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Betriebsbedingte Kündigung bei Wegfall Beschäftigungsbedarf

ArbG Düsseldorf – Az.: 1 Ca 5532/19 – Urteil vom 29.05.2020

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.10.2019 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der klägerischen Partei ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Vice President, Central Europe Region, weiter zu beschäftigen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 3/4, der Kläger zu 1/4.

5. Der Streitwert beträgt 232.532,20 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Kern über die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die Beklagte.

Der am „0“ geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.06.2018 als Vice President, Central Europe Region, beschäftigt.

Dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegt der Arbeitsvertrag vom 02.02.2018 (Bl. 18 ff. der Akte) nebst Ergänzung vom 21.03.2019 (Bl. 30 f. der Akte). Vereinbart ist ein monatliches Festgehalt von 20.000 EUR brutto zuzüglich eines Anspruches auf variable Vergütung. Unter Berücksichtigung dieser variablen Vergütung betrug das Bruttojahresentgelt des Klägers für das Kalenderjahr 2019 589.925,33 EUR (Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019, Bl. 426 der Akte).

Die Beklagte ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der N.. Die oberste Muttergesellschaft ist die N. mit Sitz in den USA. Geschäftsführer der Beklagten ist Herr Q.. Dieser ist zugleich Senior Executive Vice President und Chief Operating Officer bei der N.. Verantwortlich für das Personal der Beklagten ist Herr J., Vice President, Human Resources International. Dieser ist bei der N. beschäftigt. An ihn berichtet Frau D., Senior Human Resources Business Partner bei der Beklagten im Betrieb in Köln. Bei der Beklagten selbst sind 56 Mitarbeiter beschäftigt. Eine eigenständige Personalabteilung existiert nicht. Auch ein Betriebsrat wurde nicht gebildet.

Durch die Einstellung des Klägers zum 01.06.2018 wurde eine neu geschaffene lokale Managementebene eingeführt. Der fachliche Vorgesetzte des Klägers war Herr A., Senior Vice President, Field Operations, Europe (N.). Vor der Einstellung des Klägers hatten die dem Kläger nun nachgeordneten Sales Direktoren direkt an Herrn A. berichtet. Auf die Organigramme (Bl. 84 ff. der Akte) wird ergänzend Bezug genommen.

Bei den Sales Direktoren handelte es sich zunächst um Herrn F. und Herrn M. Zum 01.10.2018 kam mit der Überantwortung der Regionen Österreich, Schweiz und Osteuropa zu der Region des Klägers noch der Sales Direktor X., der bei der im N. angestellt ist, hinzu.

Im August 2019 wurde dem Kläger zusätzlich die Verantwortung für die Funktion des „Partner Manager, Global Alliances“ in Person des Herrn T. als direkte Reporting Linie übertragen.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 09.10.2019 (Bl. 15 f. der Akte) zum 31.01.2020. Gleichzeitig wurde der Kläger unwiderruflich freigestellt.

Zum Zeitpunkt der Kündigung war bei der Beklagten die Stellen eines Consultant frei (Ausschreibung Bl. 100 f. der Akte). Diese Stelle ist dem Kläger nicht angeboten worden.

Zum 31.12.2019 schied Herr A. bei der N. aus. Er wird bis zur Einstellung einer Ersatzkraft vertreten durch Herrn I., Executive Vice President Sales, N..

Gegen den Ausspruch der Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 16.10.2019 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten am 22.10.2019 zugestellten Kündigungsschutzklage.

Der Kläger ist der Auffassung, das Kündigungsschutzgesetz finde vorliegend Anwendung. Er behauptet, er sei in den Betrieb in Köln eingebunden. Ihm sei lediglich zugestanden worden, ein zusätzliches Vertriebsbüro in Düsseldorf zu eröffnen, um die erheblichen Reisezeiten für ihn und weitere betroffene Kollegen zu reduzieren. Das Büro in Düsseldorf verfüge nicht über einen eigenständigen Leitungsapparat und werde vielmehr zentral über Köln gelenkt. Er arbeite auch nicht außerhalb des Betriebs der Beklagten. Vielmehr habe er als Vice President eine elementare und tragende Rolle für den erfolgreichen Betrieb mit direkter Personalverantwortung und weitreichenden Kompetenzen.

Nach der Rechtsauffassung des Klägers habe die Beklagte einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs nicht dargelegt.

Der Kläger behauptet hierzu, ihm habe unter anderem die Umsetzung der bereits in den USA beschlossenen „go-to-market“ Strategie oblegen. Er habe die Umsetzung dieser Strategie nicht lediglich überwacht, sondern geleitet.

Die Sicherstellung der Erreichung von Quartalszielen sei nicht durch die Prüfung von Systemeinträgen zu erreichen, sondern durch die gezielte Analyse des Sales Cycles, der beschlossenen Maßnahmen für den Geschäftsabschluss zu einem bestimmten Termin sowie durch intensive Gespräche mit den Vertriebsdirektoren, den Accountmanagern und schließlich den Kunden und Interessenten bzw. Vertriebspartnern selbst. Die tatsächliche Arbeitslast betrage eher 1,5 bis 2 volle Arbeitstage pro Woche.

Die Verbesserung in der Teamleistung bestehe im Wesentlichen in wöchentlichen Cadence- und Coachingcalls, die 1,5 bis 2 Tage in Anspruch nähmen. Zusätzlich fänden quartalsweise Mitarbeitergespräche im Rahmen der Performanceanalyse statt sowie vereinzelte ad-hoc Gespräche bei Bedarf und auch nach Notwendigkeit.

