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Erholungsurlaub in Passivphase der Altersteilzeit

ArbG Aachen – Az.: 2 Ca 706/17 – Urteil vom 22.03.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.524,00 € (i. W. viertausendfünfhundertvierundzwanzig Euro, Cent wie nebenstehend)  brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.13.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

3. Der Streitwert beträgt 23.631,00 €.

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche aus Altersteilzeit im Blockmodell.

Der am 31.03.1953 geborene Kläger war seit dem 01.01.1991 bei der Beklagten in der Versicherungsbranche außertariflich zu einer Bruttomonatsvergütung von 5.448,22 € tätig. Die Parteien schlossen mit Wirkung ab dem 01.13.2009 einen Altersteilzeitvertrag (ATZ-Vertrag) im Blockmodell ab. Dieser sieht eine Aktivphase bis zum 30.11.2012 und eine Passivphase, die zum 30.11.2015 endete, vor. Während der gesamten Altersteilzeit erhielt der Kläger ein monatliches Entgelt von 3.267,34 € brutto. Zudem wurde ihm während der Aktivphase zusätzlich zum Urlaubsentgelt Urlaubsgeld ausgezahlt. Während dieser Arbeitsphase war die volle Arbeitsleistung durch den Kläger zu erbringen. Dagegen wurde er in der darauffolgenden Passiv-phase vertraglich von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Im Altersteilzeitvertrag heißt es dazu unter Ziff. 2:

„Ab dem 01.13.2012 erfolgt die Freistellung von der Arbeit, ohne Arbeitsverpflichtung“.

In Bezug auf das Arbeitsentgelt heißt es unter Ziff. 3:

„Der Arbeitnehmer erhält als Vergütung 50% seines bisherigen Bruttogehaltes ohne Mehrarbeitsvergütung, sowie die Hälfte der tariflichen und betrieblichen Sonderzahlungen und der vermögenswirksamen Leistungen“.

Dem Kläger kam in der Aktivphase ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen zu. In Bezug auf Urlaub heißt es unter Ziff. 4 ATZ-Vertrag:

„Der Jahresurlaub richtet sich bis zum 31. Dezember 2011 (= Ablauf des Kalenderjahres, in dem noch volle 12 Monate gearbeitet werden) nach den tariflichen Bestimmungen. Im Jahr 2012 (= Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung) beträgt der Urlaubsanspruch 28 Tage. Ab dem 01.01.2013 besteht kein Urlaubsanspruch“.

Zudem enthält der Altersteilzeitvertrag unter Ziff. 7 die folgende Bestimmung:

„Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages, des beigefügten Altersteilzeitabkommens für die Versicherungswirtschaft (ATzA) vom 23.13.2005“.

Wegen des weiteren Inhalts des Altersteilzeitvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 4 d.A.) Bezug genommen. Im in Ziff.7 genannten Altersteilzeitabkommen für die Versicherungswirtschaft heißt es unter § 2 Abs. 10:

„Wird die Altersteilzeit im Blockmodell durchgeführt, verkürzt sich der Urlaubsanspruch für die Zeit der Freistellung auf Null“

sowie unter § 5:

