Gerichtsurteil: KI-Nutzung am Arbeitsplatz – Eigenverantwortung statt Kontrolle
Künstliche Intelligenz (KI) ist aus modernen Arbeitsplätzen nicht mehr wegzudenken. Chatbots wie ChatGPT bieten viele Vorteile, werfen aber auch Fragen zum Datenschutz und der Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf. Wie Unternehmen KI rechtlich korrekt einsetzen können, ist ein komplexes Thema. Arbeitgeber müssen die Interessen ihrer Beschäftigten sorgfältig berücksichtigen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist dabei ein wichtiger Faktor, der bei der Einführung von KI-Systemen beachtet werden muss. Im Folgenden wird ein Gerichtsurteil analysiert, das den Einsatz von ChatGPT in einem Betrieb zum Gegenstand hatte.
Übersicht:
- Gerichtsurteil: KI-Nutzung am Arbeitsplatz – Eigenverantwortung statt Kontrolle
- ➜ Der Fall im Detail
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- Wer trägt die rechtliche Verantwortung für die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT am Arbeitsplatz?
- Dürfen Arbeitgeber die Nutzung von KI-Systemen am Arbeitsplatz vollständig verbieten?
- Sind Mitarbeiter verpflichtet, den Arbeitgeber über die private Nutzung von KI-Tools zu informieren?
- Welche Rolle spielen Betriebsräte bei der Einführung von KI-Systemen am Arbeitsplatz?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 24 BVGa 1/24 >>>]
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats auf Verbot der Nutzung von ChatGPT und anderen KI-Systemen im Betrieb zurückgewiesen.
- Der Einsatz von ChatGPT stellt laut Gericht keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Ordnungsverhaltens dar, sondern betrifft das Arbeitsverhalten der Beschäftigten.
- Die Veröffentlichung von Richtlinien zur KI-Nutzung begründet kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
- Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG für den Datenschutz besteht nicht, da der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die KI-Systeme hat.
- Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Zwangsmittel nach § 23 Abs. 3 BetrVG liegen nicht vor.
- Das Gericht sieht keine Verletzung der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
- Der Betriebsrat hat grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von KI-Systemen im Betrieb.
➜ Der Fall im Detail
Sachverhalt im Disput um KI-Nutzung am Arbeitsplatz
Der fallbezogene Disput dreht sich um die Nutzung von ChatGPT und anderen KI-Systemen am Arbeitsplatz. Der Antragsteller, ein Konzernbetriebsrat bei einem Medizintechnik-Hersteller in Hamburg, wandte sich gegen die freigegebene Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz wie ChatGPT durch die Mitarbeiter.

Diese freie Nutzung wurde vom Arbeitgeber, der zur X-Gruppe gehört, initiiert, nachdem der Zugang zunächst kurzzeitig gesperrt war. Dabei ging es vor allem darum, dass die Arbeitnehmer eigene, private Accounts nutzen sollten, ohne dabei offizielle Unterstützung oder Kostenübernahme durch den Arbeitgeber zu erhalten. Der Betriebsrat sah in der unkontrollierten Anwendung von KI-Werkzeugen ein potentielles Risiko für Datenschutz und die Einhaltung anderer gesetzlicher und interner Regelungen.
Gerichtsbeschluss und Entscheidungsgrundlage
Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Anträge des Betriebsrats zurück. In seiner Begründung erörterte das Gericht mehrere grundlegende Aspekte. Zentral war die Überlegung, ob die Nutzung von generativer KI ohne direkte Kontrolle des Arbeitgebers eine unzulässige Praxis darstellt. Das Gericht verneinte dies und hob hervor, dass die Eigenverantwortung der Mitarbeiter bei der Nutzung externer Software-Tools berücksichtigt werden muss. Zudem seien keine konkreten Fälle von Rechtsverletzungen oder Datenschutzverstößen dokumentiert, die eine sofortige Untersagung der Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT rechtfertigen würden. Der Schwerpunkt lag auf dem Konzept des vernünftigen Umgangs mit technologischen Werkzeugen in Verbindung mit einer klaren Benutzerinformationspolitik des Unternehmens.
Implikationen des Beschlusses für die Arbeitswelt
Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Relevanz einer ausgewogenen Regelung im Umgang mit KI-Technologien am Arbeitsplatz. Insbesondere die Rolle der individuellen Verantwortung jedes Mitarbeiters wurde betont. Die Beteiligte zu 2 hatte zwar Richtlinien für die Nutzung der generativen KI eingeführt, doch der eigentliche Konfliktpunkt war die fehlende formelle Zustimmung des Betriebsrats zu diesen neuen Technologien und deren Einsatzmodalitäten. Der Gerichtsbeschluss betont auch, dass eine klare und transparente Kommunikation zwischen Management und Belegschaft für die Adoption neuer Technologien wesentlich ist.
