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Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte – Widerruf des Vorwurfs

ArbG Berlin – Az.: 28 Ca 11553/11 – Urteil vom 04.11.2011

I. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 19. Juli 2011 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die in der Abmahnung vom 19. Juli 2011 aufgestellte Behauptung zu widerrufen, die Klägerin habe den „Straftatbestand der falschen Anschuldigung“ erfüllt.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Der Wert der Streitgegenstände wird auf 41.437,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Es geht um Entfernung schriftlicher Abmahnung aus der Personalakte und um Widerruf eines Vorwurfs. – Vorgefallen ist dies:

I. Die Klägerin steht seit Januar 2010 als „leitende Mitarbeiterin mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Marktanalyse und Strategieentwicklung“1 in den Diensten der Beklagten, die als persönlich haftende Gesellschafterin der „L. Fabrikations- und Handels-Gesellschaft GmbH & Co. Kommanditgesellschaft“ (künftig: „L. KG“) zur „Unternehmensgruppe L.“ gehört. § 15 des nach Erscheinungsbild und Diktion von der Beklagten herrührenden2 Vertragstexts trifft unter anderem folgende Bestimmung:

„§ 15 Besondere Vereinbarungen …

3. Frau … [Name der Klägerin; d.U.] ist ausdrücklich berechtigt aber auch verpflichtet an allen Geschäftsleitungssitzungen teilzunehmen. Im Falle ihrer Verhinderung wird sie ihre Abwesenheit entschuldigen und begründen“.

§ 17 Schlussbestimmungen …

3. Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertragsverhältnis im weiteren Sinne können erst dann zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden, nachdem nach vorheriger wechselseitiger Darlegung des Sachverhalts und der hieraus gezogenen Rechtsfolgerung im persönlichen Gespräch deren Beilegung ergebnislos versucht worden ist“.

Die Klägerin bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechts-streits bilden, ein jährlich 13 Mal zu entrichtendes Gehalt von 8.500,– Euro (brutto).

II. Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

1. Bis Mitte des Jahres 2010 waren die Mitglieder der Familie B. alleinige Inhaber der vorerwähnten Unternehmensgruppe „L.“. Das betrifft neben der Klägerin namentlich ihre Mutter (Frau S. B.) und die beiden Geschwister (Herren K.L. B. und B. G. B.)3. Im Rahmen einer Neuordnung der Unternehmensgruppe wurde sodann ein weiterer Gesellschafter (Kommanditist4) in die Gesellschaft aufgenommen, nämlich die „J. S. Holding GmbH“, H.5 (künftig: „S. Holding“). In diesem Zusammenhang stieß als weiterer Geschäftsführer der Beklagten Herr St. L. hinzu.

2. Nun geschah dies:

a. Angaben der Klägerin zufolge, entwickelte die „S. Holding“ im Herbst 2010 in den Geschäftsräumen der L. KG „investigative Tätigkeiten“, zu denen die Klägerin „vernehmungsartige Gespräche“, „Anordnung der Konfiszierung von Gegenständen“, „Erstellung eines sogenannten ‚Tatsachenberichts’“ und „derlei mehr“ rechnet6. Dies sei, so die Klägerin, „letztlich mit Ziel“ geschehen, durch Beibringen oder Konstruieren möglicher Pflichtverletzungen oder Verdachte gegen die damalige Geschäftsführung „einen Hebel an die Hand zu bekommen, druckvoll kurzum die Geschäftsleitung auszuwechseln“7. Seit dieser Zeit und verstärkt seit März 2011 – so die Klägerin weiter – sähen sich die Altgesellschafter der Familie B. nebst Frau S. B. als Geschäftsführerin „regelmäßigen Angriffen der S. GmbH bzw. des durch die S. GmbH eingesetzten neuen Geschäftsführers Herrn St. L. ausgesetzt“8.

b. Fest steht, dass es am 22. Oktober 2010 zu einer Gesellschafterversammlung gekommen war, deren Verlauf nicht im Einzelnen mitgeteilt ist. Allerdings apostrophiert die Klägerin als Gegenstand dieser Unterredung unwidersprochen die – dann allerdings nicht verwirklichte – Initiative (wohl) der S. GmbH, die „sofortige Abberufung und außerordentliche Kündigung von Frau B.“ (ihrer Mutter) zu erwirken9. Unstreitig ist auch, dass dem am 31. März 2011 eine Geschäftsleitungssitzung folgte, die (wohl) gleichfalls nicht von ungetrübter Harmonie geprägt war10.

c. Fest steht auch, dass die Akteure am 29. Juni 2011 in einer neuerlichen Sitzung der Geschäftsleitung aufeinander trafen. Welchen Verlauf beide Begegnungen genommen haben, stellen die Parteien streckenweise unterschiedlich dar. – Fest steht jedoch wiederum, was sich daraus entwickelte:

ca. Im Text einer E-Mail vom 5. Juli 201111 (Kopie: Urteilsanlage I.) ließ die Klägerin Herrn L. unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 1. Juli 2011, das dem Gericht nicht vorliegt, und unter Übermittlung von Kopien an weitere Personen12 folgendes wissen:

„ … in Ihrem Schreiben vom 01.07.2001, das Sie auch mir vorab haben zukommen lassen, beziehen Sie sich auf die Geschäftsleitungssitzung vom 29.06.2011, an der auch ich teilgenommen habe.

An verschiedenen Stellen ist Ihre Darstellung der Sachverhalte nicht in Deckung zu bringen mit den tatsächlichen Geschehnissen, wie meine direkt in der Sitzung mitgeschriebenen Notizen zeigen. Ich möchte daher gerne folgende Punkte richtig stellen:

1. Unzutreffend ist Ihre Darstellung, dass meine Mutter darum gebeten habe die Tagesordnungspunkte ‚Bilanz‘ und ‚Tatsachenbericht‘ in Abwesenheit von Frau Be. zu behandeln. Richtig ist, dass sie gegen Ihren Beschlussvorschlag gestimmt hat, die Protokollführung künftig an einen nicht der Geschäftsführung angehörenden Protokollanten (Sekretärin) zu übergeben, sofern keine Tagesordnungspunkte mit persönlichem Bezug behandelt werden. Diese Regelung war in Gänze Ihr Vorschlag. Auch die Ausnahmeregelung ist weder von meiner Mutter vorgeschlagen noch auf ihr Bitten aufgenommen worden. Auf Ihre, nicht weiter diskutierte aber aufgrund der vorgerückten Zeit durchaus nachvollziehbare, Anweisung verließ Frau Be. gegen 21:00 Uhr die Sitzung. Auch zu diesem Zeitpunkt hat meine Mutter in keiner Weise die Bitte geäußert, die weiteren Tagesordnungspunkte in Abwesenheit von Frau Be. zu behandeln.

2. Keiner der Teilnehmer hat Sie zu irgendeinem Zeitpunkt persönlich angegriffen (geschweige denn in ehrverletzender Weise). Es drängt sich schon sehr der Verdacht auf, dass es sich hier schlicht um den Versuch einer Retourkutsche handelt.

3. Es gibt die Situation auch nicht zutreffend wieder, dass Sie gefragt worden seien, ob Sie, Herr L.,,durch Herrn S. eine Kopfgeldprämie für die Durchsetzung von Maßnahmen erhalten oder vertraglich fixiert haben‘. Richtig ist, dass meine Mutter Sie angesichts Ihres in den vergangenen Wochen doch haarsträubend anmutenden Vorgehens fragte: ‚Wurde eine Kopfgeldprämie auf meinen Kopf ausgelobt, oder wie ist das alles hier zu verstehen?‘. Sie, Herr L., nahmen diese Äußerung im Übrigen amüsiert zur Kenntnis, was sich selbst spricht. Eine Antwort sind Sie im Übrigen bis heute schuldig.

4. Sie haben in der Sitzung am 29.06.2011 behauptet, dass Sie meine Mutter niemals der Steuerhinterziehung beschuldigt hätten, und nannten Hern P. und Herrn N. – wenn auch rein logisch nicht möglich – als ihre Zeugen. Dies ist falsch! Ich selbst war bei der Geschäftsleitersitzung am 31.03.2011 anwesend und habe selbst erlebt, wie Sie sich über Stunden in unsäglicher Art und Weise meiner Mutter gegenüber verhalten und sie der Steuerhinterziehung beschuldigt haben. Insofern kann keine Rede davon sein, dass Sie ‚in unzutreffender Weise angegriffen‘ wurden!

5. Auch ist unzutreffend, dass meine Mutter die anderen Geschäftsführer aufgefordert habe, den an Sie gerichteten Vorwurf zu bestätigen. Im Gegenteil, Sie selbst haben zum Schluss der Sitzung am 29.06.2011 die beiden Herrn erstens gefragt, ob Sie den Tatsachenbericht ihnen gegenüber thematisiert haben und zweitens ob Sie ihnen gegenüber meine Mutter der Steuerhinterziehung bezichtigt haben. Herrn P. bejahte die erste und verneinte die zweite Frage. Am 30.09.201113 rief mich Herr P. jedoch gleich vormittags an und stellte richtig, dass er Ihre Fragen allein auf vier Augen Gespräche zwischen Ihnen und seiner Person bezogen hätte und sehr wohl bestätigen könne, dass Sie meine Mutter in der Geschäftsleitungssitzung am 31.03.2011 der Steuerhinterziehung beschuldigt haben.

