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Einführung von Betriebsferien – nur zulässig wenn dringende betriebliche Belange bestehen

BAG – Az.: 1 ABR 79/79 – Beschluss vom 28.07.1981

Gründe

A. Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der Flugzeugindustrie. Zu ihr gehört u.a. das Werk E, in dem rund 1.400 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Der Antragsteller ist der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat. In diesem Betrieb fanden in den Jahren 1971, 1972, 1974 und 1974 Betriebsferien statt.

Ende 1975 fanden zwischen den Beteiligten Verhandlungen über Betriebsferien im Jahre 1976 statt. Zu einer Einigung darüber kam es nicht. Die Antragsgegnerin schlug daher schon Anfang 1976 Verhandlungen über die Betriebsferien für 1977 vor. In der Niederschrift über die Besprechung der Beteiligten vom 20. Januar 1976 heißt es dazu über die Erklärung der Antragsgegnerin u.a.:

Es müsse klar sein, daß ein Betriebsurlaub grundsätzlich wegen der größeren Effizienz und Wirtschaftlichkeit gefordert werden müsse.

Am 14. Oktober 1976 übermittelte die Antragsgegnerin dem Betriebsrat eine schriftliche Darlegung der Vorzüge geschlossener Betriebsferien sowie eine Auswertung der Urlaubsinanspruchnahme im Jahre 1976. Am 29. Oktober und 10. November 1976 kam es erneut zwischen den Beteiligten zu Gesprächen über die Betriebsferien. Dabei erklärte der Betriebsrat, er sei bereit, über einen Betriebsurlaub für das Jahr 1977 zu verhandeln, und machte den Vorschlag, Betriebsferien nur für besondere Abteilungen vorzusehen und diese auf zwei Wochen zu beschränken. Die Antragsgegnerin betonte, daß die dem Betriebsrat übergebenen schriftlichen Darlegungen

für die Zukunft eine andere Regelung als einen mindestens dreiwöchigen Betriebsurlaub völlig ausschließen würden und diese Forderung ohne jeden Abstrich bestehen bliebe.

Zu einer Einigung kam es nicht. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin am 19. November 1976 dem Betriebsrat mit, daß sie die Einigungsstelle anrufen werde. Auf deren Zusammensetzung einigten sich die Beteiligten. Unter dem 8. Dezember 1976 teilte die Antragsgegnerin der Einigungsstelle ihre „Anträge“ wie folgt mit:

1. Ab 1. Januar 1977 werden für V Werk E generell Betriebsferien von einer Mindestdauer von drei Wochen eingeführt, die jeweils in der Schulferienzeit liegen müssen.

2. Die genaue zeitliche Lage der Betriebsferien ist in jedem Jahr im Rahmen der Schulferien zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung abzustimmen.

3. Dasselbe gilt für eine Ausdehnung der Betriebsferien auf einen längeren Zeitraum als drei Wochen.

4. Für das Jahr 1977 sind die Parteien einig, daß die dreiwöchigen Betriebsferien am 4. Juli 1977 beginnen.

In der Verhandlung vor der Einigungsstelle am 24. Januar 1977 erweiterte die Antragsgegnerin ihre Anträge dahin, daß die beantragte Regelung frühestens zum 31. Dezember 1985 mit Drei-Monats-Frist kündbar sein solle.

Die Einigungsstelle beschloss am 24. Januar 1977 folgende Regelung:

1. Ab 1. Januar 1977 werden für V Werk E generell Betriebsferien von einer Mindestdauer von drei Wochen eingeführt, die jeweils in der Schulferienzeit liegen müssen.

Dies gilt nicht für Mitarbeiter, die …

2. Von den Betriebsferien können nur in begründeten Härtefällen Ausnahmen gemacht werden.

Ein Härtefall liegt z.B. vor, wenn …

3. Neu eingestellte Mitarbeiter, die keinen ausreichenden Urlaubsanspruch haben, können …

4. Die genaue zeitliche Lage der Betriebsferien ist in jedem Jahr im Rahmen der Schulferien zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung abzustimmen.