Im Bereich der Account-Pläne sei es nicht ausreichend, die Accountmanager an etwas zu erinnern, sondern vielmehr die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, d. h. die Einteilung der Kunden in die Kategorien A, B und C in enger Abstimmung mit den Vorgaben des Hauptquartiers. Hierzu habe er allein im Januar/Februar 2019 mit Herrn F. mehr als drei Arbeitstage verbracht. Hier gehe es außerdem um eine zusätzliche Qualitäts- und Inhaltskontrolle der Arbeit des Sales Teams. Diese Aufgaben müsse sinnvollerweise ein Vorgesetzter übernehmen.

Der Kläger habe ca. ein Drittel bis einen halben Tag durchschnittlich in der Woche mit Marketingaktivitäten verbracht. Er habe den Ablauf von Veranstaltungen und Field Marketing Aktivitäten abgestimmt und das Sales Team mit seinen Erfahrungen diesbezüglich unterstützt und gecoacht.

Der Kläger habe eine tragende Rolle bei der Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen und dem Ausbau von existierenden Beziehungen bei den wichtigsten und größten Kunden der Organisation gespielt, unter anderem bei N., C., S., M., E., B., D., B., C., E., E., Q. und Q.. Die Erzielung von Umsatzergebnissen bei den oben genannten Kunden sei unter anderem auf die direkte Einflussnahme und vertriebliche Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen durch den Kläger zurückzuführen. Der Kläger habe bei vielen dieser wichtigen Kunden als sogenannter Executive Sponsor agiert, Geschäfte entwickelt und verhandelt und zum Abschluss gebracht. Auf die Aufstellung des Klägers (Bl. 149 der Akte) wird verwiesen. Kläger verbringe hiermit durchschnittlich 20 bis 25 % seiner Zeit.

Im Rahmen der Erzeugung von Leads habe er aktiv und regelmäßig Kundengespräche telefonisch und persönlich geführt (mindestens 2-3 Gespräche pro Woche mit Großkunden und wichtigen Interessenten sowie die persönliche Unterstützung auf Veranstaltungen und Messen). Ca. 20 bis 25 % seiner Zeit entfielen auf sogenannte „customer facing activities“, d. h. Termine, Gespräche oder Verhandlungen mit Kunden.

Die Unterstützung der Personalabteilung bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sei ebenfalls eine elementare Führungsaufgabe gewesen.

Durch die Ansiedlung der Rolle des Channel- oder Partner-Managers, Herrn M., in Deutschland sei weiterer Zeitaufwand entstanden. Der Kläger habe mit Herrn M. zweiwöchentlich regelmäßige Beurteilungsgespräche geführt. Übernehme Herr M. nun den wöchentlichen Cadence Call mit Herrn M., die der Kläger alleine ausgeführt habe, so entstehe diesem dadurch überobligatorische Mehrarbeit.

Die verbleibenden Mitarbeiter hätten die Tätigkeiten des Klägers nicht übernehmen können. Diese hätten bereits zu Zeiten der Beschäftigung des Klägers erhebliche Überstunden geleistet. Es sei daher aus klägerischer Sicht undenkbar, dass die Umverteilung der Arbeit des Klägers auf diese Mitarbeiter ohne Mehrarbeit einhergehe. Da die Tätigkeiten, die ursprünglich auf Herrn A. übertragen werden sollten, nunmehr von Herrn I. wahrgenommen werden müssten, bis eine Ersatzkraft eingestellt würde, sei klar, dass dort überobligatorische Mehrarbeit geleistet würde.

Ein Blick auf die tatsächlichen regelmäßigen Aufgaben des Klägers laut Organisationshandbuch (Aufstellung Seite 13 f. des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 07.02.2020) ergäbe durchschnittlich mehr als 50 Stunden pro Arbeitswoche und beinhalte noch keine Reisetätigkeit oder Kundentermine.

Der Kläger ist der Auffassung, der freie Arbeitsplatz als Consultant oder Senior Consultant hätte ihm angeboten werden müssen. Hierzu behauptet er, er sei für diese Tätigkeiten qualifiziert. Die von der Beklagten vorgetragene herausragende Bedeutung der IT Kenntnisse ergebe sich aus der Stellenausschreibung nicht. Vielmehr sei eine technische Ausbildung ausdrücklich nur eine alternative Qualifikation.

Nach der Rücknahme von angekündigten Anträgen auf Annahmeverzugslohn in Höhe von insgesamt 81.489,68 EUR sowie des allgemeinen Feststellungsantrages beantragt der Kläger zuletzt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.10.2019 nicht aufgelöst werden wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt und

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsantrag zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Vice President, Central Europe Region, weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie ist es zunächst der Auffassung, das Kündigungsschutzgesetz finde schon keine Anwendung, da der Kläger in einer Matrixstruktur außerhalb des Betriebes der Beklagten in Köln als einziger Mitarbeiter in Düsseldorf arbeite. Dies ergebe sich aus der Vorgesetztenstellung des Herrn A. und der Nachordnung des Herrn X., die beide nicht bei der Beklagten beschäftigt sind.

Die Kündigung sei jedenfalls aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

Hierzu behauptet sie, die Beklagte habe am 07.10.2019 in London durch die Herren I. und M. entschieden, die Ebene des Vice President bei der Beklagten wieder mit sofortiger Wirkung abzuschaffen und zu der Situation vor Einstellung des Klägers zurückzukehren. Das Ziel der Stelle sei die Erzielung eines Kunden- und Ertragswachstums gewesen. Nach 1,5 Jahren habe man erkannt, dass der Wert die Kosten nicht trage. Außerdem sei eine erhebliche Effizienzsteigerung bei der Verwaltung der Verkaufsdirektoren und Geschäfte ohne die regionale Vice President Rolle festgestellt worden. Daher sei entschieden worden, die gesamte regionale Führungsebene abzuschaffen. Die Entscheidung sei unmittelbar am 09.10.2019 umgesetzt worden. Mit dieser Entscheidung seien die Aufgaben des Klägers vollständig entfallen.

