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Befristungsvereinbarung in Arbeitsvertrag – Unwirksamkeit

ArbG Hagen (Westfalen) – Az.: 4 Ca 1283/18 – Urteil vom 19.03.2019

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 10.08.2016, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 17.04.2018 nicht am 14.08.2018 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 14.08.2018 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtsstreits als wissenschaftliche Mitarbeiterin am X Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht von Herrn Prof. Dr. T.weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird auf 17.172,68 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede.

Die 35 Jahre alte, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.11.2010 bei der Beklagten an deren X Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Mit Vertrag vom 10.08.2016 vereinbarten die Parteien die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 14.08.2018, die Beklagte lehnt eine Beschäftigung der Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus ab.  Die Klägerin erzielte zuletzt eine Vergütung in Höhe von 4.293,17 Euro brutto.

Im Zeitraum vom 01.11.2010 bis zum 31.10.2011 war sie als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer Wochenarbeitszeit von 6 Stunden, im Zeitraum vom 01.11.2011 bis zum 30.06.2012 mit einer Wochenarbeitszeit von 8 Stunden, im Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.04.2013 mit einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden, im Zeitraum vom 01.05.2013 bis 31.05.2013 mit einer Wochenarbeitszeit von 6 Stunden, im Zeitraum vom 01.06.2013 bis 31.07.2013 mit einer Wochenarbeitszeit von 19 Stunden und im Zeitraum vom 01.08.2013 bis 13.08.2013 wiederum mit einer Wochenarbeitszeit von 6 Stunden beschäftigt.

Ab dem 15.08.2013 wurde die Klägerin sodann als Wissenschaftiche Mitarbeiterin beschäftigt. Als solche war sie im Zeitraum vom 15.08.2013 bis 15.11.2015 mit 50 % der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten, im Zeitraum vom 16.11.2015 bis 15.03.2016 mit 75 % der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten, im Zeitraum 18.04.2016 bis 30.06.2016 mit der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten, im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 31.12.2016 mit 50 % der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten, vom 01.01.2017 bis zum 31.05.2017 mit der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten, im Zeitraum 01.06.2017 bis zum 17.04.2018 mit 50 % der Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten und im Zeitraum vom 18.04.2018 bis zum 14.08.2018 wiederum mit einer Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten tätig.

Die regelmäßige Arbeitszeit für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in NRW beträgt derzeit 39,83 Stunden.

Ab dem 15.08.2013 war die Klägerin unstreitig durchgängig mit mehr als einem Viertel der Regelarbeitszeit bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte hat bei der Berechnung der sechsjährigen Höchstbefristungsgrenze gem. § 2 Abs. 1 S.1 WissZeitVG die Beschäftigungszeiten vom 01.07.2012 bis 30.04.2013 mit 304 Tagen und vom 01.06.2013 bis 31.07.2013 mit 61 Tagen angerechnet. Sie hat der Klägerin mitgeteilt, die Klägerin wegen Ablaufs der 6-jährigen Befristungszeit nicht über den 14.08.2018 hinaus zu beschäftigen.

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, die Beklagte habe die Anrechnung von 304 Tagen im Zeitraum 01.07.2012 bis 30.04.2013 nicht vornehmen dürfen. Grund für die Stundenaufstockung sei die Übernahme eines Mentoriats durch die Klägerin gewesen. Es sei eine Aufteilung der Arbeitszeit in 6 Stunden als Wissenschaftliche Hilfskraft und in 4 Stunden Mentoriate erfolgt. Bei der Tätigkeit als Mentorin handele es sich nicht um eine wissenschaftliche Tätigkeit sondern um eine unterrichtende, reproduzierende Tätigkeit ohne wissenschaftliche Qualifikationsmöglichkeit für die Mentoren. Diese Stunden seien daher bei der Höchstbefristungsdauer außer Betracht zu lassen. Die qualitative und quantitative Eignung der Tätigkeit sei unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung der Befristungsvorgabe. Gehe man davon aus, dass durch die Hinzurechnung der vier auf die Mentoriate entfallenden Wochenarbeitsstunden  das Arbeitsverhältnis insgesamt in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 , Abs. 3 WissZeitVG falle, so liege eine Umgehung von § 2 Abs. 3 WissZeitVG vor. Der Gesetzgeber habe immerhin solche Arbeitsverhältnisse aus dem Anwendungsbereich der Höchstbefristungsdauer ausgenommen, die nicht wenigstens ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit erreichen. Hierbei gehe er davon aus, dass der geringe zeitliche Umfang solcher Arbeitsverhältnisse es von vorneherein nicht zulasse, die Beschäftigung überhaupt zu einer wissenschaftlichen Qualifizierung zu nutzen. Die Zusammenfassung der beiden Tätigkeitsgebiete führe aufgrund der mangelnden qualitativen Eignung der Mentorentätigkeit nicht dazu, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt als geeignet für die Erreichung des Befristungsziels anzusehen sein. Durch die Hinzurechnung der Mentorentätigkeit werde die Möglichkeit der Klägerin sich wissenschaftlich zu qualifizieren bereits qualitativ nicht ermöglicht. Auch nach der S chw erpunkttheorie müsse das Arbeitsverhältnis anrechnungsfrei bleiben. Wenn man den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses ermittle verbleibe mit der Tätigkeit als Wissenschaftliche Hilfskraft zwar ein Aufgabenbereich der wissenschaftlich, der aber seinerseits außerhalb von § 2 Abs. 1 WissZeitVG angesiedelt sei.