5….

6. Im Jahre 1977 beginnen die Betriebsferien am 27. Juni 1977.

7. Diese Regelung ist frühestens zum 31. Dezember 1981 mit Drei-Monats-Frist kündbar.

Der Beschluß der Einigungsstelle wurde dem Betriebsrat am 31. Januar 1977 zugestellt.

Der Betriebsrat hält den Spruch der Einigungsstelle aus einer Reihe von Gründen für rechtsunwirksam.

Aus § 6 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie im nordwestlichen Niedersachsen (MTV) sowie aus dem Bundesurlaubsgesetz ergebe sich, daß Betriebsferien nicht im voraus für eine längere Zeit vereinbart werden dürften. Über Betriebsferien für die Zeit nach 1977 habe die Einigungsstelle nicht entscheiden dürfen, da insoweit keine Verhandlungen zwischen den Beteiligten stattgefunden hätten. Der Spruch der Einigungsstelle enthalte keine Begründung. Die Einigungsstelle habe bei ihrer Regelung die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Sie habe die Belange der Arbeitnehmer nicht berücksichtigt und einseitig auf die Interessen der Antragsgegnerin abgestellt. Die von dieser behaupteten Einsparungen seien von ihm bestritten worden. Ermessensmißbräuchlich sei insbesondere die Regelung über die Laufzeit des Spruches. Über diese sei nie verhandelt worden. Es lasse sich für die Zukunft nicht verläßlich beurteilen, ob Betriebsferien jeweils erforderlich seien.

Der Betriebsrat hat am 14. Februar 1977 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle unwirksam ist, hilfsweise, den Beschluß der Einigungsstelle aufzuheben.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrates festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Abweisungsantrag weiter und hat beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle rechtswirksam ist, hilfsweise festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle zeitlich begrenzt wirksam ist, wobei der Umfang der zeitlichen Begrenzung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

I. Die Antragsgegnerin hat erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantragt, positiv festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle wirksam ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 30. Juni 1981 (1 ABR 30/79 — (demnächst) AP Nr. 20 zu § 118 BetrVG 1972 (zu B I der Gründe), auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) ausgesprochen, daß es zulässig ist, einem Feststellungsantrag statt mit einem Abweisungsantrag mit dem Antrag auf Feststellung des Gegenteils zu begegnen. Das gilt auch im vorliegenden Falle. Eine solche positive Formulierung des Abweisungsantrages ist auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz jedenfalls dann zulässig, wenn — wie hier — der Verfahrensgegner damit einverstanden ist.

Der von der Antragsgegnerin weiter gestellte Hilfsantrag ist in Wahrheit kein eigener Antrag. Der Senat muß ohnehin von Amts wegen prüfen, ob bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Spruchs der Einigungsstelle dieser insgesamt oder nur in einzelnen Teilen wirksam ist.

II.1. Das Landesarbeitsgericht hat den Spruch der Einigungsstelle mit der Begründung für unwirksam gehalten, die Einigungsstelle habe die Grenzen ihres Ermessens überschritten, als sie die Laufzeit ihres Spruches auf mindestens fünf Jahre erstreckt habe. Es hat daraus ohne Begründung im einzelnen die Unwirksamkeit des gesamten Spruches hergeleitet. Das steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.

Der Senat hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 28. April 1981 (1 ABR 53/79 — (demnächst) AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen (zu B IV der Gründe), auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) ausgesprochen, daß die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung oder eines Spruchs der Einigungsstelle nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung bzw. des Spruchs der Einigungsstelle führt, wenn der wirksame Teil auch ohne die unwirksamen Bestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Daran ist festzuhalten.

