ohne Unterbrechung je Woche ermöglichen würde.

EuGH: Tägliche und wöchentliche Ruhezeit verfolgen unterschiedliche Ziele

Die tägliche Ruhezeit verfolgt ein anderes Ziel als die wöchentliche Ruhezeit
Der Streit zwischen dem Lokführer und dem Arbeitgeber wurde zunächst vor dem ungarischen Gericht verhandelt, welches das Verfahren jedoch aussetzte und zugleich auch den EuGH um Hilfe bei der Auslegung des vorherrschenden europäischen Rechts bat. Der EuGH traf die Entscheidung, dass das europäische Recht durch die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit zwei gänzlich verschiedene Zielsetzungen verfolge. Durch die tägliche Mindestruhezeit von elf Stunden zusammenhängend wird der Arbeitnehmer dazu befähigt, sich aus der bei ihm vorherrschenden Umgebung der Arbeit zurückzuziehen. Deswegen ist es auch für die tägliche Mindestruhezeit zwingend erforderlich, dass die elf Stunden zusammenhängend und an den unmittelbaren Anschluss von einer Arbeitsperiode durch den Arbeitgeber gewährt werden müssen.

Arbeitsfähigkeit erhalten: Anspruch auf wöchentliche Ruhezeit.

Durch die wöchentliche Ruhezeit hingegen soll der Arbeitnehmer befähigt werden, sich innerhalb eines Arbeitsrhythmus von sieben Tagen von der Arbeitsbelastung auszuruhen. Hierbei handelt es sich um eine Maßnahme zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit und diese Maßnahme ist aus Sicht des EuGH als eine eigenständige Maßnahme des Arbeitsschutzes zu werten. Der Arbeitnehmer hat somit auf der Basis des europäischen Arbeitsrechts den Anspruch darauf, beide Rechte für sich in Anspruch zu nehmen und der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, diese beiden Rechte dem Arbeitnehmer zu gewährleisten. Aus der Sichtweise des EuGH ergibt sich auch, dass die tägliche Ruhezeit nicht als fester Bestandteil der wöchentlichen Ruhezeit zu werten ist. Vielmehr muss die tägliche Ruhezeit als zusätzliche Ruhezeit zu der wöchentlichen Ruhezeit gewertet werden.

Die Regelung gilt auch dann, wenn es eine vermeintliche Besserstellung des Arbeitnehmers durch betriebsinterne Arbeitsmodelle gibt. Selbst dann, wenn – wie in dem Fall aus Ungarn – die wöchentliche Ruhezeit einen längeren Zeitraum für den Arbeitnehmer darstellt, muss die europäische Rechtsprechung des Arbeitsrechts zur Anwendung kommen.

Das ungarische Gericht muss jetzt eine Entscheidung treffen

Der Fall wurde mit der Entscheidung des EuGH zuständigkeitshalber wieder an das ungarische Gericht zurückverwiesen. Dieses Gericht muss nunmehr in dem vorliegenden Fall eine Entscheidung treffen und hat hierfür von dem EuGH eine essenzielle Botschaft für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer an die Hand bekommen. Gerade in Zeiten, in denen die Arbeitsbelastung für Arbeitnehmer immer größer werden und der Arbeitgeber eine erhöhte Erwartung an die Arbeitnehmer richtet, ist der Gesundheitsschutz besonders hoch einzustufen. Der Gesundheitsschutz kommt nicht selten in vielen Unternehmen zu kurz, da die Unternehmen den Fokus alleinig auf die Umsatzoptimierung legen. Das Prinzip „höher, schneller, weiter, größer“ ist letztlich jedoch ein Prinzip, welches sich stark auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausbreitet. Das Recht auf den Rückzug des Arbeitnehmers von der Arbeit sowie die tägliche Erholung wird von vielen Arbeitnehmern nicht mehr ernst genommen und als nicht mehr zeitgemäß betrachtet.

Die Rechte des Arbeitnehmers werden durch den EuGH gestärkt

Durch die Entscheidung des EuGH wurde unterstrichen, dass die tägliche Mindestruhezeit des Arbeitnehmers von der wöchentlichen Mindestruhezeit getrennt betrachtet und gewährleistet werden muss. Dies hat auch dann Geltung, wenn die tägliche Mindestruhezeit der wöchentlichen Ruhezeit vorausgeht. Problematisch ist allerdings der Umstand, dass durch etliche betriebsinterne Arbeitszeitmodelle die tägliche Mindestruhezeit des Arbeitnehmers durch die Arbeitgeber regelrecht ausgehöhlt werden. Die meisten Arbeitgeber argumentieren in derartigen Fällen ähnlich wie der ungarische Arbeitgeber, dass es für die Arbeitnehmer bei der wöchentlichen Mindestruhezeit doch eine Besserstellung des Arbeitnehmers geben würde. Die europäische Arbeitszeitrichtlinie hat diesbezüglich jedoch eine klare Haltung, denn die Richtlinie besagt, dass der Arbeitnehmeranspruch auf eine tägliche Mindestruhezeit durch den Arbeitgeber eingeschränkt wird, wenn der Arbeitnehmer durch die wöchentliche Arbeitszeit keine Möglichkeit mehr hat, den Anspruch auf die tägliche Mindestruhezeit wahrzunehmen. Maßgeblich ist dabei der Artikel 3 europäische Arbeitszeitrichtlinie. Dieser Artikel besagt, dass jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Mindestruhezeit in Höhe von 24 Stunden je sieben Tage Arbeitsrhythmus hat. Diese 24 Stunden sind dem Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem täglichen Mindestruheanspruch in Höhe von elf Stunden durch den Arbeitgeber zu gewähren.

Entscheidung des EuGH wird Arbeitswelt innerhalb der EU revolutionieren

Es ist stark davon auszugehen, dass die Entscheidung des EuGH sehr weitreichende Konsequenzen für die Arbeitswelt innerhalb der EU haben wird. Unzählige Arbeitgeber haben für ihre Arbeitnehmer Arbeitszeitmodelle ausgearbeitet, welche ausschließlich den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers entsprechen. Sehr viele Arbeitgeber suggerieren ihren Arbeitnehmern auch, dass das Arbeitszeitmodell „nun einmal so ist“ und dass der Arbeitnehmer sich den betrieblichen Bedürfnissen unterzuordnen hat. Durch die Entscheidung des EuGH werden die Arbeitgeber jetzt jedoch dazu aufgerufen, diese Praxis zu überdenken und insbesondere auch die tägliche Mindestruhezeit des Arbeitnehmers unabhängig von der wöchentlichen Mindestruhezeit zu betrachten. Dies wird es letztlich erforderlich machen, dass so manches Arbeitszeitmodell grundlegend durch den Arbeitgeber überarbeitet werden muss und dass sich der Fokus von den betrieblichen Erfordernissen zu den Rechten des Arbeitnehmers hin bewegt.

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