Diese Rückkehr zur alten Situation beinhalte auch die Rückkehr zur früheren Aufgabenverteilung. Dabei sei dem Beteiligten bewusst gewesen, dass die frühere Aufgabenverteilung und Arbeitsbelastung über Jahre hinweg ohne Nachteile funktioniert habe und daher auch zukünftig funktionieren würde.

Die Tätigkeit „Entwicklung und Formulierung einer einheitlichen Verkaufsstrategie für mehrere Marktsegmente über mehrere Kanäle hinweg (ca. 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers) werde von Herrn A. in Abstimmung mit den Sales Direktoren übernommen. Diese hätten die Umsetzung der Verkaufsstrategie gemeinsam mit Herrn A. auch während der Tätigkeit des Klägers durchgeführt. Nunmehr übernähmen sie auch die Entwicklung und Formulierung der Verkaufsstrategie gemeinsam mit Herrn I. als Nachfolger von Herrn A.. Alle diese Personen (bzw. Herr A. als Vorgänger des Herrn I.) hätten diese Tätigkeiten bereits vor der Einstellung des Klägers wahrgenommen. Während der Tätigkeit des Klägers seien sie ebenfalls involviert gewesen und hätten gemeinsam mit dem Kläger daran gearbeitet. Nunmehr würden sie dies wieder ohne den Kläger tun. Die Zeitanteile gingen in der Tätigkeit des Sales Direktoren auf.

Soweit der Kläger auf die sogenannte „go-to-market“ Strategie verweise, habe deren Umsetzung den Herren M. und F. oblegen. Der Kläger habe diese lediglich überprüft. Diese Überprüfung übernähmen jetzt Herr I. und Frau C. (N.), sodass die ehemaligen Tätigkeiten des Klägers nicht mehr bei der Beklagten vorgehalten würden. Herr I. und Frau C. könnten diese ohne überobligatorische Leistungen erbringen. Insbesondere auch deshalb, da beide auch während der Tätigkeit des Klägers wiederum alle regionalen Vice Presidents Sale hinsichtlich der Einhaltung der globalen „go-to-market“ Strategie überwachten.

Die Verantwortlichkeit für die Prognose und Erreichung von Quartalszielen, Absatzplänen, Preisstrukturen und Kundensegmentierung, inklusive der Teilnahme an vierteljährlichen Treffen bzw. Telefonaten wegen der Besprechung der Zielerreichung in vorausgegangenen Quartalen (ca. 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers) übernehme Herr A. (bzw. Herr I. als dessen Nachfolger) in Abstimmung mit den Sales Direktoren. Die Prognose erfolge auf der Grundlage der Systemeinträge bei der Beklagten, sodass Herr A. (bzw. Herr I.) faktisch keinen (Mehr)-Aufwand durch diese Aufgabe habe. Er müsse lediglich die Systemeinträge prüfen. Die Anteile der Sales Direktoren von 2,5 Stunden stellten dabei keine zusätzlichen Arbeitszeiten dar, sondern gingen in ihrer eigenen Arbeitszeit auf, da sie ohnehin diese Tätigkeiten ausgeübt hätten, vor und während der Beschäftigung des Klägers. Z.B. habe bei Treffen und Telefonaten der Kläger nicht alleine gewirkt, sondern, je nach Inhalt und Thema des Telefonates gemeinsam mit den einzelnen Sales Direktoren. Diese seien auch während der Beschäftigung des Klägers direkt involviert gewesen und übernähmen die Verantwortung nahtlos.

Die Verbesserung der Teamleistung durch Mentoring und Training durch den Verkaufsprozess über die Cadence Calls (ca. 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers), werde erneut vor den Sales Direktoren ausgeübt. Diese hätten schon während der Tätigkeit des Klägers entweder mit den einzelnen Salesdirektoren oder gemeinsame Dritten stattgefunden. Daher entstehe durch die Übernahme dieser Tätigkeit keine einzige Minute Mehrarbeit. Die 1:1 Telefonate würden nunmehr von Herrn I. und Frau C. durchgeführt, dauerten max. 30 Minuten pro Woche und würden bei der Beklagten somit nicht mehr vorgehalten.

Das Repräsentieren der Beklagten gegenüber Unternehmen, unabhängig davon, ob es sich um Kunden des Service- oder Vertriebsteams handele (ca. 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers), übernehme Herr A. (bzw. vorübergehend Herr I.) in Abstimmung mit den Sales Direktoren. Hierzu gehörten auch die vom Kläger benannten „Customer Facing Activities“. Die Sales Direktoren seien ohnehin immer gemeinsam mit dem Kläger an der Planung und Wahrnehmung beteiligt gewesen und könnten diese daher ohne überobligatorische Leistungen weiter ausüben. Lediglich eine Begleitung durch den Kläger als Repräsentanten entfalle. Soweit Herr I. in Einzelfällen eine solche Begleitung ausübe, entstände dadurch keine Mehrarbeit, da dieser selbst auch während der Beschäftigung des Herrn A. deutsche Kunden besucht habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in Einzelfällen auch selbst und ohne Salesdirektoren Kontakt mit Kunden aufgenommen habe. Dies habe jedoch nichts mit den Tätigkeiten an sich zu tun, sondern nur mit der selbstständig festgelegten Häufigkeit der Wahrnehmung dieser Tätigkeiten. In dem Umfang, in dem dies geschehen sei, wird es sich einfach nicht mehr geschehen. Persönliche und telefonische Kundenbesprechungen würden weiterhin von den Salesdirektoren und Herrn I. nach Bedarf und den jeweiligen Umständen entsprechend durchgeführt.