Diskussion um Datenschutz und Mitarbeiterrichtlinien
Obwohl das Gericht eine unmittelbare rechtliche Verletzung durch den Einsatz von KI-Systemen verneint hat, bleibt die Frage offen, wie Datenschutz und Sicherheit im Kontext autonomer Software effektiv gewährleistet werden können. Die Beteiligte zu 2 veröffentlichte zwar detaillierte Nutzungsrichtlinien, jedoch bleibt kritisch, dass die Kontrolle der Mitarbeiteraktivitäten beschränkt ist und keine Informationen über die Datennutzung durch die Anbieter der KI-Systeme vorliegen.
Perspektiven für zukünftigen KI-Einsatz im beruflichen Kontext
Letztlich zeigt der Fall die wachsende Bedeutung und die Herausforderungen auf, die mit dem Einsatz von KI-Werkzeugen in beruflichen Umgebungen verbunden sind. Unternehmen und betriebliche Mitbestimmungsorgane sind gleichermaßen gefordert, adäquate Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl die technologischen Möglichkeiten ausschöpfen als auch den Schutz und die Rechte der Mitarbeiter wahren.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wer trägt die rechtliche Verantwortung für die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT am Arbeitsplatz?
Die rechtliche Verantwortung für die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT am Arbeitsplatz liegt primär beim Arbeitgeber. Dieser ist dafür verantwortlich, die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere des Datenschutzes, zu gewährleisten und klare unternehmensinterne Regelungen zu schaffen.
Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass der Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT den geltenden Datenschutzgesetzen entspricht, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie sind verpflichtet, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI-Systeme zu kontrollieren und zu dokumentieren. Dies umfasst die Sicherstellung, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig, transparent und sicher erfolgt.
Zudem müssen Arbeitgeber die Nutzung von KI am Arbeitsplatz klar regeln. Dies beinhaltet die Definition, welche KI-Tools für welche Aufgaben verwendet werden dürfen und wer darauf Zugriff hat. Es ist auch wichtig, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter über die Nutzung von KI-Tools informieren und schulen, um sicherzustellen, dass diese die Tools verantwortungsbewusst und im Einklang mit internen und rechtlichen Vorgaben verwenden.
In einigen Fällen kann auch eine gemeinsame Verantwortlichkeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Anbieter des KI-Tools bestehen, insbesondere wenn externe Dienstleister in die Datenverarbeitung involviert sind. In solchen Fällen müssen klare Vereinbarungen über die jeweiligen Verantwortlichkeiten getroffen werden.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Rechte des Betriebsrats gewahrt bleiben müssen, insbesondere wenn es um die Einführung neuer Technologien und Überwachungssysteme am Arbeitsplatz geht. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Arbeitnehmer hingegen tragen eine gewisse Verantwortung, die internen Richtlinien und rechtlichen Vorgaben zu befolgen, die der Arbeitgeber in Bezug auf die Nutzung von KI-Tools festlegt. Sie müssen sich aktiv um den Schutz der Daten kümmern, die sie im Rahmen ihrer Arbeit mit KI-Tools verarbeiten, und dürfen die Tools nicht für unerlaubte Zwecke verwenden.
Dürfen Arbeitgeber die Nutzung von KI-Systemen am Arbeitsplatz vollständig verbieten?
Arbeitgeber dürfen die Nutzung von KI-Systemen am Arbeitsplatz unter bestimmten Umständen vollständig verbieten. Dieses Recht ergibt sich aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Gewerbeordnung (GewO), das es dem Arbeitgeber ermöglicht, die Arbeitsbedingungen, einschließlich der Nutzung von technologischen Hilfsmitteln, festzulegen.
Die Entscheidung, bestimmte KI-Systeme nicht zu verwenden, kann auf verschiedenen Gründen basieren, wie Datenschutzbedenken, die Sicherstellung der Qualität der Arbeitsleistung oder die Vermeidung von Risiken, die mit der KI-Nutzung verbunden sein könnten. Beispielsweise könnten Bedenken hinsichtlich der Vertraulichkeit und Sicherheit von Unternehmensdaten oder die Sorge um eine faire und diskriminierungsfreie Behandlung von Mitarbeitern dazu führen, dass Arbeitgeber bestimmte KI-Anwendungen verbieten.
Datenschutzrechtliche Aspekte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) setzen Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI-Systeme. Wenn die Nutzung eines KI-Systems nicht mit diesen Datenschutzvorschriften vereinbar ist, kann dies ein Grund für ein Verbot sein.
