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Fristlose Kündigung bei Spesenbetrug – Abmahnungserfordernis

Skandal bei Landmaschinenhersteller: Spesenbetrug kostet Job

Das Urteil behandelt die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen, die aufgrund von angeblichem Spesenbetrug und der Weitergabe sensibler Lieferantendaten ausgesprochen wurden. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen zwar grundsätzlich zulässig waren, jedoch bestimmte Fristen und Bedingungen nicht eingehalten wurden. Insbesondere wird betont, dass der Arbeitnehmer durch die Weitergabe von Lieferantendaten und falsche Spesenabrechnungen die ihm gegenüber der Arbeitgeberin obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme erheblich verletzt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Sa 233/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Streitpunkt: Der Fall dreht sich um die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen Kündigungen, die hilfsweise als ordentliche Kündigungen ausgesprochen wurden.
  2. Kündigungsgrund: Angeblicher Spesenbetrug und Weitergabe von Lieferantendaten durch den Kläger.
  3. Arbeitsverhältnis: Die Kündigungen betreffen ein langjähriges Arbeitsverhältnis in einem Unternehmen der Fahrzeug- und Landmaschinenbau-Branche.
  4. Vertragspflichtverletzung: Der Kläger hat nach Ansicht des Gerichts durch die Vorfälle seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt.
  5. Abmahnungserfordernis: Die Notwendigkeit einer Abmahnung vor der Kündigung wurde geprüft, wobei das Gericht zu dem Schluss kam, dass eine Abmahnung in manchen Fällen ein geeignetes Mittel gewesen wäre.
  6. Fristeinhaltung: Es wird festgestellt, dass die Fristen für die außerordentliche Kündigung nicht eingehalten wurden.
  7. Beweisführung: Die Entscheidung basiert auf der Bewertung der Beweise und Zeugenaussagen im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Kläger.
  8. Urteilsfolgen: Die Kündigungen wurden letztlich als nicht rechtmäßig angesehen, da bestimmte Verfahrensweisen nicht eingehalten wurden.

Der Spannungsbogen im Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung und Spesenbetrug

Die fristlose Kündigung stellt eines der schärfsten Instrumente im Arbeitsrecht dar und wird oft bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen eingesetzt. Ein besonders brisantes Feld, in dem sich diese drastische Maßnahme manifestiert, ist der Spesenbetrug. Dieser Tatbestand, der eine erhebliche Vertrauensverletzung darstellt, kann die sofortige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. Doch nicht jeder Fall ist eindeutig, und so rückt das Abmahnungserfordernis in den Fokus juristischer Betrachtungen. Die Frage, ob eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung erforderlich ist, hängt von vielen Faktoren ab, darunter der Schwere der Pflichtverletzung und dem Grad des Vertrauensverlustes. Im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers spielen die sorgfältige Prüfung und Bewertung von Reisekostenabrechnungen eine zentrale Rolle, da sie oft den Auslöser für Ermittlungen und letztendlich die Kündigung darstellen.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie ein konkretes Gerichtsurteil diese komplexen juristischen Fragen im Detail beantwortet und welche Schlussfolgerungen für die Praxis des Arbeitsrechts daraus gezogen werden können.

Der Ursprung des Konflikts: Spesenbetrug im Fokus

Ein langwieriger Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt. Im Kern des Disputs stand die Entlassung eines Vertriebsmitarbeiters durch sein Unternehmen wegen des Verdachts auf Spesenbetrug. Der Betroffene, seit 2010 im Unternehmen tätig, war zuvor als Außendienstleiter beschäftigt und bezog neben seinem Gehalt zusätzliche Prämien. Die Verdächtigungen resultierten aus mehreren Reisekostenabrechnungen, die nach Ansicht des Arbeitgebers ungerechtfertigte oder überhöhte Erstattungen beinhalteten.

Die rechtliche Dimension: Untersuchung der Kündigungsgründe

Die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers zog eine juristische Auseinandersetzung nach sich. Der Arbeitgeber vermutete, dass mehrere Reisekostenabrechnungen des Mitarbeiters betrügerisch waren. Besonders kontrovers war die Frage, ob die angeblichen Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen ein ausreichender Grund für eine fristlose Entlassung darstellten. Dies führte zur Prüfung, inwieweit solche Vergehen das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer irreparabel beschädigen können.

Detailanalyse der Vorwürfe: Spesenabrechnungen im Fokus

Die spezifischen Anschuldigungen betrafen mehrere Reisekostenabrechnungen über einen längeren Zeitraum. Der Arbeitgeber stellte die Authentizität der Dokumente in Frage und behauptete, der Arbeitnehmer habe vorgegeben, geschäftliche Termine wahrgenommen zu haben, die in Wirklichkeit nicht stattfanden. Besonders erwähnenswert sind Abrechnungen für Fachausschusssitzungen und Kundenbesuche, bei denen der Mitarbeiter angeblich unberechtigte Spesen geltend machte.

Das Urteil: Bewertung der Kündigung durch das Gericht

Das Gericht stellte fest, dass die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers unrechtmäßig war. Es wurde argumentiert, dass die vorgebrachten Gründe nicht ausreichend waren, um eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Das Gericht erkannte auf eine mangelnde Beweisführung seitens des Arbeitgebers und bemängelte das Fehlen einer vorherigen Abmahnung, die in solchen Fällen oft als notwendiger Schritt gesehen wird.

Weiterführende Aspekte und Implikationen des Urteils

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hat weitreichende Bedeutung für die Arbeitsrechtspraxis, insbesondere im Hinblick auf das Abmahnungserfordernis bei Verstößen gegen Verhaltensregeln im Arbeitsverhältnis. Es stellt einen wichtigen Orientierungspunkt für ähnlich gelagerte Fälle dar und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung und Dokumentation von Verfehlungen, bevor drastische Maßnahmen wie eine fristlose Kündigung ergriffen werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was qualifiziert einen Spesenbetrug als fristlosen Kündigungsgrund?

Erklärung Text…


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 233/21 – Urteil vom 10.01.2023

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 24.08.2021 teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.02.2021 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2021 einen Betrag in Höhe von 2.708,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt 90 %, die Beklagte trägt 10 % der Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigungen, welche hilfsweise als ordentliche Kündigungen ausgesprochen sind, sowie um diverse Zahlungsansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand die Entwicklung, die Produktion und der Vertrieb von Fahrzeug- und Landmaschinenbauteilen, Befestigungselementen und Werkzeugen ist. Sie beschäftigt ca. 149 Mitarbeiter.

Der im Januar 1976 geborene Kläger war bei der Beklagten gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage B 5, Bl. 90 ff d.A.) ab dem 09.08.2010 als Vertriebsmitarbeiter im Innen- und Außendienst zuletzt zu einem Grundgehalt in Höhe von 6.500,00 € brutto beschäftigt. Ihm war ein Dienstwagen der Marke Ford Mondeo zur Verfügung gestellt. Dem Arbeitsverhältnis lagen zudem die Betriebs- und Geschäftsregeln (Anlage B 3, Bl. 55 ff d.A.) zu Grunde.

Mit dem ersten Quartal des Jahres 2019 zahlte die Beklagte an den Kläger bei Erreichung des zuvor festgelegten Quartalziels eine Prämie in Höhe von 1.800,00 € brutto. Weitere Zahlungen erfolgten nach Festlegung der Ziele bis einschließlich des dritten Quartals 2020. Die Quartalsziele für das vierte Quartal 2020 und das erste Quartal 2021 wurden nicht erreicht. Eine Zahlung einer Prämie an den Kläger erfolgte für diese Quartale nicht.

Zu Beginn des Monats März 2019 wurde dem Kläger die Position des Leiters des Außendienstes durch die Beklagte übertragen. Ab dem Monat März 2019 erhielt der Kläger eine Prämie in Höhe von 1.000,00 € brutto monatlich. Im November 2020 entzog die Beklagte dem Kläger die Position des Leiters des Außendienstes und zahlte ab Dezember 2020 die monatliche Leistung von 1.000,00 € brutto nicht mehr aus.

Am 12.11.2019 leitete der Kläger ein Angebot eines potenziellen Lieferanten an einen Bestandskunden der Beklagten weiter (Anlage 4, Bl. 88 f d.A.).

Der Kläger und sein Kollege S. R. waren Mitglieder eines Fachausschusses des K.-L.-kreises e.V. (KLSK), dessen Vorsitz von Herrn J. B. eingenommen wird. In einer u.a. an den Vorsitzenden des Fachausschusses gerichteten E-Mail des Klägers vom 11.06.2019 sagte der Kläger eine Teilnahme an einer Fachausschusssitzung ab. In einer E-Mail des Herrn B. vom 16.06.2019 mit dem Betreff „FA-Sitzung „Gurte“ am 24.06.2019“ u.a. an Herrn R. geleitet, weist Herr B. u.a. darauf hin, dass der Wunsch bestehe, in der Sitzung am 24.06. gravierende Untersuchungsergebnisse aufzulisten. Er bat deshalb um Zurverfügungstellung der am 07.02. gefertigten Protokolle. Auf diese E-Mail sandte Herr R. eine E-Mail zur Weiterleitung an den Kläger, die sich auf am 07.02.2019 erstellte Prüftabellen bezieht und mit der nochmals das Bedauern darüber ausgedrückt wird, dass eine Teilnahme an der Sitzung nicht möglich ist (Bl. 706 d.A.). Der Kläger leitete diese Email weiter.

In seiner für den Zeitraum 24.06.2019 – 30.06.2019 erstellten Reisekostenabrechnung gab der Kläger für den 26. Juni, Reisestart 06:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, den Reisezweck „Fachtagung Fachausschuss vom KLSK in H-Stadt“ an, fügte einen Beleg Bewirtung Cafe XXX XXX, H-Stadt, Beleg-Nr. 4251 über 70,00 € bei. Für den 27.06.2019 notierte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 20:00 Uhr, Reisezweck „Fachtagung Fachausschuss vom KLSK in H-Stadt“, mit einer Übernachtungspauschale von 20,00 € sowie für jeden Tag eine Verpflegungspauschale von 12,00 €. Nach dem Vermerk der Buchhaltung erhielt er den Betrag in Höhe von 114,00 € per Überweisung am 23.01.2020 ausbezahlt.

Die Fima J. F-bau GmbH vertreibt Schienen der Beklagten an Kunden, u.a. hat sie solche an ihren Kunden N + S B-center B. S. weiterverkauft.

In seiner Reisekostenabrechnung für den Zeitraum 20.01.2020 – 26.01.2020 gab der Kläger unter dem Datum 20.01. Reisestart 10:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „Anfahrt Fa. J. in K-Stadt/Reparatur“, eine Verpflegungspauschale in Höhe von 14,00 €, eine Übernachtungspauschale in Höhe von 20,00 € an. Für den 21.01. führte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „bei Fa. J. in K-Stadt Kundenreparatur Stäbchen – Zurrschiene“, Verpflegungspauschale 28,00 €, Übernachtungspauschale 20,00 € an. Dem Kläger wurden unter dem 11.02.2020 für diese Reise 85,00 € überwiesen.

In seiner Reisekostenabrechnung für den Zeitraum 29.06.2020 – 05.07.2020 füllte der Kläger für den 01.07. Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „W-Stadt Prüflabor und Weiterfahrt nach S-Stadt für Reparaturfahrzeug von Fa. J.“, eine Verpflegungspauschale von 28,00 € sowie eine Übernachtungspauschale von 20,00 € aus. Für den 02.07. beschrieb er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „S-Stadt, Reparatur Stäbchen – Zurrschiene, Verpflegungspauschale 28,00 €, sonstige Ausgaben 55,00 €, Bewirtung 1200172324. Für den 03.07. hielt er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 16:00 Uhr, Heimfahrt, Verpflegungspauschale 14,00 €, Übernachtungspauschale 20,00 € fest. Der beigefügte Bewirtungsbeleg bezieht sich auf eine Rechnung des Cafe XXX XXX vom 02.07.2020 über den Betrag von 47,20 € (Bl. 725 d.A.). Auf dem Bewirtungsformular (Anlage B16, Bl. 227 d.A.) der Beklagten wies der Kläger als bewirtete Person sich sowie „Fa. J. Herrn B.“ aus sowie als Anlass der Bewirtung „H-Stadt, Reparatur Stäbchen – Zurrschiene vom Kunden Fa. J. Fahrzeugbau Projekt 221013808-22 vor Ort mit Herr B.“ (Bl. 726 d.A.). Dem Kläger wurden nach Einreichung der Reisekostenabrechnung am 09.07.2020 per Überweisung vom 20.07.2020 wegen dieser Reise 165,00 € erstattet.

In seiner für den Zeitraum 19.10.2020 – 25.10.2020 erstellten Reisekostenabrechnung hielt der Kläger für den 21.10. Reisestart 11:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „Anreise KLSK Ausschusssitzung F-Stadt“, eine Verpflegungspauschale von 14,00 €, sonstige Ausgaben von 20,00 € fest. Für den 22.10.zeigte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „Ausschusssitzung KLSK in F-Stadt“, Verpflegungspauschale 28,00 €, sonstige Ausgaben 20,00 € an. Für den 23.10. führte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 15:00 Uhr, Reisezweck „Rückreise Homeoffice“, Verpflegungspauschale 14,00 € auf. Der Kläger erhielt insgesamt einen Betrag in Höhe von 96,00 € nach Einreichung der Reisekostenabrechnung unter dem 27.10.2020 durch Überweisung am 28.10.2020 ersetzt.

In seiner für den Zeitraum 23.11.2020 – 29.11.2020 erstellten Reisekostenabrechnung zeigte der Kläger für den 23.11.2020 Reisestart 07:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „Besuch P. Logistik (Kunde von Orten) in G-Stadt – Überprüfung und Instandsetzung von GSP-Systemen, eine Verpflegungspauschale in Höhe von 14,00 € an. Für den 23.11.2020 nannte er den Reisezweck Hotel „Z. K.“ mit Übernachtung 66,60 €, sonstige Ausgaben 2,40 €, Beleg Rechnung 33175. Für den 24.11. führte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 24:00 Uhr, Reisezweck „Besuch P. Logistik (Kunde von Orten) in G-Stadt, Überprüfung und Instandsetzung von GSP-Systemen“, eine Verpflegungspauschale in Höhe von 22,40 € an. Für den 25.11.nannte er Reisestart 00:00 Uhr, Reiseende 01:00 Uhr, Reisezweck „Rückreise Homeoffice“. Nach der Abrechnung der Fa. S. tankte der Kläger am 24.11.2020 um 11:58 Uhr an einer Tankstelle in S-Stadt an der B 247 Richtung E-Stadt. Dies ist etwa 100 km von G-Stadt entfernt. Nach dem Einzelverbindungsnachweis für das klägerische Diensttelefon kontaktierte der Kläger am 24.11.2020 um 17:03 Uhr einen Pizza Service in S-Stadt.

Für den Kläger wurde wegen Überlassung eines Firmen-PKW (Ford Kuga 2.0 TDCi Trend) für private Fahrten ab Dezember 2020 ein geldwerter Vorteil von monatlich 346,10 € errechnet (Anlage B20, Bl. 394 d.A.).