6. Es ist weiterhin unzutreffend, dass Ihnen in der Geschäftsleitungssitzung gedroht worden sei, nach Nichtzeichnung einer in die Zukunft gerichteten Unterlassungserklärung würde gegen Sie Klage erhoben. Richtig ist dagegen, dass Ihnen gegenüber erklärt wurde, warum Ihnen bislang kein Entwurf einer von Ihnen abzugebenden Unterlassungserklärung zugeleitet wurde. Nochmals: Zu Ihrem Schutz! Zur Verdeutlichung wurden kurz die möglichen Folgen skizziert: Sie würden die Erklärung vermutlich nicht unterschreiben – was Sie, Herr L., im Übrigen mit Kopfnicken bestätigten – sodass dann nur der Weg der Klage mit allen, im Verhältnis zu einem Geschäftsführer eigentlich nicht gewollten Konsequenzen bliebe“.

cb. Per Einschreiben/Rückschein empfing die Klägerin hiernach ein von Herrn L. für die Beklagte unterzeichnetes Schreiben vom 19. Juli 201114 (Kopie: Urteilsanlage II.), in dem es heißt:

„Abmahnung

… am 29.06.2011 fand eine Geschäftsleitungssitzung im Betriebsobjekt Augsburg statt. Im Nachgang zu dieser Geschäftsleitungssitzung haben Sie in einer Mail vom 05.07.2011 behauptet, dass Herr St. L. in der Geschäftsleitungssitzung vom 31.03.2011 Frau S. B. (Ihre Mutter) der Steuerhinterziehung beschuldigt habe. Zur Bestätigung verwiesen Sie auf das Zeugnis von Herrn P. (Telefonat vom 30.06.2011 zwischen Ihnen und Herrn P.). Herr P. hat auf Nachfrage in seiner Mail vom 06.07.201115 dieses verneint.

Zu keinem Zeitpunkt hat Herr L. Ihre Mutter in der Geschäftsleitungssitzung am 31.03.2011 der Steuerhinterziehung bezichtigt. Richtig ist vielmehr, dass Herr L. auf der Geschäftsleitungssitzung am 31.03.2011 darauf hingewiesen hat, dass betriebliche Ausgaben, die nicht betrieblich veranlasst sind, den Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllen. Herr P. hat auf Nachfrage von Herrn L. bestätigt, dass dieser zu keinem Zeitpunkt Ihre Mutter in der Geschäftsleitungssitzung am 31.03.2011 der Steuerhinterziehung bezichtigt hat.

Der von Ihnen erhobene Vorwurf in Ihrer Mail an Herrn L., in Kopie an die Geschäftsführer S. B., H. N., F. P. und die Kommanditisten C.-A. S. (in Vertretung der J. S. Holding GmbH), K.B. und G. B., ist falsch und erfüllt darüber hinaus den Straftatbestand der falschen Anschuldigung. Dadurch haben Sie gegen Ihre vertragliche Verpflichtung in gröbster Weise verstoßen, nämlich gegenüber dem Arbeitgeber/Vorgesetzten direkt als auch gegenüber Dritten keine unwahren Behauptungen aufzustellen, zu verbreiten, schon gar nicht, wenn sie, wie hier der Fall, strafrechtliche Relevanz haben und darüber hinaus geeignet sind, das Ansehen des Beschuldigten in erheblichem Maße zu schädigen.

Wir mahnen Sie deshalb wegen groben Verstoßes gegen Ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ab und fordern Sie auf, zukünftig solche unwahren Behauptungen gegenüber Herrn L. sowie auch gegenüber dritten anderen Personen nicht aufzustellen und zu verbreiten. Im Wiederholungsfall müssen Sie mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen“.

III. Hiergegen richtet sich die (vorab per Fax) am 28. Juli 2011 bei Gericht eingereichte und sechs Tage später (3. August 2011) zugestellte Klage, mit der die Klägerin die Entfernung des Schriftstücks aus ihrer Personalakte und den Widerruf des Vorwurfs zum „Straftatbestand der falschen Anschuldung“ verlangt. Sie hält die Rüge für unberechtigt, weil ihre Darstellung in der E-Mail vom 5. Juli 2011 zum Verlauf der Unterredung vom 31. März 2011 den Tatsachen entspreche: Dort habe Herr L. den vorerwähnten „Tatsachenbericht“ thematisiert16. Weiter heißt es bei der Klägerin17:

„Gleichwohl ist Herr L. in der abmahnungsgegenständlichen Sitzung wie folgt vorgegangen: Er hat in eindringlicher Weise gegenüber der anwesenden Frau S. B. persönlich eben diesen ‚Tatsachenbericht‘ genutzt und Frau B. unter Bezugnahme hierauf wiederholt darauf hingewiesen, dass in Bezug auf ein in dem Tatsachenbericht erwähntes Verhalten von Frau B. betriebliche Ausgaben, die nicht betrieblich veranlasst sind, eben den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen würden, und für ihn – Herrn L. – sei klar, dass es an einer betrieblichen Veranlassung diesbezüglich bei Frau B.s Verhalten fehle.

Beweis: 1. Abmahnung vom 19.07.2011 …

2. Parteivernahme der Klägerin

3. Parteivernahme von Frau S. B.

Herr L. hat schon damit der Sache nach Frau S. B. letztlich einer Steuerhinterziehungsbegehung beschuldigt. Wenn angesichts dieser Situation die Klägerin zusammenfasst, dass Herr L. Frau B. der Steuerhinterziehung bezichtigt habe, fragt sich, was daran nicht den Gegebenheiten entspricht. …

Um es bündig auf den Punkt zu bringen, was die Sicht von Herrn L. zu sein scheint: Er habe sich auf ein konkretes Verhalten von Frau B. bezogen und erklärt, dass dieses Verhalten die Merkmale aufweise, die – wenn sie vorliegen, was seiner Ansicht nach zu bejahen sei – den Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllen; jedoch sei es ihm gegenüber beleidigend, wenn man daraufhin sage, er habe Frau B. einer Steuerhinterziehung beschuldigt. … “.

Im Übrigen kenne das Strafgesetzbuch keinen Straftatbestand der „falschen Anschuldigung“18. Soweit § 164 StGB19 gemeint sei, liege dieser erkennbar nicht vor. Da die in einer Abmahnung aufgestellte Behauptung einer vollendeten und erfüllten Straftat, die ersichtlich nicht vorliege, eine signifikante Ehrverletzung des Betroffenen begründe, sei hier nicht nur die erteilte Abmahnung rechtswidrig20. Vielmehr besteht darüber hinaus auch der Anspruch auf Widerruf dieser Behauptung21. – Schließlich legt die Klägerin Wert auf die Feststellung, dass der in der Abmahnung angesprochene Sachverhalt nicht ihr Arbeitsverhältnis betreffe22: Sie sei nämlich als Kommanditistin der L. KG in dieser Rolle Teilnehmerin der Gesprächsrunde vom 31. März 2011 gewesen23. Insofern hätten die ihr zur Last gelegten Äußerungen mit ihrem Arbeitsverhältnis letztlich nichts zu tun24.

IV. Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 19. Juli 2011 aus ihrer Personalakte zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die in der Abmahnung vom 19. Juli 2011 aufgestellte Behauptung zu widerrufen, sie habe den „Straftatbestand der falschen Anschuldigung“ erfüllt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

V. Sie hält die Klageanliegen – spätestens der Sache nach – für gegen-standslos:

1. Dabei sei die Klage, wie die Beklagte meint, mit Rücksicht auf die Regelung in § 17 Nr. 3 ArbV (s. oben, S. 2 [I.]) verfrüht, weil ihr der dort geregelte innerbetriebliche Schlichtungsversuch nicht vorausgegangen sei25.

2. Unabhängig davon habe Herr L. die Mutter der Klägerin „zu keinem Zeitpunkt“ der Steuerhinterziehung bezichtigt26.

3. Im Übrigen habe die Klägerin „während der Sitzung vom 31.03.2011 nicht erklärt, als Kommanditistin teilzunehmen“27.

VI. Hierzu erwidert die Klägerin, die Beklagte habe bereits durch ihre Reaktion auf die bewusste E-Mail vom 5. Juli 2011 zum Ausdruck gebracht, dass ihr an einer weitergehenden internen Klärung, wie sie § 17 Nr. 3 ArbV vorzeichnet, „nicht gelegen“ sei28. Angesichts dessen sei eine neuerliche vorgerichtliche Darlegung entbehrlich gewesen29.