Zudem müssen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dies könnte auch auf bestimmte KI-Anwendungen zutreffen, die beispielsweise zur Leistungsüberwachung eingesetzt werden könnten.
Es ist jedoch wichtig, dass solche Verbote nicht willkürlich erfolgen und dass sie auf einer sachlichen Grundlage basieren, die die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt. Arbeitgeber sollten daher transparent kommunizieren, warum bestimmte KI-Systeme nicht verwendet werden dürfen, und sicherstellen, dass ihre Entscheidungen mit den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen übereinstimmen.
Sind Mitarbeiter verpflichtet, den Arbeitgeber über die private Nutzung von KI-Tools zu informieren?
Mitarbeiter sind in der Regel nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über die private Nutzung von KI-Tools zu informieren, solange diese Nutzung außerhalb der Arbeitszeit und nicht mit Unternehmensressourcen oder -daten erfolgt. Die private Nutzung von Technologien, einschließlich KI-Tools, fällt unter das Recht auf Privatsphäre der Mitarbeiter, solange keine direkte Verbindung zur Arbeitsleistung oder zum Arbeitsplatz besteht.
Allerdings gibt es bestimmte Umstände, unter denen Mitarbeiter verpflichtet sein könnten, ihren Arbeitgeber über die Nutzung bestimmter KI-Tools zu informieren:
- Verwendung von Unternehmensressourcen: Wenn Mitarbeiter KI-Tools auf Geräten oder mit Ressourcen des Unternehmens nutzen, könnte dies relevant sein, insbesondere wenn dadurch Unternehmensdaten verarbeitet oder gespeichert werden. In solchen Fällen könnten Datenschutzbestimmungen oder Unternehmensrichtlinien eine Offenlegung erforderlich machen.
- Datenschutz und Vertraulichkeit: Wenn durch die Nutzung von KI-Tools Risiken für die Vertraulichkeit von Unternehmensdaten oder die Einhaltung von Datenschutzgesetzen entstehen, könnte dies ebenfalls eine Offenlegungspflicht begründen. Mitarbeiter müssen sicherstellen, dass ihre private Nutzung von KI-Tools nicht zu einer unbeabsichtigten Offenlegung oder Gefährdung von Unternehmensdaten führt.
- Interessenkonflikte: Wenn die Nutzung von KI-Tools zu einem potenziellen Interessenkonflikt mit den Aufgaben oder der Rolle des Mitarbeiters im Unternehmen führen könnte, kann es erforderlich sein, dies dem Arbeitgeber zu melden. Dies könnte der Fall sein, wenn die KI-Tools in einer Weise genutzt werden, die die beruflichen Pflichten oder die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber beeinträchtigen könnte.
- Spezifische Unternehmensrichtlinien: Einige Unternehmen können spezifische Richtlinien oder Vereinbarungen haben, die eine Offenlegung der Nutzung von bestimmten Technologien, einschließlich KI-Tools, erfordern. Diese Richtlinien könnten darauf abzielen, rechtliche Risiken zu minimieren oder die Sicherheit von Unternehmensdaten zu gewährleisten.
In jedem Fall ist es für Mitarbeiter ratsam, sich mit den relevanten Datenschutzbestimmungen und Unternehmensrichtlinien vertraut zu machen und bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen oder sich direkt an die zuständige Abteilung im Unternehmen zu wenden.
Welche Rolle spielen Betriebsräte bei der Einführung von KI-Systemen am Arbeitsplatz?
Betriebsräte spielen eine zentrale Rolle bei der Einführung von KI-Systemen am Arbeitsplatz, insbesondere durch ihre Mitbestimmungsrechte, die im Betriebsverfassungsgesetz verankert sind. Diese Rechte ermöglichen es ihnen, aktiv an der Gestaltung und Überwachung der Implementierung von KI-Technologien teilzunehmen, um die Interessen und das Wohlergehen der Arbeitnehmer zu schützen.
Informations- und Beratungsrechte
Nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat das Recht, bereits bei der Planung von KI-Einsätzen informiert und beraten zu werden. Dies umfasst nicht nur den Technikeinsatz an sich, sondern auch Änderungen von Arbeitsprozessen und der Weisungsbefugnisse durch den Einsatz eines KI-Systems.
Mitbestimmungsrechte
Der Betriebsrat hat umfassende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn es um technische Einrichtungen geht, die zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer geeignet sind. Dies gilt insbesondere, wenn KI-Systeme Funktionen übernehmen könnten, die in diesen Bereich fallen.
Einflussnahme auf Datenschutz und Ethik
Betriebsräte haben auch die Möglichkeit, auf die Einhaltung von Datenschutzstandards und ethischen Richtlinien beim Einsatz von KI zu achten. Sie können darauf bestehen, dass KI-Systeme transparent und nachvollziehbar sind und keine diskriminierenden Entscheidungen treffen.