Vor den Weihnachtstagen des Jahres 2020 wies der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten darauf hin, dass die Situation zwischen ihm und Frau J. S., Personalleitern bei der Beklagten, angespannt sei und er ein klärendes Gespräch wünsche. Aufgrund der Betriebsferien und Urlaubszeiten fand das gewünschte Gespräch am 13.01.2021 unter Beteiligung des Klägers, des Geschäftsführers der Beklagten, der Frau J. S. sowie des Herrn R. S., Vertriebsleiter bei der Beklagten, statt. Unstreitig ist der Kläger während dieses Gespräches mit Unstimmigkeiten in seiner Reisekostenabrechnung bezüglich des Zeitraumes 23.11.2020 – 29.11.2020, eines Tankvorgangs, des Anrufs bei einem Pizza Service hingewiesen worden. Ob dem Kläger während dieses Gespräches weitere Vorhaltungen gemacht wurden, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 20.01.2021 sprach die Beklagte wegen der Auffälligkeiten bei der Spesenabrechnung vom 23.11.2020 bis 25.11.2020 eine ordentliche Kündigung zum 30.06.2021 aus und legte dem Kläger unstreitig eine Abwicklungsvereinbarung unterzeichnet durch Frau J. S. mit Datum 20.01.2021 vor (Anlage K 1, Bl. 4 ff d.A.). Wegen des Inhalts dieser Abwicklungsvereinbarung wird ausdrücklich auf den Akteninhalt Bezug genommen.

In einem am 21.01.2021 zwischen Frau J. S. und dem Kläger geführten Telefonat wurden inhaltliche Änderungen dieser Abwicklungsvereinbarung besprochen.

Am 22./23.01.2021 fand bei dem damaligen Kollegen des Klägers, Herrn S. R., eine umfassende IT-Durchsuchung statt. Am späten Nachmittag des 26.01.2021 ging bei der Beklagten die vom Kläger mit Datum 21.01.2021 unterzeichnete Abwicklungsvereinbarung, welche bereits unter dem 20.01.2021 durch Frau J. S. unterzeichnet war, ein. Die Beklagte erstellte eine neue Fassung einer Abwicklungsvereinbarung mit Datum 27.01.2021 (Anlage B 1, Bl. 46 ff d.A.), welche durch den Kläger nicht unterzeichnet ist.

Der Kläger gab der Beklagten das ihm überlassene Notebook am 20.01.2021 zurück, das iPad, das Mobiltelefon, den Drucker, das Festnetztelefon, den Bildschirm sowie den Zugangschip, welche dem Kläger ebenfalls durch die Beklagte überlassen waren, am 26.01.2021, indem er diese Gegenstände durch Herrn S. R. an die Beklagte übergeben ließ.

Die Beklagte erhielt Kenntnis von der E-Mail des Klägers vom 12.09.2019 an einen potenziellen Lieferanten, in welcher er Preise eines anderen potenziellen Lieferanten weitergeleitet und darauf hingewiesen hatte, dass sein Vorgesetzter T. E., Einkaufsleiter, keine Kenntnis von der Weiterleitung dieser Email habe und er daher um Vertraulichkeit bitte.

Mit Schreiben vom 03.02.2021 (Anlage K 2, Bl. 6 d.A.), dem Kläger am 05.02.2021 zugegangen, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen eines unberechtigten Anschlusses privater Hardware an den ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassenen PC sowie eine unberechtigte Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gekündigt. Am gleichen Tag hat die Beklagte gegenüber dem Kläger per E-Mail die Anfechtung der Abwicklungsvereinbarung vom 27.01.2021 erklärt. Mit dem Zugang der Kündigung vom 03.02.2021 erkundigte sich der Kläger über die Rückgabe des Dienstwagens. Die Rückgabe des Dienstwagens erfolgte unter dem 12.02.2021.

Nach den von der Beklagten zur Akte gereichten E-Mails antwortete der Mitarbeiter M. auf die an ihn seitens Frau J. S. am 04.02.2021 gerichtete Bitte (Anlage B 6, Bl. 93 d.A.), ihr Zugriff auf das E-Mail-Konto des Klägers zu geben, fünf Minuten später per E-Mail (Anlage B 6, Bl. 93 d.A.), dass das Konto wieder aktiviert sei, teilte ein Kennwort mit sowie auf welche Weise der Login zu geschehen habe.

Mit Schreiben vom 16.02.2021 (Anlage K 3, Bl. 97 d.A.), dem Kläger am 17.02.2021 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen des Vorliegens diverser Reisekosten- und Spesenbetrugsvorfällen.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien für den Monat Februar 2021 bis zum 05.02.2021 mit einem Betrag in Höhe von 1.516,81 € brutto abgerechnet.

Am 08.02.2021 ist beim Arbeitsgericht die Klage eingegangenen, mit der sich der Kläger gegen die Kündigung vom 03.02.2021 gewandt sowie die Feststellung begehrt hat, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen bis zum 30.06.2021 fortbesteht, für den Fall des Obsiegens die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung bis zum 30.06.2021 beantragt hat.

Mit am 19.02.2021 beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung vom selben Tage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 16.02.2021 gewandt und die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen bis zum 30.06.2021 begehrt. Mit weiterer Klageerweiterung vom 25.05.2021 hat der Kläger zudem verschiedene Zahlungsansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht.

Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 14.03.2021 (Anlage B 10, Bl. 210 d.A.) das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2021, hilfsweise zum 30.04.2021 und bat darum, das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung seines Abfindungsanspruchs ordnungsgemäß zum 31.03.2021 abzuwickeln und die sich ergebenden Nettobeträge auszuzahlen.

Per E-Mail wandte sich die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K. K., an e@klsk.de, Herrn S., und erkundige sich, ob am 26./27.06.2019 eine außerplanmäßige Ausschusssitzung stattgefunden hat. Herr S. antwortete mit E-Mail vom 16.04.2021, dass Herr G. und Herr R. wechselnde Mitglieder in dem Fachausschuss des Herrn B. seien. Dieser ihm mitgeteilt habe, dass am 26./27.06 2019 keine Sitzung des Fachausschusses stattgefunden hat.

Auf die an die Geschäftsstelle des KLSK gerichtete E-Mail der J. S. vom 16.02.2021 mit der Frage, ob im letzten Jahr ein Ausschuss stattgefunden habe, antwortete Frau E. mit E-Mail vom 19.05.2021 dass, soweit sie es nachvollziehen könne, im vergangenen Jahr kein Ausschuss getagt habe, an dem Herr G. beteiligt gewesen sei.

Die Beklagte erhielt auf Nachfrage ihres Geschäftsführers bei Herrn B. Kenntnis darüber, dass der Kläger Herrn B. nicht zu einem Geschäftsessen eingeladen hat.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die ausgesprochenen Kündigungen seien sämtlichst mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes bzw. sozialer Rechtfertigung unwirksam. Bei der Weitergabe von Preisen und Bestandskunden handele es sich um eine bei der Beklagten übliche Geschäftspraxis zur Erzielung eines bestmöglichen Preises. Ob er eine private Festplatte angeschlossen habe, wisse er nicht, schließe dies jedoch nicht aus. Jedenfalls sei ein derartiger Anschluss einer privaten Festplatte nicht geeignet, eine Kündigung begründen zu können. Einen Spesenbetrug habe er niemals begangen. Die Abwicklungsvereinbarung vom 20./.21.01.2021 sei wirksam zu Stande gekommen, indem er die bereits die Unterschriftsleistung von Frau J. S. vom 20.01.2021 enthaltene Vereinbarung unter dem 21.01.2021 unterzeichnet und Herr R. das Original am 26.01.2021 per Bote bei Frau J. S. abgegeben habe. Nachverhandlungen seien zwar durchgeführt, jedoch nicht abgeschlossen worden. Gemäß § 3 des zwischen den Parteien rechtswirksamen geschlossenen Abwicklungsvertrages vom 20./21.01.2021 verfüge er über einen Abfindungsanspruch in Höhe von 17.300,00 € brutto. Infolge vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2021 erhöhe sich die Abfindung um die Gehälter für die Monate April, Mai und Juni 2021 einschließlich des Quartalsbonus, mithin um 24.300,00 €. Die Gesamtabfindung betrage damit 41.600,00 € brutto.

Da das Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Eigenkündigung zum 31.03.2021 beendet worden sei, habe die Beklagte die ihm monatlich zustehende Vergütung nebst monatlicher Prämie von 1.000,00 € sowie eine Quartalsprämie von 1.800,00 € bis zu diesem Zeitpunkt zu leisten. Ihm stehe auch seit Dezember 2020 eine monatliche Prämie in Höhe von 1.000,00 € brutto zu. Diese seit März 2019 monatlich fortlaufend bis November 2020 gezahlte Summe sei Vergütungsbestandteil geworden und es liege insoweit der Tatbestand der betrieblichen Übung vor. Aufgrund betrieblicher Übung habe er ebenfalls Anspruch auf Zahlung einer Quartalsprämie in Höhe von 1.800,00 € brutto für das IV. Quartal 2020 und das I. Quartal 2021. Da er seinen Dienst-PKW aufgrund der Weisung der Beklagten vorzeitig am 12.12.2021 habe abgeben müssen, verfüge er über einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 13.02. – 31.03.2021, mithin für 46 Tage. Als Nutzungsentschädigung müsse der Betrag in Höhe von 531,44 € brutto geleistet werden (346,09 € für März + 185,35 € für Februar).

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.02.2021 nicht aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 03.02.2021 nicht aufgelöst wird.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.02.2021 nicht aufgelöst wird.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 16.02.2021 nicht aufgelöst wird.

5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern bis zum 31.03.2021 fortbestanden hat.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2021 5.983,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2021 7.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.000,00 Euro seit dem 01.01.2021 und auf weitere 1.000,00 Euro seit dem 01.02.2021 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.800,00 Euro seit dem 01.01.2021 und auf weitere 1.800,00 Euro seit dem 01.04.2021 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Nutzungsentschädigung in Höhe von 531,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 41.600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund ihrer Kündigung vom 03.02.2021 außerordentlich beendet worden, hilfsweise durch die Kündigung vom 16.02.2021. Eine Abwicklungsvereinbarung sei nicht wirksam zu Stande gekommen bzw. infolge Anfechtung nichtig bzw. infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinfällig. Ein Abfindungsanspruch stehe dem Kläger daher ebenso wenig zu, wie die übrigen im Klagewege erhobenen Zahlungsansprüche.

Die Beklagte hat vorgetragen, in der ersten Januarwoche des Jahres 2021 habe der zuständige Mitarbeiter der Getränke P. GmbH, Herr S. K., ihrem Mitarbeiter R. S. mitgeteilt, dass eine Reklamation zwar von Mitarbeitern bearbeitet, jedoch nicht zu Ende gebracht worden sei. Der Kläger und Herr R. seien lediglich am 23.11.2020 ganztägig vor Ort bei der Firma gewesen, der Kläger sei dort am 24.11.2020 nicht aufgetaucht. Sie habe daraufhin die vom Kläger für den Zeitraum 23.11.2020 – 29.11.2020 gefertigte Reisekostenabrechnung überprüft und mit der Tankabrechnung der Fa. S. sowie den für das Diensthandy vorhandenen Telefonabrechnungen abgeglichen und dabei die Unstimmigkeit festgestellt, dass der Kläger sich am 24.11.2020 nicht zur Bearbeitung der Reklamation bei dem Kunden in G-Stadt aufgehalten haben könne. Diese Schlussfolgerung ergebe sich aufgrund des Tankvorganges am 24.11.2020 an einer Tankstelle an der Autobahn A 4 kurz nach E-Stadt sowie der telefonischen Kontaktaufnahme am 24.11.2020 um 17:03 Uhr mit einem Pizzalieferdienst in S-Stadt. In dem Gespräch am 13.01.2021 sei der Kläger u.a. um Aufklärung dieser Unstimmigkeiten gebeten worden. Weil der Kläger nichts habe sagen können, sei er aufgefordert worden, den Vorgang aufzuklären und sich zu äußern. Da eine Aufklärung des Vorgangs durch den Kläger nicht erfolgt sei, habe sie wegen des Verdachts des Spesenbetruges und eines darauf beruhenden Vertrauensverlustes das Arbeitsverhältnis unter dem 20.01.2021 fristgemäß zum 30.06.2021 gekündigt. Weil wegen des Vertrauensverlustes eine Weiterbeschäftigung für sie jedoch nicht in Betracht gekommen sei, habe sie dem Kläger die von Frau J. S. unter dem 20.01.2021 unterzeichneten Abwicklungsvereinbarung angeboten. Sofern der Kläger zur Reisekostenabrechnung für den Zeitraum 23.11.2020 – 24.11.2020 im Zusammenhang mit Getränke P. GmbH vortrage, er sei wegen vergessener Reparaturmaterialien nach S-Stadt gefahren, habe dort gegen 17:30 Uhr eine Pizza gegessen und habe danach die Fahrt zur Firma G. GmbH angetreten, könne dies angesichts der vorliegenden Tankbelege nicht zutreffen, weil die Strecke ohne eine zusätzliche Betankung nicht zu bewältigen sei.

Durch eine Aktion des Herrn R. hellhörig geworden habe sie den Anschluss von nicht unternehmenseigenen Festplatten durch Anweisung an die IT überprüfen lassen. Am 25.01.2021 habe sie durch den Mitarbeiter J. F. davon Kenntnis erlangt, dass der Kläger am 29.10.2020 eine private Festplatte (Marke Toshiba) an das zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellte Notebook Lenovo thinkpad angeschlossen hatte. Dies sei aus einer IT-Durchsuchung des dem Kläger zur Verfügung gestellten Endgerätes nach dessen Rückgabe durch den Mitarbeiter der IT-Abteilung J. F. festgestellt worden. Der Anschluss einer privaten Festplatte widerspräche den Betriebs- und Geschäftsregelungen in der Fassung vom 14.08.2015.

Am 03.02.2021 habe sie infolge der IT-Prüfung bei Herrn R. Kenntnis von der Weiterleitung sensibler Lieferantendaten durch den Kläger an einen anderen Lieferanten, also einen unberechtigten Dritten, erhalten, sowie davon, dass Gegenstand dieser E-Mail Preise eines potenziellen Lieferanten seien, die E-Mail vom 12.11.2019 stamme (Anlage B 4, Bl. 88, 89 d.A.) und diese E-Mail in der Funktion „Blindcopy (BC)“ an den Kollegen R. versandt worden sei.

Weil sie durch Kenntnisnahme dieser Sachverhalte nicht mehr an der Abwicklungsvereinbarung vom 27.01.2021 habe festhalten können, habe sie die dazu abgegebene Willenserklärung unter dem 03.02.2021 widerrufen und angefochten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung vom 16.02.2021 sei aufgrund unzutreffender Reisekosten- und Spesenabrechnungen berechtigt. Dazu hat sie dargelegt, in dem am 13.01.2021 geführten Gespräch sei lediglich der Verdacht des Reisekostenbetruges im Zusammenhang mit E-Stadt vom 23.11. – 25.11.2020 und dem Pizzaservice vom 24.11.2020 thematisiert worden. Von weiteren Sachverhalten habe sie erst mit Aufarbeitung des klägerischen E-Mail-Postfachs nach dessen Freischaltung am 04.02.2021 für die Mitarbeiterin J. S. Kenntnis erlangt. Durch die Freischaltung des E-Mail-Postfaches des Klägers sei ein Abgleich von Daten der Reisekostenabrechnungen, der Reiseberichte, des Outlookkalenders des Klägers möglich gewesen. Hierzu sei Frau J. S. durch die Mitarbeiterin E. H., welche für die Reisekostenabrechnungen zuständig ist, der Ordner der klägerischen Reisekostenabrechnungen zur Verfügung gestellt worden und auch Herrn S. A., der Leiter der Buchhaltung, habe sich an der Recherche beteiligt. Es sei ermittelt worden, dass der Kläger bewusst fehlerhafte Reisekostenabrechnungen erstellt habe, um ihm nicht zustehende Erstattungen zu erhalten. Frau J. S. sei als Personalmitarbeiterin zwar kündigungsberechtigt, aufgrund der Schwere des Vorwurfs jedoch im vorliegenden Fall erst nach Rücksprache mit der Geschäftsführung und dem Vorgesetzten des betroffenen Mitarbeiters. Am 15.02.2021 habe eine außerordentliche Sitzung über die bis dahin offengelegten Tatsachen stattgefunden und es sei die Entscheidung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gefallen.