VII. Die Beklagte entgegnet mit Schriftsatz vom 2. November 2011 unter anderem, die Klägerin habe in ihrer E-Mail vom 5. Juli 2011 (s. oben, S. 4-5; Urteilsanlage I.) unter Punkt 4 eindeutig behauptet, Herr L. habe „sich ‚über Stunden in unsäglicher Art und Weise’“ gegenüber ihrer Mutter „verhalten und sie der Steuerhinterziehung beschuldigt“30. Hierzu verbleibe sie dabei, „dass derartige Beschuldigungen seitens des Herrn L. in der Sitzung nicht getroffen worden“ seien31. – Was das Widerrufsbegehren (Klageantrag zu 2.) betrifft, so sei, wie die Beklagte weiter meint, auch dieser unbegründet32: Abgesehen davon, dass „eine falsche Anschuldigung bei der Klägerin“ vorliege, habe Wiederholungsgefahr weder bestanden noch bestehe sie (gegenwärtig)33.

VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen der Beklagten im vorerwähnten Schriftsatz vom 2. November 2011, weil die Klägerin dazu kein ausreichendes rechtliches Gehör mehr erhalten hat. Soweit hier aus diesem Schriftsatz zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.

Entscheidungsgründe

Den Rechtsschutzbegehren der Klägerin ist der Erfolg nicht zu versagen.

Die Beklagte hat das Schreiben vom 19. Juli 2011 aus ihrer Personalakte zu entfernen und den Vorwurf zum „Straftatbestand der falschen Anschuldigung“ zu widerrufen. – Im Einzelnen gilt folgendes:

A. Die Abmahnung

I. Die Zulässigkeit der Entfernungsklage begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, sich insofern vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nochmals innerbetrieblich durch weiteren Schriftwechsel mit der Beklagten über die Angelegenheit auszutauschen. Daran kann auch die hiesige Regelung in § 17 Nr. 3 ArbV (s. oben, S. 2 [I.] nichts ändern: So wünschenswert alle Bemühungen um kooperative Problembereinigung in vielerlei Konfliktlagen diesseits der staatlichen Justiz zweifellos erscheinen34 (s. daher unter anderem35 auch § 15 a EGZPO36), kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf doch nicht ohne gesetzliche Ermächtigungsnorm (Beispiel: § 111 Abs. 2 ArbGG37; §§ 1029 ff. ZPO38) allein unter Mobilisierung seiner „Vertragsfreiheit“ – gar per Formularvertrag – verpflichtend verweisen39. Eine solches Unterfangen verkürzt den verfassungsrechtlich verbürgten40 Justizgewährungsanspruch der Klägerin. Dies kann daher nicht gebilligt werden.

II. Erweist sich die Klage somit zwanglos als zulässig, so können auch die Einwände der Beklagten in sachlicher Hinsicht das Blatt nicht wenden:

1. Die Klägerin macht der Beklagten im gedanklichen Ausgangspunkt nicht streitig, die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen unter den dafür geltenden normativen Voraussetzungen ggf. mit förmlicher „Abmahnung“ belegen zu können. Das ist auch richtig (vgl. dazu nur etwa §§ 281 Abs. 341, 314 Abs. 2 Satz 142 BGB), so dass sich insoweit jedes weitere Wort erübrigt.

a. Nicht weniger richtig ist, dass eine „Abmahnung“ – jedenfalls bei sachgerechtem Gebrauch – nicht nur den Interessen des Arbeitgebers dient, sondern auch den Interessen des Arbeitnehmers: Denn als „Vorstufe der Kündigung“43 und bei entsprechender Konfliktzuspitzung als seine letzte Chance44 (im Bilde und mit einem anschaulichen Begriff aus der Welt des Sports gesprochen: die „gelbe Karte“), kann sie dem Adressaten bei verhaltensbedingten Vertragsstörungen sowohl die Möglichkeit, als auch den Anstoß dafür bieten, die Arbeitsbeziehung vor ihrem endgültigen „Aus“ (nochmals im selben Bilde: die „rote Karte“ der Kündigung) zu bewahren. Insofern kann die Abmahnung als letztes Mittel, beim Adressaten seinen Eigenanteil zur Erhaltung der Vertragsbeziehung einzufordern, in der Tat ein rettendes Instrument zur Wiederherstellung gestörter Kooperation45 darstellen.

b. Umgekehrt allerdings tendiert die objektiv unberechtigte Abmahnung (oder sonstige – gar eigens aktenkundig gemachte – Missbilligung) zum baren Gegenteil solcher Förderung und Festigung wechselseitiger Kooperation: Sie demonstriert ihrem Adressaten dann nämlich nicht nur – wie schon bei der „berechtigten“ Abmahnung -, dass der andere Teil ihm eigene Einsicht in die Erfordernisse gedeihlicher Zusammenarbeit nicht (mehr) zutraut (und eben deshalb zur ultimativen Drohung greift), sondern dies obendrein in einer Lage tut, in der ihm der Adressat für derart ungestüme Entfaltung von Druck überhaupt keinen Grund gegeben hat.

Nicht nur wegen der aus dergestalt demonstrativem Misstrauen erwachsenden Erschwerung weiterer Kooperation für den Adressaten46, sondern vor allem auch wegen der enormen Kränkungspotentiale solcher Behandlung objektiv vertragstreuer Mitarbeiter überzeugt es, dass die Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen die unberechtigte Erteilung förmlicher Abmahnungen (ersatzweise sonstiger aktenkundig gemachter Rügen) als rechtswidrigen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Adressaten begreift47 und solche Überschreitung der Grenzen der Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers mithilfe der einfachgesetzlichen Vorschriften im Wege schutzpflichtorientierter Rechtsanwendung (s. schon Art. 1 Abs. 3 GG48) zurückweist.

c. Zu den wichtigsten Erscheinungsformen dieses – notgedrungen49: richterrechtlich ausgeformten – Schutzkonzepts gehört die heute50 ungeteilte Anerkennung eines im Wege der Leistungsklage51 durchsetzbaren Anspruchs des Adressaten gegen den Arbeitgeber, das seinen personalen Geltungsanspruch kränkende – aber auch seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten gefährdende – Schriftstück aus den über ihn geführten Personalakten zu entfernen52. Auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts wird dieser Ausdruck praktizierten Persönlichkeitsschutzes im Arbeitsverhältnis dogmatisch doppelt fundiert: Die vertragsrechtliche Anspruchsgrundlage (s. §§ 241 Abs. 253, 24254 BGB) wird flankiert von einer inhaltlich gleichläufigen Basis in den zur Abwehr normativ inakzeptabler Störungen entwickelten – ursprünglich dem Eigentumsschutz zugedachten – Grundsätzen des sogenannten (quasi-)negatorischen Rechtsgüterschutzes (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB55 in analoger Anwendung).

d. Mancherlei Meinungsverschiedenheiten bestehen zwar nach wie vor darüber, wie „berechtigte“ von „unberechtigten“ Abmahnungen im Bezug auf den Entfernungsanspruch normativ voneinander zu unterscheiden sind. Gemeint ist die Frage, worauf die Rechtskontrolle beim Zuschnitt ihrer diesbezüglichen Prüfkriterien im Lichte des Persönlichkeitsschutzes im Einzelnen Bedacht zu nehmen habe. Eines ist jedoch schon nach den einleitenden Erläuterungen (s. S. 10-12 [A.II.1 a. und b.]) für die „berechtigte“ Abmahnung essentiell: Ihren „Grundstein“ bildet eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers. Fehlt es schon daran, dann ist das Schicksal einer per Entfernungsklage vor Gericht angegriffenen Abmahnung von vornherein besiegelt. – Außerdem ist festzuhalten, dass sich für die gerichtliche Kontrolle missbilligender Äußerungen die Einsicht durchgesetzt hat, dass bei einer Mehrzahl entsprechender Rügen das fragliche Schriftstück schon dann komplett aus der Personalakte zu entfernen ist, wenn sich nur einer der Vorwürfe nach den vorerwähnten Maßstäben als unberechtigt erweist56: Damit scheidet auch eine „geltungserhaltende Reduktion“57 nachteiliger Schriftstücke auf ihren gerade noch zulässigen Inhalt vor Gericht aus.