„Nach Beginn der Altersteilzeitarbeit sind alle Ansprüche aus diesem Abkommen innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen; andernfalls ist der Anspruch verfallen“.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe auch für die Passivphase der Altersteilzeit ein Urlaubsanspruch und damit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Dieser sei für insgesamt 90 Urlaubstage in den drei Jahren der Passivphase entstanden. Für ein Entstehen des Anspruches sei lediglich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses notwendig und er sei in der Passivphase regulärer Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Zudem sei nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 9 AZR 572/16 vom 16. Mai 2017 für die Passivphase Urlaubsabgeltung zu zahlen, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus europarechtlichen Bestimmungen. Ein Ausschluss von Urlaub wie in § 4 ATZ-Vertrag sei rechtlich nicht möglich. Der Anspruch sei auch nicht nach § 5 des Altersteilzeitabkommens für die Versicherung verfallen, da diese Verfallfrist nicht einschlägig sei. Er mache Urlaubsabgeltung und damit eben keine Ansprüche „aus diesem Abkommen“ geltend. Zur Urlaubsabgeltung enthalte das Abkommen keine Regelungen. Weiterhin sei sein Anspruch auch nicht nach § 24 Manteltarifvertrag der privaten Versicherungswirtschaft verfallen. Zum einen sei der Kläger nicht tarifgebunden. Zum anderen sei Ziff. 7 ATZ-Vertrag keine wirksame Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag. Die Bestimmung sei intransparent, da nicht klar sei, auf welchen der auf der Homepage des Arbeitgeberverbandes der Versicherungswirtschaft aufgeführten neun Tarifverträge sie sich beziehe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 23.631,00 brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.13.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, ein Urlaubsanspruch und damit ein Urlaubsabgeltungsanspruch sei schon aufgrund Ziff. 4 des Altersteilzeitvertrages nicht entstanden. Dieser schließe Urlaubsansprüche ab dem 01.01.2013 und damit für die Dauer der Passivphase ausdrücklich aus. Daher entstünden Urlaubsansprüche nur während der Aktivphase der Altersteilzeit im Blockmodell. Die Freistellungsphase kennzeichne ihrer Ansicht nach nur den Zeitraum, in dem die zeitversetzte Auszahlung des während der Aktivphase erworbenen Entgeltanspruchs erfolge. Das Arbeitsverhältnis bliebe formal bestehen, um die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auszahlung erworbener Ansprüche festzulegen. Der so nur in der Aktivphase entstandene hälftige Urlaubsanspruch entspreche, bezogen auf die Gesamtdauer des Altersteilzeitvertrages, der konsequenten Anwendung der allgemein anerkannten Umrechnungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur Teilzeitbeschäftigung. Zudem sei dieser interessengerecht. Im Ergebnis erhalte der Arbeitnehmer gleichzeitig für jeden Urlaubstag in der Arbeitsphase ein Urlaubsentgelt in Höhe einer Tätigkeit in Vollzeitbeschäftigung. Dieses werde zur Hälfte in der Arbeitsphase und zur Hälfte in der Freistellungsphase ausgezahlt. Damit läge eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten nicht vor. Dass für den Arbeitnehmer nach dieser Ansicht im Freistellungszeitraum keine Urlaubsansprüche entstehen, verstoße nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfB, da hierfür sachliche Gründe bestehen. Eine Verneinung von Urlaubsansprüchen sei vielmehr gerade geboten, um eine nicht interessengerechte Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern in Vollzeitarbeitsverhältnissen zu verhindern. Auch in Hinblick auf europarechtliche Vorschriften müsse ein Urlaubsanspruch während der Passivphase verneint werden. Denn der EuGH betone in seinen Entscheidungen den Doppelzweck des Jahresurlaubes, der die Möglichkeit der Erholung des Arbeitnehmers mit einschließe. Dies mache deutlich, dass eben nicht nur auf das formale Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für das Entstehen eines Urlaubsanspruches abgestellt werden könne.

Jedenfalls sei ein solcher Anspruch schon nach § 24 Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe und Ziff. 5 ATzA verfallen. Das in § 2 Abs. 1 ATzA geregelte Bruttoarbeitsentgelt enthalte das Urlaubsentgelt und mithin sei damit auch die Urlaubsabgeltung vom Verfall erfasst.

Entscheidungsgründe

Die erhobene Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 4.524,00 €. In der Passivphase ist ein Urlaubsanspruch und damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2015 auch der entsprechende Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.524,00 € brutto entstanden.

Zwar lässt die vom Kläger angeführte Entscheidung des BAG vom 16. Mai 2017 9 AZR 572/16 nicht unmittelbar den Schluss, dass auch für die Passivphase Urlaubsabgeltung zu zahlen ist. Vielmehr lässt das Gericht die Entstehung eines solchen Anspruchs offen, da schon die zwingende Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorliegt:

„Die Klägerin hat mit Beendigung der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Abgeltung von Ersatzurlaub nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 BUrlG […] die für die Abgeltung von Ersatzurlaub erforderliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien [ist] nicht eingetreten“ (BAG, Urteil vom 16. Mai 2017, 9 AZR 572/3. Rn. 14, 3. NZA 2017, 1056).

