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Fortsetzungserkrankung bedarf kein identisches Krankheitsbild

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 313/19 – Urteil vom 27.01.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.07.2019 – Az.: 7 Ca 268/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um die Erteilung eines Arbeitszeugnisses sowie darüber, ob dem Kläger gegenüber dem Beklagten noch Zahlungsansprüche zustehen.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 08.08.2017 bis zum 15.01.2019 als Bürokaufmann zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 2.100, — € beschäftigt. vom 30.07. bis 03.08.2018 war er arbeitsunfähig erkrankt, vom 14.08. bis 11.09.2018 in einer Rehabilitationsmaßnahme und vom 13.09. bis 03.10.2018 erneut arbeitsunfähig erkrankt, wobei er ab dem 25.09.2018 Krankengeld bezog. In der Folgezeit war der Kläger vom 17.10. bis 09.12.2018 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben; Krankengeld bezog er vom 28.11. bis 090.12.2018. Vom 17.12.2018 bis zum 31.01.2019 war er erneut arbeitsunfähig krankgeschrieben, ab dem 16.01.2019 erhielt er Krankengeld. Der Beklagte rechnete für Oktober 2018 vom 04. bis (irrtümlich) 31.10.2018 Vergütung in Höhe von 1.960,00 € brutto (entsprechend 1.091,45 € netto) ab sowie für den Zeitraum vom 10. bis 16.12.2018 weitere 490, — € brutto (entsprechend 388,69 € netto). Nachdem der Beklagte bemerkt hatte, dem Kläger für Oktober bis zum 31.10.2018 vergütet zu haben, obwohl er sich nach Auffassung des Beklagten ab dem 17.10.2018 in einer Fortsetzungserkrankung befand und daher nur bis zum 16.10.2018 Vergütung beanspruchen konnte, verrechnete er die geleistete Überzahlung in Höhe von 832,91 € netto mit der Dezembervergütung 2018, die er vor diesem Hintergrund vollständig einbehielt. Weitere Vergütung-, Entgeltfortzahlung erhielt der Kläger nicht.

Anfang Dezember 2018 schlossen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung, die unter anderem in Ziffer 4 folgenden Text enthält:

„Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung „gut“. Dem Arbeitnehmer bleibt vorbehalten, einen entsprechenden Vorschlag dem Arbeitgeber zu unterbreiten“.

Ein diesbezüglicher Vorschlag des Klägers erfolgte nicht. Der Beklagte erteilte ihm deshalb am 01.02.2019 ein Arbeitszeugnis mit Datum 15.01.2019, in dem es unter anderem heißt:

„In allen Bereichen arbeitete er selbstständig und gewissenhaft… Er führte die ihm übertragenen Aufgaben mit großer Sorgfalt und Sicherheit stets zu unserer vollen Zufriedenheit aus. Mit großem Engagement und Organisationsvermögen sicherte Herr A. zuverlässig auch unter größter Belastung einen reibungslosen Arbeitsablauf. Im Umgang mit unseren geschäftlichen und privaten Kunden bewies er eine hohe fachliche und sachliche Kompetenz. Herr A. war jederzeit bereit, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen und Mehrarbeit auch in anderen Arbeitsbereichen mit voll zufriedenstellenden Leistungen auszuführen. Der Umgang mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden war von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt und stets einwandfrei. Durch seine schnelle Auffassungsgabe, seine Kompetenz und die ihm innewohnende Durchsetzungsfähigkeit sowie seine kooperative und hilfsbereite Art trug er aktiv zum Teamgeist und zur Motivation der Mitarbeiter bei. Aufgrund seiner Aufgeschlossenheit und seinen tadellosen Umgangsformen war er bei allen Kollegen beliebt und geachtet, er war dabei immer in der Lage, seine interkulturelle Kompetenz zu nutzen. Mit seinen guten Leistungen waren wir jederzeit voll zufrieden“.

Der Kläger hat vorgetragen, mit Ausnahme der von der Krankenkasse anerkannten Krankengeldzahlungszeiträume habe ihm der Beklagte Entgeltfortzahlung in voller Höhe zu leisten, da keine Fortsetzungserkrankung vorliege. Dies folge aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Insbesondere die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 17.12.2018 sei von einem anderen Arzt als „Erstbescheinigung“ ausgestellt worden. Außerdem habe der Beklagte mit dem erteilten Zeugnis seine Verpflichtung aus Ziffer 4 der Aufhebungsvereinbarung nicht erfüllt, da es sich nicht um ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung „gut“ handele. Auch dass er das Zeugnis erst am 01.02.2019 erhalten habe, sei pure Schikane.