2. Nach diesen Grundsätzen lässt sich die hiesige Abmahnung rechtlich nicht halten:

a. Das gilt allerdings in der Tat nicht schon deshalb, wie die Klägerin meint, weil sie an den fraglichen Besprechungen nicht als Mitglied der Geschäftsleitung, sondern als Gesellschafterin (Kommanditistin) teilgenommen und die Beklagte insofern auch – wenn sie den Vorgängen schon die ihr beigelegte Bedeutung beimessen wolle – auf den gesellschaftsrechtlichen „Dienstweg“58 zu verweisen sei. Insofern verweist die Beklagte zu Recht darauf, dass sich die Klägerin angesichts des Reglements in § 17 Nr. 3 ArbV (s. oben, S. 2 [I.]) an den dort erwähnten Geschäftsleitungssitzungen im Zweifel wohl in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten beteilige. Das ist hier nicht widerlegt und so wie die Dinge zu liegen scheinen, wohl auch nicht widerlegbar.

b. Dass die Abmahnung rechtlicher Kontrolle gleichwohl – und letztlich evident – nicht standhält, beruht vielmehr darauf, dass sie sich aus mehreren Gründen als inhaltlich ungerechtfertigt erweist: – Der Reihe nach:

a. Das gilt zunächst für den Umstand, dass die Beklagte der Klägerin im Text des Schriftstücks vorhalten lässt (s. oben, S. 5 [cb.]; Urteilsanlage II.), „den Straftatbestand der falschen Anschuldigung“ erfüllt zu haben. Das schießt nicht nur über berechtigte Interessen der Beklagten hinaus, sondern ist auch sachlich erkennbar falsch. Dergleichen kann nicht zum Nachteil der Klägerin aktenkundig gemacht bleiben:

aa. Hierzu ist vorweg daran zu erinnern, dass eine arbeitsrechtliche Abmahnung nach seit Jahrzehnten eingespielter Judikatur „keinen über ihren Zweck hinausgehenden Sanktionscharakter haben“ und namentlich „kein Unwerturteil über die Person“ des Adressaten enthalten darf59. Dazu hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dem dort betroffenen Arbeitgeber bereits im Jahre 1982 mit deutlichen Worten attestiert60:

„Bedenklich ist, dass der beklagte Sender das Verhalten des Klägers als ‚Verleumdung‘ gewertet hat. Eine strafrechtliche Beurteilung stand ihm nicht zu“.

Zur selben Zurückhaltung wird auch instanzgerichtlich aus guten Gründen seit langem angeraten61.

ab. Für die Berechtigung solcher Empfehlungen zur rhetorischen Selbstzügelung liefert der Streitfall ein Paradebeispiel: Hier erhebt die Beklagte nicht nur strafrechtliche Vorwürfe, sondern obendrein solche, die ersichtlich unzutreffend sind. Denn ein Straftatbestand „der falschen Anschuldigung“ existiert in der Tat nicht. Zwar liegt es nahe, dass der Beklagten an dieser Stelle die oben (s. oben, S. 6-7) schon zitierten Regelungen des § 164 StGB62 vorschweben. Das macht die Sache aber nicht besser. Der dortige Tatbestand „falscher Verdächtigung“ setzt nämlich nach seinem unmissverständlichen Wortlaut die Absicht des Handelnden voraus, mit seinen Aktivitäten behördliche Unannehmlichkeiten gegen die Zielperson zu mobilisieren oder in Gang zu halten. Dass dergleichen hier von der Klägerin intendiert gewesen sei, behauptet auch die Beklagte nicht. Es liegt auch nicht nahe.

ac. Das genügt. – Denn damit ist das personalaktenkundig gemachte Schriftstück vom 19. Juli 2011 (Urteilsanlage II.) für den verfolgten Entfernungsanspruch hinreichend „kontaminiert“: Es ist nach den zitierten Grundsätzen der Gerichte für Arbeitssachen (s. oben, S. 12-13 [d.]) schon deshalb aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

b. Die Entscheidung der Kammer fiele auch nicht anders aus, wenn es hier lediglich um die Rüge der Beklagten ginge, die Klägerin habe ihrem Geschäftsführer und Unterzeichner des Abmahnungsschreibens objektiv unzutreffend zur Last gelegt, ihrer Mutter Steuerhinterziehung zugeschrieben zu haben. Zwar lässt die Beklagte beteuern (s. oben, S. 8 [VII.]), Herr L. habe „derartige Beschuldigungen“ in der Sitzung Ende März 2011 nicht verlautbart und die Mutter in Wahrheit „zu keinem Zeitpunkt“ einer Steuerhinterziehung „bezichtigt“ (s. oben, S. 5 [cb.]; S. 7 [V.2.]). Die Klägerin möge das Gegenteil beweisen63. – Dessen bedarf es nicht:

ba. Insofern sei allenfalls beiläufig darauf verwiesen, dass es nach eingespielten Grundsätzen der Gerichte für Arbeitssachen im Kündigungsschutzrecht bekanntlich Sache des Arbeitgebers ist, diejenigen Einwände des Arbeitnehmers auszuräumen, die sein vordergründig vertragswidriges Verhalten rechtfertigen würden64. Es spricht vieles dafür, im Entfernungsstreit dieselben Anforderungen an die Widerlegungslast des Arbeitsgebers zu stellen. Das kann hier aber auf sich beruhen. Denn auch unabhängig davon ist das befasste Gericht – glücklicherweise – der Last enthoben, die ihm zur Vergewisserung über die Realien des dialogischen Geschehens vom 31. März 2011 beiderseits benannten Auskunftspersonen über Erinnerungsbilder befragen zu wollen. Dabei ist mit „glücklicherweise“ nicht etwa gemeint, dass die Kammer irgendwelche Vorbehalte gegen die persönliche Integrität der Herren P. und N. einerseits (s. oben, S. 8 mit Fn. 31) oder der Klägerin und ihrer Mutter andererseits (s. oben, S. 6 [III.]) hegte. Gemeint sind vielmehr ebenso legendäre65 wie strukturelle66 Probleme, die mit Erinnerungsbildern von Menschen anthropologisch verbunden sind. Diese Probleme untergraben nicht nur machtvoll die Authentizität besagter Bilder, sondern lassen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch mit Maßstäbe setzendem Realitätssinn67 von der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises „generell“ sprechen68.

bb. All dessen enthoben ist die Kammer hier indessen – wie gerade vorausgeschickt – aus normativen Gründen: Wie gleichfalls schon (S. 12-13 [d.]) betont, bildet die Vertragsverletzung nämlich den Grundstein des daraus ggf. herrührenden Rechts des Arbeitgebers, die künftige Wahrung seiner vertraglichen Belange ultimativ einzufordern. Eine solche Vertragsverletzung der Klägerin erblickt die Beklagte hier zwar im abermals schon erwähnten, nur eben für unzutreffend erklärten Vorwurf an die Adresse von Herrn L., ihrer Mutter Steuerhinterziehung zugeschrieben zu haben.

(1.) Festzuhalten ist demgegenüber indessen, dass ihn die Klägerin offenbar im von ihr bekundeten Sinne verstanden hat. Dabei mag sie sich geirrt und Herrn L. missverstanden haben. Das lässt sich im Nachhinein kaum klären. Wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich eine solche Fehldeutung angesichts des Umstandes anmuten mag, dass sich die Akteure der Beklagten im Vorfeld der strittigen Geschäftsleitungsbesprechung (wohl) schon im Herbst 2010 anhand eines in mutmaßlich aufwendigen Recherchen produzierten „Tatsachenberichts“ offenbar intensiv darum bemüht haben, Frau B. möglichst auf der Stelle von ihrem Posten abzuberufen (s. oben, S. 3 [2 b.]), mag dabei auf sich beruhen. Hier genügt die Feststellung, dass es der Klägerin jedenfalls unter dem Firmament der Grundrechtsordnung69 rechtlich nicht verwehrt sein kann, Herrn L. und andere involvierte Mitwisser auf ihr Verständnis seiner Redebeiträge in der Zusammenkunft vom 31. März 2011 hin anzusprechen. Das gilt umso mehr, als sie mit ihren Vorhaltungen zivilisierten Umgangsformen nach Stil und Diktion allen gebührenden Respekt erweist. Gerade auf solche Weise lassen sich etwaige Missverständnisse gleichermaßen aufdecken, wie dann auch – sachgerecht beantwortet – überwinden.

(2.) Bekanntlich hat das Bundesarbeitsgericht aus gegebenem Anlass gerade in jüngerer Zeit mit vollem Recht wiederholt klargestellt, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG70) als eines der vornehmsten Kommunikationsgrundrechte auch im Arbeitsleben seine nicht nur zur Persönlichkeitsentfaltung essentielle Geltung beansprucht71. Zwar finden dessen Garantien ihre Grenzen aufgrund des Art. 5 Abs. 2 GG in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und im dem Recht der persönlichen Ehre. Allerdings müssen diese Regelungen bekanntlich ihrerseits im Lichte der wertsetzenden Bedeutung des besagten Grundrechts interpretiert werden, das nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung „schlechthin konstituierend“ ist72. Grundrecht und Grenzen müssen nach neuerer Akzentuierung in ein „ausgeglichenes Verhältnis“ gebracht werden73.