Damit ist die Frage der Urlaubsabgeltung für die Passivphase in der Altersteilzeit noch nicht höchstrichterlich geklärt. Gleichwohl geht die Kammer davon aus, dass der Kläger in der Passivphase einen Urlaubsanspruch von insgesamt 30 Tagen erworben hat. Dieser ist nicht auf null reduziert oder durch arbeitsvertragliche Regelungen abbedungen worden. Die Regelung in Ziff. 4 ATZ-Vertrag,

„Ab dem 01.01.2013 besteht kein Urlaubsanspruch“,

ist unwirksam. Gemäß § 3. Abs. 1 BUrlG kann von den Bestimmungen der §§ 1, 3 BUrlG durch die Vertragsparteien nicht abgewichen werden. Diese Regelungen sind damit nicht dispositives Recht. § 3. Abs. 1 BUrlG beschränkt unmittelbar die Befugnis der Arbeitsvertragsparteien, durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen von den zwingenden Vorschriften des Urlaubsrechts abzuweichen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach von den Bestimmungen nicht abgewichen werden „kann“. Mit einer solchen Formulierung wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass entgegenstehende Vereinbarungen nur zur endgültigen oder schwebenden Unwirksamkeit führen (BAG, Urteil vom 20. Juni 2000 9 AZR 405/99). Aus der getroffenen Formulierung in Ziff. 4 ATZ- Vertrag „Der Jahresurlaub richtet sich bis zum 31. Dezember 2011 (= Ablauf des Kalenderjahres, in dem noch volle 12 Monate gearbeitet werden) nach den tariflichen Bestimmungen“ ist der Wille der Parteien ersichtlich, eine über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Anzahl von Urlaubstagen in Höhe von insgesamt 30 Tagen zu vereinbaren. Dieser soll für den Zeitraum der Aktivphase bestehen und ist damit der von den Parteien gewollte Regelfall. Eine Reduzierung der Urlaubstage ist nur für das Übergangsjahr in die Passivphase und für die Passivphase selber vorgesehen: „Im Jahr 2012 (= Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung) beträgt der Urlaubsanspruch 28 Tage. Ab dem 01.01.2013 besteht kein Urlaubsanspruch“. Mit dem Wegfall der vorgenannten Regelung ist von der von den Parteien in der Aktivphase gewollte Anzahl von Urlaubstagen, also insgesamt  für jeweils 30 Tagen für die Jahre 2014, 2014 und 2015, auszugehen. Diese wurde für das bestehende Arbeitsverhältnis von den Parteien als Regelfall vereinbart.

Zudem kann sich die Beklagte nicht auf die Argumentation stützen, für das Bestehen des Urlaubsanspruches sei der Erholungszweck des Urlaubs in den Vordergrund zu stellen. Zwar hebt der EuGH in der von der Beklagten angeführten Entscheidung Maschek den Doppelzweck des Erholungsurlaubes hervor: „Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung mit dem in Art. 7 der RL 2003/88 verankerten Anspruch auf Jahresurlaub ein doppelter Zweck verfolgt wird, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und der Freizeit zu verfügen“ (EuGH Urteil vom 20. Juli 203. C-341/15 Maschek, Rn. 34). Es bleibt jedoch auch nach dieser Entscheidung weiterhin allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für das Entstehen eines Urlaubsanspruches, §§ 1, 3 BUrlG (BAG, Urteil vom 06. Mai 2014, 9 AZR 678/12; EuGH Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 Schultz-Hoff). Das Arbeitsverhältnis bleibt während der gesamten Passivphase unverändert fortbestehen. Weder endet es mit dem Ablauf der Aktivphase (BAG, Urteil vom 16. Mai 2017, 9 AZR 572/3.) noch kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil vom 16.10.2012, 9 AZR 234/11). Mit ihrer Argumentation, die Freistellungs- also Passivphase der Altersteilzeit kennzeichne lediglich den Zeitraum, in dem die zeitversetzte Auszahlung des während der Arbeitsphase erworbenen Entgeltsanspruches erfolge, dringt die Beklagte damit nicht durch. Das Vertragsverhältnis besteht mit seinen Pflichten für Arbeitgeber und -nehmer in der Passivphase unverändert fort. Ausweislich des Wortlauts Ziff. 3 ATZ- Vertrag „Der Arbeitnehmer erhält als Vergütung 50% seines bisherigen Bruttogehaltes ohne Mehrarbeitsvergütung, sowie die Hälfte der tariflichen und betrieblichen Sonderzahlungen und der vermögenswirksamen Leistungen“ bleibt die Beklagte durchgängig zur regelmäßigen Zahlung des Arbeitsentgeltes verpflichtet. Wie das Arbeitspensum und die Arbeitszeit des Klägers während der Altersteilzeit tatsächlich verteilt werden, ist eine von rechtlichen Erwägungen unabhängige Überlegung der Vertragsparteien. Damit besteht die Verpflichtung des Klägers, die Arbeitsleistung zu erbringen, im Grunde fort. So wurde der Kläger nach Ziff. 2 ATZ-Vertrag lediglich von der Arbeitspflicht „freigestellt“, mithin vom zu leistenden Dienst befreit. Seine Arbeitspflicht wurde nicht suspendiert, und bleibt damit im Grunde unverändert. Zudem findet sich in der Bestimmung keinen Hinweis auf eine Regelung, nach der eine zeitversetzte Auszahlung gewollt ist. Rechtlicher Grund für die Auszahlung und das Behalten dürfen des Entgelts bleibt die in Ziff. 3 ATZ-Vertrag formulierte vertragliche Zahlungspflicht der Beklagten. Es findet sich kein Anhaltspunkt, dass die Parteien eine verspätete Auszahlung einer eigentlich schon vorher geschuldeten Zahlung wie beispielsweise bei einer Stundung vereinbaren wollten. Im Gegenteil weist Ziff. 3, anders als vorhergehend Ziff.2 bezogen auf die Verteilung der Arbeitszeit, keine Staffelung oder zeitliche Begrenzung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers auf.

