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Berechnung Grundruhegeld – anzurechnende Leistungen

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 8 Sa 31/18 – Urteil vom 09.01.2020

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.05.2018 (9 Ca 17/18) teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass bei der Berechnung der Betriebsrente der Klägerin keine „fiktiv mitzählende Rente“ in Abzug zu bringen ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Altersversorgung der Klägerin.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 117 – 121 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 122 – 130 d.A.) wird ebenfalls Bezug genommen.

Gegen das am 24.05.2018 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26.05.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.06.2018 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.08.2018 – am 24.08.2018 begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Zulagen zur Entgeltfortzahlung zu Unrecht für nicht berücksichtigungsfähig gehalten. Bereits der Wortlaut von § 7 HmbZVG sei nicht so eindeutig wie vom Arbeitsgericht angenommen. Der Begriff „Entgelt für geleistete Arbeit“ in § 7 II Nr. 2 HmbZVG sei im Kontext zu lesen. Aus dem Zusammenhang mit den in Nr. 1 geregelten Zulagen ergebe sich, dass nur Zahlungen außer Betracht bleiben sollten, die unabhängig von geleisteter Arbeit erfolgt seien. Die Höhe der Zulagen zum Krankengeld sei aber vom Umfang der Arbeitsleistung abhängig, die ohne die Arbeitsunfähigkeit zu erbringen gewesen wäre. Nach § 7 HmbZVG seien unterschiedliche Leistungen bei der Berechnung der Zusatzversorgung zu berücksichtigen, obwohl keine Leistungen erbracht worden seien. Schließlich sei nach Sinn und Zweck der Regelung nicht davon auszugehen, dass ein öffentlicher Arbeitgeber die Frage, ob Arbeitnehmer, die Entgeltfortzahlung in Anspruch nehmen, dafür an anderer Stelle Einbußen hinzunehmen hätten, in einer betriebsrentenrechtlichen Nebenfrage zu Lasten der kranken Arbeitnehmer entscheiden würde.

Bezüglich der Anrechnung der „mitzählenden Rente“ sei – entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts – § 26 VIII des 1. RGG nicht anwendbar. Nach § 31 II HmbZVG sei für rentenferne Jahrgänge, zu denen die Klägerin unstreitig gehöre, das Grundruhegeld abweichend von § 30 II HmbZVG nach § 18 II BetrAVG zu berechnen. Die in § 30 II HmbZVG getroffene Regelung, wonach die Höhe des Grundruhegeldes nach den am Stichtag geltenden Regelungen zu berechnen sei, finde also keine Anwendung. Zu den danach unanwendbaren Regelungen gehöre § 28 VIII des 1. RGG. Aus der amtlichen Begründung zu § 18 BetrAVG könne die Beklagte nichts herleiten, da § 18 BetrAVG nur regele, wie anzurechnende Grundversorgungen zu berücksichtigen seien, sich aber nicht zu der Frage verhalte, bei welchen Versicherungen es sich um anzurechnende Grundversorgungen handele. Unzutreffend sei die in diesem Zusammenhang vom Arbeitsgericht getroffene Feststellung, wonach die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Lebensversicherung gewährt habe, der über den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehe. Tatsächlich habe die Beklagte nur einen Zuschuss in Höhe von 50 % der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gewährt, welche die Klägerin hätte zahlen müssen, wenn sie gesetzlich rentenversichert gewesen wäre. Die zusätzliche Rente, welche die Klägerin aus der privaten Lebensversicherung erhalte, beruhe nur zu einem geringen Teil auf Beiträgen, zu denen die Beklagte Zuschüsse gewährt habe. Tatsächlich werde der Klägerin eine fiktive Rente angerechnet, die weit über dem liege, was sie aus ihrer Lebensversicherung an Leistungen erhalten. Jedenfalls wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die in § 28 HmbZVG enthaltene Härtefallregelung zu Gunsten der Klägerin anzuwenden.