(3.) Welche Konsequenzen sich daraus im Einzelnen herleiten, bedarf an dieser Stelle keiner näheren Ausleuchtung. Hier genügt der Hinweis, dass sich gerade für das Grundrecht der Meinungsfreiheit die zutreffende Einsicht durchgesetzt hat, dass gesetzliche Regelungen nicht dahingehend ausgelegt und angewandt werden dürfen, dass von solcher interpretatorischen Handhabung Hemmungen für Grundrechtsträger ausgehen, „aus Furcht vor Sanktion auch zulässige Kritik zu vermeiden“74. Das gilt auch für die aus § 241 Abs. 2 BGB75 zu gewinnenden Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis bei der Ausübung verbriefter Kommunikationsrechte und bedeutet, was eben schon vorausgeschickt wurde: Etwaige Fehldeutungen von Erklärungen in der zwischenmenschlichen Interaktion sind als solche in aller Regel – und so auch hier – nicht unbesehen als „Vertragsverletzungen“ einzuordnen und unter Sanktionsdrohung zu stellen, sondern durch sachgerechte Klarstellungen nach bewährten kommunikatorischen Spielregeln76auszuräumen. Insofern ist die ultimative Abmahnung für solche Klarstellungen nicht das als „Erste Hilfe“ zu Gebote stehende Medium. Das gilt wiederum erst recht, als es für die Beklagte im Lichte des anerkannten Zwecks arbeitsrechtlicher Abmahnungen, die betriebliche Kooperation wieder herzustellen (s. oben, S. 10-11 [1 a.]), mutmaßlich vollauf genügt hätte, gegenüber der Klägerin kurzerhand klarzustellen, dass er die mit ihrer Mutter in Verbindung gebrachten Sachverhalte – persönlich – nicht als „Steuerhinterziehung“ einstufe. Dass davon trotz im Übrigen vieler Worte keine Rede ist, lässt – möglicherweise – tief blicken.

III. Erweist sich die Entfernungsklage nach allem in doppelter Hinsicht als begründet, so ist ihr der Erfolg nicht zu versagen. Die Konsequenzen zieht der Tenor zu I. des Urteils.

B. Der Widerruf

Kein anderes Schicksal gebührt dem Klageantrag zu 2. – Den mit ihm beanspruchten Widerruf des an die Adresse der Klägerin gerichteten Vorwurfs, den „Straftatbestand der falschen Ankündigung“ erfüllt zu haben, schuldet die Beklagte gleichfalls als Akt der Störungsbeseitigung aufgrund der schon erwähnten (s. oben, S. 12 [c.]) Vorschriften in § 241 Abs. 2 BGB77 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB78 analog):

I. Es ist für die Gerichte für Arbeitssachen gleichermaßen seit Jahrzehnten „ausgepaukt“, dass der Arbeitnehmer nach Maßgabe der vorerwähnten Vorschriften unter den einschlägigen Voraussetzungen auch den Widerruf herabsetzender Äußerungen des Arbeitgebers verlangen kann79. Der Fünfte Senat des BAG hat die hierzu entwickelten Grundsätze im November 198580 mit folgenden Worten per Leitsatz auf den – nach wie vor gültigen81 – Begriff gebracht82:

„2. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten (…). Bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hat der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 BGB Anspruch auf Widerruf bzw. Beseitigung der Beeinträchtigung“.

Dem hat das befasste Gericht nichts hinzuzufügen.

II. Nach diesen Grundsätzen wird hier die Beklagte auch nicht umhin kommen, den bewussten Vorwurf zu widerrufen. Soweit sie dem entgegen hält (s. oben, S. 8 [VII.]), es bestehe keine Wiederholungsgefahr, schützt das nicht vor Verurteilung. Abgesehen davon, dass es nicht um einen Unterlassungsanspruch geht, der die besagte Wiederholungsgefahr voraussetzt (s. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB83), steht der hiesige Vorwurf nach wie vor unter Kränkung des persönlichen und beruflichen Geltungsanspruchs der Klägerin im Raum. Genau dem abzuhelfen, ist der Zweck des Widerrufsanspruchs.

III. Fazit: Tenor zu II.

C. Die Nebenentscheidungen

Für die übrigen Entscheidungen lässt es sich kurz machen:

I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO84). Besagte Kosten treffen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO85 und in den Grenzen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG86 die Beklagte, weil sie im Rechtsstreit unterlegen ist (Tenor zu III.).

II. Den Wert der Streitgegenstände hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG87 im Tenor festgesetzt. Ihn hat es den Gepflogenheiten der Praxis folgend für die Entfernungsklage mit einem Monatsgehalt der Klägerin bemessen wollen (also mit [8.500,– Euro x 13 = ] 110.500,– Euro : 12 = 9.208,34 Euro) und für die Widerrufsklage mit der Hälfte dieses Wertes (also mit 9.208,34 Euro : 2 = 4.604,17 Euro). Das hätte zusammen (9.208,34 Euro + 4.604,17 Euro =) 13.812,51 Euro ergeben. – Stattdessen hat das Gericht versehentlich (wie im Kündigungsschutzprozess) das Quartalsgehalt (also 27.625,– Euro) zum rechnerischen Ausgangspunkt gemacht, dem Entfernungsantrag zugrunde gelegt und dann unter Halbierung dieser Wertes auf 13.812,50 Euro dem Widerrufsantrags zugeordnet. Diese (falsche) Berechnung ergab (27.625,– Euro + 13.812,50 Euro = ) 41.437,50 Euro und erklärt (hoffentlich) den Tenor zu IV. – Für das Versehen wird sehr um Nachsicht gebeten.

 

Fußnoten

1)

S. Anstellungsvertrag vom 29.12.2009 – Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 27-31 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]) nebst Anlage 1 („Aufgabenbeschreibung“) (Bl. 32 GA).

2)

S. dazu aber auch Beklagtenschriftsatz vom 2.11.2011 S. 2-3 [II.1.]: „Bei der Klägerin handelt es sich um eine Akademikerin. Sie hat selbst etliche Passagen des Arbeitsvertrages als Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages aufnehmen lassen“; s. dazu noch unten, S. 8 [VIII.].

3)

S. Klageschrift S. 2-3 (Bl. 13-14 GA).

4)

So mündliche Erläuterung vonseiten der Klägerin im Kammertermin am 4.11.2011 (nicht förmlich protokolliert; d.U.).

5)

S. Klageschrift S. 3 [vor II.] (Bl. 14 GA).

6)

S. Klageschrift a.a.O.

7)

S. Klageschrift a.a.O.

8)

S. Klageschrift a.a.O.

9)

S. Klageschrift S. 5 (Bl. 16 GA): „Diese Geschehnisse waren schon Gegenstand einer Gesellschafterversammlung vom 22.10.2010, die auf sofortige Abberufung und außerordentliche Kündigung von Frau B.gerichtet war. Bezeichnenderweise hat die S. GmbH dann aber, als Frau B. sich anwaltlich begleitet hiergegen gewehrt hat, doch nicht diesen ‚Tatsachenbericht‘ als Grundlage für eine Abberufung herangezogen, was für sich selbst spricht“.

10)

S. dazu die Inhalte der von den Parteien ausgetauschten Schriftstücke; sogleich im Text.

11)

S. Kopie als Anlage K 2zur Klageschrift (Bl. 21-22 GA).

12)

S. dazu die Namensliste unter „Cc“, die möglicherweise die übrigen Gesprächsteilnehmer betrifft: S. B.; H. N.; F. P.; St. L.; J. S.; K.B.; G. B.; Br. Be.; s. auch noch unten, S. 5 [cb.].

13)

Datenangabe im Original; möglicherweise ist der 30.06.2011 gemeint; d.U.

14)

S. Kopie als Anlage K 1zur Klageschrift (Bl. 20 GA).

15)

Weder der Text dieser Mail noch der ihr zugrunde liegenden „Nachfrage“ liegt dem Gericht vor; d.U.

16)

S. Klageschrift S. 5-6 (Bl. 16-17 GA).

17)

S. Klageschrift a.a.O.

18)

S. Klageschrift S. 7 (Bl. 18 GA).

19)

S. Text: „§ 164 [Falsche Verdächtigung](1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. – (2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder andauern zu lassen“.

20)

S. Klageschrift S. 7 [vor 4.] (Bl. 18 GA).

21)

S. Klageschrift a.a.O.

22)

S. Klageschrift S. 7 ([4.] Bl. 18 GA).

23)

S. Klageschrift a.a.O.

24)

S. Klageschrift S. 7-8 (Bl. 18-19 GA).

25)

S. Schriftsätze vom 5.8.2011 S. 2 (Bl. 26 GA); vom 2.11.2011 S. 2-3 [II.1.]: „Klage unbegründet bzw. sogar unschlüssig“.

26)

S. Schriftsatz vom 5.8.2011 a.a.O.

27)

S. Schriftsatz vom 5.8.2011 a.a.O.

28)

S. Schriftsatz vom 26.10.2011 S. 1-2 [1 a)] (Bl. 51-52 GA).

29)

S. Schriftsatz vom 26.10.2011 S. 2 (Bl. 52 GA).

30)

S. Schriftsatz vom 2.11.2011 S. 3 [III.)] (Bl. 58 GA).

31)

S. Schriftsatz vom 2.11.2011 a.a.O; Beweis: Zeugnis Herren F. P.; H. N..

32)

S. Schriftsatz vom 2.11.2011 S. 4 (Bl. 59 GA).

33)

S. Schriftsatz vom 2.11.2011 a.a.O.

34)

S. hierzu statt vieler nur BT-Drs. 14/980 S. 5: „Die Verlagerung der Konfliktregelung von den Gerichten auf alternative Streitschlichtungsstellen dient nicht nur einer Entlastung der Justiz. Durch eine Inanspruchnahme solcher Stellen können Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigt werden. Konsensuale Lösungen können darüber hinaus in manchen Fallgestaltungen eher dauerhaften Rechtsfrieden stiften als eine gerichtliche Entscheidung. In einem Schlichtungsverfahren können nämlich Tatsachen berücksichtigt werden, die für die Lösung des Konflikts der Parteien von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung ist, rechtlich jedoch irrelevant sind“; s. auch BVerfG14.2.2007 – 1 BvR 1351/01 – NJW-RR 2007, 1073 = ZKM 2007, 128 [II.1 b, aa (3.)]: „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“.