Die Leistungsbeurteilung für die geführten Mitarbeiter (ca. 5 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers) übernehme Herr A. (bzw. Herr I.). Diese Aufgabe betreffe nur die Mitarbeiter F., M. und X. sowie vorübergehend seit dem 01.08.2019 bis zur Freistellung des Klägers Herrn M.. Im Übrigen sei Herr I. bereits seit seiner Einstellung im vierten Quartal 2019 ein Glied in der Genehmigungskette für Performancebeurteilungen der Herren F., M. und X. gewesen. Daher ändere sich für Herrn I. faktisch nichts, der er weiterhin ein Glied der Kette sei. Es entstehe nur eine geringfügige zusätzliche Mehrbelastung. Mit Herrn M. habe der Kläger während seiner Zeit als Vorgesetzter kein einziges Gespräch über eine Leistungsbeurteilung geführt. Daher sei insoweit keine Arbeit für den Kläger angefallen.

Die Pflege der Account-Pläne, d. h. das Erinnern der Accountmanager daran, dass sie die Account Pläne schreiben (ca. 5 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers), werde erneut von den Sales Direktoren ausgeübt. Der Beitrag des Klägers im Rahmen der Überprüfung und gegebenenfalls Editierung werde bei der Beklagten nicht mehr vorgehalten. Diese Überprüfung erfolge nicht mehr, die Sales Direktoren übernähmen dies nunmehr alleine im Rahmen der Erstellung. Selbst wenn die Arbeitszeit des Klägers rechnerisch auf alle drei Salesdirektoren verteilt würden, entspräche dies 40 Minuten zusätzlich pro Woche und pro Person. Dies könne auch ohne überobligatorische Leistungen erbracht werden.

Die Zusammenarbeit mit Marketing, Partnermanagern und Sales Direktoren, um neue Leads zu erhalten und zu analysieren, sowie die Unterstützung von Marketingsevents wie Symposien (ca. 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit), werde erneut von den Sales Direktoren ausgeübt. Sie werde wie bisher fortgeführt, nur ohne die Beteiligung des Klägers. Veranstaltungen und Messen würden weiterhin stattfinden, jedoch ohne die Teilnahme oder Mitwirkung von jemandem in der Rolle des Klägers. Hierbei habe es sich ebenfalls um eine rein repräsentative Funktion gehandelt, die von den Sales Direktoren begleitet worden sei. Soweit der Kläger selbst und ohne Beteiligung der Salesdirektoren Kontakt mit dem Marketing aufgenommen habe, habe dies nichts mit der Tätigkeit an sich zu tun, sondern nur mit der selbstständig festgelegten Häufigkeit der Wahrnehmung dieser Tätigkeit. In dem Umfang, in dem dies geschehen sei, geschähe es nun nicht mehr. Damit ändere sich für die drei Salesdirektoren hinsichtlich ihrer Tätigkeiten überhaupt nichts.

Die Unterstützung der Personalabteilung bei der Rekrutierung, bei Einstellungsgesprächen und der Einstellung von Kandidaten (ca. 5 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers) sei für die Position des Klägers neu geschaffen worden und werde nunmehr nicht mehr benötigt. Einstellungen würden nun ohne zusätzliche Vorstellungsgespräche und Bewerberbeurteilungen eines Vice Presidents durchgeführt.

Da die dargestellte Aufgabenverteilung vor der Einstellung des Klägers ohne jegliche Überstunden von den betroffenen Personen hätte ausgeübt werden können, sei aufgrund der Rückgängigmachung der Struktur keinerlei Mehrbelastung für die genannten Mitarbeiter eingetreten. Auch im Übrigen hätten die genannten Mitarbeiter nach der Neueinstellung des Klägers keine zusätzlichen Aufgaben erhalten, sodass derzeit kein Unterschied im Vergleich zur früheren Situation vor der Einstellung des Klägers bestehe. Während die Aufgaben, bei denen der Kläger unterstützt habe, grundsätzlich weitergeführt würden, falle die unterstützende Funktion im wesentlichen schlichtweg weg und werde nebenbei von anderen Personen mit ausgeübt. Gleiches gelte für die repräsentativen Aufgaben.

Die etwaige Resttätigkeiten des Klägers übernehmenden Mitarbeiter F. und M. müssten jedenfalls seit dem Wegfall der Tätigkeiten des Klägers am 09.10.2019 nicht mehr Überstunden leisten als während der Tätigkeit des Klägers. Der Vergleich der jeweiligen vierten Quartale der Jahre 2018 (vermittelt dem Kläger) und 2019 (ohne den Kläger) zeige, dass ich wöchentliche das sich die wöchentliche Arbeitszeit nicht nennenswert erhöht habe, sondern im wesentlichen gleich geblieben sei. Bei den Sales Direktoren handele es sich um sehr erfahrene Vertriebsmitarbeiter, die seit Jahren ihre Aufgaben selbstständig wahrnähmen und wenig Management und Aufsicht im Tagesgeschäft erforderten. Durch die Einstellung des Klägers hätten sich die Tätigkeiten der Sales Direktoren nicht verändert.