Weiterhin steht dem Urlaubsanspruch auch nicht entgegen, dass in der Passivphase von dem Kläger aufgrund der Freistellung keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Es ist für das Bestehen des Anspruches nicht zwingende Voraussetzung, dass in dem fraglichen Zeitraum tatsächlich gearbeitet wurde. So kann auch die durch den Arbeitsvertrag verursacht berufliche Inaktivität in Form der Passivphase nicht mit tatsächlich genommenen Urlaub gleichgesetzt werden: „Eine solche Argumentation verwechselt nämlich die Ruhephase, die dem Zeitabschnitt eines tatsächlich genommenen Urlaubs entspricht, und die normale berufliche Inaktivität während eines Zeitabschnitts, in dem der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsverhältnisses, das ihn an seinen Arbeitgeber bindet, nicht zu arbeiten braucht“ (EuGH Beschluss vom 3.. Juni 2013 C-415/12 Brandes, Rn. 41).

Ebenfalls verkennt die Beklagte, dass auch der EuGH in seiner Entscheidung Maschek (EuGH Urteil vom 20. Juli 203. C-341/15 Maschek) tatsächlich von einem entstandenen Urlaubsanspruch ausgeht. Er macht deutlich, dass im Krankheitsfall ein Abgeltungsanspruch ebenfalls für die Passivphase entsteht. Für einen solchen Anspruch muss jedoch zunächst Urlaub entstanden sein. Damit entsteht grundsätzlich denklogisch zwingend auch in der Passivphase ein Urlaubsanspruch.

Dieser ist zudem nicht auf null reduziert. § 2 Abs. 10 S. 1 ATzA: „Wird die Altersteilzeit im Blockmodell durchgeführt, verkürzt sich der Urlaubsanspruch für die Zeit der Freistellung auf null“ ist gem. § 3. Abs. 1 BUrlG unwirksam. Bei dem Anspruch nach §§ 1, 3 BUrlG handelt es sich um nicht dispositives Recht. Damit ist der Urlaubsanspruch den Parteien als Regelungsgegenstand entzogen (BAG, Urteil vom 20. Juni 2000 9 AZR 405/99). Auch die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Umrechnung bei Wechsel vom Vollzeit- zum Teilzeitarbeitsverhältnis finden keine Anwendung. Denn der Übergang von dem Vollzeit- zum Teilzeitarbeitsverhältnis fand bereits mit Abschluss des ATZ-Vertrages am 28.11.2006 statt und nicht erst mit Eintritt in die Passivphase. Zudem ist keine Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des EuGH in der Sache Heimann gegeben. Im vorliegenden Sachverhalt wurden die Leistungspflichten nicht wie in der Entscheidung des EuGH Heimann (EuGH Urteil vom 8. November 2012, C-229/11 Heimann, NZA 2012, 1273) suspendiert. So wurde der Kläger lediglich von seiner Arbeitspflicht freigestellt. Damit bestand auch in der Passivphase eine Arbeitspflicht und der Urlaubsanspruch wurde zur Zeit der Vollbeschäftigung erworben (EuGH Beschluss vom 3. Juni 2013, C-414/12 Brandes, NZA 2013, 775).