Einsatz von Sachverständigen
Um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können, können Betriebsräte die Hinzuziehung von Sachverständigen fordern, wenn es um komplexe technische Systeme wie KI geht. Dies ist besonders relevant, da die technischen Details und die potenziellen Auswirkungen von KI oft spezialisiertes Wissen erfordern.
Strategische Mitgestaltung
Durch die Beteiligung an der Planung und Implementierung von KI-Systemen können Betriebsräte sicherstellen, dass die Technologie im Sinne der Arbeitnehmer eingesetzt wird, beispielsweise zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder zur Effizienzsteigerung, ohne negative Auswirkungen auf die Beschäftigungssicherheit.
Insgesamt sind Betriebsräte ein entscheidender Faktor bei der Einführung von KI am Arbeitsplatz. Ihre Einbindung trägt dazu bei, dass die Technologie im Einklang mit den Rechten und dem Schutz der Arbeitnehmer implementiert wird, und stellt sicher, dass ihre Stimme in diesem wichtigen Prozess gehört wird.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Mitbestimmung bei Ordnungsverhalten): Diese Vorschrift regelt die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer. Sie erfasst Maßnahmen, die das kollektive Zusammenleben und die vorgegebene Ordnung im Betrieb betreffen (sogenanntes Ordnungsverhalten), nicht aber Anweisungen zur konkreten Arbeitsausführung (Arbeitsverhalten).
- § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Mitbestimmung bei Personaldatensystemen): Diese Norm räumt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen ein, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dazu zählt auch die Erfassung und Verwendung von personenbezogenen Daten der Beschäftigten.
- § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Mitbestimmung bei Arbeitsplatzgestaltung): Gemäß dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei Fragen der Gestaltung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung ein Mitbestimmungsrecht. Relevant sind dabei Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten.
- § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (Mitwirkung bei personellen Maßnahmen): Diese Norm verpflichtet den Arbeitgeber, den Betriebsrat über geplante personelle Maßnahmen, wie die Einstellung, Eingruppierung und Umgruppierung von Arbeitnehmern, rechtzeitig zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Die genannten Vorschriften sind im Zusammenhang mit der Einführung und Nutzung von KI-Systemen am Arbeitsplatz potentiell relevant. Die konkrete Anwendung und Reichweite ist im Einzelfall zu prüfen.
Das vorliegende Urteil
ArbG Hamburg – Az.: 24 BVGa 1/24 – Beschluss vom 16.01.2024
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes von der Beteiligten zu 2. u.a., dass diese ihren Mitarbeitern den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz verbietet.
Die Beteiligte zu 2. gehört zur X-Gruppe, einem global agierenden Hersteller im Bereich der Medizintechnik. Sie hat ihren Sitz in Hamburg, wo sie in einem Gemeinschaftsbetrieb mit der X1 Z. GmbH rund 1.600 Mitarbeiter beschäftigt. Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2. gebildete Konzernbetriebsrat.
Die Antragsgegnerin möchte generative Künstliche Intelligenz als neues Werkzeug den Mitarbeitenden bei der Arbeit zur Unterstützung nutzbar machen.
Nach kurzzeitiger Sperrung des Internetzugangs zu ChatGPT auf den Systemen der Beteiligten zu 2. schaltete diese am 18.12.2023 das vorgenannte Tool zur Nutzung durch ihre Mitarbeiter wieder frei. Sie veröffentlichte am selben Tag auf deren Intranetplattform die
„Guidelines for Generative Al Utilization“, die Generative KI-Richtlinie Version 1 und das Handbuch „Generative al Manual ver.1.0.“ (Anlagenkonv. ASt. 3 – Nr. 7 d.A.), die den Arbeitnehmern Vorgaben machen, wenn diese bei der Arbeit IT-Tools mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit nutzen. Gleichzeitig veröffentlichte die Beteiligte zu 2. im Intranet eine Erklärung an die Mitarbeiter (Anl. ASt. 4 – Nr. 8 d.A.), in der über die KI-Leitlinien informiert wird und in der diese erklärte: „Nutzen wir die generative KI als neues Werkzeug, um unsere Arbeit zu unterstützen.“
ChatGPT und auch andere Systeme der generativen Künstlichen Intelligenz werden dabei nicht auf den Computersystemen der Beteiligten zu 2. installiert. Die Nutzung der vorgenannten Tools erfolgt mittels Webbrowser und erfordert lediglich die Anlegung eines Accounts auf dem Server des jeweiligen Herstellers. Wollen die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2. ChatGPT nutzen, müssen diese eigene, private Accounts anlegen. Dienstliche Accounts werden von der Beteiligten zu 2. zurzeit nicht erteilt. Sofern die Nutzung Kosten verursacht, müssen diese die Arbeitnehmer tragen. Die Beteiligte zu 2. hat keine Informationen, welcher ihrer Mitarbeiter einen Account eingerichtet hat; wann, in welchem Zusammenhang und wie lange er das Tool nützt und welche Informationen er gegenüber dem System preisgibt.
