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Befristung Arbeitsverhältnis – Wirksamkeit

ArbG Rheine – Az.: 4 Ca 1637/17 – Urteil vom 26.04.2018

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 29.06.2012 in der Fassung vom 09.12.2013 mit Ablauf des 30.11.2018 beendet wird, sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf dem Bergwerk in J zu den bisherigen Arbeitsbedingungen im Untertagebereich als Elektrohauer 1, Fachrichtung Elektrotechnik gemäß Arbeitsvertrag vom 29.06.2012 mit Tätigkeiten der Lohngruppe 13 weiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 12.000,00 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Befristung.

Der Kläger ist seit dem 30.06.2012 bei der Beklagten, zunächst befristet bis zum 30.11.2013 als Elektrohauer, Fachrichtung Elektrotechnik, angestellt worden. Der befristete Vertrag wurde mit Schreiben vom 12.11.2012 vor dem Hintergrund des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages über befristete Arbeitsverträge im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2017 in der Fassung vom 01.08.2010 bis zum 30.11.2015 verlängert. Mit weiterem Schreiben vom 09.12.2013 erfolgte eine Verlängerung bis zum 30.11.2018.

Der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau in der Fassung vom 1. August 2010 lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1

In Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverhältnisse geschlossen werden.

§ 2

(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zu Gesamtdauer von sieben ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.

(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.

Der Kläger hält die Befristung des letzten Arbeitsvertrages für unwirksam. Die Regelung im Tarifvertrag über die befristeten Arbeitsverhältnisse im Steinkohlebergbau sei unwirksam und könnte eine Befristung nicht rechtfertigen.

Er ist der Auffassung, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei auch durch tarifvertragliche Regelung eine sachgrundlose Befristung maximal für die Dauer von sechs Jahren und innerhalb der sechs Jahre eine neunmalige Verlängerung zulässig. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass branchenspezifische Besonderheiten vor dem Hintergrund der Beendigung des Steinkohlebergbaus zum Ende des Jahres 2018 diese Art der tarifvertraglichen Regelungen bedingen würden.

Der Klägervertreter beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 29.06.2012 in der Fassung des Schreibens vom 09.12.2013 mit Ablauf des 30.11.2018 beendet wird, sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 01.01.2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Entfristungsschutzverfahrens auf dem Bergwerk in J zu den bisherigen Arbeitsbedingungen im Untertagebereich als Elektrohauer 1, Fachrichtung Elektrotechnik, gemäß Arbeitsvertrag vom 29.06.2012 mit Tätigkeiten entsprechend der Lohngruppe 13 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die tarifliche Regelung für wirksam. Sie verweist insoweit auf eine materielle Richtigkeitsgewähr tariflicher Regelungen vor dem Hintergrund der bestehenden Tarifautonomie. Die Regelung halte sich auch innerhalb der Grenzen der Tariföffnungsklausel. Insoweit verweist die Beklagte auf die gesetzlichen Regelungen des § 14 Abs. 2 a u 3 TzBfG sowie auf längere Befristungsmöglichkeiten ohne Sachgrund nach dem WissZeitVG. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger interpretiere die BAG-Entscheidung vom 26.10.2016 – 7 AZR 140/15 – falsch. Das BAG habe gerade keine festen Obergrenzen festgelegt, sondern erläutert, dass es von den Grenzen, die dort benannt sind, Abweichungen bei Vorliegen branchentypischer Besonderheiten geben könne. Solche branchentypischen Besonderheiten lägen vor, da der Steinkohlebergbau unstreitig zum 30.12.2018 beendet werde und die Beklagte vor dem Hintergrund von Abwicklungsarbeiten auf schwankende Personalbedarfe reagieren müsse. Das BAG sehe auch im Bereich der Sachgrundbefristungen keine absoluten Höchstgrenzen. Auch überschreite der Tarifvertrag den maßgeblichen Wert weder um das Vierfache, noch kumulativ beide Werte um das Dreifache.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Befristung des Arbeitsvertrages ist nicht durch § 14 Abs. 2 S. 3, S. 4 TzBfG gerechtfertigt.

2. Die Befristung ist auch nicht durch § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlebergbau gerechtfertigt.

Nach § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festgelegt werden.

a. Unstreitig findet der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlebergbau in der Fassung vom 01.08.2010 auf den streitgegenständlichen Arbeitsvertrag Anwendung.

b. Dieser Tarifvertrag erweist sich jedoch als unwirksam.

Die Regelung in § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages, die eine sachgrundlose Befristung bis zur Gesamtdauer von 7 Jahren vorsieht, innerhalb derer der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden kann, ist nicht von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG gedeckt.

Dies wurde bereits durch das Landesarbeitsgericht Hamm im Urteil vom 22.05.2017 zum Az. 11 Sa 66/16 entschieden. Dieser Entscheidung schließt sich die Kammer vollumfänglich an.

Das Landesarbeitsgericht Hamm führt in dem Urteil wie folgt aus:

„Allerdings ist nach dem Gesetzeswortlaut die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und/oder die Anzahlt der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, nicht eingeschränkt. Dennoch gilt sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zwecke des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; ErfK-Müller-Glöge, 17. Aufl.; 3 14 TzBfG Rn. 101 b).