35)

S. etwa die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, Abl. L 136 vom 24.5.2008 S. 3-8; hierzu auch Hanns Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung (2008) S. 1 ff.; ders.Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung – Regelungsbedarf im Verfahrens- und Berufsrecht?, JZ 2008, 847.

36)

S. Textauszug: „§ 15 a [Obligatorische Streitschlichtung].(1) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen – 1. in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt, 2. in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht … [usw.]“.

37)

S. Text: „§ 111 Änderung von Vorschriften.(1) … (2) Zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis können im Bereich des Handwerks die Handwerksinnungen, im übrigen die zuständigen Stellen im Sinne des Berufsbildungsgesetzes Ausschüsse bilden, denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl angehören müssen. Der Ausschuss hat die Parteien mündlich zu hören. Wird der von ihm gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt, so kann binnen zwei Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. … “.

38)

Vom Abdruck wird abgesehen; d.U.

39)

S. hierzu auch EG-Richtlinie 2008/52/EG (Fn. 35) [Erwägensgründe Nr. 10]: „Diese Richtlinie sollte für Verfahren gelten, bei denen zwei oder mehr Parteien einer grenzüberschreitenden Streitigkeit mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine gütliche Einigung über die Beilegung ihrer Streitigkeit zu erzielen. Sie sollte für Zivil- und Handelssachen gelten. Sie sollte jedoch nicht für Rechte und Pflichten gelten, über die die Parteien nach dem einschlägigen anwendbaren Recht nicht selbst verfügen können. Derartige Rechte und Pflichten finden sich besonders häufig im Familienrecht und im Arbeitsrecht“.

40)

S. insofern statt vieler den Plenarbeschluss in BVerfG30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924 = AP Art. 103 GG Nr. 64 [CI.1.]: „Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs. Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 93, 99 [107]). Die grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung“.

41)

S. Text: „§ 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung.(1) … (3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung“.

42)

S. Text: „§ 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund.(1) … (2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig“.

43)

So bereits ArbG Berlin27.9.1973 – 7 Ca 123/73 – DB 1973, 1406 [I.]: „Vorstufe zur fristlosen Kündigung“; s. heute statt vieler KR/Ernst Fischermeier, 9. Auflage (2009), § 626 BGB Rn. 273; Tatjana Aigner, Antworten auf Arbeitnehmerfehlverhalten (2002), S. 277: „Abmahnung als mildere Vorstufe“; Walter Bitter/Heinrich Kiel, RdA 1995, 26, 31.

44)

S. zu dieser Funktion förmlicher Abmahnungen näher ArbG Berlin15.8.2003 – 28 Ca 12003/03 – EzA-SD 2004 Nr. 3 S. 10 (Ls.) = DSB 2004 Nr. 3, S. 16 (red. Ls.) = ArbuR 2004, 315 (Ls.) = NZA-RR 2004, 406 (Ls.) = RzK I 1 Nr. 132 (Ls.) – Volltext in „Juris“; dort auch Schlaglichter zu den Realitätendes Arbeitslebens, in denen sich die kooperative Seite der „Abmahnung“ keineswegs stets als Richtschnur der befassten Sachwalter darstellt: „ … Die arbeitgeberseitige Abmahnung erweist sich bei näherem Hinsehen … zwar auch, aber keineswegs nur als ‚harmloses’ Instrument, mit dem ein Gläubiger eben die Einhaltung vertraglicher ‚Spielregeln’ einfordert. Je nach der Art ihres Einsatzes hat sie vielmehr ihre Licht-, aber auch ihre Schattenseiten: < 1. > In der Hand redlicher Sachwalter ist sie in der Tat nichts andres als das, wofür sie geschaffen wurde. Die legitime Ausübung des Rügerechts einer Vertragspartei, die dem Adressaten aus gegebenem Anlass unmissverständlich verdeutlicht, dass die … ‚Schmerzgrenze’ zur Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung erreicht sei. In dieser Funktion nützt die Abmahnung ersichtlich allen Beteiligten: Dem Gläubiger, der in der ultimativen Bedrohung des Adressaten mit Auflösung des Vertrages seinen vielleicht letzten ‚Trumpf’ ausspielt, die vermisste betriebliche Kooperation endlich doch zu erwirken, aber auch dem Schuldner, der nochmals eine ‚Chance’ erhält. – Das ist das ‚Licht’. < 2. > Aber es ist eben nicht alles. Es gibt auch den ‚Schatten’: – Der Blick in die Arbeitswelt zeigt leider, dass auch Inhaber von Personalverantwortung nicht durchweg redlich agieren. Sondern zuweilen sogar reichlich unredlich. In ihrer Hand mutiert die eben noch nicht nur harmlose, sondern ihrem besagten Potential nach sogar produktive förmliche Abmahnung zu einem tückischen Mittel der Destabilisierung ihrer Zielperson, zum ‚Wolf im Schafspelz‘: Das Augenmerk solcher Akteure liegt nicht auf der Wiederherstellung betrieblicher Kooperation zur Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung und damit sogar zum Schutz des Adressaten vor urplötzlichem Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, sondern auf dem psychischen Druck, der sich mithilfe der Abmahnung durch Mobilisierung von Ängsten der Zielperson um ihren Arbeitsplatz erzeugen lässt“.

45)

S. im gleichen Sinne Joachim Heilmann/Tatjana Aigner, Streitkultur in Wirtschaftsunternehmen – Zur Konzeption eines abgestuften Konfliktmanagements, in: Dieter Strempel/Theo Rasehorn(Hrg.), Empirische Rechtssoziologie, Gedenkschrift für Wolfgang Kaupen (2002), S. 223, 239: „Insgesamt dokumentieren die Erscheinungsformen der Intervention den Versuch, die durch das Fehlverhalten gestörte Kooperation wiederherzustellen“.

46)

S. dazu nur – bei Bedarf – Bernd Ruberg, Schikanöse Weisungen (2004) S. 89 ff., 95 ff., 113 – mit Hinweisen auf kooperationsbedachte Gesprächsregeln: „Den schlimmsten Fehler von allen begeht jedoch, wer sofort ‚ahndet’, statt auf sachangemessene Weise zunächst die Kräfte des ‚Störers’ zur Einsicht zu erproben: Wer ohne zwingenden Grund nämlich schon im ersten Zugriff gegenüber dem Störer ‚Druck’ zu entfalten sucht, begeht – psychologisch gesehen – eine Todsünde. Das dem innewohnende Unwerturteil über den Gesprächspartner hinsichtlich Fähigkeit und Bereitschaft, kraft besserer Einsicht zur Konfliktlösung selber konstruktiv beizutragen, hat sogar das Zeug zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Ein ‚Sozialpartner’, der so angegangen wird, kann nicht mehr kooperieren. Es verrät deshalb sehr bemerkenswertes Gespür für gesprächspsychologische Zusammenhänge, wenn das Bundesarbeitsgericht in den zitierten Entscheidungen mit kassatorischer Konsequenz einschlägige kommunikatorische ‚Kunstfehler’ mit der Frage offen thematisiert, ob eine Anordnung eigentlich ‚in irgendeiner Weise begründet’ wurde, oder die Feststellung trifft, dass eine Begründung der Maßnahme durch die Anordnung fristloser Entlassung ‚nicht zu ersetzen’ sei“.

47)

S. zur persönlichkeitsrechtlichen Fundierung des Entfernungsanspruchs statt vieler BAG27.11.1985 – 5 AZR 101/84 –  BAGE 50, 202, 206 = AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 93 [I.3 b.]; 23.4.1986 – 5 AZR 340/85 – n.v. [IV.2.]; 12.6.1986 – 6 AZR 559/84 – NZA 1987, 153 [I.3.]; 15.7.1987 –  5 AZR 215/86 – NZA 1988, 53 [A.I.1 b.]; 13.4.1988 – 5 AZR 537/86 – AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 100 = NZA 1988, 654 [III.]; 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 – EzA § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 6 [I.1.].

48)

Text: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“.

49)

S. dazu, dass eine Kodifikation zu Inhalt und Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, BT-Drs. 14/7752 S. 25 zur Novellierung des § 253 BGB n.F.: Eine ausdrückliche und umfassende Regelung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „kann im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht geleistet werden“.