Geht man davon aus, daß Ziff. 7 des Spruchs der Einigungsstelle unwirksam ist, so beinhalten doch die verbleibenden Bestimmungen der Ziff. 1 bis 6 des Spruchs eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung der Betriebsferien, die für sich allein praktizierbar ist. Zwar kann diese Regelung dann gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG für die Zeit nach 1977 jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, ihre befriedende Wirkung bleibt jedoch auch über das Jahr 1977 hinaus erhalten, da sie auch nach einer Kündigung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG weiter gilt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht gesehen. Schon dies nötigt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Einigungsstelle am Verfahren beteiligt. Das widerspricht der Rechtsprechung des Senats. Die Einigungsstelle ist auch dann am Verfahren über die Wirksamkeit ihres Spruchs nicht beteiligt, wenn geltend gemacht wird, sie habe die Grenzen ihres Ermessens überschritten (Beschluß vom 28. April 1981 — 1 ABR 53/79- (demnächst) AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen (zu B I 2 der Gründe), auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Dieser Rechtsfehler ist jedoch von keinem Beteiligten gerügt worden. Darüber hinaus kann die angefochtene Entscheidung schon deswegen nicht auf der Beteiligung der Einigungsstelle beruhen, da sich diese zum Verfahren nicht geäußert hat.

III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam.

1. Die Einführung von Betriebsferien unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen u.a. bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplanes. Eine Frage allgemeiner Urlaubsgrundsätze ist es, ob in einem Betrieb für alle Arbeitnehmer oder doch für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern der Urlaub einheitlich gewährt wird. Geschieht dies, handelt es sich um sogenannte Betriebsferien. Es ist daher im Schrifttum auch allgemein anerkannt, daß die Einführung von Betriebsferien mitbestimmungspflichtig ist (Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Anm. 194; Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 87 Anm. 32; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 87 Anm. 101; Stege-Weinspach, BetrVG, 4. Aufl., § 87 Anm. 102; Wiese, GK-BetrVG, § 87 Anm. 95). Das wird auch von den Beteiligten im Grundsatz nicht in Frage gestellt.

Ist aber die Einführung von Betriebsferien und deren zeitliche Festlegung mitbestimmungspflichtig, so entscheidet nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle verbindlich, wenn sich die Betriebspartner darüber nicht einigen können. Die Einigungsstelle war daher zuständig, eine Regelung über Betriebsferien bei der Antragsgegnerin zu beschließen.

2. Hinsichtlich der Einführung von Betriebsferien besteht keine gesetzliche oder tarifliche Regelung, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und damit die Zuständigkeit der Einigungsstelle ausschließen würde. Das wird auch vom Antragsteller nur insoweit geltend gemacht, als die Einigungsstelle ihre Regelung mit einer Mindestlaufzeit bis zum Jahre 1981 ausgestattet und damit Betriebsferien bereits dem Grunde nach für künftige Urlaubsjahre festgelegt hat. Eine solche Sperre folgt aber nicht daraus, daß sowohl §7 BUrlG als auch die Vorschriften des einschlägigen Manteltarifvertrages den Urlaub an das Kalenderjahr binden. Die Bindung des Urlaubs an das Kalenderjahr will sicherstellen, daß der dem Arbeitnehmer für jedes Urlaubsjahr zustehende Urlaub auch in diesem Urlaubsjahr gewährt wird. Ihr Zweck wird nicht dadurch vereitelt, daß schon im voraus festgelegt wird, zu welchen Zeiten jeweils dem Arbeitnehmer der ihm für diese Jahre zustehende Urlaub zu gewähren ist. Auch aus § 6 Ziff. 11 MTV folgt nicht, daß Betriebsferien jeweils nur für das heranstehende Urlaubsjahr vereinbart werden dürfen. Wenn hier bestimmt wird, daß die Betriebsvereinbarung über Betriebsferien bis spätestens zum 31. Januar des betreffenden Urlaubsjahres abzuschließen ist, so ist Zweck dieser Regelung lediglich, daß die Arbeitnehmer rechtzeitig über die in Frage kommende Urlaubszeit unterrichtet werden, so daß sie ihre Urlaubspläne entsprechend gestalten können. Auch dem widerspricht es nicht, wenn für mehrere Jahre im voraus festgelegt wird, daß in jedem Jahr Betriebsferien stattfinden, sofern entsprechend Ziff. 4 des Spruchs der Einigungsstelle die genaue zeitliche Lage der Betriebsferien in jedem Jahr rechtzeitig zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung vereinbart wird.