Vorgesetzter des Partner Managers, Herrn M., sei nunmehr Herr M.. Hierdurch entstände Herrn M. allenfalls eine Mehrbelastung von zwei Stunden pro Monat, da insoweit keine wesentlichen Arbeiten anfielen bzw. in dessen eigener Führungsrolle aufgingen. Die Übernahme sei für den Kläger selbst vorübergehend gewesen. Es hätten nur gelegentliche Telefonate stattgefunden. Herr M. sei außerdem ein erfahrener Mitarbeiter und habe auch während der Beschäftigung des Klägers mit den Herren M. und F. zusammengearbeitet.

Das von der Klägerseite zitierte Organisationshandbuch sei der Beklagten nicht bekannt. Hinsichtlich der vorsorglich erfolgten Stellungnahme der Beklagten wird auf die Aufstellung (Seite 33 ff. des Schriftsatzes vom 27.02.2020) ergänzend Bezug genommen.

Das Ausscheiden des Herrn A. zum 31.12.2019 bei dessen Vertragsarbeitgeber ändere nichts an der Tatsache, dass die von ihm ausgeübten Tätigkeiten bei der Beklagten nicht vorgehalten würden. Diese würden vorübergehend von Herrn I. wahrgenommen werden, bis eine Ersatzkraft eingestellt sei.

Soweit der Kläger ein Glied in einer Genehmigungskette gewesen sei, so funktioniere die Kette nun ohne ihn – wie vor seiner Anstellung. Gleiches gelte für etwaige Bindegliedsfunktionen.

Für die freie Stelle des Consultant fehlten dem Kläger die geforderten technischen Kenntnisse im Bereich „Designen und Implementieren von Business Intelligence Lösungen“ sowie das „Verständnis von core Business Intelligence (BI) / Data Warehousing Technologie: RDBMS, Web, Client/ Server und OLAP“. Auch die Erfahrung in der Programmierung (Visual Basic, C, C++) und Web/Internet (Java, HTML, ASP, XML, XSL, habe der Kläger nicht. Diese könne er auch nicht innerhalb einer angemessenen Einarbeitungszeit von ca. drei Monaten erlernen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 22.11.2019 und 29.05.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Kündigung vom 09.10.2019 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Die Beklagte ist daher zur Weiterbeschäftigung des Klägers und zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verpflichtet.

1.  Der form- und fristgerecht im Sinne der §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzantrag ist zulässig und begründet. Die Kündigung vom 09.10.2019 ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG.

a.  Das Kündigungsschutzgesetz findet vorliegend gemäß § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.

Der Kläger war zum Kündigungszeitpunkt länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt. In dem Betrieb der Beklagten sind in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt.

Unstreitig beschäftigt die Beklagte in Köln mehr als die geforderten zehn Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hindert die Vereinbarung eines des primären Arbeitsortes des Klägers in Düsseldorf die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht.

aa.  In Anlehnung an den Betriebsbegriff des BetrVG ist nach gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur unter einem Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln zu verstehen, mit deren Hilfe jemand in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern einen oder mehrere arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen (BVerfG 27.1.1998, NZA 1998, 470 ff.; BAG 24.2.1976, DB 1983, 1498; ErfK/Ascheid Rn. 4). Diese Definition steht für den einheitlichen kündigungs- und betriebsverfassungsrechtlichen Begriff des Betriebes. Wie aus dem Schutzzweck des Kündigungsschutzgesetzes folgt, ist dieser Betriebsbegriff im weitesten Sinne zu verstehen (BAG 9.9.1982, AP BGB § 611 Hausmeister Nr. 1; BeckOK ArbR/Volkening, 56. Ed. 1.6.2020, KSchG § 23 Rn. 5a).Betriebsteile und Nebenbetriebe werden i.S.v § 23 nicht gesondert betrachtet, sondern als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen (BeckOK ArbR/Volkening, 56. Ed. 1.6.2020, KSchG § 23  Rn. 6a).

bb.  Dies ist vorliegend der Fall. Bei dem weiteren Vertriebsbüro in Düsseldorfer handelt es sich allenfalls um ein Betriebsteil oder Nebenbetrieb, in dem nur örtlich ausgelagert Teilfunktionen wahrgenommen werden. Das Bestehen eines eigenen Leitungsapparats ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger arbeitet auch nicht außerhalb des Betriebes der Beklagten in Köln im Rahmen einer Matrixstruktur. Vielmehr ist er ausweislich der von der Beklagten selbst vorgetragenen Aufgabenbeschreibung in die dortigen Abläufe eingebunden. Es wird Bezug genommen auf die Tätigkeiten der Prognose und Erreichung von Quartalszielen, Absatzplänen, Preisstrukturen und Kundensegmentierung, die Verbesserung der Teamleistung, die Durchführung der Leistungsbeurteilungen der dortigen Mitarbeiter, die Pflege der Accountpläne sowie die Zusammenarbeit mit Marketing, Partnermanagern und Salesdirektoren. Jeder dieser Arbeitsvorgänge beinhaltet eine Zusammenarbeit/Verknüpfung mit den Mitarbeitern der Beklagten. Im Betrieb in Köln. Der Kläger nimmt außerdem hinsichtlich der dort tätigen Mitarbeiter F. und M. die Vorgesetztenfunktion wahr. Von einer Tätigkeit außerhalb des Betriebes kann daher nach der Rechtsauffassung der Kammer keine Rede sein.

b.  Die Kündigung wird von der Beklagten betriebsbedingt begründet. Die Anforderungen an die Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses werden von ihr jedoch nicht erfüllt.

aa.  Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11, juris).

Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11, juris).