Der Kläger hat beantragt,

1. ihm ein wohlwollend formuliertes, ihn nicht in seinem Fortkommen behinderndes Zeugnis auf ihrem Geschäftspapier zu erteilen, das mindestens der Bewertung „gut“ entspricht;

2. an ihn 5.250,00 € brutto zuzüglich gesetzlicher Zinsen aus jeweils 2.100,00 € seit dem 01. Dezember 2018 sowie dem 01. Januar 2019 sowie aus 1.050,00 € seit dem 01. Februar 2019 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe nicht nur die ihm zustehende Vergütung erhalten, sondern sei für Oktober 2018 sogar überbezahlt worden. Die durchgehende Arbeitsunfähigkeit vom 17.10. bis zum 09.12.2018 beruhe auf einer Fortsetzungserkrankung. Ob seine Krankenkasse diese Auffassung teile, sei unerheblich. Bei der Erkrankung ab dem 17.12.2018 handele es sich ebenfalls um eine Folgeerkrankung, jedenfalls könne dies nicht ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Auseinandersetzung mit den Diagnosen (Lungenentzündung, allergische Reaktion, Strahlentherapie aufgrund Krebserkrankung) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 108 d.A.) Bezug genommen. Das erteilte Arbeitszeugnis sei nicht zu beanstanden.

Aufgrund der für Oktober 2018 erfolgten Überzahlung des Klägers hat der Beklagte zudem im Wege der Widerklage beantragt, den Kläger zu verurteilen, an ihn 832,91 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Kläger hat insoweit vorgetragen, nicht überzahlt worden zu sein, da ab dem 17.10.2018 keine Folgeerkrankung vorgelegen habe. Jedenfalls sei er gutgläubig entreichert.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat den Beklagten daraufhin durch Urteil vom 17.07.2019 – 7 Ca 268/19 – verurteilt, an den Kläger 490, — € brutto nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt, an den Beklagten 832,91 € netto nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 105 bis 116 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 01.08.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 26.08.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung mit gleichem Schriftsatz und ergänzend mit Schriftsatz vom 27.09.2019, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen am 30.09.2019, begründet.

Der Kläger trägt vor, die Berufung beschränke sich insoweit, als er mit seinem Antrag auf Zahlung teilweise unterlegen sei. Die ursprüngliche Klagesumme werde nach neuerlicher Berechnung des nicht gezahlten Lohns – Lohnfortzahlung nicht mehr beansprucht. Andererseits stehe ihm ein weiterer Betrag in Höhe von 4.060, — € brutto zu, weil der Beklagte für Oktober, November, Dezember 2018 und Januar 2019 noch Lohnfortzahlung für die Zeiträume 01. bis 27.11.2018, 10. bis 31.12.2018 und 01.01. bis 15.01.2019 schulde. Damit seien noch insgesamt 58 Tage zur Zahlung offen. Das Arbeitsgericht habe entgegen der medizinischen Expertise in eigener Vollkommenheit einen medizinischen Sachverhalt entschieden, ohne dazu fachlich berufen zu sein.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungs(-begründungs)schrift vom 20.08.2019 (Bl. 130, 131 d.A.) sowie seine Schriftsätze vom 27.09.2019 (Bl. 151 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 152 d.A.), vom 02.12.2019 (Bl. 171 d.A.) und vom 18.12.2019 (Bl. 173 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 174 bis 178 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollend formuliertes, den Kläger nicht in seinem Fortkommen behinderndes Zeugnis auf seinem Geschäftspapier zu erteilen, das mindestens der Bewertung „gut“ entspricht.

2. den Beklagten zu verurteilen, über das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen.

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von € 4.060,00 brutto zu zahlen und zwar zuzüglich gesetzlicher Verzinsung seit dem 15. Januar 2019.