Der Kläger habe sich entgegen seiner Angaben am 26./27.06.2019 nicht auf einer Fachausschusssitzung des K.- L-kreises (KLSK) befunden, was sich aus der E-Mail zur Absage einer Teilnahme an dieser Sitzung ergebe. Unzutreffend seien zudem die Reisekostenabrechnung eines Lizenztrainings am 07.08.2019, die Reisekostenabrechnung einer Schulung am 03.12.2019, die Reisekostenabrechnung vom 19./20.12.2019. Die Reisekostenabrechnung vom 20./21.01.2020 sei unrichtig, weil sich der Kläger entgegen der darin enthaltenen Angaben nicht für eine Reparatur bei einem Kunden der Fa. J. F.-bau in K-Stadt aufgehalten habe. Laut der E-Mail-Korrespondenz des Herrn R. sei dieser bei der N + S B.-center B. S. zur Reparatur gewesen, nicht jedoch der Kläger. Auch wenn Herr R. die Reise nicht abgerechnet habe, sei der Kläger nicht berechtigt, einen Erstattungsanspruch zu erheben.

Mit Schriftsatz vom 20.04.2021 hat die Beklagte ergänzt, die Reisekostenabrechnung für den 01./02.07.2020 zur Reparatur eines Fahrzeuges der Firma J. in S-Stadt sei unzutreffend, weil sich kein Fahrzeug der Firma J. in S-Stadt befunden habe. Zudem sei der beigefügte Bewirtungsbeleg vom 02.07.2020 über 55,00 € insoweit unwahr als mit dem Bewirtungsformular eine Bewirtung des Herrn B. der Firma J. F.-bau GmbH erfolgt sein solle. Ein gemeinsames Essen mit diesem Mitarbeiter habe es nicht gegeben. Da für die betreffende Reise auch kein Reisebericht vorliege, sei davon auszugehen, dass kein Geschäftsessen stattgefunden habe.

Die Reisekostenabrechnung 26.06./27.06.2019 (Ausschusssitzung des K. L.-kreis e.V.) sei auch deshalb unzutreffend, weil eine Sitzung zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht stattgefunden habe.

Mit Schriftsatz vom 29.06.2021 hat die Beklagte vorgetragen, dass im Zuge der Aufarbeitung des Sachverhaltes ein neuer Sachverhalt ermittelt sei, der genauso Relevanz für die Kündigung vom 16.02.2021 habe. Sie habe nunmehr davon erfahren, dass auch die Reisekostenabrechnung für die KW 43, den Zeitraum 19.10.2020 – 25.10.2020, nach welcher der Kläger eine Erstattung in Höhe von 96,00 € erhalten habe, auf wahrheitswidrigen Angaben beruhe. Während der Kläger nach der Abrechnung vom 21.10.2020 – 23.10.2020 bei einer Fachausschusssitzung des K. L.-kreises e.V. gewesen sein will, habe nach der Auskunft der Mitarbeiterin E. des K. L.-kreises e.V. keine Ausschusssitzung unter Beteiligung des Klägers stattgefunden. Hierüber habe sie durch die E-Mail der Geschäftsstelle des K. L.-kreises e.V. vom 19.05.2021, in welcher mitgeteilt wird, dass im Jahr 2020 keine Sitzungen des KLSK stattgefunden hätten, Kenntnis erlangt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weitere Vergütung für die Monate Februar und März 2021 mehr zu, ein wirksamer Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung vom 20./21.01.2021 liege nicht vor. Sofern dies anders gesehen werde, sei jedoch aufgrund der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 03.02.2021 bzw. der hilfsweisen Kündigung vom 16.02.2021 die Geschäftsgrundlage für diese Abwicklungsvereinbarung entfallen. Zudem habe der Kläger gegen die in einer möglichen Abwicklungsvereinbarung enthaltene auflösende Bedingung, dass er keine Kündigungsschutzklage erhebt, verstoßen und damit die Unwirksamkeit des Abwicklungsvertrages ausgelöst. Die Prämie von 1.000,00 € monatlich sei an die Position der Außendienstleistung gekoppelt gewesen. Mit Entzug dieser Funktion sei eine Zahlung nicht mehr veranlasst. Insoweit habe eine mündliche, telefonisch abgestimmte Vereinbarung vom 27.03.2019 zwischen dem Kläger und ihrem Geschäftsführer bestanden. Ein Anspruch auf Auszahlung einer Quartalsprämie in Höhe von 1.800,00 € sei nicht gegeben. Eine derartige Quartalsprämie sei im Bereich Ladungssicherung erst im Jahr 2019 eingeführt worden. Die Auszahlung knüpfe an das Erreichen vorbestimmter Quartalsziele an. Im Jahr 2019 sei in jedem Quartal eine Zielerreichung erfolgt. Im Quartal I und II des Jahres 2020 sei der Bonus auf Grund der nahezu Erreichung, eines geringen Abweichens von weniger als 1 %, der von der Geschäftsführung festgesetzten Ziele ebenfalls ausgezahlt worden. Infolge Abweichung von den festgesetzten Zielen um mehr als 3 % seien im IV. Quartal 2020 und I. Quartal 2021 Prämien nicht mehr geleistet worden.

Der Kläger hat hierauf repliziert und in seinem Schriftsatz vom 23.03.2021 (Bl. 165 ff d.A.) auf Seite 4 im 2. Absatz vorgetragen:

„Es ist richtig, dass der Kläger – im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit für die Beklagte – am 29.10.2020 eine private Festplatte der Marke Toshiba an den Rechner der Beklagten angeschlossen hat. Das hat der Kläger niemals bestritten. Bestritten wird indessen, dass die Beklagte hiervon erst am Montag, den 25.01.2021 Kenntnis erlangt hat, …“

Der Kläger ist davon ausgegangen, dass die Beklagte seinen am 20.01.2021 zurückgegebenen Laptop sowie die übrigen zurückgegebenen Geräte unmittelbar nach Erhalt ausgewertet habe.

Er hat die Auffassung vertreten, er habe mit Schriftsatz vom 23.03.2021 nicht schriftsätzlich bestätigt, dass er am 29.10.2020 eine private Festplatte der Marke Toshiba an den Rechner der Beklagten angeschlossen habe. Er habe vorgetragen, dass dies möglich sei, wenn dies geschehen sei, dann ausschließlich zu Arbeitszwecken für die Beklagte.

Der Kläger hat bestritten, sensible Lieferantendaten an einen unberechtigten Dritten weitergegeben zu haben. Er hat dargelegt, er habe in Absprache mit dem Einkaufsleiter der Beklagten, Herrn E., das Angebot eines neuen Lieferanten auszugsweise an einen Stammlieferanten weitergeleitet, damit der Stammlieferant seine Preise für die Beklagte habe anpassen können. Die Beklagte könne sich hinsichtlich dieses Sachverhaltes nicht auf ihre BGR berufen, denn die Weitergabe eines Teils des Angebotes des neuen Anbieters an den Stammlieferanten sei ausdrücklich in Absprache mit dem Einkaufsleiter erfolgt.

Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass sein E-Mail-Postfach erst am 04.02.2021 freigeschaltet worden sei, die Beklagte am 14./15.02.2021 Kenntnis von einem angeblichen Spesenbetrug erhalten habe. Er hat behauptet, der Sachverhalt eines angeblichen Spesenbetruges 2020 und 2019 sei bereits in dem Gespräch vom 13.01.2021 diskutiert worden. In dem Gespräch am 13.01.2021 sei es um diverse Reisekostenabrechnungen aus 2019 und 2020, die ihm vorgehalten worden seien, gegangen. Er habe bei diesem Gespräch gar nicht inhaltlich Stellung nehmen können, da es sich um Sachverhalte gehandelt habe, die viele Monate bzw. Jahre zurücklagen und er sich auf die einzelnen Sachverhalte vorher nicht habe vorbereiten können. Der Sachverhalt vom 23.11. – 25.11.2020 sei der Beklagten am 13.01.2021 bekannt gewesen.

Bezüglich der Reisekostenabrechnung 20.09. – 29.09.2020 habe er sich am 24.09.2020 gegen 11:58 Uhr deshalb in der Nähe von E-Stadt aufgehalten, weil er Reparaturmaterial in S-Stadt vergessen gehabt habe, daher von der Fa. P. Logistik nach S-Stadt gefahren sei, dort gegen 17:30 Uhr eine Pizza gegessen habe und danach zur Fa. P. Logistik zurückgefahren sei. Die Ankunft dort sei gegen 20:00 Uhr gewesen. Er habe die Reparatur beendet und sei danach nach Hause gefahren.

Wegen der Reisekostenabrechnung 26.06./27.06.2019 könne er sich nicht konkret erinnern. Hier könne eine nicht protokollierte Fachausschusssitzung stattgefunden haben. Es gebe bei dem K. L.-kreis e.V. auch Arbeitskreise. Es könne sein, dass am 26.06./27.06.2019 einer dieser Arbeitskreise getagt habe. Diese Reisekostenabrechnung sei bereits am 13.01.2021 durch die Beklagte thematisiert worden.

Bezüglich der Reisekostenabrechnung 20.01./21.01.2020 habe er entgegen der Behauptung der Beklagten den Termin wahrgenommen. Es sei zwar zunächst besprochen worden, dass Herr R. bei dem Kunden tätig werden solle. Er sei dann jedoch selbst zum Kunden gefahren, um sich von der Reklamation persönlich ein Bild zu verschaffen.

Der Kläger hat behauptet, über die Bewirtung des Kunden Herrn B. könne er nach dem erfolgten Zeitablauf aus eigener Wahrnehmung nichts mehr mitteilen. Er gehe davon aus, dass die Bewirtung stattgefunden habe, könne sich an den Sachverhalt jedoch konkret nicht mehr erinnern. Es könne auch sein, dass er mit dem Kunden der Fa. J. Essen gegangen sei und aufgrund dessen als bewirtete Person den Kunden, hier Herrn B., angegeben habe. Zudem sei dieser Sachverhalt der Beklagten am 13.01.2021 bekannt gewesen und sei von ihr thematisiert worden.

Der Kläger hat vorgetragen, was den angeblich „neuen“ Sachverhalt für den Zeitraum 19.10. – 25.10.2020 betreffe, könne er sich infolge Zeitablaufs nur mit Bestreiten erklären. Wenn er Spesen im Zusammenhang mit einer Ausschusssitzung abgerechnet habe, werde es eine entsprechende Sitzung gegeben haben. Es würden nicht sämtliche Ausschusssitzungen protokolliert werden. Protokolle würden nach Sitzungen nur dann gefertigt, wenn dafür sachlich überhaupt eine Notwendigkeit vorgelegen habe.

Das Arbeitsgericht hat gemäß des am 05.08.2021 verkündeten Beweisbeschlusses Beweis erhoben. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses im Einzelnen wird auf Bl. 435 ff d.A. verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.08.2021 (Bl. 451 ff d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die klägerischen Anträge zu 2, 4 und 5 mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses, da anderweitige Beendigungstatbestände außer den im Streit stehenden Kündigungen nicht ersichtlich seien, für unzulässig erachtet und die Klage insoweit abgewiesen. Für eine Kündigungsschutzklage bezüglich der ordentlichen Kündigungen vom 03.02.2021 und 16.02.2021, welche hilfsweise ausgesprochen sind, hat das Arbeitsgericht ein Rechtsschutzinteresse verneint, weil die ordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis wegen der maßgeblichen Kündigungsfrist lediglich zum 30.06.2021 hätten beenden können, das Arbeitsverhältnis jedoch aufgrund der klägerischen Eigenkündigung unstreitig bereits zum 31.03.2021 beendet sei. Auch insoweit ist Klagabweisung erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 03.02.2021 noch durch die Kündigung vom 16.02.2021 außerordentlich beendet worden sei. Es hat die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 03.02.2021 mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes verneint, weil zur Überzeugung der Kammer bereits kein „an sich“ geeigneter Grund bestehe. Soweit der Kläger private Hardware an den Dienst-PC angeschlossen habe, sei dieses Verhalten allein ohne vorherige Abmahnung nicht als Kündigungsgrund geeignet. Ob dieses gegebenenfalls zu einer Datenübertragung geführt habe, bleibe offen, könne daher zur Begründung einer Kündigung nicht angeführt werden. Indem der Kläger unstreitig in Kenntnis der Beklagten ein betriebliches 3D-Zeichenprogramm der Beklagten auf dem Privat-PC übertragen habe, habe die Beklagte eine Nutzung privater Hardware geduldet und erwünscht, so dass sie sich nicht auf einen Verstoß gegen ihre Betriebs- und Geschäftsregeln berufen könne. Mit der Weitergabe von Kundendaten an unberechtigte Dritte liege zwar ein „an sich“ geeigneter Grund für die außerordentliche Kündigung vor, doch habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, dass es sich um schützenswerte Daten handelt. Zum anderen sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Weitergabe von den Daten um eine übliche Geschäftspraxis bei der Beklagten gehandelt habe.

Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 16.02.2021 hat das Arbeitsgericht mangels Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB verneint, weil es nach der persönlichen Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeugin J. S. zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Beklagte spätestens am 13.01.2021 umfassende Kenntnis über mögliche Spesenbetrugsfälle durch den Kläger hatte und daher ungeachtet eines möglichen Klageverbrauchs aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 20.01.2021 die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Nach Auffassung der Kammer habe die Frist mit dem Ablauf des 27.01.2021 geendet, so dass die Zustellung der Kündigung vom 16.02.2021 am 17.02.2021 deutlich nach Ablauf dieser Frist liege.

Einen Zahlungsanspruch auf eine monatliche Prämie in Höhe von 1.000,00 € hat das Arbeitsgericht mangels Anspruchsgrundlage abgelehnt, da sich eine solche weder aus dem Arbeitsvertrag, noch einer Nebenabrede oder betrieblicher Übung ableiten lasse. Zwar sei eine mündliche Nebenabrede über die Zahlung einer monatlichen Prämie in Höhe von 1.000,00 € als Gegenleistung für die Übernahme der Funktion und Stellung der Leitung des Außendienstes getroffen. Nach Entziehung dieser Stellung entfalle jedoch ein Zahlungsanspruch. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheide infolge der getroffenen Nebenabrede aus. Da das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03.2021 bestand, stehe dem Kläger ein Vergütungsanspruch für Februar 2021 in Höhe von 4.983,19 € brutto und für März 2021 in Höhe von 6.500,00 € zu. Ein weitergehender Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug sei jedoch nicht gegeben. Der Zinsanspruch folge aus Verzug.

Der Kläger verfüge nicht über einen Anspruch auf Zahlung von 1.800,00 € brutto für das IV. Quartal 2020 und das I. Quartal 2021. Insoweit sei zwar ebenfalls von einer mündlichen Nebenabrede als Zahlungsgrund auszugehen, mangels Erreichens der Quartalsziele könne jedoch eine Zahlung nicht verlangt werden.

Infolge Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 03.02.2021 und der außerordentlichen Kündigung vom 16.02.2021 und des daraus resultierenden Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2021 stehe dem Kläger ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung wegen Entzug des Dienst-PKWs in Höhe von 531,44 € brutto, monatlich 346,10 € brutto zu.

Der Kläger habe einen Abfindungsanspruch aus der Abwicklungsvereinbarung vom 21.01.2021 in Höhe von 36.800,00 € brutto. Diese Vereinbarung sei nicht infolge Anfechtung hinfällig oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Die Anfechtung scheitere, weil ein Anfechtungsgrund für die Beklagte nicht gegeben sei. Die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage seien nicht erfüllt.