Zur Begründung verweist das BAG darauf, dass sich andernfalls ein Wertungswiderspruch insbesondere zu § 14 Abs. 1 TzBfG ergibt. Von dieser Bestimmung, nach der eine Befristungsabrede grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG auch durch Tarifvertrag nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher muss auch ein tariflich geregelter Sachgrund den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen (BAG 26.10.2016 AP TzBfG  § 14 Abs. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; BAG 09.12.2009 AP TzBfG § 14 Nr. 67). Dieses gesetzgeberische Konzept würde konterkariert, wenn die Tarifvertragsparteien völlig unbeschränkt sachgrundlose Befristungen gestatten könnten (BAG aaO).

Für eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis sprechen weiter, so das BAG, auch verfassungsrechtliche Erwägungen. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert für Arbeitsverhältnisse einen staatlichen Mindestbestandsschutz. Diesen hat der Gesetzgeber für die Befristung von Arbeitsverträgen durch das TzBfG näher ausgestaltet. Ausgehend von dem Grundsatz, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist, sollen das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung in § 14 Abs. 1 TzBfG sowie das Festlegen bestimmter Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes bewahren (BAG aaO). Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum. Diesem Gestaltungsspielraum entspricht es, zumal in Ansehung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantieren Tarifautonomie, wenn es der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien ermöglicht, die Voraussetzungen zur Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen in Abweichung seiner Festlegungen zur Höchstdauer und zur Anzahl der Verlängerungen zu regeln. Die mittels der Tarifautonomie herzustellende sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist Grundlage der Praxis des Gesetzgebers, in vielen Bereichen den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse zuzuweisen, die er aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den Arbeitsvertragsparteien versagt. Diese gesetzliche Konzeption beruht auf der Annahme, dass Tarifverträge ein größeres „Richtigkeitsvertrauen“ genießen als der Arbeitsvertrag des Einzelnen. Tarifverträge bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen in Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln. Das gilt grundsätzlich auch für Tarifverträge, die aufgrund der Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG geschlossen werden (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147). Gleichwohl, so das BAG weiter, sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die tarifvertragliche Regelung sachgrundloser Befristungen trotz der Vermutung der materiellen Richtigkeit nicht mehr der mit den Regelungen des TzBfG verfolgten Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht entspräche. Das bei Anwendung und Auslegung des § 12 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zu beachtende Untermaßverbot führt daher ebenfalls zu einer Beschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; BAG 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101).

Eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbedürfnis entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung), deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; BAG 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101). Auch von den Tarifvertragsparteien ist bei der Wahrnehmung ihrer Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG das Ziel der Richtlinie, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern, zu beachten. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel erlaubt daher keine Tarifverträge, die diesem Ziel erkennbar zuwiderliefen (BAG 26.10.2016  AP TzBfG § 14 Nr. 147).

Nach das BAG in seinen früheren Entscheidungen zur § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG keine Grenze für die Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG genannt hatte, hat es in dem Urteil vom 26.10.2016 eine tarifvertragliche Erweiterung bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit für zulässig erachtet und zugleich Ausführungen zu einer Grenze für die Tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gemacht. Das BAG sieht danach die Grenze der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis – unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption von § 14 TzBfG und der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/70/EG sowie zur Gewährleistung eines Mindestbestandsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer und unter Beachtung der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie – als erreicht an bei der Festlegung der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags auf maximal sechs Jahre und der höchstens neunmaligen Verlängerung bis zu dieser Gesamtdauer (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147 Rn. 31 – 35).

Davon abweichend finden sich in der Literatur die Auffassungen, dass für die Regelungsbefugnis gem. § 15 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ein Zeitraum von vier Jahren als Höchstgrenze zu gelten habe (Schaub-Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, 16 Aufl. 2015, § 39 Nr. 17 = S. 378; HaKo-KSchR-Mestwerdt; 5 Aufl. 2015, § 14 TzBfG Rn. 210; Francken NZA 2013, 122 ff; 124, 125) oder das die Grenze bei fünf Jahren zu ziehen sei (KR-Lipke, 10 Aufl., 2013; § 14 TzBfG Rn 435).

Im Anschluss an die Ausführungen des BAG erachtet die Kammer die hier zu prüfende Regelung in § 2 Abs. 1 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 als zu weitgehend und deshalb unwirksam, weil mit der eröffneten Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung über einen Zeitraum von sieben Jahren das Dreifache des Zweijahreszeitraums des § 14 Abs. 2 TzBfG überschritten ist. An der Unwirksamkeit ändert der Umstand nichts, dass die Anzahl der Verlängerungen unter dem dreifachen Wert der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 TzBfG liegt (sieben gegenüber neun).