3. Die Einigungsstelle war auch zuständig, Betriebsferien auch für die Zeit nach 1977 zu regeln. Auch insoweit war eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Das folgt allein daraus, daß der Antragsteller noch in der Verhandlung vor der Einigungsstelle sich gegen die Einführung von Betriebsferien überhaupt gewandt hat und nicht etwa nur hinsichtlich der Einzelheiten für die Betriebsferien 1977 sich mit der Antragsgegnerin nicht hatte einigen können. Für den Antragsteller war zumindest seit dem 29. Oktober 1976 klar, daß die Antragsgegnerin eine auf Dauer angelegte Lösung erstrebte. Wenn am 10. November 1976 vornehmlich nur über die Betriebsferien für 1977 gesprochen wurde, konnte das für den Antragsteller erkennbar nicht bedeuten, daß die Antragsgegnerin ihr Ziel einer auf Dauer angelegten Regelung aufgegeben hatte. Die Antragsgegnerin hat noch bei diesem Gespräch erklärt, daß andere Firmen aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer mehr zum Betriebsurlaub übergingen und daß sie — Betriebsrat und Antragsgegnerin — sich zur Zeit immer noch einen großen Luxus leisteten. Wenn der Antragsteller bei diesem Gespräch lediglich mit Rücksicht auf die umzugsbedingten Schwierigkeiten im Jahre 1977 Betriebsferien von zwei Wochen zustimmen wollte, so war damit klar, daß er einer generellen Regelung nach wie vor ablehnend gegenüberstand. Wenn er die Antragsgegnerin gleichzeitig darauf hinwies, daß für sie „die Möglichkeit zu anderen Schritten besteht“, so war damit klargestellt, daß die Verhandlungen über Betriebsferien nicht nur für das Jahr 1977 sondern auch für die Zeit danach gescheitert waren.

4. Unerheblich ist auch, daß die Antragsgegnerin erst in der Verhandlung vor der Einigungsstelle beantragt hat, in den Spruch auch eine Bestimmung aufzunehmen, daß die Regelung frühestens zum 31. Dezember 1981 kündbar sein sollte. § 76 Abs. 5 BetrVG, der das Verfahren vor der Einigungsstelle regelt, schreibt nicht vor, daß dieses Verfahren durch bestimmte Anträge der Beteiligten vorbereitet werden müsse und daß etwaige Anträge später nicht geändert oder erweitert werden dürften. Zudem hat die Antragsgegnerin schon in Ziff. 1 ihres Antrages deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie generell Betriebsferien wünschte. Von daher war klar, daß eine auf Dauer wirkende Regelung erstrebt war, so daß die Einigungsstelle ohnehin eine diese Dauer konkretisierende Regelung hätte treffen müssen.

5. Der Spruch der Einigungsstelle ist auch nicht deswegen unwirksam, weil dieser nicht begründet worden ist. Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 1979 (AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG 1972 (zu B II 3 der Gründe)) ausgesprochen, daß das Fehlen einer schriftlichen Begründung nicht zur Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle führt. Daran hält der Senat fest.

IV. Die Einigungsstelle hat weder mit der Einführung von Betriebsferien überhaupt noch mit der Bestimmung einer Mindestlaufzeit dieser Regelung von fünf Jahren die Grenzen ihres Ermessens überschritten.