50)

Die früher abweichende Judikatur namentlich aus dem LAG Hamm(s. 30.10.1973 – 3 Sa 563/73 – DB 1974, 439; 11.12.1973 – 3 Sa 701/73 – EzA § 83 BetrVG 1972 Nr. 1 [II.]; 17.10.1991 – 4 [18] Sa 1397/90 – n.v. [1.6.]; 16.4.1992 – 4 Sa 83/92 – RzK I 1 Nr. 75 [2.3.]) darf, soweit ersichtlich, als überholt gelten.

51)

S. dazu erstmals und gegen die seinerzeit noch strikte Ablehnung eines solchen Rechtsschutzbehelfs in der höchstrichterlichen Judikatur für den Bereich der Privatwirtschaft (s. BAG13.7.1962 – 1 AZR 496/60 – AP § 242 BGB Nr. 1 [Ls.]), ArbG Berlin27.9.1973 (Fn. 43) [I.]; später etwa auch ArbG Stuttgart13.5.1977 – 7 Ca 117/77 – BB 1977, 1304.

52)

S. dazu BAG23.9.1975 – 1 AZR 60/74 – BetrR 1976, 172, 174; 16.6.1976 – 5 AZR 259/74 – n.v.; 22.2.1978 – 5 AZR 801/76 – AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 84 [II.1.]; 16.3.1982 – 1 AZR 406/80 – BAGE 38, 159 = AP § 108 BetrVG 1972 Nr. 3 [I.]; seither ständige Rechtsprechung (s. dazu auch die Nachweise in Fn. 47).

53)

Text: „Pflichten aus dem Schuldverhältnis.(1) … (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“.

54)

Text: „Leistung nach Treu und Glauben.Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.

55)

S. Text: „§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen“.

56)

S. zur Begründetheit der Entfernungsklage bereits dann, wenn sich die aktenkundig gemachte Rüge auch nur in Teilen als unberechtigt erweist, schon BAG13.3.1991 – 5 AZR 133/90 – BAGE 67, 311 = AP § 611 BGB Abmahnung Nr. 5 = NZA 1991, 768 [Leitsatz]: „Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige (aber nicht alle) zu, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Akte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben. Es ist dem Arbeitgeber überlassen, ob er statt dessen eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte Abmahnung aussprechen will“; s. statt vieler auch LAG Hamm 9.11.2007 – 10 Sa 989/07 – (Volltext in „Juris“) [Leitsatz]: „Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und beruht eine Pflichtverletzung auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung oder Tatsachenannahme, so muss das Abmahnungsschreiben vollständig aus der Personalakte entfernt werden und kann nicht teilsweise aufrechterhalten bleiben (…)“.

57)

So auch schon LAG Baden-Württemberg12.2.1987 – 3 (7) Sa 92/86 – ArbuR 1988, 55.

58)

S. zum – strukturell, nicht in en detail – verwandten und bis in die Revisionsinstanz getriebenen Fall des Berliner Einzelhandels, in dem es der dortigen Arbeitgeberin missfiel, dass ein für die Sitzung der gewerkschaftlichen Tarifkommission vom Dienst freigestelltes Betriebsratsmitglied im Auftrag der Verhandlungsrunde unweit des Gewerkschaftsgebäudes während der Sitzungszeit einen Warnstreik beobachtete und das Mitglied deshalb wegen unberechtigter Freizeitnahme förmlich abmahnt, die prägnanten Hinweise von Wilhelm Herschel, Anm. BAG [19.7.1983] AP § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße Nr. 5 [B.III.3]: „Die letzte Bemerkung leitet schon dazu über, dass die Beklagte ihren Kampf auf der falschen Ebene führt. Wenn sie schon glaubt, Grund für eine Abmahnung zu haben, so hätte sie diese an die Gewerkschaft, aber nicht an die Klägerin richten müssen: Es verhält sich hier ähnlich wie bei dem Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern: Es kommt darauf an, ob die Amtspflicht verletzt worden ist. Nachdem die Beklagte die Klägerin für die Tätigkeit in der Kommission für diese Zeit freigestellt hatte, ist es entscheidend, ob die Klägerin gegen ihre Amtspflicht verstoßen hat. Es ist aber nicht Sache des Arbeitgebers, in die Arbeit der Kommission einzugreifen, indem sie eingreift, ihr also Weisungen erteilt. Hier hätte gewissermaßen der Dienstweg eingehalten werden müssen, d.h. der Arbeitgeber hätte die Gewerkschaft auffordern müssen, die gerügte Praxis abzustellen“.

59)

S. BAG11.8.1982 – 5 AZR 1089/79 – BAGE 39, 289 = AP Art. 5 GG Meinungsfreiheit Nr. 9 = NJW 1983, 1220 [3.] – mit Hinweis auf BAG7.11.1979 – 5 AZR 962/77 – AP § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße Nr. 3 = EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße Nr. 4 = SAE 1981, 237 [Leitsatz 1.]: „Eine nicht an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gebundene Abmahnung des Arbeitgebers darf keinen über den Warnzweck hinausgehenden Sanktionscharakter haben. Sie darf kein Unwerturteil über die Person des Arbeitnehmers enthalten. Das schließt nicht aus, dass der Arbeitgeber die Schwere der Vertragspflichtverletzung zum Ausdruck bringt oder eine wiederholte Verletzung vertraglicher Pflichten besonders kennzeichnet“.

60)

S. BAG11.8.1982 (Fn. 59) [3.].

61)

S. etwa LAG Rheinland-Pfalz13.4.1989 – 5 Sa 1013/88 – LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 18 [Leitsätze]: „1. Mit der Wertung ‚Betrug‘ in einer Abmahnung ist die Tatsachenbehauptung verbunden, der Arbeitnehmer habe den Arbeitgeber mit dem beanstandeten Verhalten in seinerm Vermögen geschädigt. – 2. Kann eine Vermögensschädigung nicht dargetan werden, darf die Wertung ‚Betrug‘ in einer Abmahnung nicht verwandt werden“.

62)

S. Text oben, S. 6 Fn. 19.

63)

S. Schriftsätze vom 5.8.2011 S. 2 (Bl. 26 GA): „Gegenteiliges liegt in der Beweislast der Klägerin“; vom 2.11.2011 S. 3 [III.] (Bl. 58 GA): „Ebenfalls falsch liegt die Klägerin mit der Behauptung, die Beweislast zum Vortrag in einer Abmahnung liege immer beim Arbeitgeber. Denn die Klägerin hat eindeutig in der Mail vom 05.07.2011 unter Punkt 4 behauptet, der Geschäftsführer L.habe sich ‚über Stunden in unsäglicher Art und Weise‘ über die Mutter der Klägerin ‚verhalten und sie der Steuerhinterziehung beschuldigt‘. Von daher ist die Klägerin in der Beweislast, dass Herr L.tatsächlich diese Vorwürfe und Beschuldigungen in der hier betreffenden Sitzung ausdrücklich erklärt hat. … Dabei wird ausdrücklich der Parteivernehmung der Klägerin widersprochen“.

64)

S. zu dieser Widerlegungslast schon BAG12.8.1976 – 2 AZR 237/75 – AP § 1 KSchG 1969 Nr. 3 = NJW 1977, 167 [C.III.1 c, aa.]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Diese Beweislast trifft den Arbeitgeber auch dann, wenn er die Kündigung aus Gründen ausspricht, die nach seiner Darstellung im Verhalten des Arbeitnehmers liegen (…). Er muss dann alle Umstände darlegen und beweisen, die den Vorwurf begründen, dass der Arbeitnehmer vertragswidrig gehandelt hat. … bb) … Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen, die der Arbeitgeber vorzutragen und ggf. beweisen muss, gehören damit auch diejenigen, die einen Rechtfertigungsgrund für das Verhalten des Arbeitnehmers ausschließen“; s. entsprechend zur fristlosen Kündigung BAG24.11.1983 – AP § 626 BGB Nr. 76 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88 [B.III.1.]: „Derjenige, der eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können (…). … Kündigt also der Arbeitgeber, so muss er alle Umstände darlegen und ggf. beweisen, die den Vorwurf begründen, der Arbeitnehmer habe vertragswidrig gehandelt. … Das Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes gehört zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen. – Hier muss allerdings eine Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belegten Partei im Kündigungsschutzprozess vermieden werden. … Daher richtet sich der Umfang der dargestellten Darlegungs- und Beweislast danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlässt. … Es reicht auch nicht aus, wenn der Arbeitnehmer Rechtfertigungsgründe pauschal ohne nähere Substantiierung vorbringt“; ständige Judikatur.