Soweit die Beklagte branchen- und situationsbedingte Besonderheiten des deutschen Steinkohlenbergbaus im Zeitpunkt des Abschlusses des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 anführt, reichen diese nicht aus, um ein Zurücktreten des durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzinteresses des Arbeitnehmers gegen zu lang währende sachgrundlose Befristungen zu rechtfertigen. Zwar beruft sich die Beklagte auf eine branchenspezifische Sondersituation, indem sie darauf verweist, dass der Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau gesetzlich auf das Jahr 2018 festgelegt ist. Dies ist sicherlich eine Besonderheit. Allerdings erschließt sich nicht, weshalb aus dieser Besonderheit ein gesteigertes Bedürfnis der Branche resultiert, mit Arbeitnehmern langjährig sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse abschließen zu können. Dem Arbeitgeber stehen in einer Stilllegungssituation andere Möglichkeiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. Die Betriebsstilllegung stellt einen Grund dar, der eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum Zeitpunkt der beabsichtigten Stilllegung sozial rechtfertigt (ErfK-Oetker, 17. Aufl. 2015, § 1 KSchG Rn. 277, 280 mwN). Die unternehmerische Entscheidung über das Ob und Wann der Stilllegung ist dabei regelmäßig der gerichtlichen Kontrolle entzogen; es findet lediglich eine Missbrauchskontrolle statt (ErfK-Oetker, 17. Aufl. 2017, § 1 KSchG Rn. 239 – 241, 277 mwN). Auch kann bei zuverlässig absehbarer Stilllegung eine Sachgrundbefristung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG bis zum Abschluss der Abwicklungsarbeiten vereinbart werden (Sachgrund des nur vorübergehend bestehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung / ErfK-Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 28 unter Hinweis auf BAG 30.10.2008 NZA 2009, 723; BAG 03.12.1997 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 196). Die durch den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 für zulässig erklärte Befristungsdauer ist auch nicht kongruent zum absehbaren Stilllegungsgeschehen ausgestaltet. Die Stilllegung stand aus Sicht des Jahres 2010 nicht in sieben sondern erst in acht Jahren an, nicht für 2017 sondern für 2018. Auch ermöglichst der TV Befristung Steinkohlenbauberg 2010 nicht nur sachgrundlose siebenjährige Befristungen bis nah an den Stilllegungstermin heran sondern auch – wie der vorliegende Fall illustriert – die Verlängerung bereits früher begonnener Befristungsketten auf eine Gesamtdauer von sieben Jahres mit Endterminen bereits in den Jahren 2016, 2015, 2014 und auch schon in 2012 und 2013.

Auch ein Vergleich mit anderweitigen gesetzlichen Regelungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Die in § 14 TzBfG für verschiedene Fallgestaltungen vorgesehenen Grenzen für sachgrundlose Befristungen liegen jeweils deutlich unterhalb der Grenze von sieben Jahren; zwei Jahr bei der allgemeinen sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 u. 2 TzBfG, vier Jahre bei der sachgrundlosen Befristung nach der Gründung eines Unternehmens gem. § 14 Abs. 2 a TzBfG, fünf Jahr bei der sachgrundlosen Befristung bei älteren Arbeitnehmern nach vorangegangener Beschäftigungslosigkeit gem. § 14 Abs. 2 TzBfG. Richtig ist, dass das WissZeitVG deutliche längere Befristungszeiten für befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal versieht (§ 2 WissZeitVG: im Grundmodell sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion und im Bereich der Medizin neuen Jahre jeweils mit Verlängerungen bei Zeiten der Kinderbetreuung). Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass diesen Regelungen der Sachgrund immanent ist, dass den Angestellten Gelegenheit zur wissenschaftlichen Qualifikation geboten werden soll und so die Funktionsfähigkeit der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Forschung und Lehre gesichert werden soll, weshalb das Sonderbefristungsrecht auf die kleine Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hochschulbetrieb beschränkt ist (Preis/Ulber, WissZeitVG 2. Aufl. 2017, Einleitung Rn. 56 = S. 24, § 1 WissZeitVG Rn. 19 = S. 43, 44). Wegen der verfassungsrechtlichen Sondersituation des Hochschulbereiches lassen sich die Befristungszeiträume des WissZeitVG nicht zur Ausfüllung des Rahmens nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG heranziehen.“

Ergänzend hierzu ist die Kammer weiter der Auffassung, dass sich die Befristungszeiträume des WissZeitVG nicht zur Begründung der Rechtsauffassung der Beklagten heranziehen lassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um eine gesetzliche Sonderregelung handelt, die der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der besonderen Situation in Forschung und Lehre in das Gesetz aufnahm. Die Möglichkeit vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung längere sachgrundlose befristete Arbeitsverträge abzuschließen, kann damit nicht als Argument herangezogen werden, dass auch die Tarifvertragsparteien solche Zeiträume ausnutzen bzw. vereinbaren dürfen.

II.

Da das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung mit dem 30.11.2018 sein Ende finden wird, war dem Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls stattzugeben. Das Arbeitsverhältnis besteht über den 30.11.2018 hinaus fort, so dass der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im tenorierten Umfang hatte (BAG, Urt. v. 30.06.1985 – 2 AZR 410/84).

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte gem. §§ 26 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf dreifachen Bruttobezug des Klägers.

 

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