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11, juris, mit weiteren Nachweisen).

bb.  Gemessen an diesen Vorgaben genügt der Vortrag der Beklagten zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger nicht.

Vorliegend fallen die Organisationsentscheidung der Beklagten, die Hierarchieebene des Klägers abzuschaffen, und ihr Kündigungsentschluss zusammen. Die Beklagte war daher nach den strengen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichtes verpflichtet, die organisatorische Durchführbarkeit und zeitliche Nachhaltigkeit ihrer Entscheidung zu verdeutlichen. Bedenken bestehen nach der Rechtsauffassung der Kammer zum einen hinsichtlich der Verteilung der Aufgaben ohne überobligationsmäßige Leistungen auf die verbliebenen Mitarbeiter sowie hinsichtlich der Durchführbarkeit an sich.

(1)  Die Beklagte beruft sich vorliegend darauf, dass die unternehmerische Entscheidung zum Abbau der Hierarchieebene sich auf eine Rückkehr zur alten Situation vor der Einstellung des Klägers beschränke. Aus diesem Grund bestehe bereits die Vermutung, dass die frühere Aufgabenverteilung und Arbeitsbelastung auch zukünftig funktionieren würde.

Diese Grundannahme teilt die Kammer nicht. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich bei der Aufnahme der Tätigkeit einer neuen Führungsebene auch die zuvor wahrgenommene Aufgabenverteilung der über- und untergeordneten Mitarbeiter im Verlauf von mehr als einem Beschäftigungsjahr verschiebt. Andernfalls handelte es sich um eine völlig überflüssige Hierarchieebene, die jedoch mit erheblichen weiteren Kosten für die Beklagte verbunden wäre.

Bezogen auf die konkrete Tätigkeit des Klägers ist diese Annahme auch nicht zutreffend. So hat sich durch die Überantwortung der Regionen Österreich, Schweiz und Osteuropa in den Verantwortungsbereich des Klägers zum 01.10.2018 der Umfang der bei der Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben verändert. Mit der Verantwortung für diese Regionen einher ging die Übernahme der Vorgesetztenfunktion für den Sales Direktor X., die zuvor ebenfalls nicht bei der Beklagten lag.

Im August 2019 wurde dem Kläger außerdem unstreitig die Verantwortung für die Funktion des Partnermanagers, Herrn M., als direkte Reporting Linie übertragen. Auch hier handelt es sich um einen zusätzlichen Tätigkeits- und Verantwortungsbereich im Vergleich zu der Situation vor der Einstellung des Klägers. Diesen Bereich habe Herr M. übernommen. Die Kammer geht davon aus, dass eine Wahrnehmung dieser weiteren Tätigkeit ohne überobligationsmäßige Leistungen des Mitarbeiters nicht möglich ist.

Unstreitig geblieben ist, dass die Mitarbeiter M. und F. bereits vor der Freistellung des Klägers voll beschäftigt waren. Soweit die Beklagte behauptet, seit dem 09.10.2019 hätten die Mitarbeiter nicht mehr Überstunden geleistet als während der Tätigkeit des Klägers, ergibt sich hieraus nichts anderes. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass bei diesen Mitarbeitern freie Arbeitszeitkapazitäten vorgelegen hätten, die durch weitere Aufgaben aufgefüllt werden konnten. Soweit die Beklagte darauf verweist, der Vergleich der vierten Quartale 2018 und 2019 habe ergeben, dass sich die wöchentliche Arbeitszeit nicht nennenswert erhöht habe, sondern im Wesentlichen gleich geblieben sei, ist dieser Vortrag bereits unsubstantiiert. Aus ihm kann jedenfalls nicht geschlossen werden, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hinsichtlich der von ihr getroffenen Organisationsentscheidung von der Möglichkeit der Übernahme weiterer Tätigkeiten durch die Mitarbeiter M. und F. ausgehen konnte. Die langjährige Erfahrung und selbstständige Arbeitsweise der Mitarbeiter führt nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht dazu, dass diese zusätzliche Tätigkeiten und Verantwortungen ohne Mehrbelastung übernehmen können.

Es bleibt festzuhalten, dass die Beklagte selbst einräumt, dass eine Mehrbelastung von zwei Stunden pro Monat für den betroffenen Mitarbeiter M. anfalle. Überobligationsmäßigen Leistungen in diesem Umfang sind daher unstreitig. Der Hinweis auf nur zwei Stunden beruht auf der Annahme, dass durch die Übernahme der Vorgesetztenfunktion keine wesentlichen Arbeiten anfielen bzw. in der eigenen Führungsrolle des Mitarbeiters aufgingen. Dies ist nicht nachzuvollziehen. Führt Herr M. eine weitere Person, so führt dies zu einer Mehrbelastung und geht eben nicht in der eigenen Führungsrolle, die bisher auf eine geringere Anzahl von Mitarbeitern beschränkt war, auf. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Kläger keine Beurteilung des Herrn M. vorgenommen habe, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Diese Aufgabe gehört zu der Vorgesetztenfunktion und ist daher fortzuführen. Dass diese in der Zeit seit Übernahme bis zur Freistellung des Klägers nicht erfolgt ist, führt nicht zu einem Wegfall dieser Tätigkeit. Der Kläger hat außerdem auf wöchentliche Cadence-Calls hingewiesen, die er alleine mit Herrn M. geführt habe. Dem ist die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Sie beschränkt sich darauf vorzutragen, es hätten nur gelegentliche Telefonate stattgefunden. Dies genügt nach Auffassung der Kammer zur Darstellung des Tätigkeitsumfanges nicht. Von überobligationsmäßigen Leistungen des Mitarbeiters M. ist daher auszugehen.