Im Übrigen sei ihr bei Unterzeichnung des Vertrages am 20.06.2012 nicht bekannt gewesen, dass die Befristung nach dem Wissenschaftszeitgesetz habe erfolgen sollen. Die Unterzeichnung durch die Beklagte sei erst am 29.06.2012 erfolgt, auch erst zu diesem Zeitpunkt sei von der Beklagten angekreuzt worden, dass die Befristung nach §§ 1 ff. WissZeitVG zur Wahrnehmung von Aufgaben vor dem Abschluss einer Promotion erfolgte.

Aufgrund der fehlerhaften Anrechnung sei die Befristungsdauer nicht so bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen sei. Werde die Befristung nur unter Zugrundelegung der vermeintlich errechneten Höchstbefristungszeit bestimmt, stehe dies in keinem Zusammenhang zur angestrebten Qualifizierung. Eine wirksame Qualifizierungsvereinbarung sei insoweit nicht abgeschlossen worden. Der zwischen den Parteien am 27.07.2016 und 28.07.2016 geschlossene Vertrag sei nicht als Einverständnis der Klägerin dahingehend zu werten, dass eine zweijährige Promotionszeit angemessen i.S.v. § 2 Abs. 1 WissZeitVG sei. Die Vereinbarung stelle eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Sie sei seitens der Beklagte ausgefüllt und der Klägerin zur Unterschrift vorgelegt worden. Ein Mitspracherecht seitens der Klägerin an der Vertragsgestaltung habe nicht bestanden. Die Vereinbarung sei zudem in sich widersprüchlich. Auf Seite 1 sei ausgeführt, dass die Ausgestaltung der Qualifizierung/en und die Angemessenheit der Befristungsdauer bezogen auf den jeweiligen konkreten Einzelfall ausführlich zu erläutern sei. Am Ende des Dokuments finde sich dann die Erklärung dass die Promotion in dem Zeitraum abgeschlossen sein soll und der Zeitraum hierfür daher als angemessen angesehen werde. Das Ziel einer ausführlichen, auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Erläuterung sei damit glatt verfehlt worden.

Hinzu komme, dass die verantwortliche Sekretariatsmitarbeiterin am 02.11.2018 erklärt habe, dass sie im Jahr 2016 telefonisch im Auftrag des Lehrstuhlinhabers bei der Beklagten nachgefragt habe, wie lange der Vertrag der Klägerin noch maximal befristet werden könne. Nach Rückmeldung der Personalabteilung sei der 14.08.2018 als Enddatum eingetragen worden. Um die Erreichung eines wissenschaftlichen Ziels sei es hierbei nicht gegangen.

Rechtsfolge sei gem. § 1 WisszeitVG i.V.m. § 16 TzBfG die Unwirksamkeit der Befristungsabrede.

Schließlich vertritt sie die Rechtsansicht, die Befristungsabrede mit Nachtrag vom 17.04.2018 zum Arbeitsvertrag vom 10.08.2016 benachteilige sie unangemessen, denn die befristete Erhöhung der Arbeitszeit sei hinsichtlich der angestrebten Qualifizierung ebenfalls nicht angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 10.08.2016, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 17.04.2018 nicht am 14.08.2018 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

2. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 10.08.2016, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 17.04.2018, nicht am 14.08.2018 endet, sondern bis zum 14.06.2019 fortbesteht.

3. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 oder Ziffer 2 die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 14.08.2018 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtsstreits als wissenschaftliche Mitarbeiterin am X Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht von Herrn Prof. Dr. T. weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der Befristungsabrede der Parteien mit dem 14.08.2018 sein Ende gefunden.

Die Anrechnung der Zeiträume vom 01.07.2012 bis zum 30.04.2013 sowie vom 01.06.0213 bis zum 31.07.2013 in einer Gesamthöhe von 365 Tagen sei zurecht erfolgt. Da die Klägerin seit dem 15.08.2013 ununterbrochen mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 50 % der Regelarbeitszeit beschäftigt sei, ende die Höchstbefristungsgrenze daher am 14.08.2018.

Die Mentorentätigkeit die die Klägerin ab dem 01.05.2012 übernommen habe sei eine wissenschaftliche Tätigkeit. Es gehöre zu den Aufgaben eines Mentors sich vor Ort der Diskussion über die Kursinhalte mit den Studierenden zu stellen. Dies erfordere ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität. Die Diskussion mit den Teilnehmern sei nur möglich, wenn der Mentor sich eigenständig sehr tiefgreifend mit dem Stoff beschäftige und diesen vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und realweltlicher Abläufe reflektiert habe.

Zwar sei im Rahmen des Dienstvertrages festgehalten worden, dass die Klägerin im Umfang von 6 Wochenstunden als wissenschaftliche Hilfskraft und im Umfang von 4 Wochenstunden als Fachmentorin beschäftigt sei. Dies führe aber nicht dazu, dass zwei getrennte Arbeitsverhältnisse vorliegen würden. Die Klägerin habe lediglich im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses unterschiedliche Aufgaben erbracht. In der Summe sei sie mit 10 Wochenstunden und somit mit mehr als 25 % der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt worden. Eine quantitative Trennung wie die Klägerin sie vornehme sei unzulässig. Auch § 2 Abs. 3 S. 1 WissZeitVG treffe eine solche Unterscheidung nicht und stehe der These der Klägerin entgegen. Hiernach seien alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit anzurechnen. Es sei ausreichend, wenn der überwiegende Teil des Arbeitsverhältnisses wissenschaftlich geprägt sei. Die Schwerpunkttheorie sei anzuwenden. Maßgeblich sei ob überwiegend wissenschaftliche Dienstleistungen erbracht würden. Der gesamte Arbeitsplatz sei zu betrachten. Bei Mischtätigkeiten zähle für die Bewertung der wissenschaftlichen Dienstleistungen die Prägetheorie und damit die Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskraft, welche von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen würden. Es werde nicht verlangt, dass in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen seien und dass der Anteil der wissenschaftlichen Dienstleistungen 25 % einer Vollbeschäftigung erreichen müssten. Das Gesetz fordere nur das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit mehr als 25 % der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit einer Vollzeitkraft für die Anrechnung und nicht eine Qualifizierungsmöglichkeit mit mehr als 25 %.

Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine solche Betrachtung nach Auffassung der Klägerin gegen das Transparenzgebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG verstoße.

Auch habe sie die Klägerin über die Anrechnungspraxis informiert. Im Arbeitsvertrag sei der Hinweis enthalten, dass die Beschäftigungszeit ab einem Umfang von 25 % angerechnet werde. Diese Information gelte unabhängig davon, nach welcher Rechtsgrundlage der Arbeitsvertrag befristet worden sei. Allein ausschlaggebend sei, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift die Kenntnis über die Anrechnungspraxis bestätigt habe. Dieser besondere Hinweis sei direkt über dem Feld zur Vertragsunterschrift angebracht und habe nicht exponierter platziert werden können. Sie habe daher davon ausgehen dürfen, dass dieser Hinweis gelesen worden sei.