Gegen das ihr am 16.09.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 05.10.2021 beim Landesarbeitsgericht eingelegten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 15.11.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat mit am 17.01.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz, nachdem die Frist für die Berufungsbeantwortung für ihn gemäß Beschluss vom 16.12.2021 bis zum 17.01.2022 verlängert worden war, Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung die vollumfängliche Abweisung der Klage. Sie verweist nochmals darauf, dass Thema des Gespräches am 13.01.2021 allein Unstimmigkeiten zwischen der Reisekostenabrechnung des Klägers, der Tankstellenabrechnung sowie der vorliegenden Einzelverbindungsnachweise für den 24.11.2020 gewesen sei.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft festgelegt, dass sie von allen der außerordentlichen Kündigung vom 16.02.2021 zu Grunde gelegten Sachverhalten spätestens am 13.01.2021 umfassende Kenntnis gehabt habe, so, dass die Zwei-Wochen-Frist für eine entsprechende Kündigung jedenfalls am 27.01.2021 verstrichen gewesen sei. Sie habe vielmehr innerhalb eines langwierigen Aufarbeitungsprozesses Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erlangt und den Entschluss zum Ausspruch einer Tatkündigung und nicht lediglich einer Verdachtskündigung getroffen. Erst nachdem erstmals am 04.02.2021 der Zugang zum klägerischen E-Mail-Postfach eröffnet gewesen sei, hätten die betrauten Mitarbeiter feststellen können, dass es Abweichungen zwischen den eingereichten Reisekostenabrechnungen und vermeintlich wahrgenommenen Terminen gegeben habe. Es sei sodann eine Prüfung für die letzten drei Jahre erfolgt. Am 15.02.2021 sei die Geschäftsleitung über den Sachverhalt im Detail informiert worden. Aus der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung gehe eindeutig hervor, dass sich niemand – weder Kläger, Beklagte noch der Zeuge R. – an weitere konkrete Vorwürfe im Rahmen des Gespräches vom 13.01.2021 außer an den Sachverhalt „P. Logistik“ erinnern könne.

Während das Arbeitsgericht den Zeugen R., welcher bei dem Gespräch am 13.01.2021 nicht anwesend gewesen sei, vernommen habe, habe es von einer Vernehmung der bei dem Gespräch anwesenden Herren R. S. und P. S. abgesehen. Soweit der Zeuge R. ausgesagt habe, dass ihm der Kläger vom Inhalt des Gespräches am 13.01.2021 erzählt habe, nach seiner Erinnerung müssten es mehrere Vorwürfe des Spesenkostenbetrugs gewesen sein, welche angesprochen worden seien, insbesondere der Pizzafall sei ihm dabei in Erinnerung geblieben und J. F.-bau, seien ihr die Sachverhalte zu J. F.-bau zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt gewesen. Hierfür sei auf ihren Schriftverkehr mit der Fa. J. F.-bau sowie den benannten Zeugen B. zu verweisen. Es sei zudem darauf hinzuweisen, dass am 13.01.2021 im Hinblick auf den „Pizzavorfall“ lediglich ein Verdacht bestanden habe und man dem Kläger die Möglichkeit habe gewähren wollen, die Unstimmigkeiten zu erklären.

Nachdem sich der Kunde bei Herrn R. S. darüber beschwert hatte, dass Reklamationsarbeiten des Klägers und des Herrn R. noch nicht beendet seien, habe die Mitarbeiterin J. S. die Reisekostenabrechnung zu dem Kunden im System eGecko überprüft. Frau E. H., die für Reisekostenabrechnungen zuständig ist, habe Frau J. S. das Vorgehen gezeigt. Da der Kläger nach der Abrechnung für den Zeitraum 23.11.2020 – 29.11.2020 zwei Tage Anwesenheit bei dem Kunden abgerechnet hatte, nach der Aussage des Kunden jedoch nur an einem Tag vor Ort gewesen sei, sei Frau J. S. misstrauisch geworden. Sie habe daraufhin im Zeitraum vom 08.01. – 11.01.2021 die Reisekostenabrechnung mit der dazugehörigen Tankrechnung und den Einzelverbindungsnachweisen abgeglichen. Dabei habe ihr der Mitarbeiter S. A. gezeigt, wie man in das Personenkonto der euroS. (Tankkarte) komme und habe die Tankrechnung für den entsprechenden Monat herausgesucht. Der IT-Mitarbeiter, Herr F., habe in diesem Zuge die Einzelnachweise für die Telefonverbindungen ermittelt.

Die Aufarbeitung habe beginnend ab dem 04.02.2021 durch den Abgleich des Outlook-Kalenders, der Mails, der eingereichten Reisekostenabrechnungen per Mail (über das Programm eGecko) und der Tankabrechnungen stattgefunden. Die Reisekostenabrechnungen seien ebenfalls in einem Ordner „RSK S. G.“ enthalten, und zwar chronologisch ausgedruckt, abgeheftet. Im CRM-Portal sei nach dem Ersteller „G.“ gesucht und im Bereich eGecko sei das Personenkonto „G.“ durchsucht worden. Der Ordner „RSK G.“ sei durch Frau H. am 04.02.2021 zur Verfügung gestellt worden. Aufgrund der Masse an Daten und der Abstimmung mit anderen Personen und anderen Terminen habe die Überprüfung längere Zeit in Anspruch genommen.

Soweit der Kläger davon ausgehe, dass er sich bezüglich der Kündigungen auf § 6 der Abwicklungsvereinbarung vom 20./21.01.2021 und der darin enthaltenen Ausgleichsklausel berufen könne, sei dies unzutreffend. Die Vereinbarung stehe einer Ausübung von Gestaltungsrechten nicht entgegen. Sie beziehe sich vielmehr auf eine Geltendmachung von Ansprüchen. Zudem könne eine Ausgleichsklausel nicht zukünftige Kündigungsmöglichkeiten erfassen. Bei der Kündigung handele es sich um ein beidseitiges zwingendes Recht. Um dieses Recht nicht mehr ausüben zu können, bedürfe es einer eindeutigen verbindlichen Erklärung.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 24.08.2021 (Az. 5 Ca 140/21 ), der Beklagten mit Begründung zugegangen am 16.09.2021, abzuändern.

2. Die Klage ist vollumfänglich abzuweisen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreites in beiden Instanzen zu tragen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu trägt der Kläger vor, das Arbeitsgericht habe den Kündigungsschutzanträgen zu Recht stattgegeben. Es habe die durchgeführte Beweisaufnahme zutreffend gewürdigt. Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass er bereits anlässlich des Personalgespräches am 13.01.2021 mit den Behauptungen der Beklagten zu angeblichen Spesenbetrügen konfrontiert worden sei und es deshalb für außerordentliche Kündigungen an der Einhaltung der Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB fehle. Es sei in dem Personalgespräch am 13.01.2021 entgegen der Behauptung der Beklagten nicht lediglich um einen Spesenbetrug gegangen, sondern um zahlreiche, behauptete bzw. unterstellte Spesenbetrügereien. Dies habe die Beweisaufnahme ergeben. Bereits seiner persönlichen Anhörung sei zu entnehmen, dass mehrere etwaige Unstimmigkeiten in seinen Spesenabrechnungen vorgeworfen worden seien. Bestätigt werde dies durch die Aussage des Zeugen R.. Dieser sei zwar bei dem Gespräch selbst nicht zugegen gewesen, er – der Kläger – habe sich dem Zeugen jedoch unmittelbar nach dem Gespräch anvertraut. Der Zeuge R. habe ausdrücklich den „Pizzafall“ und den Sachverhalt „J. F.-bau“ in seiner Zeugenvernehmung erwähnt. Auch die Vernehmung der Zeugin S. habe ergeben, dass es um mehrere Spesenabrechnungen gegangen sei. Sie habe stets von mehreren Vorgängen gesprochen und von „den Reisekosten des Klägers“ statt „einer Reisekostenabrechnung“. In dem Personalgespräch vom 13.01.2021 seien nach durchgeführter Beweisaufnahme definitiv mehrere Reisekostenabrechnungen angesprochen worden, insbesondere die Abrechnungen betreffend der KLSK-Sitzungen. Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen B. bedürfe es nicht, da er – der Kläger– persönlich vernommen glaubhaft ausgesagt habe, dass die Reisekostenabrechnungen zu den KLSK-Sitzungen von der Zeugin S. in dem Personalgespräch am 13.01.2021 angesprochen worden seien.

Die EDV-Abteilung der Beklagten habe jederzeit vollen Zugriff zu seinem E-Mail-Postfach gehabt. Auch sein Terminkalender sei für die Geschäftsleitung und –führung jederzeit frei einsehbar gewesen. Soweit die Beklagte eigenen E-Mail-Verkehr vorlege, aus dem ersichtlich sein solle, dass die Zeugin J. S. erst am 04.02.2021 angeblich Zugriff auf sein E-Mail-Konto habe nehmen können, sei der Sachvortrag rechtlich irrelevant. Die Richtigkeit des Inhalts der zur Gerichtsakte gereichten E-Mails werde vorsorglich bestritten. Darüber hinaus sei sein E-Mail-Konto zur Überprüfung von Spesenkostenabrechnungen gar nicht zwingend notwendig. Maßgeblich für eine derartige Überprüfung seien vielmehr die Abrechnung selbst, der Terminkalender und seine Telefondaten.

Zudem sei ein etwaiger Spesenbetrug nach den Zeugenaussagen nicht bewiesen. Einer weiteren Beweiserhebung durch das Berufungsgericht bedürfe es nicht. Selbst wenn die Behauptungen der Beklagten zur Fehlerhaftigkeit der erwähnten Spesenabrechnungen richtig wären, wäre der Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung für das Arbeitsverhältnis unverhältnismäßig und unwirksam. Er habe niemals bewusst eine falsche Reisekostenabrechnung bei der Beklagten eingereicht. Die Beklagte habe es jahrelang toleriert, dass er seine Reisekostenabrechnungen nur 4 – 5-mal jährlich in Konvoluten eingereicht habe. Er sei wegen fehlerhafter Reisekostenabrechnungen niemals ermahnt oder abgemahnt worden. Nachdem ihm durch die Beklagte zwei vermeintlich falsche Spesenabrechnungen vorgehalten worden seien, habe man sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt. Danach könnten angeblich weitere fehlerhafte Spesenkostenabrechnungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den zur Kündigung führenden Abrechnungen stehen, keine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen.

Soweit sich die Beklagte auf eine Klageverzichtsklausel im § 1 des Abwicklungsvertrages beziehe, gelte diese selbstverständlich nicht für arbeitgeberseitige Kündigungen, welche nach Abschluss des Abwicklungsvertrages ausgesprochen werden. Für eine Anfechtung des Abwicklungsvertrages gebe es keinen Rechtsgrund. Ebenso könne sich die Beklagte nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Außerdem führt der Kläger aus, soweit das Arbeitsgericht seine Zahlungsklage teilweise abgewiesen habe, könne das Urteil keinen Bestand haben und sei dementsprechend abzuändern. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er unverändert einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Prämie in Höhe von 1.000,00 € brutto. Diese Prämie sei weder befristet, noch an die Tätigkeit als Leiter des Außendienstes gekoppelt gewesen. Ihm gegenüber sei nicht kommuniziert worden, dass die Zahlung von 1.000,00 € monatlich eine Prämie für die Tätigkeit im Außendienst und an diese gekoppelt sein solle.

Es habe sich um Arbeitsvergütung gehandelt. Dieser Vergütungsbestandteil habe nur durch Änderungskündigung entzogen werden können.

Ebenso stehe ihm ein Anspruch auf die geltend gemachten Quartalsprämien in Höhe von jeweils 1.800,00 € brutto zu. Bereits im III. Quartal des Kalenderjahres 2020 sei ein von der Beklagten gesetzten Umsatzziel vom Vertrieb nicht eingehalten, die Quartalsprämie jedoch gleichwohl gezahlt worden. Damit sei die Quartalsprämie nicht mehr an ein Umsatzziel gekoppelt gewesen. Darüber hinaus ergebe sich sein Anspruch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz. So habe der Zeuge R. für das IV. Quartal 2020 eine Quartalsprämie erhalten.

Die ihm zuzusprechende Abfindungszahlung sei unter Berücksichtigung der monatlichen Prämie von 1.000,00 € sowie der Quartalsprämie auf den geltend gemachten Betrag in Höhe von 41.600,00 € brutto anzupassen.

Mit der Anschlussberufung beantragt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger für den Monat Februar 2021 weitere 1.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen;

2. an den Kläger für den Monat März 2021 weitere 1.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen;

3. an den Kläger 2.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.000,00 € seit dem 01.01.2021 und auf weitere 1.000,00 € seit dem 01.02.2021 zu zahlen;

4. an den Kläger 3.600,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.800,00 € seit dem 01.01.2021 und auf weitere 1.800,00 € seit dem 01.04.2021 zu zahlen;

5. an den Kläger eine weitere Abfindung in Höhe von 4.800,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

4. Die Anschlussberufung ist vollumfänglich abzuweisen.

Bezüglich der Klageabweisung für einen Zahlungsanspruch auf eine monatliche Prämie von 1.000,00 € sowie auf eine Quartalsprämie von 1.800,00 € verteidigt die Beklagte die erstinstanzliche Entscheidung und leugnet etwaige Zahlungs- insbesondere Abfindungsansprüche des Klägers.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 26.04.2022, 15.11.2022 und 10.01.2023. Wegen des Inhalts der Beweisbeschlüsse und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 26.04.2022, 15.11.2022 sowie 10.01.2023 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung, den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig.

1.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG am 05.10.2021 gegen das am 16.09.2021 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt, sowie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG am 15.11.2021 begründet worden.

2.

Die Berufungsbegründungsschrift ist dem Kläger am 16.11.2021 zugestellt worden. Die Anschlussberufungsschrift ist nach entsprechender Verlängerung der Frist am 17.01.2022 beim Landesarbeitsgericht und damit nach den §§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, teilweise unbegründet. Wegen der Wirksamkeit der Kündigung vom 03.02.2021 sowie eines bis zum 17.02.2021 bestehenden Vergütungsanspruchs ist die Berufung unbegründet. Bezüglich der Wirksamkeit der Kündigung vom 16.02.2021 ist sie hingegen wie auch wegen eines über den 17.02.2021 hinausgehenden Vergütungsanspruchs sowie weiterer Zahlungsansprüche begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 03.02.2021 aufgelöst worden, denn diese Kündigung ist mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes rechtswidrig. Das Arbeitsverhältnis ist jedoch aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 16.02.2021 mit dem Zeitpunkt ihres Zugangs am 17.02.2021 beendet worden, denn diese außerordentliche Kündigung der Beklagten ist wirksam. Die Beklagte hat die klägerische Vergütung bis einschließlich 17.02.2021 infolge Annahmeverzugs zu leisten.

Die Anschlussberufung des Klägers unbegründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen, weil dem Kläger darüberhinausgehend keinerlei Vergütung zusteht, insbesondere auch kein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Prämie von 1.000,00 € für Dezember 2020 bis März 2021 sowie einer Quartalsprämie von 1.800,00 € für das IV. Quartal 2020 sowie das I. Quartal 2021. Ebenso ist die Beklagte nicht verpflichtet, eine Nutzungsentschädigung zu leisten und der Kläger verfügt nicht über einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gegen die Beklagte.

Die erstinstanzliche Entscheidung war deshalb teilweise abzuändern.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 03.02.2021 mit ihrem Zugang beendet worden, denn diese Kündigung ist rechtsunwirksam.

a)

Die Kündigung stellt sich nicht als von Anfang an rechtswirksam nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7, § 4 Satz 1 KSchG dar, weil der Kläger die maßgebliche dreiwöchige Klagefrist versäumt hätte. Der Kläger hat sich mit der am 08.02.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 03.02.2021 gewandt. Damit hat er die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.

b)

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 01.06.2017 – 6 AZR 720/15 – Rn. 45, juris; BAG, Urteil vom 17.11.2016 – 2 AZR 730/15 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – Rn. 14, juris).

Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbesondere nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen, vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben musste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 47, juris). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt. Es kommt deshalb auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in der Zukunft belastend auswirken. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung über das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein. Das kann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d.h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung kann sowohl in einer erheblichen Verletzung von vertraglichen Hauptleistungspflichten als auch in der von Nebenpflichten liegen. Als Vertragspflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, ist ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers anzusehen. Ebenso kann die erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB bilden. Der konkrete Inhalt dieser Pflicht ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis und seinen spezifischen Anforderungen. Einer besonderen Vereinbarung bedarf es insoweit nicht (BAG, Urteil vom 23.11.2011 – 2 AZR 282/10 – Rn. 12, juris).

Für die außerordentliche Kündigung gilt das Ultima Ratio Prinzip. Sie kommt nur in Betracht, wenn es keinen anderen, dem Arbeitgeber zumutbaren Weg gibt, auf das Verhalten des Arbeitnehmers zu reagieren. Als mildere Mittel sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Beruht die Pflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentlich und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient zugleich der Objektivierung der negativen Prognose (BAG, Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 282/10 – Rn. 14, juris).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Eine Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 282/10 – Rn. 15, juris).

c)

Unter Berücksichtigung vorgenannten höchstrichterlicher Grundsätze stellen weder der Anschluss einer privaten Festplatte der Marke Toshiba noch die Weitergabe eines Angebotes eines Lieferanten eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass sie ohne Abmahnung jeweils geeignet wären, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.

aa)

Soweit der Kläger am 29.10.2020 eine private Festplatte der Marke Toshiba an das zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellte Notebook angeschlossen haben sollte, ist dieses Verhalten nicht geeignet, eine derart gravierende Pflichtverletzung darzustellen, dass damit ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung gegeben sein könnte. Dies gilt auch, soweit der Kläger damit gegen die dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegenden Betriebs- und Geschäftsregeln der Beklagten verstoßen haben sollte.

Dass insoweit ein Datentransfer von der Festplatte auf den Dienst-Laptop bzw. von dem Dienst-Laptop auf die Festplatte stattgefunden hat, ist nicht festgestellt. Auch wenn dies nicht auszuschließen ist, kann der Anschluss der Festplatte nicht unter dem Gesichtspunkt eines Datentransfers beurteilt werden. Insoweit würde es bereits einen Unterschied machen, ob private Daten von der Festplatte auf den Dienst-Laptop übertragen wurden oder dienstliche Daten von dem Dienst-Laptop auf die Festplatte. Da hierzu keinerlei Erkenntnisse vorliegen, bleibt einzig der mögliche Anschluss der Festplatte als zu beurteilende Pflichtverletzung. Allein ein solches Verhalten lässt jedoch keine eindeutige negative Prognose zu. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger – selbst wenn ihm eine Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sein sollte – zwingend damit habe rechnen müssen, dass ein derartiges Fehlverhalten von der Beklagten als derart schwerwiegend angesehen werde, dass es ohne weiteres eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen würde. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es dem Kläger unstreitig gestattet war, dass 3D-Zeichen-Programm auf seinen privaten PC zu übertragen. Unter diesen Einzelfallumständen bietet ein mögliches Fehlverhalten des Klägers durch Anschluss der Festplatte keine ausreichende Grundlage für die erforderliche negative Prognose, selbst im Falle einer Abmahnung sei eine Rückkehr des Klägers zu vertragsgerechtem Verhalten nicht zu erwarten oder eine Wiederherstellung des Vertrauens in die Redlichkeit des Klägers ausgeschlossen.

bb)

Ebenso liegt in der unstreitigen Weitergabe von Lieferantendaten durch den Kläger am 12.11.2019 kein derart schwerwiegendes pflichtwidriges Verhalten, dass es geeignet sein könnte, ohne vorhergehende Abmahnung eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Der Kläger hat Daten aus einem Angebot eines Lieferanten einem anderen potenziellen Lieferanten zur Verfügung gestellt. Dass er davon ausgehen musste, es handle sich dabei um für die Beklagte derart sensible Daten, dass deren Weitergabe die Beklagte ohne weiteres dazu veranlassen würde, das Arbeitsverhältnis mit ihm außerordentlich zu beenden, ist nicht nachvollziehbar. Es ist bereits nicht erkennbar, dass es für den Kläger ersichtlich war, dass die Beklagte an den Angebotsdaten eines Lieferanten ein derartiges Geheimhaltungsinteresse haben könnte, dass er die Weitergabe dieser Daten nicht habe einsetzen dürfen, um im Interesse der Beklagten ein besseres Angebot zu erzielen. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre daher ein geeignetes Mittel gewesen, dem Kläger ein diesbezügliches Interesse der Beklagten vor Augen zu führen und ihn für die Zukunft zu veranlassen, ein derartiges Verhalten zu unterlassen.

Angesichts der für die Beklagte damit bestehenden Möglichkeit, einem pflichtwidrigen Verhalten des Klägers durch eine mildere Reaktion als durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen, erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 03.02.2021 als rechtswidrig.

2.

Die außerordentliche Kündigung vom 16.02.2021 ist hingegen unter dem Gesichtspunkt des „Spesenbetrugs“ rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 17.02.2021 beendet.

a)

Mit der Klageerweiterung vom 19.02.2021 hat sich der Kläger innerhalb der 3-wöchigen Klagefrist (§§ 13, 7, 4 KSchG) gegen die Kündigung vom 16.02.2021 gewandt. Für diese Kündigung liegt jedoch ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vor.

„An sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden, sind zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende, unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Handlungen. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgeblich ist nämlich der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom 16.12.2010 – 2 AZR 485/08 – Rn. 18, juris).

Vorliegend hat der Kläger in verschiedenen Reisekostenabrechnungen Positionen zur Erstattung aufgeführt, auf welche er tatsächlich keinen Anspruch hat und damit gegenüber der Beklagten eine Pflichtwidrigkeit begangen, indem er sich vorsätzlich auf Kosten der Beklagten einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft und damit die ihm gegenüber der Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt hat.

Ein Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben macht oder deren Unrichtigkeit zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, verletzt in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten. Unkorrektheiten können selbst dann geeignet sein, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall oder einen geringen Erstattungsbetrag handelt. Bewusstes und damit vorsätzliches Handeln ist zwar von der Erklärung versehentlich falscher Angaben zu unterscheiden. Es liegt aber bereits dann vor, wenn die Unrichtigkeit und der auf ihr beruhende rechtwidrige Erfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (BAG, Urteil vom 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 22, juris).

Der Kläger hat für den 26.06.2019 und 27.06.2019 Reisekosten für den Reisezweck „Fachtagung Fachausschuss vom KLSK in H-Stadt“ abgerechnet und hierfür einen Betrag in Höhe von insgesamt 114,00 € durch die Beklagte erstattet erhalten. Tatsächlich hat er jedoch an einer solchen Fachtagung nicht teilgenommen. Dies ergibt sich aufgrund der Aussage des Zeugen J. B. Nach dieser gab es im Jahr 2019 eine Tagung zur Fachausschusssitzung am 07.02.2019 in Ü.-P.-Stadt, am 10.05.2019 in W-Stadt. und am 24.06.2019 in K.-Stadt. Danach hat zum einen – anders als vom Kläger angegeben – keinerlei Tagung in H-Stadt zum anderen keinerlei Tagung an den Daten 26./27.06.2019 stattgefunden. Dass keinerlei Tagung in H-Stadt abgehalten wurde, hat der Zeuge zum einen aus eigener Wahrnehmung und Kenntnis bekundet. Zum anderen hat er aus Nachforschungen bei Kollegen erfahren, dass H-Stadt nicht als Tagungsort genutzt worden ist. Die Aussage des Zeugen zu dem Datum 24.06.2019 findet ihre Bestätigung in dem E-Mail-Verkehr des Klägers und des Zeugen B.. Die E-Mail des Klägers vom 11.06.2019 zur Absage einer Teilnahme an einer Fachausschusssitzung bezieht sich auf kein konkretes Datum einer Sitzung. In der E-Mail des Zeugen B. vom 16.06.2019 ist im Betreff „FA-Sitzung „Gurte“ am 24.06.2019“ genannt. Damit muss die Sitzung in K-Stadt bezeichnet sein. Der Zeuge B. bat in der E-Mail um Zurverfügungstellung der am 07.02.2019 gefertigten Protokolle. Diese Bitte muss sich auf die Ausschusssitzung in Ü.-P.-Stadt beziehen. Mit Übersendung der Prüftabellen vom 07.02.2019 wurde nochmals das Bedauern über eine nicht mögliche Teilnahme an der Sitzung ausgedrückt. Damit wird ein Bezug zu der Sitzung vom 24.06.2019 hergestellt. Das Gericht hat daraus die Überzeugung gewonnen, dass allein am 24.06.2019 eine Fachausschusssitzung des K. L.-kreis e.V. in K-Stadt stattgefunden hat, jedoch keinerlei Fachausschusssitzung am 26./27.06.2019 in H-Stadt. Die Teilnahme an einer Sitzung am 24.06.2019 in K-Stadt hat der Kläger per E-Mail abgesagt. An dieser hat er auch tatsächlich nicht teilgenommen, was sich aus der Aussage des Herrn B. unter Zuhilfenahme seiner Unterlagen ergibt. Nach diesen sind Teilnehmer, welche ihre Teilnahme abgesagt haben, in der E-Mail in cc genannt sind und darunter befindet sich auch der Name des Klägers. Soweit der Klägervertreter versucht hat, die Möglichkeit einer Teilnahme des Klägers an einer Sitzung eines Arbeitskreises darzustellen, ist dies nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu erschüttern. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, im Einzelnen zu benennen, an welchen Arbeitskreisen er beteiligt war, wann ein solcher Arbeitskreis durch wen mit welcher Aufgabenstellung eingesetzt worden sein soll, welche übrigen Teilnehmer des Arbeitskreises bezeichnet werden können. Der Kläger hat weder in I. Instanz noch im Berufungsverfahren jedoch irgendeinen Tatsachenvortrag im Hinblick auf eine Teilnahme an einer Sitzung eines Arbeitskreises am 26./27.06.2019 erbracht. Soweit der Kläger rechtfertigende Behauptungen tätigt, sind diese weder im zeitlichen noch örtlichen Rahmen inhaltlich ausreichend eng beschrieben. Der Kläger belässt es bei vagen pauschalen Äußerungen wie etwa dem Hinweis auf einen möglichen Arbeitskreis, unterlässt jedoch jegliche Konkretisierung dazu. Da er jedoch weder aus seiner Erinnerung heraus, noch infolge von ihm zu erwartender Zuhilfenahme von Unterlagen und der Einholung von Auskünften in der Lage ist, irgendeinen konkreten Hinweis auf die Einsetzung, die Thematik, den Inhalt und die Teilnehmer eines Arbeitskreises zu benennen, reicht die vage Möglichkeit, dass möglicherweise irgendein Arbeitskreis irgendwo getagt haben könnte, nicht aus, die Überzeugung des Gerichts zu erschüttern bzw. Zweifel zu wecken.

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen B. zu zweifeln. Der Zeuge hat klar und nachvollziehbar zu den stattgefundenen Ausschusssitzungen Angaben getätigt, teilweise unter Zuhilfenahme seiner Unterlagen, um seine Aussage für das Gericht präzise zu gestalten. In der entscheidenden Beweisfrage hat der Zeuge nach Ansicht der Kammer seine Aussage glaubhaft und ohne Widersprüche getätigt. Er hat deutlich darauf hingewiesen, welche Umstände nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung und Prüfung sind und wo er sich Informationen aus seinen Unterlagen oder von Dritten eingeholt hat. Die Kammer sieht keinen Anlass an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Insbesondere ist keinerlei persönliches Interesse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits ersichtlich. Er steht in keinerlei Näheverhältnis zu einer der Parteien und hat auch nicht aus anderweitigen Gründen den Eindruck vermittelt, er wolle eine Partei mit seiner Aussage unterstützen. Es liegen damit keinerlei Anhaltspunkte vor, welche die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel ziehen könnten.

Bestätigt wird die Aussage des Zeugen B. zudem durch die erstinstanzlich getätigte Aussage des Zeugen S.. Auch nach dessen Nachforschungen haben im Jahr 2019 lediglich drei Termine einer Ausschusssitzung am 07.02.2019, am 10.05.2019 sowie am 24.06.2019 stattgefunden.

Damit sind die in der vom Kläger gefertigten Reisekostenabrechnung getätigten Angaben unzutreffend. Insoweit ist dem Kläger auch das erforderliche vorsätzliche Verhalten zuzusprechen. Auch wenn der Kläger die diesbezügliche Reisekostenabrechnung erst längere Zeit später erstellt haben sollte – die am 23.01.2020 erfolgte Kostenerstattung deutet darauf hin –, ist von ihm doch zu verlangen, dass er sie unter gehöriger Anspannung seiner Kräfte gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Unterlagen usw., insbesondere auch ihm zur Verfügung stehenden E-Mail-Verkehrs, fertigt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, die den Schluss zulassen könnten, der Kläger habe hier versehentlich unrichtige Angaben getätigt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welche Umstände ein Versehen begründen könnten, aufgrund welcher Erinnerungen, schriftlicher Datenlage usw. er diese Abrechnung erstellt hat. Hätte der Kläger selbst seine E-Mails angeschaut, hätte ihm, sofern ihm dies nicht mehr erinnerlich gewesen sein solle, auffallen müssen, dass er die Sitzung abgesagt und wegen seines Ausbleibens Protokolle vom 07.02.2019 übersandt hatte. Der Kläger muss wegen dieser Sitzung eine Absprache mit Herrn R. wegen einer Teilnahme getroffen, Herrn R. um Erstellung mehrerer E-Mails zur Weiterleitung gebeten haben. Insbesondere hat er den Bewirtungsbeleg aufbewahrt und diesen der Reisekostenabrechnung hinzugefügt, obgleich er nicht geschäftlich dort war und der von ihm angegebene Reiseweck unrichtig ist. Aufgrund dieser mehrfachen, sich auf eine Ausschusssitzung beziehenden Umstände, recht intensiven Beschäftigung mit diesem Termin, insbesondere auch mit dessen Absage, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger bewusst unwahre Angaben getätigt hat, auf jeden Fall zumindest die Unrichtigkeit seiner Angaben für möglich halten musste und eine erhebliche Vertragspflichtverletzung in Kauf genommen hat.

Auch die vom Kläger für den Zeitraum 19.10.2020 – 25.10.2020 erstellte Reisekostenabrechnung ist unzutreffend als in ihr für den 21.10.2020 und 22.10.2020 Aufwendungen für eine Reise mit dem Reisezweck „Ausschusssitzung KLSK in F-Stadt“ zur Erstattung beantragt werden. Tatsächlich hat eine Fachausschusssitzung des KLSK in F-Stadt zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen B., welche in der Zeugenaussage des Zeugen S. vor dem Arbeitsgericht ihre Bestätigung findet. Nach den Angaben des Zeugen B. fanden im Jahr 2020 und Anfang 2021 vielmehr nur Videokonferenzen statt bis die erste Veranstaltung in Präsenz im September 2021 in K-Stadt abgehalten wurde. Dies ist angesichts der infolge der Pandemie geltenden Regelungen plausibel. Da keinerlei Ausschusssitzung am 21./22.10.2020 in F-Stadt durchgeführt wurde, kann der Kläger an einer solchen nicht teilgenommen haben und ihm stehen deshalb die Aufwendungen, welche er mit der Reisekostenabrechnung für diese Reise zur Erstattung beantragt, nicht zu. Dennoch hat der Kläger den Betrag von 96,00 € überwiesen erhalten. Dass der Kläger hier vorsätzlich falsche Angaben getätigt hat, nimmt die Kammer insbesondere aus der zeitlichen Nähe der Erstellung der Reisekostenabrechnung am 27.10.2020 und der erfolgten Überweisung am 28.10.2020. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Abrechnung am 27.10.2020 muss der Kläger gewusst haben, dass er knapp eine Woche vorher am 21./22.10.2020 nicht an einer Fachausschusssitzung KLSK in F-Stadt teilgenommen hat und seine Angaben deshalb nicht zutreffen können. Da keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaiges Versehen des Klägers vorliegen, kann daher nur von einem vorsätzlichen Handeln des Klägers ausgegangen werden.