Darüber hinaus verfängt die Argumentation der Beklagten, es läge keine Diskriminierung iSd. § 4 TzBfG  aufgrund sachlicher Rechtfertigungsgründe vor, nicht. So verstößt die Tatsache, dass für den Arbeitnehmer in der Freistellungsphase keine Urlaubsansprüche entstehen sollen, gegen das in § 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit (Anhang RL 97/81/EG) statuierte und in § 4 TzBfG umgesetzte Diskriminierungsverbot. Dieses findet sich auch in § 4 Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse (Anhang der Richtlinie zur Befristung von Arbeitsverhältnissen RL 1999/70/EG) wieder: „Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt“. In Anbetracht des vom BAG entwickelten Tagesprinzips käme einem vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer, der nicht freigestellt und dessen Arbeitszeit gleichmäßig auf sechs Jahre verteilt ist, ein doppelt so hoher Urlaubsanspruch zu. Auch die Argumentation der Beklagten, selbst wenn eine Diskriminierung vorläge, sei diese jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt, überzeugt nicht. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich. So ist die Verneinung von Urlaubsansprüchen auch nicht geboten, um eine nicht interessengerechte Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern in Vollzeitarbeitsverhältnissen zu verhindern. Zumal Erwägungsgrund 22 RL 97/81/EG sowie § 6 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Durchführung der Richtlinie nicht als Rechtfertigung für eine Verschlechterung der in den Mitgliedstaaten bestehenden Situation dienen darf. Eine Abweichung ins Positive ist damit jedoch ausdrücklich nicht ausgeschlossen worden. Es kann also gar nicht Ziel des Diskriminierungsverbotes sein, die Gleichstellung ins Positive zu verhindern.

Allerdings ist der Urlaub der Jahre 2013 und 2014 gem. § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG verfallen. Die Rechtsprechung des EuGH, die die Möglichkeit einer Übertragung von Urlaub über die vorstehende Regelung hinaus verlangt, bildet einen Ausnahmefall für erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit (u.a. EuGH Urteil vom 20. Januar 2009, C-350/06 Schultz-Hoff). So ist die Befristungsbestimmung des § 7 Abs. 3 S. 3 jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch „ausüben“ kann, mit Art. 7 RL 2003/88/EG vereinbar (EuGH Urteil vom 23. November 2011, C-214/10 KHS). Sie stellt damit den anzuwendenden Regelfall da. Der Kläger hat weder dringende betriebliche noch in seiner Person liegende Gründe, die eine Übertragung des Urlaubes der Jahre 2013 und 2014 rechtfertigen, angeführt. Weiterhin hat er für die entsprechenden Zeiträume auch keine erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit dargetan.

Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ein entsprechender Urlaubsabgeltungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 BUrlG entstanden. Durch die dauerhafte Freistellung bestand für den Kläger in der Passivphase keine Möglichkeit, den erworbenen Urlaub zu nehmen. Die Feststellung des EuGH in seiner Entscheidung Maschek (EuGH Urteil vom 20. Juli 203. C-341/15 Maschek), dass ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber trotz Zahlung von Entgelt vor seinem Eintritt in den Ruhestand nicht auf seinem Arbeitsplatz erscheinen muss, keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat, ist auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres anwendbar. Zum einen ist im Fall Maschek eine nationale Regelung gegeben, die den Urlaubsabgeltungsanspruch ausschließt. Dagegen ist hier eine vergleichbare Ausschlussregelung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und von den Parteien auch nicht wirksam vereinbart worden. Zum anderen bleibt es den Mitgliedstaaten ausweislich Art. 15 RL 2003/88/EG (Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) unbenommen, für Arbeitnehmer günstigere Vorschriften anzuwenden: „Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen[…], bleibt unberührt“. Die Verpflichtung zur Urlaubsabgeltung in § 7 Abs. 4 BUrlG ist eine solche für den Arbeitnehmer günstigere Vorschrift, da diese nicht zwischen den verschiedenen möglichen Gründen, warum der Urlaub tatsächlich nicht genommen werden konnte, differenziert. Sie ist damit mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar.