Es sei ferner unzutreffend, dass aufgrund der fehlerhaften Anrechnung die Befristungsdauer nicht so bemessen worden sei, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen sei. Wenn erste vorbereitende Arbeiten zur Promotion bereits erfolgt seien, entspreche ein Zweijahresvertrag der üblichen Promotionsdauer am Lehrstuhl bei dem die Klägerin tätig gewesen sei. Gemessen an der Vorbeschäftigung der Klägerin von 4 Jahren sei ihre Vertragslaufzeit daher eher großzügig bemessen. Ein Zweijahreszeitraum für die Erstellung einer Promotion sei angemessen, wenn klare Vorstellungen zum Promotionsthema bereits existieren. Darüber hinaus habe die Klägerin in der Qualifizierungsvereinbarung unterzeichnet, dass die Promotion in dem Zeitraum abgeschlossen werden soll und der Zeitraum hierfür als angemessen angesehen wird. Die Klägerin selbst habe mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung zum Ausdruck gebracht, dass das Qualifizierungsziel innerhalb der dafür vorgesehenen Befristungsdauer erreicht werden könne.

Eine Entfristung des Arbeitsvertrages ergebe sich entgegen der Auffassung der Klägern auch nicht aus §§ 305 ff. BGB.

Durch die Erhöhung der Arbeitszeit durch Aufstockung vom 18.04.2018 um 50 % habe sich in Stunden ausgedrückt die Situation der Klägerin verbessert. Im Ergebnis führe dies dazu, dass die Promotion sogar in einer kürzeren Zeitspanne habe zurückgelegt werden können.

Die Klägerin habe der befristeten Arbeitszeiterhöhung ausdrücklich zugestimmt.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 19.03.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Zunächst ist festzustellen, dass die im Arbeitsvertrag vom 10.08.2016 vereinbarte Befristung nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam gilt. Die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit der am 07.08.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17.08.2018 zugestellten Befristungskontrollklage rechtzeitig gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG iVm. § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG (BAG 21. März 2018 – 7 AZR 437/16 – Rn. 11; 18. Mai 2016 – 7 AZR 533/14 – Rn. 10 mwN, BAGE 155, 101).

II.

Die im Arbeitsvertrag vom 10.08.2016 vereinbarte Befristung wahrt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 WissZeitVG in der hier maßgeblichen, ab 17. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden WissZeitVG) nicht.

1. Die Befristung genügt dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Der Arbeitsvertrag vom 10.08.2016 nimmt auf §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG Bezug. Insoweit kann dahin stehen, ob das entsprechende Kontrollkästchen, dass auf eine Befristung nach dem WissZeitVG hinweist vor oder nach der Vertragsunterzeichnung von der Beklagten angekreuzt worden ist. Jedenfalls aus dem besonderen Hinweis der direkt über der Unterschrift der Vertragsparteien deutlich aufgeführt ist, ergibt sich, dass das WissZeitVG nach dem Willen der Parteien Anwendung finden sollte.

2. Der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist

3. Die Befristung überschreitet nicht die Befristungshöchstdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Diese beträgt für nicht promoviertes wissenschaftliches und künstlerisches Personal sechs Jahre. § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG lässt innerhalb der zulässigen Befristungsdauer Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags zu. Diese Höchstfrist ist hier eingehalten. Unter Berücksichtigung der Laufzeiten sämtlicher Arbeitsverträge bis zum 14.08.2018 ergibt sich höchstens eine Gesamtbefristungsdauer von sechs Jahren.

4. Die Klägerin gehörte auch zum wissenschaftlichen Personal.

a) Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend bestimmt. Es kommt nicht auf Begriffsbezeichnungen oder Zuordnungsdefinitionen nach den landeshochschulrechtlichen Regelungen an (vgl. BAG 25. April 2018 – 7 AZR 82/16 – Rn. 15; 21. März 2018 – 7 AZR 437/16 – Rn. 18; 30. August 2017 – 7 AZR 524/15 – Rn. 17, BAGE 160, 117; 20. April 2016 – 7 AZR 657/14 – Rn. 18; 29. April 2015 – 7 AZR 519/13 – Rn. 20). Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ bestimmt sich inhaltlich; aufgabenbezogen. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung.

aa) Zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern (BAG 25. April 2018 – 7 AZR 82/16 – Rn. 16; 21. März 2018 – 7 AZR 437/16 – Rn. 19; 30. August 2017 – 7 AZR 524/15 – Rn. 18, BAGE 160, 117; 20. April 2016 – 7 AZR 657/14 – Rn. 19; 29. April 2015 – 7 AZR 519/13 – Rn. 21).