(2)  Hinsichtlich der seitens der Beklagten aufgeführten Arbeitsvorgänge ist der Vortrag zur organisatorischen Durchführbarkeit in Teilen nicht schlüssig. Dabei geht die Beklagte als Grundannahme davon aus, dass die zuvor an den Arbeitsvorgängen beteiligten Sales Direktoren diese nunmehr alleine ausführten, diese mithin in ihren Arbeitszeiten aufgingen.

Hinsichtlich des Arbeitsvorganges „Entwicklung und Formulierung einer einheitlichen Verkaufsstrategie für mehrere Marktsegmente über mehrere Kanäle hinweg“ wird darauf verwiesen, dass die Sales Direktoren die Umsetzung der Verkaufsstrategie gemeinsam mit Herrn A. auch während der Tätigkeit des Klägers durchgeführt hätten. Nunmehr übernähmen sie auch die Entwicklung und Formulierung der Verkaufsstrategie gemeinsam mit Herrn I. als Nachfolger von Herrn A.. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich für die Kammer, dass für die Sales Direktoren zu der „Umsetzung“ nun auch die „Entwicklung und Formulierung“ einer einheitlichen Verkaufsstrategie trete. Danach handelt es sich um eine zusätzliche Aufgabe. Soweit die Beklagte dann weiter erläutert, diese Zeitanteile gingen in der Tätigkeit des Sales Direktoren auf, weil sie diese bereits vor der Einstellung des Klägers wahrgenommen hätten, ist dies nicht schlüssig. Jedenfalls während der Zeiten der Beschäftigung des Klägers haben die ausgelasteten Sales Direktoren F. und M. die Aufgaben der „Entwicklung und Formulierung“ der Verkaufsstrategie nicht ausgeübt. Damit ist nicht nachvollziehbar, weshalb mit der (erneuten) Übernahme kein zusätzlicher Zeitaufwand verbunden sein soll.

Auch hinsichtlich des Arbeitsvorganges der Verantwortlichkeit für die Prognose und Erreichung von Quartalszielen, Absatzplänen, Preisstrukturen und Kundensegmentierung verweist die Beklagte darauf, dass die Sales Direktoren je nach Inhalt und Thema an den Treffen und Telefonaten mitgewirkt hätten. Da diese auch während der Beschäftigung des Klägers damit direkt involviert gewesen seien, übernähmen sie diese Verantwortung nahtlos. Nach Auffassung der Kammer dürfte dabei hinsichtlich der damit verbundenen Arbeitsbelastung zwischen „Mitwirkung bei“ und „der Verantwortung“ dieser Tätigkeiten zu unterscheiden sein. Dass die Übernahme der Verantwortung mit keiner zeitlichen Mehrbelastung verbunden sein soll, ist nicht nachzuvollziehen.

In den Tätigkeitsbereichen der Repräsentation des Unternehmens und des Marketings verweist die Beklagte nach entsprechendem Vortrag des Klägers darauf, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger in Einzelfällen auch selbst und ohne die Sales Direktoren Kontakt mit Kunden oder dem Marketing aufgenommen habe. Dies sei jedoch nur eine Frage der selbstständig festgelegten Häufigkeit der Wahrnehmung dieser Tätigkeiten. In dem Umfang, in dem dies geschehen sei, werde es einfach nicht mehr geschehen. Dies dürfte zutreffend und ausreichend sein, soweit es um vom Kläger wahrgenommene Kontakte mit Kunden geht, die gleichzeitig auch von den Sales Direktoren betreut wurden und die mit der nun selbstständig festgelegten geringeren Häufigkeit einverstanden sind. Andernfalls kämen auch hier weitere und damit zusätzliche Kunden bzw. Kundentermine auf die verbleibenden Mitarbeiter zu. Der Kläger verweist auf eine Vielzahl von Terminen im Jahr 2019 mit Top 25 Kunden, bei denen er als Sponsor, Generalmanager und Vice President tätig war und persönlichen Kontakt zu den Entscheidungsträgern gepflegt hat. Dass die Übernahme und Fortsetzung der Betreuung durch die Sales Direktoren ohne Mehraufwand möglich sein soll, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht.

(3)  Die organisatorischen Durchführbarkeit der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die Hierarchieebene des Klägers abzuschaffen, ist auch aus anderen Gründen nicht schlüssig dargelegt: Die Beklagte geht bei allen von ihr aufgeführten Tätigkeiten mit Ausnahme der Unterstützung der Personalabteilung davon aus, dass die entsprechende Beteiligung des Klägers durch dessen Vorgesetzten, Herrn A. bzw. dessen vorübergehenden Nachfolger, Herrn I., (wieder) übernommen wird. Da diese Aufgaben bei der Beklagten nicht mehr vorgehalten würden, käme es auf deren Ausführung ohne überobligatorische Leistungen nicht an. Dies ist grundsätzlich zutreffend, ändert jedoch nichts an der Vorgabe, dass die dargestellte Verteilung der Tätigkeiten auch möglich sein muss. Andernfalls fehlt es bereits an der schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellung der organisatorischen Durchführbarkeit.