Der Antragsteller forderte die Beteiligte zu 2. mit Mail vom 18.12.2023 (Anlage ASt 5 – Nr. 9 d.A.) auf, neben ChatGPT auch die weiteren Programme zu sperren und wies darauf hin, dass, solange nicht eine Rahmen-KBV zum Thema KI fertiggestellt ist, die Nutzung von KI basierten Tools und Software weiterhin untersagt wird. Die Beteiligte zu 2. weigerte sich letztmalig durch E-Mail vom 03.01.2024 (Anl. ASt. 11 – Nr. 15 d.A.), die Freischaltung von ChatGPT zurückzunehmen.
Der Antragsteller trägt vor, die Beteiligte zu 2. habe durch die Entsperrung von ChatGPT verbunden mit der Veröffentlichung von Richtlinien zur Nutzung generativer Künstlichen Intelligenz die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Antragstellers grob verletzt.
Es bestehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. So werde den Mitarbeitern durch die Guideline bzw. das Handbuch bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz Vorgaben gemacht, weshalb das Ordnungsverhalten betroffen sei.
Ferner bestehe bei Einführung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 6 BetrVG, wenn personenbezogene Informationen hinsichtlich der Nutzung von Künstlicher Intelligenz durch die Arbeitnehmer erfasst und verarbeitet werden. Durch die Verlagerung der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten auf Dritte könne das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht umgangen werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, das weitere personenbezogene Daten eingegeben werden. Auch sei nicht ersichtlich, wie die Beteiligte zu 2. überprüfen möchte, wie die Guidelines eingehalten und ChatGPT im „Non-Training-Modus“ genutzt wird. Der Antragsteller dürfe seine Zustimmung zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz berechtigterweise verweigern, wenn durch sie die Arbeitsschritte der Arbeitnehmer lückenlos überwacht werden könnte.
Auch sei das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG berührt, da mit der Einführung neuer Software psychische Belastungen der Arbeitnehmer einhergehen können. Weiterhin habe die Beteiligte zu 2. das Mitwirkungsrecht des § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG missachtet.
Um den eingetretenen mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen, müsse die Beteiligte zu 2. die Informationen über die Nutzung der Künstlichen Intelligenz im Intranet entfernen, die Richtlinie und die Erlaubnis zur Nutzung der Künstlichen Intelligenz durch die Arbeitnehmer zurücknehmen. Losgelöst vom konkreten Einzelfall solle mittels der Anträge zu 3. und 4. festgestellt werden, dass Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsrechte des Antragstellers bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz bestehen. Ein Verfügungsgrund liege in der besonderen Eilbedürftigkeit, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Der Antragsteller beantragt:
1. der Antragsgegnerin aufzugeben, die im Intranet veröffentlichten „Guidelines for Generative Al Utilization“, die“ Generative KI-Richtlinie Version 1“ und das Handbuch „Generative al Manual ver.1.0“, welche die Mitarbeitenden durch die Nutzung generativer KI bei der Antragsgegnerin führt, zu entfernen, solange der Antragsteller die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung durch einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Mitarbeitenden die Nutzung von Anwendungen mit generativer künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit zu verbieten, solange der Antragsteller die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung durch einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
3. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Mitarbeitenden die Nutzung von Anwendungen von ChatGPT im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit zu verbieten, solange der Antragsteller die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung durch einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
4. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Nr. 1 bis Nr. 3 – bezogen für jeden Tag und jeden Arbeitnehmer – ein Zwangsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Zwangshaft gegen den gesetzlichen Vertreter, anzudrohen;
5. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Zustimmung des Antragstellers vor der Anordnung oder Duldung der Nutzung von Systemen durch Mitarbeitende im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit, die auf künstliche Intelligenz zurückgreifen, einzuholen, bzw. sich die Zustimmung andernfalls durch die Einigungsstelle ersetzen zu lassen;
6. hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, die Nutzung von Chat GPT anzuordnen oder zu dulden, solange der Antragsteller die Zustimmung zur Einführung und Nutzung von ChatGPT nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung durch einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
7. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus Nr. 6 – bezogen für jeden Tag und jeden Arbeitnehmer – ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter anzudrohen;
8. höchst hilfsweise festzustellen, dass dem Antragsteller in Fällen der Anordnung oder Duldung der Nutzung von Systemen und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz durch Mitarbeitende im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 BetrVG zusteht;
9. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller vor der Anordnung oder Duldung der Nutzung von Systemen durch Mitarbeitende im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit, die auf künstliche Intelligenz zurückgreifen, umfassend und rechtzeitig nach § 90 BetrVG zu unterrichten;
10. hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, die Nutzung von Systemen der Künstlichen Intelligenz anzuordnen oder zu dulden, solange der Antragsgegner den Mitwirkungsanspruch des Antragsstellers gemäß § 90 BetrVG nicht erfüllt hat;
11. höchst hilfsweise eine gemäß § 938 ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellte Anordnung zu treffen, die geeignet ist, die mitbestimmungswidrige Maßnahme der Antragsgegnerin zu unterbinden, um die Beteiligungsrechte des Antragstellers nach dem Betriebsverfassungsrecht zu wahren.