bb) Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören. Die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist dabei von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen. Bei Mischtätigkeiten ist es erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt (vgl. ausführlich BAG 25. April 2018 – 7 AZR 82/16 – Rn. 17; 21. März 2018 – 7 AZR 437/16 – Rn. 20; 30. August 2017 – 7 AZR 524/15 – Rn. 19, BAGE 160, 117; 20. April 2016 – 7 AZR 657/14 – Rn. 20; 1. Juni 2011 – 7 AZR 827/09 – Rn. 35 bis 45 mwN, BAGE 138, 91).

b) Im gesamten Zeitraum des Beschäftigungsverhältnisses haben die wissenschaftlichen Dienstleistungen überwogen. Selbst wenn die Klägerin im Zeitraum 01.07.2012 bis 30.04.2013 eine Mentorentätigkeit von 4 Stunden neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit von 6 Stunden wahrgenommen hat, die nicht wissenschaftlich wäre, so würde jedenfalls die wissenschaftliche Tätigkeit überwiegen. Nach Auffassung der erkennenden Kammer kann bei Mischtätigkeiten keine künstliche Aufgliederung in Arten der Tätigkeiten vorgenommen werden. Da es sich um ein einheitliches Arbeitsverhältnis handelt, hat eine einheitliche Beurteilung zu erfolgen. Hier ist nach der Schwerpunkttheorie anzunehmen, dass die wissenschaftliche Tätigkeit mit 6 Wochenstunden – im Gegensatz zur 4-Stündigen Lehrtätigkeit – überwog.

c) Soweit die Klägerin einwendet, die Anrechnung der Tätigkeit gem. § 2 Abs. 3 WissZeitVG auf die Höchstbefristungsdauer habe für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.04.2013 nicht erfolgen dürfen, weil sie nicht mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit wissenschaftlich Tätig gewesen sei folgt die Kammer ihrer Rechtsauffassung nicht.

§ 2 Abs. 3 WissZeitVG setzt nach dem Wortlaut bereits nicht voraus, dass mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit mit wissenschaftlichen Tätigkeiten ausgefüllt sein muss. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht weiter, dass gem. § 2 Abs. 3 S. 2 WissZeitVG sogar befristete Arbeitsverhältnisse angerechnet werden, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen worden sind.

Vor diesem Hintergrund kann es dahin stehen, ob die Mentorentätigkeit als wissenschaftliche Dienstleistung zu qualifizieren ist.

5. Die Befristungsabrede mit Vertrag vom 15.08.2016 ist jedoch unwirksam, weil die vereinbarte Befristungsdauer nicht so bemessen worden ist, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen war.

a) Gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal das nicht promoviert ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung erfolgt. Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist.

b). Unstreitig war im vorliegenden Fall die angestrebte Qualifizierung die Promotion der Klägerin.

aa) Für das Vorliegen der Angemessenheit der Befristungsdauer im Verhältnis zur erstrebten Qualifikation ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet, da sie sich auf den Befristungsgrund und damit auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des WissZeitVG beruft.

bb) Die Beklagte hat insoweit nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die zweijährige Befristung für die angestrebte Promotion angemessen bemessen gewesen ist. Sie hat lediglich vorgetragen, dass ein Zweijahresvertrag der üblichen Promotionsdauer am streitgegenständlichen Lehrstuhl entspreche, wenn erste vorbereitende Arbeiten zur Promotion bereits erfolgt seien. Gemessen an der Vorbeschäftigungszeit der Klägerin von vier Jahren sei ihre Vertragslaufzeit daher eher großzügig bemessen gewesen. Ein Zweijahreszeitraum sei für die Erstellung einer Promotion angemessen, wenn klare Vorstellungen zum Promotionsthema bereits existierten. Sie hat hingegen nicht vorgetragen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede bereits vorbereitende Arbeiten vorgenommen bzw. welche Arbeiten dies gewesen ein sollen. Für die entscheidende Kammer ist unerheblich, welche Befristungszeiten generell an dem Lehrstuhl üblich sein sollen wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Erheblich ist vielmehr die einzelfallbezogene Betrachtung, also ob und welche vorbereitenden Arbeiten bzw. Vorstellungen zum Promotionsthema bei der hiesigen Klägerin bei Abschluss der Befristungsabrede bereits vorlagen, um Feststellungen zur Angemessenheit der Befristungsdauer treffen zu können.

cc) Die Beklagte hat im Übrigen die Behauptung der Klägerin nicht bestritten, die Sekretärin habe sich im Vorfeld der Festlegung des Befristungsendes im Auftrag des Lehrstuhlinhabers bei der Personalabteilung telefonisch erkundigt, wie lange der Vertrag der Klägerin noch maximal befristet werden könne. Um die Erreichung eines wissenschaftlichen Ziels sei es hierbei nicht gegangen. Nach Rückmeldung der Personalabteilung sei der 14.03.2018 als Enddatum eingetragen worden.