4. die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.07.2019 – 7 Ca 268/19 – zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt, soweit er obsiegt hat, die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Anträge des Klägers im Berufungsverfahren seien unverständlich und gingen über die im erstinstanzlichen Rechtszug gestellten Anträge hinaus. Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sei erfüllt. Im Übrigen fehle insoweit jeglicher Sachvortrag des Klägers im Berufungsverfahren. Der Klageantrag zu 2. sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Rechtszuges gewesen und damit auch nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung. Hinsichtlich der Zahlungsansprüche habe das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung einen weitergehenden Anspruch des Klägers abgelehnt. Die Berufungsbegründung lasse jegliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen vermissen, so dass sie letztlich nicht erwiderungsfähig sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 28.11.2019 (Bl. 167 – 169 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 27.01.2020.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden; allerdings genügt die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Berufung bereits unzulässig ist.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar.

Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Jedoch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 23.11.2017 – 8 AZR 458/16; 26.04.2017- 10 AZR 275/16; 27.12.2016 – 2 AZR 613/14; 19.02.2013 – 9 AZR 543/11; 16.05.2012 – 4 AZR 245/10 -; 18.05.2011 – 4 AZR 552/09 -; BAG 15.03.2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11, m. w. N., AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 44; BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; LAG Rheinl.-Pfalz 25.09.2017 – 3 Sa 249/17, Beck RS 2017, 144194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Auflage 2019, Kap. 15, Rn. 720 ff.). Erforderlich ist die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger weshalb bekämpft (BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; 07.06.2018/I ZB 57/17, NJW 2018, 2894; 11.10.2016/XI ZB 32/15 NJW-RR 2017, 365).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründungsschrift des Klägers ersichtlich nicht. Denn die Berufungsbegründung besteht nicht einmal aus einer lediglich zusammenfassenden Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung findet nicht statt, außer dass deutlich wird, dass der Kläger mit dieser nicht einverstanden ist.

Folglich ist die Berufung bereits unzulässig.

II.

Unbeschadet dessen erweist sich die Berufung auch als unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, wie folgt begründet:

„1. Ein Arbeitszeugnis kann der Kläger nicht mehr verlangen. Sein diesbezüglicher Anspruch – auch aus der Aufhebungsvereinbarung – ist durch das vom Beklagten erteilte Zeugnis erfüllt. Dieses ist wohlwollend qualifiziert und weist durchgehend als Benotung jedenfalls die Notenstufe „gut“ aus, wie es die Parteien vereinbart haben. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht vorgebracht, sondern vielmehr im Gegenteil nach dem Gütetermin seinen Zeugnisantrag für erledigt erklärt. Wie sich im Kammertermin herausstellte, nahm er diesen Antrag offenbar wegen Bedenken der Agentur für Arbeit erneut auf. Hierzu hat er indes keinerlei Sachvortrag gehalten, sondern lediglich auf eine beigefügte „Mängelerörterung“ als Anlage zum Schriftsatz vom 29.03.2019 verwiesen. Ein solch pauschaler Verweis auf eine beigefügte Anlage genügt indes nicht, da sie keinen substantiierten Sachvortrag ersetzt.

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das erteilte Zeugnis nicht wohlwollend sein soll. Ebenso wenig weist es eine schlechtere Notenstufe als ein „gut“ aus. Der Beklagte bescheinigt dem Kläger sowohl im Leistungs- wie auch im Verhaltens- und Führungsbereich überdurchschnittliche Leistungen. So heißt es, der Kläger habe in allen Bereichen selbständig und gewissenhaft gearbeitet, seine Aufgaben mit großer Sorgfalt und Sicherheit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ ausgeübt, auch unter größter Belastung mit großem Engagement und Organisationsvermögen einen reibungslosen Arbeitsablauf gesichert, hohe fachliche und sachliche Kompetenz unter Beweis gestellt, jederzeit Bereitschaft zur Übernahme zusätzlicher Verantwortung auch in anderen Arbeitsbereichen – und zwar „mit voll zufriedenstellenden Leistungen“ – gezeigt, eine schnelle Auffassungsgabe, Kompetenz, eine kooperative, hilfsbereite Art und tadellose Umgangsformen besessen, aktiv zum Teamgeist und zur Motivation der Mitarbeiter beigetragen, er sei aufgeschlossen, bei allen Kollegen beliebt und geachtet und sein Umgang mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt gewesen. Der Beklagte war mit den „guten Leistungen“ des Klägers „jederzeit voll zufrieden“. Wie der Kläger bzw. sein Prozessvertreter vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich nicht um ein „gutes“ Zeugnis, erschloss sich der Kammer nicht.