Die Beteiligte zu 2. beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. ist der Auffassung, dass der Einsatz von ChatGPT keinen Überwachungsdruck begründen könne, da sie als Arbeitgeberin technisch keine Eingriffs-, Kontroll- bzw. Zugriffsmöglichkeit auf ChatGPT habe. Mit der erarbeiteten Datenschutzfolgeabschätzung zu ChatGPT sowie durch die Richtlinie mit Handlungsempfehlungen für die Nutzung des Tools seien Datenschutzbedenken ausgeräumt, weshalb die Beteiligte zu 2. die Sperrung aufgehoben habe. Die für die Arbeitnehmer freiwillige Nutzung von ChatGPT sei im Ergebnis nicht anders zu bewerten, wie die Nutzung der Google-Suchfunktion zur Arbeitserledigung.
Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 23 Abs. 3 BetrVG sei im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht statthaft. Auch bestehe kein anderweitiger Unterlassungsanspruch, da sich die Beteiligte zu 2. nicht mitbestimmungswidrig verhalten habe. Gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG werde nicht verstoßen, da ChatGPT ein Arbeitsmittel darstelle, weshalb hier das Arbeits- und nicht das Ordnungsverhalten betroffen sei. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfordere stets die Speichermöglichkeit und die anschließende Zugriffsmöglichkeit durch den Arbeitgeber, was technisch unmöglich sei, solange den Beschäftigten keine Firmenaccounts zur Verfügung gestellt werden. Den Informationsanspruch aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG habe die Beteiligte zu 2. gegenüber dem Antragsteller erfüllt.
II.
Die Anträge waren zurückzuweisen, da sie teils unzulässig, teils unbegründet sind. 1.
Der Antrag zu 1. ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Der Antrag, Guidelines, Handbuch und KI-Richtlinie vom Intranet der Beteiligten zu 2. zu entfernen, ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
b) Der Antrag ist unbegründet, denn es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch des Beteiligten zu 1. (§§ 935, 940 ZPO, § 85 Abs. 2 ArbGG).
aa) Es kann dabei dahinstehen, ob ein Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden kann (bejahend: LAG Rheinland-Pfalz vom 24.01.2019 – 2 TaBVGa 6/18; Fitting, § 23 BetrVG, Rn.76, Oetker, in: GK-BetrVG, § 23 BetrVG, Rn. 262; ablehnend: Besgen, in: Beck-OK Arbeitsrecht, § 23 BetrVG, Rn. 35; Koch, in: ErfK, § 23 BetrVG, Rn. 23; Thüsing, in: Richardi, § 23 BetrVG, Rn. 105), denn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG liegen nicht vor. Die Beteiligte zu 2. hat mit dem Einstellen von Guidelines, Handbuch und KI-Richtlinien ohne zuvor den Konzernbetriebsrat beteiligt zu haben, keine groben Verstöße gegen ihre Pflichten aus dem BetrVG begangen.
(1) Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers hat die Beteiligte zu 2. mit den vorgenannten Maßnahmen, die zur Gestattung der Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme durch die Mitarbeiter geführt haben, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht verletzt.
Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten. Es beruht darauf, dass die Beschäftigten ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und deshalb dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Solche Maßnahmen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Dies soll gewährleisten, dass die Beschäftigten gleichberechtigt an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilhaben können (BAG vom
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BAG hat der Betriebsrat entgegen dem überschießenden Wortlaut nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das so genannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist berührt, wenn die Maßnahme auf die Gestaltung des kollektiven Miteinander oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt (BAG vom 27.09.2005 – 1 ABR 32/04). Mitbestimmungsfrei sind dagegen Maßnahmen, die das so genannte Arbeitsverhalten der Beschäftigten regeln. Darum handelt es sich, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsver-raglichen Weisungsrechts näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb Anordnungen, mit denen lediglich die Arbeitspflicht konkretisiert wird (BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18). Die Entscheidung, ob, wann und wie die vertraglich zugesagte Arbeit zu erledigen ist und wie deren Erbringung kontrolliert und gesichert wird, fällt nicht unter den Mitbestimmungstatbestand (BAG vom 15.04.2014 – 1 ABR 85/12).