Schließlich ist die Reisekostenabrechnung des Klägers für den Zeitraum 29.06.2020 – 05.07.2020 insoweit unzutreffend als der Kläger einen Bewirtungsbeleg für eine Rechnung des Cafe XXX XXX vom 02.07.2020 über den Betrag von 47,20 € eingereicht und als Anlass der Bewirtung u.a. „Herr B.“ angegeben hat. Tatsächlich hat Herr B. an diesem Tag nach seiner Zeugenaussage nicht mit dem Kläger im Cafe XXX XXX in H-Stadt Speisen und Getränke zu sich genommen. Es hat niemals ein Geschäftsessen des Klägers mit Herrn B. stattgefunden. Der Zeuge B. hat vielmehr ausgesagt, dass er und der Kläger sich seit etwa 2018 zumindest vom Sehen her sowie nach den Besuchen, die der Kläger in der Firma durchgeführt hat, kennen und er mit dem Kläger nicht Essen war, dass er den Ort H-Stadt noch nie aufgesucht hat. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Er hat die einfache Beweisfrage klar und deutlich beantwortet, sie mit dem Hinweis, dass er den Ort H-Stadt noch niemals aufgesucht habe, untermauert und mit der Angabe, dass er nicht zu einem Geschäftsessen eingeladen werde, plausibilisiert. Irgendwelche Anzeichen, welche an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln ließen, sind nicht ersichtlich.

Danach hat der Kläger mit Herrn B. kein Geschäftsessen im Cafe XXX XXX in H-Stadt zu sich genommen, so dass er auch nicht berechtigt war, einen dementsprechenden Bewirtungsbeleg zur Erstattung zu beantragen. Angesichts des Umstandes, dass er und Herr B. sich bereits seit 2018 kennen, ist ausgeschlossen, dass der Kläger mit der Angabe „Herr B.“ versehentlich eine unzutreffende Angabe getätigt haben könnte.

Soweit der Kläger angibt, er sei nicht mit Herrn B., sondern mit einem Mitarbeiter eines Kunden der Fa. J. bei einer Bewirtung gewesen, ändert dies nichts daran, dass seine Angaben in der Reisekostenabrechnung und dem Bewirtungsbeleg unzutreffend sind und ihm dies bei Erstellung der Reisekostenabrechnung, welche er am 09.07.2020 eingereicht hat, auch bewusst war. Aus welchen Gründen er dennoch den Namen B. in dem Bewirtungsbeleg aufgeführt hat, erläutert der Kläger nicht und ist auch aus keinerlei Gesichtspunkt nachvollziehbar. Wenn der Kläger mit einem Mitarbeiter eines Kunden der Fa. J. im Cafe XXX XXX gewesen sein sollte, hätte es nahegelegen, diesen Mitarbeiter namentlich zu bezeichnen oder zumindest den Kundennamen im Bewirtungsbeleg zu nennen. Dies geschieht jedoch selbst im vorliegenden Verfahren nicht. Angesichts der zeitlichen Nähe der Rechnungsstellung am 09.07.2020 zum angeblichen Geschäftsessen am 02.07.2020 kann nicht von einer fehlenden Erinnerung des Klägers oder einem Irrtum ausgegangen werden. Der Kläger wusste, dass er nicht mit dem Zeugen B. essen war und seine diesbezügliche Angabe in seiner Reisekostenabrechnung unwahr ist. Weil weder eine Person benannt wird noch irgendein plausibler Grund zur Einladung zu einem Geschäftsessen, kann nur davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine unberechtigte Erstattung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Ob darüber hinaus weitere unzutreffende Reisekostenabrechnungen des Klägers vorliegen, kann dahinstehen, denn die zuvor genannten Fälle bilden derart gravierende Pflichtverletzungen, dass es der Beklagten auch ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung möglich war, von einem zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund auszugehen. Die hier festgestellten Fälle sind für die Kammer ebenfalls dafür ausreichend, dass die Beklagte von der Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ausgehen durfte.

b)

Die Entbehrlichkeit einer Abmahnung ergibt sich im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Höhe der erstatteten Reisekosten daraus, dass der Kläger unter keinen Umständen damit rechnen konnte, die Beklagte werde falsche Abrechnungen der Reisekosten hinnehmen. Ihm hätte vielmehr bewusst sein müssen, dass er durch falsche Reisekostenabrechnungen seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt, durch ein derartiges Verhalten gravierende Pflichtverletzungen vorliegen, welche bei der gebotenen objektiven Betrachtung das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen nicht nur erschüttern, sondern restlos zerstören. Unter den gegebenen Umständen war eine Abmahnung nicht geeignet, das seitens der Beklagten verlorene Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers wiederherzustellen.

c)

Die Interessenabwägung steht der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Das Lösungsinteresse der Beklagten überwiegt das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Tätigkeit des Klägers als Außendienstmitarbeiter zieht es nach sich, dass er typischerweise Reisekosten abzurechnen hat. Bei denen ist die Beklagte auf wahre Tatsachenangaben ihrer Mitarbeiter angewiesen. Sie muss sich in diesem Punkt auf die Loyalität ihrer Mitarbeiter verlassen können. Beeinträchtigtes bzw. zerstörtes Vertrauen in die Aufrichtigkeit eines Mitarbeiters wirkt sich damit nicht nur einmal, sondern regelmäßig auf das Arbeitsverhältnis aus. Demgegenüber ist der soziale Besitzstand des Klägers als gering zu bewerten. Zwar wies der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung eine etwa elfjährige Beschäftigungszeit auf und unterliegt möglicherweise einer Unterhaltsverpflichtung, welche streitig ist, dennoch sind seine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt auch angesichts seines Lebensalters bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht derart negativ zu bewerten, dass dies zu einem Überwiegen seines Interesses am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen könnte. Angesichts der Schwere und Nachhaltigkeit des „Spesenbetrugs“ war es der Beklagten nicht zumutbar, die Kündigungsfrist abzuwarten.

Dem steht die unter dem 20.01.2021 erfolgte Freistellung des Klägers von seiner Arbeitsleistung nicht entgegen. Zwar kann die Zumutbarkeitsprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB ergeben, dass das Schwergewicht der Störung des Arbeitsverhältnisses in der Wiederholungsgefahr besteht und deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar erscheint, wenn mangels eines Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers und einer Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers künftige gleichartige Belastungen des Arbeitsverhältnisses bis zu seiner Beendigung ausgeschlossen erscheinen. Durch die schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers ist das für das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters im Außendienst unerlässliche Vertrauensverhältnis allerdings endgültig zerstört. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und der sich daraus ergebenden Interessen der Beklagten, können die Interessen des Klägers nicht dazu führen, einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als der Beklagten zumutbar anzusehen. Insoweit ist, da zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung die Eigenkündigung des Klägers noch nicht vorlag, von einer anzuwendenden Kündigungsfrist und daraus resultierenden Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bis einschließlich 30.06.2021 auszugehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu einem wesentlich später liegenden Zeitpunkt auch bei einer Freistellung des Arbeitnehmers gerade keine endgültige Trennung darstellt. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Gehaltszahlung, die bei einer berechtigten fristlosen Kündigung wegfällt, ist bei der Prüfung des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB ebenso zu beachten, wie die nach wie vor bestehenden Nebenpflichten des Arbeitnehmers und die etwa bestehende Gefahr, dass der Arbeitnehmer trotz der Freistellung unter Berufung auf das nach wie vor bestehende Arbeitsverhältnis weitere Pflichtverletzungen begehen könnte. Eine vereinbarte Abfindung, die bei einer wirksamen fristlosen Kündigung wegfallen würde, darf bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Ist die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit der Parteien endgültig zerstört, so ist es dem Arbeitgeber regelmäßig unzumutbar, dem Arbeitnehmer, in dessen Ehrlichkeit er objektiv begründet, das Vertrauen verlieren musste, ohne entsprechende Gegenleistung sein Gehalt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und eine hohe Abfindung zu zahlen. Auch die Gefahr weiterer Pflichtverletzungen, möglicherweise unter Hinweis auf das formell noch bestehende Arbeitsverhältnis, kann in einem derartigen Fall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begründen (BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 217/00 – Rn. 22 ff, juris).

Auch die Interessenabwägung vermag folglich eine Unwirksamkeit der Kündigung nicht zu bewirken.

d)

Die Kündigung vom 16.02.2021 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Die Beklagte hat die Kündigung vom 16.02.2021 nicht nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen, denn zwischen dem Zeitpunkt, zu welchem die kündigungsberechtigte Mitarbeiterin J. von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat und dem Zugang der Kündigungserklärung am 17.02.2021 lagen nicht mehr als zwei Wochen. Insbesondere kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten die für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bereits am 13.01.2021 bekannt gewesen seien. Dies folgt zum einen aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum anderen aus unstreitig vorliegenden Tatsachen.

aa)

Im Hinblick auf die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Tatsachen, auf welche eine Verdachtskündigung gestützt werden soll und den Tatsachen, welche einer Tatkündigung zu Grunde gelegt werden, zu unterscheiden ist. Insoweit mag ein Geschehensablauf vorliegen, der zunächst einen Verdacht bei dem Arbeitgeber aufkommen lässt. Aufgrund weiterer Ermittlungen mag hieraus ein dringender Verdacht entstehen und schließlich kann gegebenenfalls nach eigenen oder strafrechtlichen Ermittlungen die Überzeugung von einer Tat gewonnen werden. Die Tatsachenkenntnis verändert sich bei diesen Stationen in Umfang und Qualität derart, dass aus ihr die Schlussfolgerung Verdacht, dringender Verdacht, Überzeugung von der Tat gezogen wird. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes und der Beweismittel verschaffen sollen. Soll der Arbeitnehmer angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden darf. Es ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, ob die Ermittlungen hinreichend zügig betrieben wurden. Sind sie abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG, Beschluss vom 27.06.2019 – 2 ABR 2/19 – Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 01.06.2017 – 6 AZR 720/15 – Rn. 66, juris; BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – Rn. 14, juris).

Zu beachten ist zudem, dass ein „Nachschieben von Kündigungsgründen“ in Betracht kommen kann. Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, können uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden sind. Die neu bekannt gewordenen Kündigungsgründe müssen auch nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB in den Prozess eingeführt werden. Die Ausschlussfrist bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB allein auf die Ausübung des Kündigungsrechts, nicht auf die zu Grunde liegenden Kündigungsgründe. Ist also bereits eine Kündigung ausgesprochen, so schränkt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB unmittelbar ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener und zeitlich vor Ausspruch der Kündigung liegender Gründe nicht ein. Mit dem Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber zu erkennen gegeben, dass er eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers subjektiv für unzumutbar hält. Ob diese Unzumutbarkeit bei objektiver Beurteilung tatsächlich im Zeitpunkt der Kündigung gegeben war, ist von den Gerichten unter Berücksichtigung aller zu diesem Zeitpunkt objektiv vorliegender Umstände zu entscheiden, unabhängig davon, ob sie dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren. Der gekündigte Arbeitnehmer kann daher nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber im Prozess nicht noch andere, bislang unentdeckte Gründe zur Rechtfertigung seiner Kündigung heranziehen wird. Er muss vielmehr davon ausgehen, dass der Arbeitgeber je nach Prozesslage weitere Tatsachen vortragen wird, um in jedem Fall ein obsiegendes Urteil zu erstreiten (BAG, Urteil vom 04.06.1997 – 2 AZR 362/96 – Rn. 21 ff, juris; BAG; Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – Rn. 33, juris; BAG, Beschluss vom 12.01.2021 – 2 AZN 724/20 – Rn. 3, juris).

bb)

Vorliegend hat sich die Beklagte ausdrücklich darauf berufen, dass sie die Kündigung vom 16.02.2021 als Tatkündigung ausgesprochen hat, weil sie davon überzeugt ist, dass der Kläger sich eines „Spesenbetrugs“ schuldig gemacht und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt habe. Mit Schriftsatz vom 20.04.2021 und 29.06.2021 hat sie Kündigungsgründe nachgeschoben. Dass die Beklagte von den für eine Tatkündigung maßgeblichen Tatsachen bereits vor mehr als zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vom 16.02.2021 am 17.02.2021 Kenntnis erlangt hatte, kann nicht festgestellt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie selbst zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 17.02.2021 noch keine vollständige Tatsachenkenntnis über die Umstände hatte, welche eine Tat begründen, sondern dass insoweit Bestätigungen von außen erst nach Zugang der außerordentlichen Kündigung am 17.02.2021 bei der Beklagten bekannt geworden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine fehlende Kenntnis der Beklagten nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führt. Entscheidend für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung zum Zeitpunkt ihres Zugangs ist nämlich, ob zu diesem Zeitpunkt objektive Tatsachen vorlagen, welche geeignet sind, einen für die Kündigung erforderlichen wichtigen Grund bilden zu können. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 17.02.2021 lagen die Tatsachen, welche einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden, bereits vor. Der Kläger hatte unzutreffende Reisekostenabrechnungen für den Zeitraum 26./27.06.2019 sowie den 21. – 23.10.2020 bei der Beklagten eingereicht und daraufhin am 23.01.2020 114,00 € sowie am 28.10.2020 96,00 € unberechtigt erstattet erhalten. Zudem hatte er die Abrechnung für den 02.07.2020 mit einem Bewirtungsbeleg über 47,20 € eingereicht und am 20.07.2020 ersetzt erhalten, obgleich eine geschäftlich veranlasste Bewirtung nicht stattgefunden hatte.

Damit lagen am 17.02.2021 die objektiven Tatsachen, welche den Kündigungsgrund der begangenen Pflichtverletzung bilden, vor. Dass die Beklagte von diesen jedoch am 17.02.2021 bereits vollständige Kenntnis hatte, lässt sich nicht nachvollziehen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden – wie das Arbeitsgericht angenommen hat – dass die Beklagte bereits am 13.01.2021 Kenntnisse über die Tatsachen hatte, welche eine Tatkündigung begründen. Unstreitig sind dem Kläger während des Gespräches am 13.01.2021 Unstimmigkeiten zu seiner Reisekostenabrechnung bezüglich des Zeitraumes 23.11.2020 – 29.11.2020 vorgehalten worden. Dass die Beklagte ihm während dieser Unterredung weitere Tatsachen benannt hat, welche sie vorliegend zur Begründung der Tatkündigung heranzieht, ist nicht feststellbar. Die Zeugen J. und R. S. haben übereinstimmend ausgesagt, dass dem Kläger allein Vorhaltungen wegen Unstimmigkeiten der Reisekostenabrechnung mit dem Kunden P., dem „Pizzafall“, gemacht worden sind. Diese Aussagen hält die Kammer aufgrund der übrigen Zeugenaussagen und der objektiv unstreitig vorliegenden Tatsachen für glaubhaft und geht trotz der Nähe der beiden Zeugen zur Beklagten von deren Glaubwürdigkeit aus.