Die Anwendung von § 8 III Nr. 3 des 1.RGG auf die unständigen Bezüge der Klägerin in den Jahren 1999 – 2002 sei zu Unrecht erfolgt. Diese Regelung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die vom Arbeitsgericht angenommene Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung greife nicht, weil unangemessen hohe Zusatzversorgungen infolge der Häufung von Mehrarbeit gegen Ende des Berufslebens bereits dadurch ausgeschlossen seien, dass Zuschläge und Zulagen aus den letzten 60 Monaten des Berufslebens als Bezugsgröße berücksichtigt würden.

Nicht zu überzeugen vermag schließlich die Abweisung des Klageantrags zu 4). Die Klägerin habe insoweit eingewandt, dass es sich einen Eingriff in eine bereits erdiente Anwartschaft handele, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 162 – 174 d.A.) sowie auf die ergänzenden Schriftsätze vom 21.11.2018 (Bl. 185f d.A.) und vom 14.01.2019 (Bl. 189 – 191 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.05.2018 (9 Ca 17/18) abzuändern und

1. festzustellen, dass bei der Berechnung der Betriebsrente der Klägerin sämtliche unständige Zahlungen einschließlich der Aufschläge Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen sind, so dass für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 unständige Zulagen in Höhe von € 58.250,18 zu berücksichtigen sind;

2. festzustellen, dass bei der Berechnung der Betriebsrente der Klägerin keine „fiktiv mitzählende Rente“ in Abzug zu bringen ist;

3. festzustellen, dass bei der Berechnung der unständigen Bezüge 1998 – 2002 keine Kappungsgrenze zu berücksichtigen ist;

4. festzustellen, dass beim Grundruhegeld die ruhegeldfähigen Bezüge nicht auf 98,16 % abzusenken sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und nimmt i.W. auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug.

Bezüglich der mitzählenden Rente ergebe sich die Ablehnung des klägerischen Anspruchs aus § 31 II HmbZVG i.V.m. § 18 II Nr. 1 f BetrAVG. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte Anwender der einschlägigen Normen sei, nicht Normgeber. Die Härtefallregelung sei nicht einschlägig, da sie nur die Möglichkeit biete, unangemessene Ergebnisse im Einzelfall zu korrigieren. Sie sei aber nicht dazu bestimmt, generelle Korrekturen der Versorgungsgrundsätze vorzunehmen.

Die Frage, ob eine anzurechnende Grundversorgung überhaupt vorliege, stelle sich in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht. Infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems zum 31.07.2003 sei es erforderlich gewesen, bis zu diesem Zeitpunkt erworbene Versorgungsanwartschaften betragsmäßig festzuschreiben und in das neue Versorgungsmodell („Betriebsrentenmodell“) zu überführen. Für die rentenfernen Beschäftigten regele § 31 HmbZVG – analog zu § 33 I und Ia ATV bzw. § 79 I und Ia VBLS – die Berechnung der Versorgungsanwartschaften. Sowohl die tarifrechtlichen als auch die landesrechtlichen Regelungen stellten dabei auf § 18 II BetrAVG ab. § 18 II BetrAVG in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung regele ein vereinfachtes Verfahren zur Bewältigung eines Massenphänomens. Dem Bundesgesetzgeber seien Ungenauigkeiten im Einzelfall durchaus bewusst gewesen, er habe diese jedoch bewusst in Kauf genommen.

Mit der Schließung des Ersten Ruhegeldgesetzes zum 31.07.2003 sei das Gesamtversorgungssystem gemäß § 1 I 1.RGG aufgegeben worden. Der Zweck des 1.RGG habe darin bestanden, einen Zuschuss zu den in den §§ 26 bis 27 genannten Bezügen aus öffentlichen Mitteln zu gewähren. Die Verwendung des Begriffs „Zuschuss“ und die Tatsache, dass die Höhe des Zuschusses maßgeblich von den in den §§ 26 bis 27 1.RGG bezeichneten Einkünften abhängig gewesen sei, stehe der Annahme der Klägerin entgegen, es gäbe überhaupt keine anzurechnende Grundversorgung.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 29.10.2018 (Bl. 182 – 184 d.A.) und auf den ergänzenden Schriftsatz vom 14.02.2019 (Bl. 195 – 197 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.