1. Das Landesarbeitsgericht hat eine solche Ermessensüberschreitung hinsichtlich der vorgesehenen Laufzeit des Spruchs angenommen. Bei dem von § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG geforderten billigen Ermessen, dem der Spruch der Einigungsstelle entsprechen muß, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe hat das Gericht der Tatsacheninstanz grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob der jeweilige Rechtsbegriff als solcher richtig erkannt worden ist, ob die Unterordnung des festgestellten Sachverhaltes unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widerspricht und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen worden sind (vgl. BAG AP Nrn. 21 und 25 zu § 1 KSchG, AP Nrn. 65 und 68 zu § 626 BGB). Ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn — wie hier — von der richtigen Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes die Rechtswirksamkeit einer kollektiven Regelung mit Normencharakter abhängt, bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung. Selbst wenn man von einer beschränkten Nachprüfungsmöglichkeit durch das Rechtsbeschwerdegericht ausgeht, ergibt sich, daß die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts keinen Bestand haben kann, da es den Begriff des billigen Ermessens verkannt hat.

 

2. Das Landesarbeitsgericht hat neben anderen Erwägungen darauf abgestellt, daß dem Spruch der Einigungsstelle die erstrebte Befriedungswirkung auch über einen Zeitraum von fünf Jahren schon deswegen nicht zukommen könne, weil diese Regelung gegen den Widerstand des Betriebsrates getroffen worden sei. Das ist nicht richtig. Die Befriedungswirkung eines Spruchs der Einigungsstelle folgt allein daraus, daß für die Laufzeit der Regelung die geregelten Angelegenheiten dem Streit der Beteiligten deswegen entzogen sind, weil diese mit bindender Wirkung für beide Seiten geregelt sind. Ob der Spruch der Einigungsstelle billigem Ermessen entspricht, kann daher nicht daran gemessen werden, ob die getroffene Regelung die eine oder andere Seite überzeugt.

Das Landesarbeitsgericht hat weiter darauf verwiesen, daß bei einer Laufzeit von fünf Jahren ein neu gewählter Betriebsrat keine Möglichkeit habe, sich der geregelten Angelegenheit anzunehmen. Auch das ist kein relevantes Kriterium. Wie sich aus § 77 Abs. 5 und 6 BetrVG ergibt, sind Betriebsvereinbarungen nicht auf die Amtszeit des jeweiligen Betriebsrates beschränkt. Ihre Laufzeit ist vielmehr allein abhängig von der darüber in der Betriebsvereinbarung selbst getroffenen Bestimmung. Sie gelten in Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, auch noch nach ihrem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Betriebspartner können daher Vereinbarungen auch über den Ablauf der Amtszeit des Betriebsrates hinaus, ja für die Dauer mehrerer Amtszeiten treffen. Die Betriebsvereinbarung ist in ihrem Bestand von einem Wechsel der Betriebspartner unabhängig. Die Tatsache, daß auf diese Weise einem späteren Betriebsrat die Möglichkeit einer Regelung der gleichen Angelegenheit nach eigenen Vorstellungen genommen wird, kann daher nicht zum Maßstab dafür genommen werden, ob der Spruch der Einigungsstelle billigem Ermessen entspricht.

Indem das Landesarbeitsgericht diese rechtsfehlerhaften Überlegungen in seine Würdigung mit einbezogen hat, hat es den Begriff des billigen Ermessens verkannt. Das Rechtsbeschwerdegericht ist daher an die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gebunden.