Zu beachten sind hier nach der Rechtsauffassung der Kammer dieselben Anforderungen, die auch bei einer Übertragung von Aufgaben auf die Geschäftsführung eines Unternehmens zu beachten sind. Das Vorliegen überobligatorischer Leistungen ist hier zwar unerheblich. Die Möglichkeit der Übernahme muss jedoch überhaupt bestehen. Hierzu führt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 11. Mai 2012 – 6 Sa 1345/11, juris) wie folgt aus:

„Hinsichtlich der Übertragung auf die Geschäftsführung bleibt festzuhalten, dass diese nicht an die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers gebunden ist. Zwar mag es richtig sein, dass sich dann eine Prüfung erübrigt, ob hierdurch von diesem überobligationsmäßige Leistungen verlangt werden, da der Geschäftsführer nicht unter das Arbeitszeitgesetz fällt. Der Sinn der Darlegungspflicht zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung liegt aber nicht nur darin, eine rechtswidrige Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals, insbesondere durch rechtswidrige Mehrarbeit bzw. Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit, auszuschließen. Verhindert werden soll vielmehr auch, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand genutzt wird, um einen Arbeitnehmer aus dem Betrieb bzw. von seinem bisherigen Arbeitsplatz zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen (BAG v. 06.07.2006 – 2 AZR 442/05 – AP Nr. 82 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Dieses Erfordernis besteht aber bei der Umverteilung von Aufgaben auf einen Geschäftsführer in derselben Weise wie bei der Übertragung von Arbeiten auf andere Mitarbeiter (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. Mai 2012 – 6 Sa 1345/11, juris).

Die Darstellung der Möglichkeit der Übernahme von Aufgaben durch Herrn I. genügt diesen Anforderungen nicht. Dieser war zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers nicht bereits mit diesen Aufgaben betraut, da er später in die Unternehmensgruppe der Beklagten eingetreten ist. Als Executive Vice President Sales, N. ist dieser für die französische Schwestergesellschaft tätig.

Außerhalb von dessen bisherigen Tätigkeiten soll er nun die „Verantwortlichkeit für die Prognose und Erreichung von Quartalszielen etc.“ und die dortige Abstimmung mit den Salesdirektoren in einem Umfang von ca. 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers übernehmen. Hinzu kämen 1:1 Telefonate im Bereich „Mentoring und Training“ in einem Umfang von 30 Minuten pro Woche sowie die Repräsentationstermine in Abstimmung mit den Sales Direktoren. Der Hinweis, Herrn I. entstände dadurch keine Mehrarbeit, da er in Einzelfällen eine solche Begleitung bereits ausgeübt habe, führt Blick mit Blick auf die Angaben zu dem Umfang der Tätigkeit (ca. 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers) nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch solle Herr I. die Leistungsbeurteilung für die geführten Mitarbeiter übernehmen. Auch hier verweist die Beklagte darauf, dass sich faktisch nichts ändere, da er weiterhin Glied der Kette sei. Nach der Freistellung des Klägers ist er jedoch der erste Vorgesetzte, mithin derjenige, der die Beurteilung in erster Linie erstellt und verantwortet. Die Übernahmemöglichkeit der umfangreichen Aufgaben des Klägers durch Herrn I. besteht daher nach Auffassung der Kammer schon nicht.

Ob die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung des Klägers auf den Verbleib des Herrn A. in der Unternehmensgruppe vertrauen durfte, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte stützt ihren Sachvortrag zuletzt nur noch auf die Übernahme durch Herrn I.. Die obigen Ausführungen stehen jedoch auch einer Übernahmemöglichkeit durch Herrn A. entgegen. Zwar soll dieser zuvor die Tätigkeiten – anders als Herr I. – ausgeführt haben. Warum dies nach fast eineinhalbjähriger Wahrnehmung durch den Kläger wieder in einem zeitlich leistbaren Umfang wieder möglich ist, ist für die Kammer jedoch nicht nachvollziehbar.

c.  Der Beklagten war keine erneute Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Die Beklagte setzt sich in drei umfangreichen Schriftsätzen mit den zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen auseinander, zuletzt in ihrem Schriftsatz vom 20.05.2020 als Erwiderung auf den Klägerschriftsatz vom 31.03.2020. Rechtliche Gesichtspunkte, die der Beklagten nicht bekannt gewesen waren und eines richterlichen Hinweises gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, 139 ZPO bedurft hätten, sind nicht ersichtlich.

d.  Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen kam es auf die Frage der Vorrangigkeit des Angebotes der Stelle eines Consultants im Ergebnis nicht an.

2.  Der Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses ist ebenfalls zulässig und begründet.

Nach § 109 GewO kann der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein (Abschluss-)Zeugnis verlangen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses beanspruchen kann, sind gesetzlich nicht geregelt. Soweit tarifliche Regelungen nicht bestehen, kann sich die Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses als vertragliche Nebenpflicht ergeben. Eine solche Verpflichtung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aus einem triftigen Grund auf ein Zwischenzeugnis angewiesen ist. Streiten die Parteien aber gerichtlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht ein triftiger Grund für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – 7 AZR 350/18, Rn. 69, juris). Dies ist vorliegend der Fall.

3.  Der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag ist ebenfalls begründet. Die Beklagte ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 27.02.1985, GS 1/84 EzA Nr. 9 zu 611 BGB, Beschäftigungspflicht) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Konditionen weiter zu beschäftigen.

Antrag und Tenor sind dahingehend auszulegen, dass eine solche Weiterbeschäftigung nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag erfolgen soll.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Dem Kläger werden anteilig die Kosten hinsichtlich seiner Teilklagerücknahme auferlegt. Im Übrigen trägt die Beklagte als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreites. So ergibt sich die tenorierte Kostenquote.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 42 Abs. 2 GKG, 3 ff. ZPO. Berücksichtigt werden der Kündigungsschutzantrag mit drei Gehältern und der Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie der Weiterbeschäftigungsantrag mit jeweils einem Gehalt. (S.)

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