1. Nach Ansicht der Kammer fehlt für die Anrechnung der Ansprüche der Klägerin aus ihrer privaten Lebensversicherung eine hinreichend eindeutige Rechtsgrundlage.

Nach dessen § 1 I 1 gilt das HmbZVG für Beschäftigte, die – wie die Klägerin – am 31.07.2003 unter das 1. RGG fielen, mit den in §§ 29 – 31 HmbZVG bestimmten Abweichungen. Für Beschäftigte, die – wie die Klägerin – nach dem 31.07.1948 geboren sind („rentenferne Jahrgänge“) gelten gemäß § 31 I HmbZVG § 30 HmbZVG entsprechend. Nach § 31 II HmbZVG wird die Höhe des Grundruhegeldes jedoch nach § 18 II BetrVG in der am Stichtag (31.07.2003) geltenden Fassung ermittelt.

Die Kammer teilt die Rechtsauffassung der Klägerin, dass diese Vorschrift über die Berechnung anzurechnender Leistungen die Frage, ob bestimmte Leistungen dem Grunde nach anzurechnen sind, nicht ersetzt. § 18 BetrAVG in der am 31.07.2003 geltenden Fassung erhielt – ebenso wie die geltende Version – lediglich eine Vorschrift, wie die Höhe anzurechnender Leistungen zu berechnen ist. Welche Zusatzleistungen anzurechnen sind, regelt § 18 BetrAVG nicht. Weil die Anrechnung von Leistungen Dritter erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Versorgung hat, bedarf die Anrechnung dem Grunde nach einer eindeutigen Rechtsgrundlage. Die Beklagte weist in ihrem Schriftsatz vom 14.02.2019 zu Recht darauf hin, dass insoweit aufgrund der Beendigung des Gesamtversorgungssystems nach dem 1.RGG zum 31.07.2003 Regelungsbedarf bestand. Allein aus der – nach Auffassung der Kammer offensichtlichen – Regelungsbedürftigkeit kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine Regelung tatsächlich getroffen hat. Die Beklagte hat auch keine gesetzliche Regelung benannt, aus der sich die Anrechenbarkeit dem Grunde nach ergeben soll.

Gegen die Absicht des Gesetzgebers, befreiende Lebensversicherungen pauschal – wie von der Beklagten geschehen – auf die Versorgung anzurechnen, spricht auch, dass zahlreiche Fragen nicht geregelt sind, so z.B. die Frage, in welcher Weise Zuschüsse zu berücksichtigen sind, die der Arbeitgeber zu einer privaten Zusatzversicherung geleistet hat.

2. In den anderen Punkten ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Die Kammer macht sich insoweit die Entscheidungsgründe zu 2 a), c) und d) (Bl. 122 – 124 sowie 128 – 129 d.A.) zu Eigen. Die Ausführungen der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Im Einzelnen.

a) Der Kläger wendet zwar zutreffend ein, dass die Höhe der Zuschläge zur Entgeltfortzahlung von der Höhe der fiktiven Einkünfte abhängig ist. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um – über die Lohnersatzleistung hinausgehendes – Entgelt für nicht geleistete Arbeit handelt.

c) Eine Kappungsgrenze für nicht ständige Bezüge liegt im Ermessen des Gesetzgebers. Die Berufung behauptet nicht, dass sachfremde Erwägungen zugrunde liegen. Selbst wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, dass der gesetzgeberische Zweck auch auf anderem Wege erreichbar gewesen wäre, ergibt sich darauf keine Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung.

d) Die gesetzgeberische Entscheidung, die Erhöhung der ruhegeldfähigen Bezüge nicht an den Tarifgehältern, sondern an den Rentenerhöhungen zu orientieren, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergeben sich keine Anknüpfungspunkte für eine andere Bewertung.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 92 I 1 ZPO.

III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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