Soweit sich der Klägervertreter im Kammertermin darauf berief, der Aufgabenbereich des Klägers sei nicht vollständig im Zeugnis wiedergegeben, hat er auch dies mit keinem Satz näher erläutert. Daher war sein Einwand nicht überprüfbar. Das Arbeitszeugnis weist nicht lediglich die Tätigkeit des Klägers als „Bürokaufmann“ aus, sondern stellt dar, der Kläger sei zur Angebotserstellung und -verfolgung bis zum Abschluss, der Rechnungslegung sowie der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen eingesetzt worden, habe Kunden beraten und betreut, Büffetbesprechungen und Veranstaltungsplanung durchgeführt und sei für die Warenbestellung, die Barkasse und die Auslieferung, Durchführung und Organisation von Caterings verantwortlich gewesen. Es handelt sich mithin nicht lediglich um eine abstrakte und rudimentäre Tätigkeitsbeschreibung, sondern um eine durchaus ausführliche Darstellung einzelner Tätigkeiten des Klägers. Wenn der Kläger hier Wesentliches vermisst, hätte er dies konkret benennen und begründen müssen. Insoweit fehlt es an jedweden Darlegungen.

2.Die geltend gemachten Zahlungsansprüche stehen dem Kläger teilweise zu.

a) Vergütung (nicht Entgeltfortzahlung) steht ihm für den hier eingeklagten Zeitraum (01.11.2018 bis 15.01.2019) unstreitig für die Zeit vom 10. – 16.12.2018 zu. Dies ergibt einen Betrag von (2.100: 30 x 7 =) 490,00 EUR brutto, die der Beklagte auch abgerechnet hat. Zu einer Verrechnung war er indes nicht befugt. Sein ursprünglicher Verweis darauf, dass vom Kläger bezogene Krankengeld übersteige die Pfändungsfreigrenze, verfängt nicht, da ausweislich der hier eingereichten Abrechnungen selbst der volle Nettomonatslohn des Klägers dessen Pfändungsfreigrenze unter Berücksichtigung zumindest einer Unterhaltspflicht nicht erreicht geschweige denn diese überschreitet und dies erst recht im Falle eines nur anteiligen Krankengeldes der Fall sein dürfte. Mithin steht dem Kläger der austenorierte Betrag von 490,00 EUR brutto nebst Zinsen zu.

b) Darüber hinaus gehende Entgeltfortzahlungsansprüche kann er indes nicht geltend machen. Er hat nicht hinreichend dargelegt, dass bzw. aus welchem Grunde es sich bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten ab dem 17.10.2018 nicht um Fortsetzungserkrankungen handelt. Insoweit trifft ihn als Anspruchsteller die Darlegungslast für Umstände, aus denen sich der Schluss ziehen lässt, dass eine Fortsetzungserkrankung nicht vorgelegen hat (BAG 13.07.2005 AP Nr. 25 zu § 3 EFZG). Daran fehlt es hier.

aa) Dies gilt zunächst für die Zeit vom 17.10. – 09.12.2018, in der der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Er selbst hat bereits keinerlei Sachvortrag zur Art seiner Erkrankung oder sonstigen Umständen gehalten, aus denen sich ableiten ließe, dass eine Fortsetzungserkrankung nicht vorgelegen hätte. Sein bloßer Verweis auf die Diagnoseschlüssel nach dem ICD-10 ersetzen keinen Sachvortrag. Es ist weder Sache der Gegenseite noch des Gerichts, seinen „verschlüsselten“ Vortrag durch eigene Nachforschungen zu enträtseln. Auch aus den eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergibt sich lediglich der von ihm schriftsätzlich wiedergegebene ICD-10-Code, aber keine konkrete Benennung geschweige denn nähere Erläuterung einzelner Krankheitsbilder. Da vom 17.10. – 09.12.2018 durchgehend die Diagnose F 43.2 ausgewiesen ist und vorher bis zum 03.10.2018 im Wege der „Folgebescheinigung“ die Diagnose F 43.8 ausgewiesen war, ergibt sich, dass sämtliche Zeiträume der F 43-Gruppe angehören und damit zunächst einmal ein Zusammenhang zwischen den Diagnosen angenommen werden kann. In diesem Rahmen gilt es zu berücksichtigen, dass es für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung iSv § 3 EFZG keines stets identischen Krankheitsbildes bedarf, sondern es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt, wenn die – ggf. auch verschiedenen – Krankheitssymptome auf demselben Grundleiden beruhen (BAG 13.07.2005 AP Nr. 25 zu § 3 EFZG; ErfK/Reinhard, 19. Aufl. 2019, § 3 EFZG Rn. 38; DLW/Dörner, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2019, Kap. 3 Rn. 1735 f.). Abgesehen davon, dass der Kläger ein solches Grundleiden nicht benannt hat, liegt ein Zusammenhang in diesem rechtlichen, weiteren Sinne nahe, da sämtliche Diagnosen der F 43-Gruppe angehören.

Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man tatsächlich im ICD-10 nachläse, denn dort wird das gesamte Unterkapitel F 43 als „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“ betitelt, wobei sich unter F 43.2 Anpassungsstörungen finden und unter F 43.8, sozusagen als Auffangtatbestand, „sonstige Reaktionen auf schwere Belastung“. Beide Diagnosen sind damit wohl nicht nur rechtlich, sondern auch medizinisch als zusammenhängend zu bewerten.

Daher scheidet ein Entgeltfortzahlungsanspruch für den hier eingeklagten Zeitraum vom 01.11. – 09.12.2018 aus.

bb) Entsprechendes gilt für den zweiten Arbeitsunfähigkeitszeitraum ab dem 17.12.2018. Auch insoweit hat der Kläger kaum substantiierten Sachvortrag gehalten, sondern lediglich unter Verweis auf die AU-Bescheinigung und die dortige Diagnose J 15.9 G behauptet, er habe eine Lungenentzündung gehabt. Dies würde an sich zwar genügen, um nicht von einer Fortsetzungserkrankung zur Diagnose F 43 auszugehen. Indes hat der Beklagte unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Kläger ab 29.10.2018 durchgehend auch mit der Diagnose F 45.9 krankgeschrieben gewesen sei (somatoforme Störungen), in deren Rahmen insbesondere auch Atemhemmung und Luftnot als körperliche, aber nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückzuführende Beschwerden aufträten und dies keineswegs stets auf eine bakterielle Infektion zurückzuführen sei, sondern auch infolge einer Strahlentherapie aufgrund Krebserkrankung auftreten könne und der Kläger genau eine solche Vorerkrankung gehabt habe. Ein solcher Zusammenhang mag dabei nicht die Regel darstellen. Jedoch obliegt es dem Kläger als Anspruchsteller, das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs hinreichend auszuschließen, insbesondere, da er dem Vortrag des Beklagten, er habe eine Krebserkrankung gehabt und wegen dieser auch auf der Arbeit gefehlt, nicht widersprochen hat. Wenn der Kläger sich stattdessen auf die bloße Behauptung beschränkt, es habe sich um eine bakteriell induzierte Lungenentzündung gehandelt, genügt dies nicht. Insoweit ist er auch beweisfällig geblieben. Sein Beweisantritt bezieht sich lediglich darauf, dass er die in den AU-Bescheinigungen (verschlüsselt) aufgeführten Krankheiten auch gehabt habe. Dies hat der Beklagte indes nicht bestritten, sondern lediglich den Unterfall gerade der bakteriellen Lungenentzündung in Zweifel gezogen. Diese Zweifel sind in Anbetracht der Vorerkrankung des Klägers und der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit auch keineswegs so unwahrscheinlich, dass der Kläger sich hierzu nicht mehr substantiierter hätte äußern oder keinen Beweis gerade für die Frage dieses Zusammenhangs hätte antreten müssen. Da es hieran fehlt, hat er letztlich seiner Darlegungslast nicht genügt. Daher kann er auch für den Zeitraum vom 17.12.2018 bis 15.01.2019 keine Entgeltfortzahlungsansprüche geltend machen. Dem steht der Umstand der „Erstbescheinigung“ nicht entgegen, da dies ebenso gut die „erste“ Attestierung des betreffenden Arztes und/oder den Umstand bezeichnen kann, dass der Kläger bis zum 16.12. arbeitsfähig und ihm daher ab dem 17.12. eine „erstmalige“ – also beginnende/eingetretene – Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen war.

II.

Der Widerklage war stattzugeben.