Dass die Beklagte vor Januar 2021 überhaupt irgendeine Veranlassung haben konnte, Reisekostenabrechnungen des Klägers zu prüfen, ist nicht ersichtlich. Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Reisekostenabrechnung zum „Pizzafall“ konnten sich nur aufgrund der Kundenreklamation und des Hinweises des Kunden, dass lediglich am ersten Reparaturtag zwei Personen anwesend gewesen seien, am zweiten lediglich eine Person ergeben. Es ist plausibel und nachvollziehbar, wenn anlässlich der durch den Zeugen R. S. erfolgten Information über die Kundenreklamation an die Zeugin J. S. die ebenfalls im Raum anwesende Zeugin H. zur Prüfung der Berechtigung der Reklamation in den Reisekostenabrechnungen des Klägers abgleicht, ob der Kläger tatsächlich nur an einem Tag bei den Kunden anwesend gewesen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie dies aus eigenem Antrieb oder auf Anforderung getan hat. Daraus ergab sich jedenfalls zunächst, dass ein Kunde behauptete, der Kläger sei nur an einem Tag zur Behebung der Reklamation anwesend gewesen, während der Kläger zwei Tage abgerechnet hatte. Durch die Überprüfung der Tankabrechnungen sowie der Einzelverbindungsnachweise ist die Beklagte sodann auf den Tankvorgang am 24.11.2020 um 11:58 Uhr an einer Tankstelle in S-Stadtsowie den Anruf bei einem Pizzalieferservice um 17:03 Uhr in S-Stadt gestoßen. Da diese Orte weit entfernt vom Sitz des Kunden in G-Stadt liegen, bilden sie einen Hinweis darauf, dass sich der Kläger tatsächlich am 25.11.2020 nicht bei dem Kunden aufhielt. Dass es zu diesem Zeitpunkt weitere Umstände gab, die der Beklagten Anlass dazu geboten haben könnten, punktuell einzelne Reisekostenabrechnungen des Klägers zu überprüfen bzw. eine generelle Prüfung aller Reisekostenabrechnungen durchzuführen, ist nicht ersichtlich. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass am 13.01.2021 bei der Beklagten keine Tatsachen bekannt gewesen sind, welche den Verdacht weiterer unkorrekter Spesenabrechnungen begründen konnten und schon gar nicht Umstände, welche eine begangene Pflichtverletzung belegen. Es ist nicht vorstellbar, aus welchem Grund die Beklage in Kenntnis der zur Begründung der am 16.02.2021 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung herangezogenen Umstände nicht sofort mit einer solchen außerordentliche Kündigung reagieren sollte, sondern am 20.01.2021 lediglich eine ordentliche Kündigung ausspricht, den Kläger von der Arbeitsleistung freistellt und ihm eine Abwicklungsvereinbarung mit Abfindungszahlung anbietet.

Die Überzeugung des Gerichts wird nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger behauptet, bereits im Gespräch am 13.01.2021 mit mehreren, angeblichen Spesenkostenbetrugsfällen konfrontiert worden zu sein. Dieses Vorbringen ist pauschal, und bleibt dies, auch wenn der Kläger in der Berufungsinstanz vorträgt, ihm seien die in diesem Verfahren vorgehaltenen Reisekostenbetrugsfälle bereits im Gespräch am 13.01.2021 vorgehalten worden. Indem er dazu Schlagworte wie z.B. Fa. J. benennt, stellt er nicht mal ansatzweise dar, welche Vorhaltungen ihm gegenüber sinngemäß erhoben wurden, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte über eine bestimmte Tatsachenkenntnis verfügte. Zudem hat er in seiner persönlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht erklärt, sich an die konkreten Vorwürfe nicht mehr erinnern zu können, es habe sich jedoch definitiv um mehrere gehandelt. Damit bleibt völlig offen, um welche es gegangen sein soll, ob er mit einem Verdacht der Beklagten oder einer Tat konfrontiert wurde. Diesbezüglich benennt der Kläger keinerlei Tatsachen. Insbesondere hat er in seiner Anhörung vor dem Arbeitsgericht auch keinerlei konkrete Angabe zu einem „KLSK-Vorfall“ getätigt. Auch wenn der Zeuge R. vor dem Arbeitsgericht ausgesagt hat, der Kläger habe ihm unmittelbar nach der Anhörung vom 13.01.2021 den Inhalt der Anhörung mitgeteilt, dass ihm außer dem „Pizzafall“ noch andere Vorhaltungen gemacht worden seien, wird daraus nicht deutlich, von welcher Tatsachenkenntnis der Beklagten seitens des Klägers ausgegangen wurde. Ungeachtet des Umstandes, dass der Zeuge R. selbst bei dem Gespräch am 13.01.2021 nicht anwesend war und diesbezüglich keine eigenen Wahrnehmungen bekunden kann, sondern sich seine Wahrnehmung lediglich darauf bezieht, was ihm der Kläger mitgeteilt hat, ermöglicht die Aussage des Zeugen R. keine Rückschlüsse auf die bei der Beklagten am 13.01.2021 vorliegende Tatsachenkenntnis. Welche Tatsachen mit einem Schlagwort wie z.B. „Fa. J.“ als der Beklagten bekannt bezeichnet werden sollen, erschließt sich nicht. Vorliegend wirft die Beklagte dem Kläger zur Begründung der Kündigung vom 16.02.2021 zwei Fälle im Zusammenhang mit der J. F.-bau GmbH vor. Welcher dieser Fälle, ob vielleicht beide oder keiner von diesen beiden, sondern ein dritter Fall Gegenstand der Unterredung am 13.01.2021 gewesen sein sollen, lässt sich nicht ansatzweise nachvollziehen. Mangels Tatsachenvorbringens ist es der Beklagten nicht möglich, durch eine substantiierte Stellungnahme zu erwidern. Ebenso verhält es sich zu der Frage, ob eine Tatsachenkenntnis für einen Verdacht oder für die Überzeugung einer Tat bestanden haben soll. Falls am 13.01.2021 einen Verdacht begründende Tatsachenkenntnis vorgelegen haben sollte, schließt dies eine spätere Kenntnis eine Tat begründender Umstände nicht aus und hat keinen Einfluss auf den Lauf einer diesbezüglichen Erklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB.

Soweit es um die hier vorgeworfene Pflichtverletzung der fehlerhaften Reisekostenabrechnung für den 26./27.06.2019 geht, war ein Abgleich der Reisekostenabrechnungen des Klägers mit seinen E-Mails erforderlich, um überhaupt erstmal einen Verdacht einer Pflichtwidrigkeit zu erlangen. Dass die Beklagte bereits am 13.01.2021 Zugang zu dem klägerischen E-Mail-Postfach hatte, mag zwar theoretisch möglich gewesen sein, Anhaltspunkte dafür, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, liegen jedoch nicht vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seines Passwortes zumindest bis zur Abgabe des Laptops am 20.01.2021 alleinige Verfügungsgewalt über sein E-Mail-Postfach hatte und der Beklagten erst nach Freischaltung dieses E-Mail-Postfachs die Möglichkeit eingeräumt war, vom Inhalt der klägerischen E-Mails bzw. seines E-Mail-Kontos Kenntnis zu nehmen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass diese Freischaltung am 04.02.2021 erfolgt ist. Die Zeugin J. S. hat in ihrer Vernehmung den Ablauf derart geschildert, dass sie die IT-Abteilung am 04.02.2021 um Freischaltung gebeten und nach Freischaltung des E-Mail-Postfachs mit Hilfe der Mitarbeiter A. und H. einen Abgleich der E-Mails mit den Reisekostenabrechnungen im System und in Papierform, dem Outlook-Kalender und den Besuchsberichten des Klägers durchgeführt hat und auf diese Art und Weise auf weitere Unstimmigkeiten gestoßen ist. Diese Schilderung wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen F.. Dieser hat erklärt, dass er in seinem E-Mail-Postfach nachgeschaut hat und nach einer E-Mail vom 04.02.2021 Frau S. an diesem Tag das Passwort für das E-Mail-Postfach des Klägers erhalten hat.

Soweit der Zeuge B. sich nicht mehr im Einzelnen an die Freischaltung erinnern konnte, ist seiner Aussage jedoch die klare Erinnerung zu entnehmen, dass er das Konto des Klägers freigeschaltet hat. Dass er im Übrigen weder an den Zeitpunkt der Freischaltung noch die Art und Weise der Freischaltung eine Erinnerung hatte und hierzu keine Aussage tätigen konnte, ist angesichts des Zeitablaufs und des Umstandes, dass er keinerlei Zugang mehr zu seinem E-Mail-Postfach usw. bei der Beklagten aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hat, nachvollziehbar. Seine klare Erinnerung, dass die Freischaltung durch ihn erfolgt ist, stützt jedoch die seitens der Beklagten dargestellte, von dem Zeugen B. verfasste E-Mail vom 04.02.2021 zu dieser Freischaltung. Gerade die fehlende detaillierte Schilderung macht die Aussage des Zeugen B. glaubhaft. Aufgrund seines derzeitigen Wohnortes besteht weder ein örtliches Näheverhältnis zu einer der Parteien noch sind persönliche Verbindungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten erkennbar.

Der Zeuge A. hat in seiner Aussage ebenfalls geschildert, dass die Recherche-Arbeit zu Unstimmigkeiten zu Reisekostenabrechnungen des Klägers nach Vorliegen der E-Mail des Herrn B., durch welche Zugriff auf das klägerische E-Mailkonto gewährt worden sei, durchgeführt wurden. Die Aussage des Zeugen A. ist allerdings nicht eindeutig im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu welchem Frau S. Zugriff auf das klägerische E-Mail-Konto gewährt wurde. Er hat ausgesagt, dass es etwa eine Woche, anderthalb Wochen oder zwei Wochen nach Ausspruch der Mitteilung über die Entlassung des Klägers gewesen sei.

Die Aussage der Zeugin H. ist im Hinblick auf die Übergabe der Reisekostenabrechnungen für einen konkreten Zeitpunkt unergiebig. Zwar hat sie auf Nachfrage konkret angegeben, der Ordner sei Frau S. am 4. Februar 2021 übergeben worden. Sie habe auf Anweisung der Frau S., im Hinblick auf die Zeugenaussage die Daten nochmal anzuschauen, ihr E-Mail-Postfach angesehen und dabei festgestellt, dass in einer E-Mail stand, dass der Account des Klägers freigegeben sei. Andererseits erweckt ihre Aussage den Eindruck, sie habe an dem Tag, an dem sie auf den Kunden P. und eine damit zusammenhängende Reisekostenabrechnung des Klägers angesprochen worden sei, Frau S. den Ordner für die Reisekostenabrechnungen übergeben und ihr gezeigt, wie man Reiseberichte im System finden könne und auf welchen Konten was gebucht werde.

Auch wenn die Zeugenaussagen für die Beweisfrage der Freischaltung des E-Mailaccounts und des Zeitpunktes der Freischaltung mehr oder weniger ergiebig sind und angesichts der bestehenden Arbeitsverhältnisse einiger Zeugen zur Beklagten eine Tendenz zur Unterstützung der Beklagten bestehen könnte, geht die Kammer aufgrund der Schilderung der Abläufe und des Verfahrens bei Ausscheiden eines Mitarbeiters mit dem Account sowie des sich danach erbenden Gesamtbildes von einer Freischaltung am 04.02.2021 aus. So haben die Zeugen B. und F. geschildert, dass bei Ausscheiden eines Mitarbeiters diesem der VPN-Zugang verwehrt und das E-Mailkonto gesperrt bzw. deaktiviert wird. Dies dürfte bei dem Kläger frühestens am 20.01.2021 geschehen sein. Dass es für die Zeugin S. vor dem 04.02.2021 Veranlassung gab, sich das klägerische E-Mailkonto freischalten zu lassen, ist nicht ersichtlich. Eine solche Veranlassung ordnet sich vielmehr nach dem Geschehensablauf erst für den 04.02.2021 ein. Nachdem durch den Mitarbeiter F. nach Rückgabe der Arbeitsutensilien des Klägers der Anschluss einer privaten Festplatte an den dienstlichen PC festgestellt und aufgrund der am 22./23.01.2021 bei dem Herrn R. erfolgten IT-Durchsuchung Kenntnis von der durch den Kläger an Herrn R. weitergeleiteten E-Mail vom 12.09.2019 zur Übermittlung von Angebotsdaten erlangt worden war. Dies hat die Beklagte zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 03.02.2021 veranlasst. Es erscheint plausibel, dass Frau S. daraufhin derart misstrauisch geworden ist, dass sie sich angehalten fühlte, das klägerische E- Mailkonto usw. nach möglichen weiteren Pflichtverletzungen des Klägers zu durchsuchen und den Umfang des mit dieser Recherchearbeit verbundenen Arbeitsaufwandes auf sich zu nehmen.

Im Hinblick auf die Reisekostenabrechnung bezüglich einer Fachtagung Fachausschuss vom KLSK in H-Stadt 26./27.06.2019 konnte ein Verdacht auf die Richtigkeit der Abrechnung lediglich durch Abgleich des E-Mail-Verkehrs entstehen. Per E-Mail vom 11.06.2019 hat der Kläger seine Teilnahme sowie eine Teilnahme des Herrn R. an einer Sitzung des KLSK abgesagt, ohne ein Datum dieser Sitzung zu benennen. Die von Herrn R. am 17.06.2019 an den Kläger gesandte E-Mail bezieht sich auf die Bitte des Herrn J. B. aus der E-Mail vom 16.06.2019 zur Übermittlung der am 07.02.2019 gefertigten Protokolle, um in der Sitzung am 24.06.2019 gravierende Untersuchungsergebnisse auflisten zu können. Die Beklagte hat sich sodann bei dem K. L.-kreis e.V. nach einer Fachtagung bzw. einer Teilnahme des Klägers an einer Fachtagung am 26./27.06.2019 erkundigt. Erst mit Antwort-E-Mail der Frau K. K. vom 15.04.2021 hat die Beklagte davon erfahren, dass eine Teilnahme des Klägers an einer Sitzung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte vollständige Kenntnis von den eine Tatkündigung begründenden Tatsachen. Bis dahin mag aufgrund der durch den Kläger erfolgten Absage und dennoch durchgeführten Reisekostenabrechnung rechtlich begründet ein Verdacht des Spesenbetrugs vorgelegen haben, nach Überzeugung der Beklagten möglicherweise sogar ein vollzogener Spesenbetrug. Erst durch die Mitteilung des Ladungssicherungskreises durfte die Beklagte jedoch von einer „Tat“ ausgehen, weil sie erst zu diesem Zeitpunkt sichere Kenntnis von einer Nichtteilnahme des Klägers an der von ihm angegebenen Sitzung und somit erst zu diesem Zeitpunkt von den die Kündigung begründenden Tatsachen hatte. Die Kündigung vom 16.02.2021 ist jedoch davor, bereits am 17.02.2021, zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt konnte die für eine wegen einer Tat ausgesprochenen Kündigung bestehende Kündigungserklärungsfrist nicht verstrichen sein.

Was den Bewirtungsbeleg vom 02.07.2020 mit der Bezeichnung „Herrn B.“ angeht, ist ebenfalls plausibel, dass die Beklagte durch einen Abgleich der Reisekostenabrechnung mit den Reiseberichten, dem Terminkalender des Klägers sowie dessen E-Mail-Postfach auf die Möglichkeit des Verdachts eines Abrechnungsbetruges aufmerksam geworden ist. Jedenfalls hat sie erst aufgrund des zwischen ihrem Geschäftsführer P. S. und Herrn B. geführten Telefonats Kenntnis davon erhalten, dass Herr B. entgegen der klägerischen Angaben zum 02.07.2020 nicht mit dem Kläger in H-Stadt zu einem Geschäftsessen war. Auch dieses Gespräch fand erst nach dem Zugang der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung am 17.02.2021 statt und verschaffte der Beklagten Kenntnis von einer unberechtigten Abrechnung eines Geschäftsessens.