Wendet man diese Grundsätze der ständigen BAG-Rechtsprechung an, so fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten (so auch: Holthausen, RdA 2023, S. 261 ff.; Kalbfus/Schöberle, NZA 2023, S. 251 ff.; Witteler, ZD 2023, S. 377 ff.). Die Beteiligte zu 2. stellt ihren Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung den Einwurf erhoben, dass durch die Erlaubnis der Beteiligten zu 2., die Arbeitnehmer können entscheiden, ob sie ChatGPT einsetzen, letztlich zwei Gruppen von Arbeitnehmern geschaffen wer/den, nämlich die Gruppe der Arbeitnehmer, die Künstlicher Intelligenz aufgeschlossen und die Gruppe, die dieser Entwicklung skeptisch gegenüberstehen, weshalb das Zusammenleben der Belegschaft und damit das Ordnungsverhalten betroffen seien. Eine solche Ansicht hätte zur Konsequenz, dass die nicht flächendeckende Einführung neuer Arbeitsmittel für vergleichbare Arbeitnehmer stets zu einer Zweiteilung führt, nämlich der Gruppe, welche das neue Arbeitsmittel einsetzt und der Gruppe, die noch mit den alten Arbeitsmitteln ihre Arbeitspflicht erfüllt, so dass in diesen Fällen der Betriebsrat zu beteiligen wäre, obwohl der Arbeitgeber nur Anordnungen getroffen hat, wie die Arbeit zu leisten ist. Dies ist mit dem gesetzgeberischen Willen, warum § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Beteiligungsrecht begründen soll, nicht vereinbar.
(2) Auch das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat die Beteiligte zu 2. nicht verletzt. Nach § § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind (BAG vom 03.12.2016 – 1 ABR 7/15). „Überwachung“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern seitens des Arbeitgebers erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, dass der Arbeitgeber Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer erheben und aufzuzeichnen kann. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an ((BAG vom 03.12.2016 – 1 ABR 7/15).
Vorliegend ist unstreitig, dass ChatGPT und die vergleichbaren Konkurrenzprodukte nicht auf den Computersystemen der Beteiligten zu 2. installiert wurden. Will ein Arbeitnehmer diese Tools nutzen, muss er diese wie jede andere Homepage auch, mittels eines Browsers aufrufen. Zwar wird der Browser die Einwahl regelmäßig aufzeichnen. Dies stellt aber keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern ergibt sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichert. Der Browser selbst ist somit eine technische Einrichtung, die geeignet ist, Leistungs- und Verhaltensinformationen der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Zur Nutzung von Browsern haben die Beteiligten eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, weshalb der Antragsteller sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits ausgeübt hat.
Unstreitig ist, dass der Arbeitnehmer selbst einen Account bei ChatGPT anlegen und eventuell entstehende Kosten auch selbst tragen muss, weshalb die Beteiligte zu 2. keinerlei Meldung erhält, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat. Dass der Hersteller etwa von ChatGPT die vorgenannten Daten aufzeichnet, ist zu unterstellen. Dies führt aber nicht zur Mitbestimmung, denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt. Die Beteiligte zu 2. kann auf die vom Hersteller gewonnenen Informationen nicht zugreifen. Mit der Nutzung von ChatGPT vergleichbar ist etwa „beck-online“ (Datenbank des Beck-Verlags), wenn der Nutzer seinen eigenen Account angelegt und die Kosten selber zu tragen hat.
Auch die Vorgabe der Beteiligten zu 2., dass Arbeitnehmer Arbeitsergebnisse, die mittels Unterstützung von Künstlicher Intelligenz entstanden sind, kennzeichnen müssen, führt nicht zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Wie ausgeführt muss die technische Einrichtung die Überwachung selbst bewirken, um eine Mitbestimmung auszulösen. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit der Beteiligten zu 2., wer Chatbots einsetzt, erfolgt aber hier durch den Arbeitnehmer selbst und nicht durch das Tool.
(3) Ebenfalls ist ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht ersichtlich. Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3a Abs. 1 S. 1 ArbStättV; § 3 Abs. 1 S. 1 ArbStättV ist eine vorliegende oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG festgestellte konkrete Gefährdung der Mitarbeiter (LAG Düsseldorf vom 09.01.2018 – 3 TaBVGa 6/17). Zu einer konkreten Gefährdung hat der Antragsteller nichts vorgetragen, sie sind auch sonst nicht erkennbar.