Die Höhe des Abgeltungsanspruchs richtet sich nach § 11 Abs. 1 BUrlG. Dabei ist nur das Entgelt zu berücksichtigen, welches der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Tätigkeit im Referenzzeitraum erhält (BAG 17.1.1991 NZA 1991, 778). Dies schließt dementsprechend Sonderzahlungen wie Prämien oder das in der Passivphase zusätzlich zum Urlaubsentgelt gezahlte Urlaubsgeld aus. Der Kläger hat in den Monaten September bis einschließlich November 2015 ein durchschnittliches Entgelt iHv 3.267,34 € brutto erhalten. Dies ergibt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnis einen Bruttoverdienst von insgesamt 9802,02 €. Geteilt durch 65 ergibt sich daraus ein Tagesbruttoverdienst von durchschnittlich 150,80 €. In Anwendung auf die abzugeltenden 30 Urlaubstage der Passivphase errechnet sich daraus ein Abgeltungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.524,00 € brutto.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht schon gem. § 24 MTV verfallen. Die tarifvertraglichen Regelungen sind nicht anwendbar. Der Kläger ist nicht tarifgebunden und auch ein wirksamer Verweis auf die betreffenden Bestimmungen ist nicht gegeben. Ziff. 7 ATZ-Vertrag ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die der Beklagte der Klägerin bei Vertragsschluss stellte. Sie ist damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die formulierte Bezugnahmeklausel ist gem. § 307 Abs. 1 BGB intransparent und damit unwirksam. Eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelwerks führt isoliert betrachtet nicht zur Intransparenz. Eine Klausel verstößt nicht schon dann gegen das Transparenzgebot, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird, da es ihm nicht möglich ist, die einschlägigen Bestimmungen einzusehen bzw. nachzuverfolgen. In der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt damit eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG, Urteil vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07, Rn. 96, BAGE 130, 119-145). Dazu ist es bei der Verweisung auf tarifliche Bestimmungen notwendig, dass diese so genau bezeichnet werden, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, diese einzusehen und damit ihre Folgen abzusehen. Dies ist hier nicht der Fall. Ziff. 7 geht im Gegenteil nur von „den Bestimmungen des Tarifvertrages“ aus, und lässt vollkommen offen, welche tarifliche Bestimmung gemeint ist. Auf dem Internetauftritt des Arbeitgeberverbandes der Versicherungswirtschaft finden sich allein neun verschiedene Tarifverträge. Ziff.7 ATZ-Vertrag enthält keine weitere Eingrenzung, welcher dieser neun Tarifverträge gemeint sein könnte, es fehlt zudem auch die Bezeichnung „Manteltarifvertrag“. Darüber hinaus ist das Datum des gemeinten Tarifvertrages nicht ersichtlich. Es fehlt damit jeglicher Anhaltspunkt, welcher Vertrag gemeint ist und es ist damit völlig unklar, auf welches Vertragswerk sich die Klausel bezieht.

Weiterhin ist der Anspruch auch nicht gem. § 5 ATzA verfallen. Das Altersteilzeitabkommen für die Versicherungswirtschaft ist durch Ziff. 7 ATZ-Vertrag wirksam einbezogen worden: „Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages, des beigefügten Altersteilzeitabkommens für die Versicherungswirtschaft (ATzA) vom 23.13.2005“. Dem steht nicht entgegen, dass die Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen und damit ein Teil der Klausel unwirksam ist. Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG, Urteil vom 11.04.2006, 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Bluepencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG, Urteil vom 06.05.2009, 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783). Nach Streichung des unwirksamen Teils: „des Tarifvertrages“ bleibt die weiterhin verständliche Bezugnahme auf das Altersteilzeitabkommen bestehen: „Es gelten die Bestimmungen des Altersteilzeitabkommens für die Versicherungswirtschaft (ATzA) vom 23.13.2005“. Das Abkommen enthält jedoch keine Regelungen zur Urlaubsabgeltung. Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs ist entgegen des Vorbringen der Beklagten nicht Teil des in § 2 Abs.1 ATzA geregelten Bruttoarbeitsentgeltes. Die von der beklagten Partei vorgebrachte faktische Einrechnung des Urlaubsentgeltes in das Arbeitsentgelt ist eine rein wirtschaftliche Überlegung bzw. Vorgehensweise. Rechtlich handelt es sich jedoch nach wie vor um die voneinander zu trennenden Ansprüche auf Urlaubsentgelt auf der einen Seite und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite. Auch § 2 Abs. 10 ATzA regelt lediglich die Höhe des Urlaubes. Dies beinhaltet jedoch nicht dessen Abgeltung. Auch hier greift die vorangegangene Überlegung. So handelt es sich bei dem Anspruch auf Urlaub und dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung um zwei unterschiedliche rechtliche Ansprüche. Folglich ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht durch das Altersteilzeitabkommen der Versicherungswirtschaft erfasst und damit nicht gem. § 5 ATzA verfallen.

II.

Die Zinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostentragungspflicht ergibt sich aus § 46 II ArbGG, § 92 I ZPO im Umfang des jeweiligen Unterliegens.

Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Höhe von 23.631,00 € festzusetzen.

 

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