1. Da beim Kläger ab dem 17.10.2018 eine Folgeerkrankung vorlag, schuldete der Beklagte vom 17. – 31.10.2018 keine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG. Da er gleichwohl bis zum 31.10. Entgeltfortzahlung/Vergütung abrechnete und den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger auszahlte, war dieser überzahlt. Die Höhe der Überzahlung (832,91 EUR netto) hat die Beklagte durch die Nachberechnung für Oktober 2018 belegt, sie wurde vom Kläger auch nicht bestritten.

2. Soweit der Kläger erstmals im Kammertermin knapp und pauschal mit einem Satz erklärte, er sei jedenfalls gutgläubig entreichert, so genügt dies nicht.

An einer Entreicherung fehlt es, wenn die vom Bereicherungsschuldner erworbenen Vermögensvorteile in seinem Vermögen noch vorhanden sind, etwa, weil er anderweitige Aufwendungen (die er auch sonst getätigt hätte) erspart oder eigene Schulden getilgt hat (BGH 17.06.1992 NJW 1992, 2415, 2416; 27.10.1999 NJW 2000, 740 f.; 17.01.2003 NJW 2003, 3271, 3271 f.; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 818 Rn. 40, 45). So liegt es hier. Selbst wenn man die im Kammertermin geäußerte Behauptung des Klägers, er habe von dem Geld leben müssen und es daher verbraucht, als hinreichende Darlegung (vgl. BGH 17.01.2003 NJW 2003, 3271; DLW/Dörner, Kap. 3 Rn. 1174) genügen lassen wollte, wäre eine Entreicherung nicht gegeben. Vielmehr hätte der Kläger dann anderweitige Aufwendungen in Gestalt der Finanzierung seines Lebensunterhaltes, die er auch sonst getätigt hätte (da er ja auch sonst hätte leben müssen) erspart, so dass der Vermögensvorteil weiterhin in seinem Vermögen verblieben wäre. Daher kann er sich nicht auf Entreicherung berufen. Unabhängig hiervon war die erstmals im Kammertermin, über viereinhalb Monate nach Erhebung der Widerklage geäußerte bloße Behauptung, er sei entreichert, ohnehin verspätet (§§ 56 Abs. 2 ArbGG, 132, 282 ZPO), was der Beklagte zu Recht gerügt hat.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich, wenn auch aus der Sicht des Klägers durchaus verständlich, deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung durch das Arbeitsgericht, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Im Schriftsatz vom 30.08.2019 fehlen Ausführungen zu den Berufungsanträgen 1) und 2) vollständig. Ebenso zum Antrag 4). Hinsichtlich des Antrags 3) wird lediglich der Zeitraum benannt, für den noch Entgeltfortzahlung verlangt wird. Tatsächliches Vorbringen zu diesem Begehren wird nicht vorgetragen. Im Schriftsatz vom 27.09.2019 wird moniert, dass das Arbeitsgericht entgegen der medizinischen Expertise, die der Kläger auf eine ärztliche Bescheidung vom 24.09.2019 stützt, die dem Arbeitsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gar nicht vorgelegen hat, entschieden hat, ohne dazu fachlich berufen zu sein. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der ausführlich begründeten angefochtenen Entscheidung findet nicht statt. Zudem erschließt sich nicht, woraus sich im Hinblick auf die vorgelegte ärztliche Bescheinigung ergeben soll, dass es sich bei den Erkrankungen des Klägers (welche, welche Zeiträume?) um verschiedene Erkrankungen gehandelt haben soll. Tatsächliches substantiiertes Vorbringen des Klägers, das auch nur einem substantiierten Bestreiten des Beklagten zugänglich wäre, fehlt folglich vollständig. Im Schriftsatz vom 02.12.2019 – nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – wird ohne näheres tatsächliches Vorbringen erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, wonach es sich bei der vorgetragenen Neuerkrankung (welche?) nicht um eine Folgeerkrankung (für welche Zeiträume) im Sinne des EFZG handele. Schließlich wird, ohne dass ein nachvollziehbarer Zusammenhang zum vorliegenden Berufungsverfahren erkennbar dargetan wäre, behauptet, dass der Beklagten nach Auskunft des Krankenversicherers des Klägers die Sozialabgaben für den Kläger nicht einmal im ausgeurteilten Zeitraum entrichtet habe. Mangels inhaltlicher Auseinandersetzung mit der ausführlich begründeten arbeitsgerichtlichen Entscheidung einerseits und neuem substantiierten tatsächlichen Vorbringen andererseits sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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