3. Der Senat kann selbst prüfen, ob der Spruch der Einigungsstelle billigem Ermessen entspricht, da alle für die Beurteilung erforderlichen Tatsachen feststehen.

a) Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, daß Betriebsferien erhebliche organisatorische und finanzielle Vorteile bieten. Das liegt auf der Hand, so daß davon auch die Einigungsstelle ausgehen konnte. Dabei ist es unerheblich, ob die finanziellen Vorteile sich gerade auf den von der Antragsgegnerin errechneten Betrag belaufen. Die Berechnungen der Antragsgegnerin sind auch nicht deswegen unbeachtlich, weil deren Annahme hinsichtlich des Effizienzverlustes durch urlaubsbedingte Erschwernisse bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben von Werten ausgeht, die nicht auf verläßliche statistische Erhebungen gegründet werden können. Dem hat die Antragsgegnerin schon dadurch Rechnung getragen, daß sie nicht von den allgemein geschätzten Maximal- oder Minimalwerten, sondern von einem Mittelwert ausgegangen ist.

Betriebsferien bieten Vorteile nicht nur für den Betrieb, sondern auch für die Arbeitnehmer selbst. Es entfallen die durch Urlaubsvertretungen, Vor- und Nacharbeiten bedingten Belastungen.

Betriebsferien bringen für die Arbeitnehmer auch Nachteile mit sich. Der Arbeitnehmer ist in seiner Möglichkeit beschränkt, Urlaub zu einer ihm genehmen Zeit zu machen. Er wird genötigt, Urlaub in einer Zeit zu nehmen, in der die Kosten für Urlaubsreisen höher sind als zu anderen Zeiten des Jahres.

Die durch diese Vor- und Nachteile begründeten Interessen der Arbeitnehmer und des Betriebes hat die Einigungsstelle gesehen und gegeneinander abgewogen. Die getroffene Regelung bindet den Arbeitnehmer nur hinsichtlich von etwa 3/5 seines Jahresurlaubs, läßt ihm somit für 2/5 des Urlaubs die Freiheit, den Urlaubszeitpunkt im Rahmen des § 7 Abs. 1 BUrlG selbst zu bestimmen. Sie berücksichtigt dabei, daß der größte Teil, nämlich 89 % des Urlaubs, auch bei freier Wahl des Urlaubszeitpunktes in den Sommermonaten, also zu einer Zeit genommen wird, zu der die Kosten einer Urlaubsreise besonders hoch sind. Von daher führt die Einführung von Betriebsferien in den Sommermonaten nicht zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung der Arbeitnehmer des Betriebes insgesamt. Sie berücksichtigt weiter, daß 58 % des Urlaubs innerhalb eines eng begrenzten Zeitraumes von fünf Wochen in den Sommermonaten genommen wird, so daß die Festlegung von Betriebsferien in der Zeit der jeweiligen Sommerferien für einen großen Teil der Arbeitnehmer keine beachtenswerte Verschiebung des Urlaubszeitpunktes zur Folge hat. Der Spruch der Einigungsstelle läßt darüber hinaus mit seiner Härteregelung die Möglichkeit offen, individuellen Sonderwünschen unter bestimmten Voraussetzungen Rechnung zu tragen. Damit berücksichtigt die von der Einigungsstelle getroffene Regelung die Belange der Arbeitnehmer und des Betriebes in angemessener Weise. Daß auch eine andere Regelung, eine weitergehende Härteklausel, Betriebsferien nur für die Dauer von zwei Wochen u.ä., möglich wäre, bedeutet noch nicht, daß die Einigungsstelle mit der getroffenen Regelung die Grenzen ihres Ermessens überschritten hat. Daß gerade bei der Antragsgegnerin vorliegende besondere Umstände die von der Einigungsstelle vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Belange fehlerhaft erscheinen lassen, ist auch vom Antragsteller nicht vorgetragen worden. Bei der Antragsgegnerin haben in den Jahren 1971, 1972, 1974 und 1975 Betriebsferien stattgefunden. Hätten diese zu Belastungen und Beschränkungen der Arbeitnehmer über das mit Betriebsferien üblicherweise verbundene Maß hinaus geführt, hätte dies dargelegt werden können.