Bezüglich der Reisekostenabrechnung 21. – 23.10.2020 wegen einer KLSK Ausschusssitzung in F-Stadt war aufgrund des Abgleichs der klägerischen Reiseberichte, seines Terminkalenders sowie der E-Mails der Hinweis auf eine mögliche unzutreffende Abrechnung gegeben. Erst durch die E-Mail der Frau E. vom 19.05.2021 hat die Beklagte jedoch Kenntnis davon erlangt, dass im Jahr 2020 kein Ausschuss getagt hat. Damit stand erst zu diesem Zeitpunkt fest, dass der Kläger an einer Ausschusssitzung nicht wie von ihm in der Reisekostenabrechnung dargestellt, teilgenommen hat. Die Beklagte hat somit erst am 19.05.2021 Kenntnis von den die Kündigung begründenden Tatsachen erlangt.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB war folglich für die hier maßgeblichen Kündigungsgründe bei Zugang der Kündigung am 17.02.2021 nicht verstrichen.

e)

Schließlich scheitert die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 16.02.2021 nicht an der in einem Abwicklungsvertrag vom 20.01.2021 bzw. 27.01.2021 enthaltenen Generalquittung. Ungeachtet des Bestehens einer derartigen Vereinbarung bezieht sich die von der Beklagten formulierte Ausgleichsquittung lediglich auf Ansprüche. Der Ausspruch einer Kündigung stellt jedoch die Ausübung eines Gestaltungsrechts, nicht die Geltendmachung eines Anspruchs dar. Eine Erklärung der Erledigung von Ansprüchen bildet jedoch nicht gleichzeitig einen Verzicht auf die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Soll ein dementsprechender Verzicht erfolgen, muss dieser vielmehr ausdrücklich erklärt werden. An einer solchen Erklärung fehlt es jedoch.

Insgesamt ist somit die Kündigung vom 16.02.2021 wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 17.02.2021 beendet.

3.

Dem Kläger steht ein weiterer Zahlungsanspruch für den Monat Februar 2021 in Höhe von 2.708,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 gegen die Beklagte zu.

Der Kläger verfügt gemäß § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB über einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts für den Zeitraum vom 06.02.2021 – 17.02.2021. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis bis zum 05.02.2021 mit einem Vergütungsbetrag in Höhe von 1.516,81 € brutto abgerechnet. Sie hat den Kläger aufgrund der am 20.01.2021 erfolgten Freistellung von der Arbeitsleistung sowie der am 03.02.2021 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, zugegangen am 05.02.2021, nicht mehr beschäftigt und befand sich nach Ausspruch der unwirksamen Arbeitgeberkündigung vom 03.02.2021 in Annahmeverzug (§ 293 ff BGB), ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Kläger erforderlich gewesen wäre (vgl. BAG, Urteil vom 21.10.2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 19, juris). Durch den Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Zur Vermeidung des Annahmeverzuges hätte sie dem Kläger nach § 296 Satz 1 BGB rechtzeitig eine vertragsgemäße Arbeit zuweisen müssen.

Die Beklagte schuldet die arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttomonatsvergütung in Höhe von 6.500,00 € für die im Monat Februar 2021 anfallenden 20 Arbeitstage. Für die bis zum 17.02.2021 anfallenden 13 Arbeitstage stehen dem Kläger somit 4.225,00 € brutto zu. Da die Beklagte hierauf bereits 1.516,81 € brutto geleistet hat, steht der Betrag in Höhe von 2.708,19 € brutto aus.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug (§§ 286, 288 BGB).

III.

Im Übrigen waren die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen, weil dem Kläger keinerlei weitergehende Zahlungsansprüche mehr zustehen.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum nach dem 17.02.2021 keinen Vergütungsanspruch, denn mangels Arbeitsleistung sowie infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 17.02.2021 kann der Kläger für die Zeit ab dem 18.02.2021 keinerlei Anspruch wegen geleisteter Arbeit und ebenfalls nicht wegen Annahmeverzugs gegen die Beklagte erheben.

2.

Für die den Zeitraum Dezember 2020 bis zum 17.02.2021 steht dem Kläger kein Vergütungsdifferenzzahlungsanspruch zu. Der Kläger verfügt nicht über einen 6.500,00 € übersteigenden Vergütungsanspruch in Höhe von weiteren 1.000,00 € brutto pro Monat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass nach einer Parteivereinbarung die Zahlung der zusätzlichen 1.000,00 € an die Ausübung der Funktion der Leitung des Außendienstes durch den Kläger gekoppelt war. Zwar sind ausdrückliche auf eine derartige Vereinbarung lautende Erklärungen der Parteien nicht dargestellt, sie sind jedoch aus dem Parteiverhalten konkludent zu entnehmen. Der Gleichlauf von Zahlung und Ausübung der Funktion der Außendienstleitung weisen auf eine derartige Vereinbarung hin wie auch das klägerische Verhalten nach Entzug der Tätigkeit. Die Beklagte hat die monatlich um 1.000,00 € erhöhte Vergütung nur für den Zeitraum geleistet, in welchem der Kläger diese Position auch tatsächlich innehatte. Die Auszahlung der Leistung begann mit dem Monat März 2019 und endete mit dem Entzug der Position im November 2020. Damit hat die Beklagte ausgedrückt, dass die erhöhte Vergütung einen Ausgleich für die übertragene Position bilden sollte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nach Entzug der Position Außendienstleitung eine Weiterzahlung der 1.000,00 € monatlich kurzfristig bzw. vor Klageerhebung überhaupt geltend gemacht hat. Dies hätte jedoch nahegelegen, wenn er selbst davon ausgegangen wäre, dass ihm die Zahlung unabhängig von der Position zustehe.

Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass möglicherweise der Entzug der Tätigkeit mit der damit einhergehenden Verringerung des monatlichen Vergütungsanspruchs rechtlich wirksam lediglich durch Änderungskündigung möglich gewesen wäre, der Kläger hat sich jedoch nicht gegen den Entzug der Tätigkeit gewandt und auch keine dementsprechende Beschäftigung von der Beklagten verlangt. Dies deutet eher darauf hin, dass er mit dem Entzug der Tätigkeit und der damit verbundenen Verringerung seines Vergütungsanspruchs einverstanden war. Jedenfalls hätte er, wenn dieses Einverständnis nicht vorgelegen haben sollte, die Beklagte im Hinblick auf eine Tätigkeit der Leitung des Außendienstes durch ein im ungekündigten Arbeitsverhältnis erforderliches tatsächliches Angebot gerade dieser Arbeitsleistung in Annahmeverzug setzen müssen. Dies ist jedoch weder kurzfristig nach Entzug der Position im November 2020, noch bis zur Freistellung des Klägers im Januar 2021 geschehen.

Soweit sich der Kläger auf betriebliche Übung bezieht, hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche nur dort zur Anwendung gelangen kann, wo es an einer Parteivereinbarung fehlt, eine solche vorliegend jedoch gegeben ist. Zudem hat der Kläger keinerlei betriebliche Übung vorgetragen, nach welcher ihm ohne Ausübung der Position der Außendienstleitung eine monatliche Prämie von 1.000,00 € brutto gezahlt worden wäre. Die von dem Kläger zur Begründung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung angeführten Tatsachen stellen vielmehr dar, dass er während der Zeit, in welcher er die Funktion ausgeübt hat, eine zusätzliche Zahlung von 1.000,00 € brutto monatlich erhielt. Eine anderslautende betriebliche Übung ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Letztendlich übersieht der Kläger, dass derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen dieses Rechts im Einzelfall vorzutragen und im Falle des Bestreitens zu beweisen hat. Es ist deshalb Sache des Klägers eine Anspruchsgrundlage für die von ihm begehrte monatliche Zahlung von 1.000,00 € brutto darzulegen. Der Kläger hat jedoch eine vertragliche Absprache der Parteien in der Form übereinstimmender Willenserklärungen für eine monatliche Zahlung von 1.000,00 € unabhängig von der Außendienstleitung nicht darzustellen vermocht. Da er eine anderweitige Grundlage für einen derartigen Anspruch nicht benennen, sich insbesondere nicht auf betriebliche Übung stützen kann, steht ihm die geforderte Zahlung nicht zu.

3)

Der Kläger kann sich ebenso wenig auf die Leistung einer Quartalszahlung durch die Beklagte für das IV. Quartal 2020 und das I. Quartal 2021 berufen. Wie das Arbeitsgericht bereits festgestellt hat, steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Quartalsprämie in Höhe von jeweils 1.800,00 € brutto für das IV. Quartal 2020 und das I. Quartal 2021 zu.

a)

Unstreitig ist die Verständigung der Parteien über die Zahlung einer Quartalsprämie abhängig von dem Erreichen eines bestimmten Quartalsziels erfolgt. Insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Vorliegen einer Nebenabrede an. Unstreitig sind die Quartalsziele im IV. Quartal 2020 und I. Quartal 2021 nicht erreicht worden. Weshalb dennoch ein klägerischer Anspruch auf Auszahlung begründet sein soll, hat der Kläger nicht darzulegen vermocht. So hat der Kläger keinerlei Verständigung der Parteien dahingehend, dass ohne Erreichen eines Quartalsziels eine Quartalsprämie geleistet werden soll, dargestellt. Er hat nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt welche Personen Willenserklärungen mit einem entsprechenden Inhalt abgegeben haben könnten. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheitert daran, dass ein solcher unabhängig davon, dass er nur im Falle des Nichtvorliegens einer vertraglichen Abrede überhaupt entstehen kann, eine dreimalige vorbehaltlose Leistung voraussetzt. Eine solche ist vorliegend jedoch nicht erfolgt, sondern es ist jeweils die Prämie in Abhängigkeit von Erreichen des Quartalsziels geleistet worden. Soweit die Beklagte in 2 Fällen die Quartalprämie ohne Zielerreichung geleistet hat, ist dies nicht ausreichend, eine betriebliche Übung begründen zu können.

b)

Eine Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ist dem Kläger insoweit verwehrt, weil er keinerlei Tatsachen dazu vorgetragen hat, dass eine vergleichbare Situation gegeben ist und die Voraussetzungen eines daraus resultierenden Anspruchs erfüllt sein könnten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Der Kläger hat keine Leistung der Beklagten nach einer von ihr gesetzten Regel, einem erkennbaren generalisierenden Zweck an Arbeitnehmer dargestellt, die sich in vergleichbarer Lage befinden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz vermag danach nicht als Anspruchsgrundlage zu dienen.

4)

Schließlich kann sich der Kläger nicht auf einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung wegen Entzugs des Dienst-PKWs gegen die Beklagte berufen. Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug am 12.02.2021 an die Beklagte zurückgegeben. Für den Zeitraum ab dem 13.02.2021 – 17.02.2021 steht ihm eine Nutzungsentschädigung dennoch nicht zu.

Der Kläger hat insoweit die erforderlichen Voraussetzungen nicht dargetan. Er kann sich nicht auf § 280 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 283 BGB, § 251 BGB stützen. Ein Anspruch nach diesen Normen setzt voraus, dass die Beklagte die ihr obliegende Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat und dem Kläger hierdurch ein Nutzungsausfallschaden wegen der ihm entgangenen privaten Gebrauchsmöglichkeit entstanden ist (vgl. BAG, Urteil vom 13.04.2010 – 9 AZR 119/09 – Rn. 54, juris; BAG, Urteil vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – Rn. 41, juris). Im Arbeitsvertrag ist keinerlei Regelung zu einem Dienstfahrzeug enthalten. Danach haben die Parteien einen generellen vertraglichen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens unabhängig von einer konkreten Dienstwagenvereinbarung nicht begründet. Eine Dienstwagenvereinbarung ist ebenfalls nicht zur Akte gelangt. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob im konkreten Fall eine Verpflichtung der Beklagten zur Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung trotz der am 20.01. 2021 erfolgten Freistellung von der Arbeitsleistung und dem damit verbundenen Wegfall der dienstlichen Nutzung des Fahrzeugs bestand. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung im Zeitraum 13.02.2021 bis 17.02.2021 geschlossen werden könnte.

Darüber hinaus ist eine Verletzung einer derartigen etwaigen Pflicht nicht nachvollziehbar. Insbesondere fehlt es an einem Vortrag des Klägers dahingehend, dass er den PKW auf Veranlassung der Beklagten gerade zu diesem Zeitpunkt zurückgegeben hat. Der Kläger hat sich selbst nach Zugang der Kündigung vom 03.02.2021 wegen der Rückgabe des Dienst-PKWs an die Beklagte gewandt. Dass die Rückgabe des Kraftfahrzeugs am 12.02.2021 auf ein einseitiges Verlangen der Beklagten zurückgeht, nicht auf eine Initiative des Klägers oder eine einvernehmliche Vereinbarung der Parteien, ist nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte dem Kläger die private Nutzungsmöglichkeit entzogen hat, indem sie ihn zur Herausgabe des ihm überlassenen PKW aufgefordert hat. Eine Verletzung einer etwaig zur Überlassung begründeten Pflicht kann deshalb nicht festgestellt werden.

Insgesamt sind danach die Voraussetzungen, welche einen Schadenersatzanspruch des Klägers begründen könnten, nicht erfüllt. Ihm kann deshalb eine Entschädigung für einen Nutzungsausfall im Zeitraum 13.02.2021 bis 17.02.2021 nicht zugesprochen werden.

5)

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gegen die Beklagte zu.

Es kann dahinstehen, ob eine Abwicklungsvereinbarung unter dem 20./21.01.2021 zu Stande gekommen ist oder eine vom 27.01.2021, denn soweit dies der Fall sein und ein Abfindungsanspruch dadurch begründet worden sein sollte, ist ein solcher aufgrund der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 17.02.2021 hinfällig geworden. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob eine wirksame Anfechtung durch die Beklagte erfolgt ist.

Wenn eine Abwicklungsvereinbarung mit der Begründung eines eigenständigen Abfindungsanspruchs zu Stande gekommen ist, steht eine solche regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungstermin fortgesetzt wird. Löst später eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 10.11.2011 – 6 AZR 342/10 – Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 217/00 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 29.01.1997 – 2 AZR 292/96 – Rn. 43, juris). Wird in einem Aufhebungsvertrag sowohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt als auch die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer geregelt, dann spricht aufgrund der Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts eine Vermutung dafür, dass beide Inhalte des Rechtsgeschäfts untrennbar miteinander verknüpft sind. Der Arbeitgeber zahlt die Abfindung, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund der Vereinbarung beendet wird. Der Arbeitnehmer wirkt rechtsgeschäftlich an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit, weil er die Abfindung erhält. Kann die Aufhebungsvereinbarung nicht ihre Beendigungswirkung entfalten, weil das Arbeitsverhältnis zuvor aufgrund anderer Ursache beendet wird, dann entfällt auch der Abfindungsanspruch (Boemke/Danko, DB 2006, 2461,2462).

Vorliegend stand somit eine etwaig zu Stande gekommene Abwicklungsvereinbarung unter der aufschiebenden Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2021 bzw. der dem Kläger gestatteten vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 16.02.2021 mit ihrem Zugang am 17.02.2021 aufgelöst wurde, bestand es nicht bis zum 30.06.2021 und war bereits bei Ausspruch der Eigenkündigung am 14.03.2021 zum 31.03.2021 beendet. Eine Abwicklungsvereinbarung kann damit nicht mehr als Grundlage eines Abfindungsanspruchs dienen.

Da eine anderweitige Anspruchsgrundlage für die Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung nicht gegeben ist, besteht kein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklage auf eine derartige Leistung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative ZPO. Jede Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens bzw. Unterliegens.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) bestehen nicht.

 

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