(4) Dahinstehen kann, ob die Beteiligte zu 2. die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats nach § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG hinreichend erfüllt hat, denn ein einmaliger Verstoß gegen § 90 BetrVG stellt noch keine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
bb) Ein Verfügungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Zwar steht dem Betriebsrat zum Schutz seiner in § 87 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Mitbestimmungsrechte ein negatorischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu (BAG vom 23.03.2021 – 1 ABR 31/19; Richardi/Maschmann, in: Richardi, § 87 BetrVG, Rn. 134 ff.). Wie dargelegt ist aber im vorliegenden Fall kein Mitbestimmungsrecht des Antragsstellers berührt, weshalb auch kein Beseitigungsanspruch besteht.
cc) Aus § 90 BetrVG kann sich ein Verfügungsanspruch nicht ergeben, denn § 90 BertVG gewährt lediglich Unterrichtungs- und Beratungsrechte, aber kein Mitbestimmungsrecht, das den Arbeitgeber an einer einseitigen Durchführung der Maßnahme hindert. Daher würde eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Beseitigung oder Unterlassen einer Maßnahme über den Hauptanspruch hinausgehen (vgl. nur: Fitting, § 90 BetrVG, Rn. 48).
2.
Der Antrag zu 2. ist unbestimmt und daher bereits unzulässig. Der Antragsteller möchte erreichen, dass die Beteiligte zu 2. den Mitarbeitern die Nutzung von Anwendungen mit generativer künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeit verbietet. Nach dem auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Antragsschrift unter anderem einen „bestimmten Antrag“ enthalten. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie im Urteilsverfahren. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG vom 14. 09. 2010 − 1 ABR 32/09). Was der Antragsteller hier unter „Anwendungen mit generativer künstlicher Intelligenz“ versteht, ist nicht ersichtlich. Sofern nur die unmittelbaren Konkurrenzprodukte von ChatGPT erfasst sein sollen, hätten diese konkret bezeichnet werden müssen. Der Antrag begründet somit die Gefahr, dass im Falle seiner Entsprechung nicht feststeht, auf welche Programme sich das Nutzungsverbot erstreckt. Auf die Unbestimmtheit des Antrags hat die Kammer den Antragsteller in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
3.
Der Antrag zu 3. ist, da er allein ein Nutzungsverbot von ChatGPT verlangt, hinreichend bestimmt und zulässig, er ist aber bereits mangels Verfügungsanspruch unbegründet. So wurde bereits unter II.1. ausgeführt, dass die Beteiligte zu 2. in der bisher genutzten Art und Weise von ChatGPT kein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 87 Abs. 1 BetrVG missachtet hat. Ob die Mitwirkungsrechte aus § 90 BetrVG in hinreichendem Maße beachtet wurden, kann dahinstehen, eine einzelner Verstoß gegen § 90 BetrVG stellt keine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
4.
Da die Anträge zu 1. bis 3. unzulässig bzw. unbegründet sind, ist auch der Antrag zu 4. zurückzuweisen.
5.
Der Antrag zu 5. ist unbestimmt und damit bereits unzulässig. Hierzu kann auf die Ausführungen unter II.2. verwiesen werden.
6.
Der Antrag zu 6. ist mangels Verfügungsanspruch unbegründet. Es wird hier auf die Ausführungen unter II.1. verwiesen.
7.
Wegen der Erfolglosigkeit des Antrags zu 6. ist auch der Antrag zu 7. zurückzuweisen.
8.
Der Hilfsantrag zu 8. ist mangels Feststellungsbedürfnis unzulässig. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die Anwendung von Künstlicher Intelligenz durch die Beteiligte zu 2. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG auslöst. Dieser Antrag zielt darauf ab, das Gericht zu einem Rechtsgutachten zu veranlassen, wofür bereits in einem Hauptsacheverfahren kein Feststellungsinteresse bestehen würde. Dies gilt erst recht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
9.
Der Antrag zu 9. ist ebenfalls unzulässig, denn auch dieser ist völlig losgelöst vom konkreten Fall gestellt worden. Für ein Rechtsgutachten, dass die Anwendung von Künstlicher Intelligenz die Mitwirkungsrechte nach § 90 BetrVG auslöst, besteht – insbesondere im einstweiligen Verfügungsverfahren – kein Rechtsschutzbedürfnis. Gleiches gilt für den Antrag zu 10.
10.
Der Antrag zu 11. ist ebenfalls zurückzuweisen, denn es fehlt für eine einstweilige Verfügung bereits an einem Verfügungsanspruch. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II.1. verwiesen.
III.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 2 Abs. 2 GKG).