b) Die von der Einigungsstelle berücksichtigten Belange der Arbeitnehmer und des Betriebes für und gegen die Einführung der Betriebsferien sind — wie dargelegt — allgemeiner Art und nicht von einer konkreten Situation im Betrieb der Antragsgegnerin abhängig. Es mag zutreffen, daß eine besonders angespannte wirtschaftliche Lage die Antragsgegnerin veranlaßt hat, letztlich über die Einigungsstelle die Einführung von Betriebsferien zu betreiben. Das bedeutet aber nicht, daß für die Einführung von Betriebsferien entsprechende Belange der Antragsgegnerin nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die wirtschaftliche Lage der Antragsgegnerin die Einführung von Betriebsferien mehr oder weniger unabweisbar erfordert. Die mit Betriebsferien verbundenen organisatorischen und finanziellen Vorteile begründen auch dann ein berechtigtes Interesse und sind daher auch dann zu berücksichtigen, wenn die Antragsgegnerin an sich in der Lage wäre, die bei einem freien Urlaub auftretenden höheren Effizienzverluste zu tragen.

Es ist auch nicht richtig, daß die Einführung von Betriebsferien überhaupt nur dann zulässig wäre, wenn dringende betriebliche Belange im Sinne von § 7 Abs. 1 BUrlG der Berücksichtigung der individuellen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer entgegenstehen. Dringende betriebliche Belange im Sinne dieser Vorschrift sind solche Umstände, die in der betrieblichen Organisation, im technischen Arbeitsablauf, der Auftragslage und ähnlichen Umständen ihren Grund haben. Diese Umstände zu gestalten ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Entschließt er sich, aus betriebstechnischen, betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gründen, den Betrieb für eine gewisse Zeit stillzulegen und den Arbeitnehmern des Betriebes während dieser Zeit Urlaub zu gewähren, so bedarf er zu einer solchen Maßnahme zwar der Zustimmung des Betriebsrates, in dieser Maßnahme liegen dann aber die dringenden betrieblichen Belange begründet, die der Berücksichtigung anderweitiger Urlaubswünsche der Arbeitnehmer entgegenstehen. Die Einführung von Betriebsferien ist daher nicht nur dann zulässig, wenn dafür dringende betriebliche Belange sprechen, vielmehr begründen rechtswirksam eingeführte Betriebsferien solche Belange, hinter denen nach § 7 Abs. 1 BUrlG die individuellen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zurückstehen müssen. Ob auch für künftige Jahre Betriebsferien eingeführt werden sollen oder können, ist daher nicht von der wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin in diesen späteren Jahren abhängig. Von daher steht der Umstand, daß die wirtschaftliche Lage der Antragsgegnerin in späteren Jahren nicht verläßlich vorausschaubar ist, nicht einer auf begrenzte Dauer angelegten Regelung über Betriebsferien entgegen.

c) Sonstige Umstände, die gegen eine Laufzeit der Regelung von mindestens fünf Jahren sprechen könnten, sind vom Antragsteller nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Betriebsferien durch den Betriebsrat ein Interesse an einer für längere Zeit geltenden Regelung. Müßte sich die Antragsgegnerin in jedem Jahr erneut mit dem Betriebsrat über die Einführung von Betriebsferien einigen, bestünde die Gefahr, daß eine Regelung rechtzeitig nicht getroffen werden kann, wie dies im Jahre 1976 der Fall war. Hinzu kommt, daß im Betrieb der Antragsgegnerin schon in vier Jahren Betriebsferien durchgeführt worden waren, so daß ausreichende Erfahrungen bestanden. Darüber hinaus läßt die von der Einigungsstelle getroffene Regelung hinsichtlich der konkreten Lage der Betriebsferien in den späteren Jahren den Betriebspartnern auch genügend Spielraum.

Nach allem ist es nicht zu beanstanden, daß die Einigungsstelle ihre Regelung für eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren getroffen hat. Damit erweist sich der Spruch der Einigungsstelle als wirksam.

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