65)

S. den eindrucksvollen Stoßseufzer des 460 vor Christus geborenen Thukydides in seiner „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“, Bd. 1, S. 22 (hier zitiert nach Wolfgang Linsenmeier ArbuR 2000, 336 [5.] unter Berufung auf Peter Häberle, Wahrheitsprobleme im Verfassungsstaat [1995], S. 39): „Es kostet Mühe, die Wahrheit herauszufinden, weil die Augenzeugen in ihren Berichten über dieselben Tatsachen nicht übereinstimmen, sondern so sprechen wie ein jeder dieser oder jener seiner Partei günstig gesonnen oder seiner Erinnerung mächtig war“; s. markant auch Peter Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 61. Auflage (2003), Rn. 6 vor § 373, der den Ausschluss des Zeugenbeweises oberhalb gewisser Streitwertgrenzen (u.a.) in F.reich „ein Denkmal der Menschenkunde“ nennt (das Prädikat taucht bereits in den noch von Adolf Baumbachbetreuten Auflagen auf: in der 10. Auflage [1935] als „überlegene Gesetzeskunst“, seitdem wie hier zitiert; s. zum Prozessrecht in Spanien und Griechenland auch den Hinweis bei Guido Kirchhoff MDR 1999, 1473, 1474 Fn. 6; s. des weiteren schon Adolf Wach, JW 1918, 797: „Vor allem sollte der Zeugenbeweis, dieser nach Kenntnis jedes Erfahrenen schlechteste Beweis, nach Kräften ausgeschaltet werden“.

66)

Mit „strukturell“ sind Phänomene gemeint, die aus regelmäßig unbewussten Kräften erwachsen und im menschlichen Gedächtnis – subjektiv unbemerkte – Veränderungen auszulösen pflegen; dadurch kann den Erinnerungsbildern selbst gutwilligster Auskunftspersonen allein schon im Zeitablauf und (weit) mehr noch unter dem Einfluss von „Kommunikation“ über Erlebtes mit Dritten derart viel „zustoßen“, dass der Zeugenbeweis im praktischen Gebrauch – im krassen Gegensatz zum Ansehen, das ihm in der richterlichen Praxis zuweilen entgegen gebracht wird – nahezu wertlos erscheint; s. zum Problem höchst eindrucksvoll nur Beate Lakotta, im „SPIEGEL“ Nr. 52/2001 S. 174, 175: „Jeder Abruf verändert … die alte Erinnerung – eine Tatsache, die maßgeblich dazu beiträgt, dass Zeugenaussagen oft unzuverlässig sind; hochinstruktiv und im gleichen Sinne der Neurophysiologe Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in: M. Kerner(Hrg.), Eine Welt – eine Geschichte?, 43. Deutscher Historikertag in Aachen (2000), S. 18 ff. – hier zitiert nach dem Manuskript des Originalbeitrages – S. 16 ff.: „Und so nimmt nicht wunder, dass beim Erinnern nur schwer zu trennen ist, welche Inhalte und vor allem welche Bezüge zwischen denselben bereits im Zuge des Wahrnehmungsaktes abgespeichert wurden und welche erst beim Auslesen und Rekonstruieren definiert oder gar hinzugefügt wurden. Auch hier ist das Problem, wie schon bei der Wahrnehmung, dass dem Erinnernden selbst meist nicht erkennbar ist, was von dem, was ihm als Erinnerung erscheint, tatsächlich wahrgenommen oder erst im Zuge des Rekonstruktionsprozesses hinzugefügt, umgeordnet und neu gedeutet wurde. – Wie nahe Erinnerung erneuter Wahrnehmung kommt, zeigen jüngste neurobiologische Entdeckungen auf beunruhigende Weise. … Es bedeutet …, dass Engramme nach wiederholtem Erinnern gar nicht mehr identisch sind mit denen, die vom ersten Lernprozess hinterlassen wurden. Es sind die neuen Spuren, die bei der Testung, also beim Erinnern, erneut geschrieben wurden. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Beurteilung der Authentizität von Erinnerungen“.

67)

S. dazu nur Franz Wieacker, Pandektenwissenschaft und industrielle Revolution, JJb 9 (1968/1969), S. 1, 28: Der „Wirklichkeitsbezug der Rechtswissenschaft ist ein Hauptthema, vielleicht das Grundthema unserer Berufsverantwortung“.

68)

S. BVerfG30.4.2003 – 2 BvR 2045/02 – NJW 2003, 2444 [B.I.1 b], wo unter Bezugnahme auf einschlägige empirische Untersuchungen (u.a.: Stephan Barton[Hrg.], Redlich aber falsch – Die Fragwürdigkeit des Zeugenbeweises [1995]) die Rede von der „Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell“ ist.

69)

Sprachliche Anleihe bei Hartmut Oetker, Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz unter dem Firmament der Grundrechtsordnung, 1996, S. 1 ff.

70)

Text: „Art. 5 [Recht der freien Meinungsäußerung](1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“.

71)

So etwa BAG24.6.2004 – 2 AZR 63/03 – AP § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = NZA 2005, 258 [B.III.2 a, aa.]: „Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG wäre es unvereinbar, wenn das Grundrecht in der betrieblichen Arbeitswelt, die für die Lebensgrundlage zahlreicher Staatsbürger wesentlich bestimmend ist, gar nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre“; im Anschluss BAG24.11.2005 – 2 AZR 584/04 – AP § 626 BGB Nr. 198 = NZA 2006, 1277 [B.I.2 b, aa.].

72)

So die klassische Formel in BVerfG15.1.1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 1, 198, 205 = NJW 1958, 257; s. aus neuerer Zeit auch BVerfG10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 u.a. – BVerfGE 95, 266, 292 = NJW 1995, 3303 [C.III.1.].

73)

So BAG24.6.2004 (Fn. 71) [B.III.2 a, cc]; 24.11.2005 (Fn. 71) [B.I.2 b, cc]; 12.1.2006 – 2 AZR 21/05 – n.v. („Juris“) [B.II.1 c, cc.].

74)

So insbesondere zum strafgesetzlichen Ehrenschutz (§§ 185 ff. StGB) BVerfG10.10.1995 (Fn. 72) [C.III.1.]; ähnlich schon BVerfG7.12.1976 – 1 BvR 460/72 – BVerfGE 43, 130, 136 = NJW 1977, 799 [B.I.1.]: „einschüchternde Wirkung“; s. ferner BVerfG10.11.1998 – 1 BvR 1531/96 – BVerfGE 99, 185, 197 [B.II.1.], wonach „ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender Effekt“ aus Gründen der Meinungsfreiheit vermieden werden müsse.

75)

S. Text oben, S. 12 Fn. 53.

76)

S. zu dieser für die betriebliche Fehler-, wie auch Innovationskultur gleichermaßen wichtige (Um-)Orientierung den Beitrag von Rosemarie Stein im Berliner „Tagesspiegel“ vom 29.6.2005 S. 24 mit dem Hinweis auf das Diktum des Präsidenten der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz: „Nicht ‚Wer war schuld?’, sondern ‚Was war schuld?’, habe man zu fragen“.

77)

S. Text oben, S. 12 Fn. 53.

78)

S. Text oben, S. 12 Fn. 55.

79)

S. hierzu schon – wenn auch per Gegenschluss – etwa BAG13.7.1962 (Fn. 51) [Leitsatz]: „Der Arbeitnehmer kann nicht auf Zurücknahme, Widerruf oder Nichtigkeiterklärung mißbilligender Äußerungen des Arbeitgebers klagen, wenn diese keine Betriebsbußen sind, keinen beleidigenden Inhalt haben und keine greifbare Gefahr für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers darstellen“; deutlicher dann BAG21.2.1979 – 5 AZR 568/77 – AP § 847 BGB Nr. 13 = EzA § 847 BGB Nr. 3 = NJW 1979, 2532 [B.I.1.]: „Ehrkränkende Kundgebungen begründen für den Verletzen einen quasinegatorischen Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB) in Form eines Widerrufsanspruches, wenn ein dauernder Störungszustand besteht, der sich für den Verletzten als eine stetig neu fließende und fortwirkende Quelle der Schädigung und Ehrverletzung darstellt und der Widerruf notwendig und geeignet ist, den Störungszustand zu beseitigen“.

80)

S. BAG27.11.1985 (Fn. 47).

81)

S. aus jüngerer Zeit etwa BAG 15.4.1999 – 7 AZR 716/97 – AP § 611 BGB Abmahnung Nr. 22 = EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 41 = NZA 1999, 1037 [Leitsatz und I.3 a.]: „Auch nach der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, einen Anspruch auf Widerruf der in der Abmahnung abgegebenen Erklärungen gerichtlich geltend zu machen“; „[I.3 a)] Ein Widerrufsanspruch dient dem Schutz des Betroffenen vor einer anhaltenden Beeinträchtigung seiner Rechte. Er setzt neben dem Vorliegen entsprechender Rechtsverletzungen voraus, dass diese Rechtsbeeinträchtigungen andauern und durch den begehrten Widerruf auch beseitigt werden können“.

82)

S. BAG27.11.1985 (Fn. 47) [Leitsatz 2.].

83)

S. Text oben, S. 12 Fn. 55.

84)

S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge.(1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

85)

S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht.(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.

86)

S. Text: „§ 12 a Kostentragungspflicht.(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes“.

87)

S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils.(1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

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