Auch dieser unbestrittene Vortrag spricht nicht dafür, dass eine einzelfallbezogene Prüfung und Absprache stattgefunden hat, welche Befristungsdauer für die Promotion der Klägerin als angemessen anzusehen war.

dd) Die von der Klägerin unterzeichnete Qualifizierungsvereinbarung vom 27.07/28.07.2016 führt zu keinem anderen Ergebnis.

(1) In der Vereinbarung findet sich zunächst die Feststellung, dass die Ausgestaltung der Qualifizierung/en und die Angemessenheit der Befristungsdauer bezogen auf den jeweiligen konkreten Einzelfall ausführlich zu erläutern ist. Im Anschluss daran findet sich dann die Erklärung „Die Promotion soll in dem Zeitraum abgeschlossen werden und der Zeitraum hierfür wird daher als angemessen angesehen.“

(2) Eine ausführliche Erläuterung auf den Einzelfall bezogen hat die Beklagte in der Qualifizierungsabrede vom 27.07./28.07.2016 hingegen trotz der hierin enthaltenen entsprechenden Vorgabe vorgenommen. Vielmehr erscheint der letzte Satz wie ein Zirkelschluss. Warum die Promotion in dem Zeitraum abgeschlossen werden soll und weshalb dieser Zeitraum angemessen ist wird weder erläutert noch begründet. Mit einer derartigen Erklärung kann sich die Beklagte nicht der Prüfung durch die Gerichte entziehen, ob tatsächlich eine angemessene Befristungsdauer vorlag.

Da mithin nicht feststeht, dass die Befristungsdauer nicht so bemessen war, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen war, liegt eine unwirksame Befristung vor, so dass der befristet geschlossene Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt, § 1 Abs. 1 S. 5 WissZeitVG i.V.m. § 16 TzBfG.

Es kann somit sowohl dahin stehen, ob der Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.04.2013 nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG anrechenbar war als auch ob die Stundenaufstockung ab dem 18.04.2018 bis zum 14.08.2018 zulässig gewesen ist.

II.

Die Begründetheit des auf Weiterbeschäftigung gerichteten Klageantrags zu 2., ergibt sich unter Berücksichtigung der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (BAG GS 1/84 in AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

In dieser Entscheidung hat der Große Senat des BAG ausgeführt, dass – außer im Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung – regelmäßig aufgrund der Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers besteht. Ergeht jedoch ein die Unwirksamkeit einer Kündigung feststellendes Urteil, überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, es sei denn, es liegen besondere, hiergegen sprechende Umstände vor. Dies gilt auch im Falle der Feststellung einer unwirksamen Befristungsabrede.

Da vorliegend keine besonderen Umstände vorgetragen worden sind, die ausdrücklich für ein überwiegendes Interesse der beklagten Partei gegen eine Weiterbeschäftigung der klagenden Partei sprechen, ist aufgrund der zuvor erfolgten gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Befristungsabrede dem Weiterbeschäftigungsanspruch der klagenden Partei stattzugeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 495 Abs. 1 ZPO.

Der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil sie bei den zur Entscheidung gestellten Anträgen der Klägerin unterlegen ist.

VII.

Die im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG zu treffende Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes ist nach § 42 Abs. 3 S. 1 GKG, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO vorgenommen worden.

Die Höhe des festgesetzten Streitwertes ergibt sich für den zur Entscheidung gestellten Feststellungsantrag aus dem Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Bruttoverdienstes der Klägers, also dem dreifachen Betrag ihrer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von EUR brutto (so die unbestrittene Angabe im Kammertermin vom 19.03.2019 auf S. Bl. d. A.). Der Wert des Weiterbeschäftigungsantrages war mit einem Bruttoentgelt der Klägerin zu berücksichtigen.

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